0mi und Opi hatten 7 Kinder. Das war eine typische Familie vom Land. Sie mussten im Krieg nicht hungern hatten aber auch jeder seinen Teil zum Wohlstand der Familie beizutragen. Es war immer wieder herrlich, wenn Mutti oder ein Onkel oder Tante aus dem Nähkästchen geplaudert haben und von ihrer nicht immer leichten Kindheit erzählt haben.
Sie haben durch Dick und Dünn zusammen gehalten und Oma wollte immer, dass das auch nach ihrem Ableben so bleibt. So wünschte sie es sich jedes Jahr, wenn ihr Geburtstag mal wieder zu einem doch ziemlich großen Sommerfest ausgeartet war. Ihre Kinder hatten ja inzwischen Ehepartner und Kinder und deren Kinder teilweise auch schon wieder Kinder. - Wir sind irgendwie schon ein ziemlich großer Haufen.
Und er kam irgendwann, der Tag an dem Oma Geburtstag hatte, aber keine Oma mehr da war. Noch einmal feierten wir bei den Großeltern im Garten. Nur war es in diesem Jahr ruhiger und auch die eine oder an der Träne floss die Wangen hinunter.
Noch im selben Jahr ging auch Opa von uns. Er hat den Verlust seiner Frau einfach nicht verwinden können. Für die Geschwister war von Anfang an klar, dass man trotzdem weiter zusammenhalten wollte. Und so wurde das große Familiensommerfest ins Leben gerufen. Das bedeutete, dass wir einmal im Jahr irgendetwas gemeinsam unternommen haben. Das fing an mit Wanderungen zu bei uns ziemlich populären Zielen wie der große Hörselberg oder Rundwanderwege im Hainich. Daran angeschlossen ein Grillabend oder Übernachtungen in Jugendherbergen.
Später waren es Kutschfahrten oder Kegelturniere. Schlauchbootfahrten auf der Werra mit ungewollten Badeeinlagen und viele Späße mehr.
Später kamen dann auch die ersten runden Geburtstage von Onkeln oder Tanten. In dem Fall wurde dann von der jeweiligen Person etwas spendiert oder extra bezahlt. Da wurden dann nachmittägliche Aktionen mit abendlichen Parties kombiniert. Und da ist mir eine Party noch in Erinnerung, als hätten wir sie erst gestern gefeiert. Es war ein herrlicher Abend. Leider auch der letzte mit der ganzen Familie, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Die jüngste meiner Tanten und ihr Ehemann hatten im selben Jahr einen runden Geburtstag. Ich glaube, es war der vierzigste. Wir feierten in einer Jugendherberge. Das bedeutete, dass wir das Gebäude und das dazugehörige Gelände gemietet hatten und ansonsten Selbstversorger waren. Aber auch darin waren wir ja geübt. Die Geburtstagskinder hatten die Location bezahlt und in den ganzen Rest hatte sich die gesamte Familie rein geteilt. Heutzutage bezeichnet man so etwas wohl als Mitbringparty.
Um die Mittagszeit trudelten wir alle so nach und nach ein. Die Zimmer wurden in Beschlag genommen und man richtete seine Schlafgelegenheit ein. In dieser Zeit brodelte schon der Kessel mit der Gulaschsuppe über dem offenen Feuer. Und so wurde dann gemeinsam so etwas wie ein Mittag gegessen.
Die Suppe war lecker! Dazu ein frisches Brötchen und die Welt war für alle in Ordnung. Was danach kam, wurde im Vorfeld aber nicht abgesprochen Ganz spontan hatte jemand eine Schnipseljagd durch den Wald vorbereitet. Die Teilnahme war freiwillig, aber für einen Spaß waren wir alle schon immer zu haben. Schnell hatten sich vier bunt gemischte Gruppen gebildet und auf Los ging es los.
Ich war in einer Gruppe mit meinem Lieblingsonkel, meiner Mutter, dem frisch angetrauten Ehemann einer Cousine und der Freundin eines Cousins. Wir konnten uns schnell von einer Station zur anderen voran arbeiten und haben sogar die vor uns gestartete Gruppe überholen können. Wir wollten so schnell wie möglich ans Ziel kommen, da auch ein "toller Preis" in Aussicht gestellt wurde. Blieb nur zu hoffen, dass am Ende wir nicht doch eine Niete zogen. Denn das Ziel bestand aus einem Lostopf. Hier durfte jede Gruppe in der Reihenfolge ihres Ankommens einmal ziehen. So konnten auch die Letzten noch Sieger werden. - Und es kam so. Wir waren zwar als erstes am Ziel, was übrigens wieder bei der Herberge war, haben dann aber doch eine Niete gezogen.
Der Sieger gewann ein ganzes, schlachtreifes Schwein. Es bestand aus Marzipan und so gab es auch den ersten großen Lacher des Tages.
Nach dem Abendessen, zu dem natürlich gegrillt wurde, zog sich alles nach drinnen, da es langsam frisch wurde.
Und jetzt ging es erst richtig los. Es wurde getanzt, zu Musik aus der Conserve. Eine Tante trug ein selbst gereimtes Gedicht vor und es gab eine Tombola. Ich gewann einen Staubsauger von Vorwerk. Der entpuppte sich als grüner Staublappen...
Weiter gab es noch eine Spülmaschine, also einen Aufwaschlappen. Eine Küchenmaschine entpuppte sich als Schneebesen und ein Pfund Gehacktes war nichts weiter als 500g klein gehacktes Holz. - War das ein Gelächter.
Die Erholung, in Form von Musik, dauerte nicht lang. Plötzlich plärrte Rockmusik durch den Raum und die tanzenden Paare wurden von meinem Cousin auf einem Dreirad auseinander getrieben. Er hatte einen Helm auf und eine Motorradjacke an. Zuerst wusste niemand, wie er reagieren sollte. - Die Auflösung gab es in Form eines Umschlags. Es handelte sich um nichts weiter, als das Geburtstagsgeschenk für die neuen Vierziger. Wir hatten zusammen gelegt und die beiden bekamen einen Gutschein, mit dem sie sich an einem Wochenende ihrer Wahl ein Drike ausleihen konnten. - Das hatten sie sich gewünscht und das Hallo war riesig.
Kennt ihr den Song "Die Glocken von Rom"? - Ich seit dem Abend schon. Und das er von Heike Schäfer gesungen und von Ralf Siegel komponiert wurde, habe ich schnell gegoogelt.
Plötzlich wurde es dunkel im Raum. Vier rote Kutten, unter denen wohl vier Onkel steckten, kamen langsam mit Kerzen in den Raum gelaufen. Als sie in einer Reihe standen, gingen die Kerzen aus und eben jener Song begann zu spielen. Als der Gesang los ging, tauchte der Dreiradcousin im roten Dirndl und schwarzer Langhaarperücke auf. Er lieferte ein perfektes Playback ab und miemte eine total von sich überzeugte Frau. Er tat so, als trällerte er sein Lied, als plötzlich eine Tante schrie: "Da ist mein rotes Kleid! Das wollte ich heute anziehen!" Und wieder ein Brüller für alle. Und kaum hatten wir uns von dem erholt, kam der Höhepunkt des Abends, wenn man das so nennen kann. Der Refrain des Liedes stand an. Frau Schäfer sang die Textzeile "Die Glocken von Rom ...", in dem Song hörte man die Glocken von Rom, als die roten Kutten auf gingen, vier Paar behaarte Männerbeine erschienen im Rampenlicht, welche mit einer abenteuerlichen Konstruktionen aus Bratpfanne und Suppenkelle behangen waren. Die Knie der vier Paar Beine gingen auseinander, die Suppenkelle ziehlte genau auf die empfindlichste Stelle des Mannes, welche aber durch die Bratpfanne geschützt war. Es machte vier mal "plong" und schon gingen die Kutten wieder zu.
Wir lachten uns die Seele aus dem Leib. Stellenweise lagen die Leute mit Tränen in den Augen auf dem Tisch. Und kaum waren die Lachsalven verklungen, kam wieder der Refrain mit eben beschriebenen Szenario und alles begann wieder von vorne.
Als das Lied zu Ende war, hatte ich regelrechte Bauchschmerzen und konnte schlicht und ergreifend nicht mehr.
Nach dem Auftritt der Kuttenmänner wurde einfach nur noch gefeiert und getrunken. Der Abend wurde feuchtfröhlich und lustig. Und irgendwann verkrümelten sich die Leute so nach und nach ins Bett.
Leider war das die letzte Feier der Familie in dieser Form. Denn im folgenden Jahr lebte sich alles irgendwie auseinander. Es gab den einen oder anderen Vorfall, der Streit verursachte und es bildeten sich Grüppchen in der Familie. - Es gibt noch Familienfeiern, aber nicht mehr mit allen. Immer nur ein Teil feiert gemeinsam.
Ich für meine Teil, behalte diese letzte Feier in guter Erinnerung und bedauere den Bruch, der leider nun mal da ist.
Texte: Rika Wächter
Bildmaterialien: Rika Wächter und Pixabay
Lektorat: *** niemand ***
Tag der Veröffentlichung: 09.02.2015
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