Endlich war es Sommer, endlich konnte Tim wieder mit seinen Eltern in den Urlaub fahren. - Die Familie wollte, wie in jedem Jahr, wieder auf den Campingplatz. Genau der Campingplatz, den sie in jedem Jahr besuchten. Wo Tim schon seine Freunde hatten, die auch immer dann dort waren, wenn die Familie auch dort Urlaub machte und wo er genau wusste, wo die besten Verstecke waren, in denen man sich nicht den leicht bekleideten Körper von oben bis unten aufkratzte.
„Das Wetter ist ja nicht gerade auf unserer Seite“, sagte der Vater als er den Dachgepäckträger mit den sperrigen Sachen belud. Missmutig blickte er nach oben, als ihm die Regenropfen mitten ins Gesicht trafen. - Es fing schon wieder an zu regnen und Tim`s Vater suchte schleunigst die trockene Garage auf, in der sich die Sachen türmten, die alle noch verladen werden mussten.
Die Mutter kam zu ihm in die Garage, um ihm auch noch die letzte Tasche zu bringen, die sie gerade fertig gepackt hatte. Mit einem Seufzen stellte sie sie zu den anderen.
„Papa, wenn das so regnet, kann ich gar nicht in meinem Zelt schlafen, da ist der Boden durchlöchert...“
Der Vater sah seinen Sohn an und blickte sich dann in der Garage um. Er kannte das Problem und wollte seinem Sohn ja schon längst ein neues Zelt gekauft haben, aber ihm hat keins gefallen und es ist doch bei dem alten geblieben. Genau deswegen hatte er vor nicht all zu langer Zeit auch diese Holzplattte von der Arbeit mitgebracht und sie genau auf die Zeltgröße zugeschnitten. - Ach da stand sie. Stolz zog er sie aus der Ecke hervor und präsentierte sie dem verdrießlich drein blickenden Tim. „Schau mal! Ein neuer Boden für dein Zelt. Die tun wir einfach drunter und bauen das Zelt drüber auf. Und schon hast du nicht nur einen trockenen, sondern auch einen kerzengeraden Zeltboden.“
Tim strahlte, wenigstens für ihn war der Urlaub in dem Moment gerettet.
Fast so, als hätte das Wetter ein Einsehen mit der Familie, hörte es dann auch bald auf zu regnen und das Auto konnte fertig gepackt werden.
Das stellte sich als gar nicht so einfach heraus, da die Mutter mal wieder viel zu viel eingepackt hatte. Dem Vater entfuhr das eine oder andere Schmipfwort und auch die Mutter wurde immer ungehaltener. Fast wäre es zu einem handfesten Streit gekommen, wenn Tim nicht die rettende Idee gehabt hätte. Er fand noch genau die Lücke im Kofferraum, die gebraucht wurde.
Und dann endlich ging die große Fahrt los. Auch hier kamen sie in den einen oder anderen Regenschauer, aber die drei saßen ja im Trockenen und waren im Moment alle damit beschäftigt, sich auf den Urlaub und die schöne Zeit zu freuen. Das Wetter würde sich sicher noch ändern. Sie hatten ja schließlich bereits Ende Mai und in der nächsten Woche sollte der Juni beginnen.
Auf dem Campingplatz angekommen, wagte sich sogar die Sonne schüchtern aus der dicken Wolkendecke hervor und Tim fing sofort damit an, sich eine schöne Stelle für sein Zelt auszuzuchen und seine Behausung für die nächsten drei Wochen aufzubauen und einzurichten.
Die Eltern rangierten in der Zeit den Wohnwagen an Ort und Stelle und bauten das Vorzelt auf, wo so etwas wie ein Küchen- und Essbereich für die Familie entstehen sollte.
Am Abend regnete es wieder. Nicht schlimm zwar, aber doch schlimm genug, dass sich alle Camper in ihre Wohnwagen und Zelte verkrochen. Tim saß in der Zeit mit seinen Eltern im beheizten Vorzelt und spielte Karten. Das tat er gern, wenn die Eltern denn mal Zeit für ihn hatten, aber irgendwann hatte er dann doch genug. Die Fahrt hatte ihn müde gemacht und er wollte sich schlafen legen. So putze er sich in der kleinen Nasszelle im Wohnwagen noch schnell die Zähne und rannte dann zu seinem Zelt, wo sein kuscheliger Schlafsack schon auf ihn wartete.
Doch vor seinem Zelt, besser gesagt, unter dem kleinen Vordach seines Zeltes hatte ein kleiner, brauner Hund Schutz gesucht. Sein Fell war nass und er blickte Tim mit großen, ängstlichen Augen an. „Hey, zu wem gehörst du denn?“ fragte Tim und hockte sich zu dem kleinen Kerl. Vorsichtig streichelte er ihm über das Fell und schlüpfte dann erst in sein Zelt und dann in sein Schlafsack. - Der Hund blieb indess die ganze Zeit liegen, beäugte Tim bei dem was er tat und zeigte ansonsten keine Regung.
Tim war müde. Er gähnte, streichelt dem Hund noch einmal über das Fell und machte dann das Zelt zu.
Als Tim am nächsten Morgen von seiner Mutter zum Frühstück geweckt wurde, war der Hund verschwunden. Tim nahm sich vor, mal die Augen auf zu halten, um herauszufinden, wem dieser kleine Kerl gehörte.
Auch an diesem Tag spielte das Wetter nicht besonders mit. Die Sonne war hinter grauen Wolken verschwunden und die Temperaturen alles andere als angenehm.
Tim hatte einen seiner Freunde wieder getroffen und tobte mit ihm durch den Schlamm, lies Papierschiffchen auf dem Fluss fahren, in dem sie zu gern wieder gebadet hätten, und suchte immer wieder nach dem kleinen Hund. - Doch er sah ihn nicht.
„Sag mal, bilde ich mir das ein, oder ist das Wasser im Fluss schon höher als normal?“ fragte die Mutter beim Abendessen.
Der Vater stand kurz auf, sah zum Vorzelt hinaus und sagte nur. „Nein, das ist so. Aber Tim sein Zelt ist nicht in Gefahr, da brauchen wir uns wohl keine Sorgen machen.“
Tim bekam es etwas mit der Angst zu tun. Das wollte er sich aber nicht anmerken lassen, weil es nichts Schlimmeres gab, als im Wohnwagen, bei den Eltern schhlafen zu müssen. Sowas tat doch ein Junge in seinem Alter nicht mehr. Auch nicht im Urlaub. Er hatte sein Zelt und da wollte er auch schlafen.
Nur widerwillig half Tim beim aufräumen und Geschirr spülen. Das lästige Aufwaschen war das einzige, was ihn an den Familienurlauben störte. Zu Hause hatten sie eine Spülmaschine. Da war das alles viel einfacher. - Er wollte viel lieber endlich in sein Zelt. Tagsüber hatte er sich eine Rolle Kekse hinein geschmuggelt, die wollte er heute Abend essen. Und weil das ja nach dem Zähneputzen war, durfte das die Mutter auf keinen Fall sehen. Außerdem fragte er sich, ob der kleine Hund wieder vor seinem Zelt liegen würde. Es regnete schließlich wieder und er brauchte doch auch ein Dach.
Der Hund war wieder da, als Tim zu seinem Zelt kam. Heute kuckte er schon nicht mehr ganz so scheu und Tim glaubte, dass er sogar ein wenig mit dem Stummel wackelte, den er hinten anstatt eines Schwanzes hatte. Tim streichelte ihn wieder und gab ihm sogar etwas von dem Keks ab. Dem Hund schien es zu schmecken und Tim erzählte ihm noch eine Weile, wie schade es doch ist, dass das Wetter einfach nicht schön werden wollte und dass er auch gern einen Hund hätte, die Mutter aber immer dagegen sei. Aber irgendwann wurden Tim seine Augen immer schwerer. Er streichelte den Hund noch einmal und machte dann das Zelt zu.
Auch am nächsten Morgen regnete es. Tim machte in aller Eile das Zelt auf, um nach dem Hund zu sehen. Aber der war wieder nicht mehr da. Statt dessen kam ihn heute sein Vater wecken. „Du bist schon wach? Das ist gut. Komm, wir wollen frühstücken. Heute wollen wir mal einen Ausflug machen. Wenn wir schon nicht baden können, dann sollten wir weenigstens etwas anderes unternehmen.“ Er strubbelte seinem Sohn noch einmal durch das Haar und machte sich dann schnell wieder auf den Weg zum Wohnwagen.
Während dem Frühstück liefen die Nachrichten und Tim bekam einen kleinen Schreck, als der Sprecher von den ersten Hochwassern berichtete, die so schlimm waren, dass Menschen sogar evakuiert werden mussten. Auch seine Mutter bekam einen Schreck und sagte: „Wenn das aber schlimmer wird, können wir hier nicht bleiben. Wir sollten vorsichtig machen...“
Der Vater winkte ab: „Jetzt male doch bitte mal nicht den Teufel an die Wand. Es ist doch gar nicht gesagt, dass das Hochwasser auch zu uns kommt. Wir machen heute erst einmal einen Ausflug und kucken uns was an.“ Und zu Tim sagte er augenzwinkernd: „Dein Freund kommt auch mit. Seine Eltern haben uns überhaupt erst auf die die Idee gebracht.“
Tim strahlte über das ganze Gesicht und freute sich nun auch auf den Tag.
Als die Familien vom Campingplatz herunter fuhren, musste Tim sein Vater einem kleinen, braunen Hund ausweichen. Der spazierte auf dem Weg entlang und erschrak nicht mal, als Tim sein Vater hupte.
Tim erkannte ihn ihm sofort seinen kleinen Freund, der ihn abends immer vor seinnem Zelt besuchte.
„Papa schau mal, der Hund!“ rief Tim aufgeregt vom Rücksitz. „So einen hätte ich gern.“
Der Vater kam nicht zu Wort, da die Mutter ihren Spruch schon auf den Lippen hatte, dass er keinen Hund bekäme, weil er mit Sicherheit das Interesse an ihm verlieren würde und sie keine Lust hätte, neben ihrem Job und dem Haushalt sich dann auch noch um einen Hund kümmern zu müssen.“
Tim nahm es gelassen. Bei dieser Ansage hatte er gelernt, auf Durchzug zu schalten.
Als die Familie am Abend auf den Campingplatz zurück kam, war der Parkplatz schon viel leerer. Viele Familien hatten ihren Urlaub hier abgebrochen. Der Fluss war nun schon deutlich über die Ufer getreten und das Wasser reichte schon bis an die Holzplatte, die unter Tim seinem Zelt lag.
„Tim, wir bauen dein Zelt ab. Du schläfst heute Nacht bei uns, im Wohnwagen.“, sagte der Vater ruhig.
Die Mutter war sofort auf Hochtouren und war der Meinung, dass sie sofort die Heimfahrt antreten müssten. Aber davon konnte sie der Vater abbringen, indem er aufzählte, wie lang er heute schon gefahren sei und dass es ewig dauern würde, bis man alles zusammengepackt hätte. Aber er wollte den Platzwart fragen, ob sie nicht auf einen der hinteren Plätze umziehen konnten, die heute frei geworden waren.
Tim half, sein Zelt abzubauen. Dabei sah er sich immer wieder nach dem kleinen Hund um, doch der war nicht in Sicht. Tim glaubte, dass er einer der Familien gehört hat, die heute abgereist waren. Und die hatten ihn dann auch wieder mit nach Hause genommen.
Auch das Vorzelt war schnell abgerissen und der Wohnwagen konnte auch umgeparkt werden. Das Abendessen gab es heute im beengten Wohnwagen, denn das Vorzelt hatten sie auf dem neuen Platz nicht wieder aufgebaut. Die Mutter traute dem Frieden nicht und wollte unbedingt abreisefertig sein, wenn sie am nächsten Tag wirklich fahren müssten.
Am Morgen wurde Tim vom geschäftigen Treiben seiner Eltern geweckt. Sie waren dabei, ihr Bett wieder in den Tisch umzubauen, damit die Familie frühstücken konnte.
Tim war sofort hellwach und wollte noch vor dem Frühstück unbedingt nach dem Wasser sehen.
„In Ordnung Tim. Aber du gehst nicht zu nah ran. Hast du mich verstanden?“
Tim rollte mit den Augen und und bejahte die Forderung. Er wollte doch nur kucken.
Als Tim ein Stück des Weges zu ihrem ursprünglichen Standplatz gelaufen war, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Der Fluss war über Nacht noch einmal angestiegen und überflutete nun ihre ganze Parzelle. Wie gelähmt blickte er die braune Brühe an, die sich hier so einfach breit gemacht hatte. Und was hier nicht alles schwamm. Tim sah einen Ball, der auf dem Wasser trieb und mit der Strömung mit gerissen wurde. Weiter hinten schwamm ein Eimer und von links kam gerade ein einsamer Badeschlappen angeschwommen. Tim blickte ihm nach. Der Schuh trieb direkt auf die Holzplatte zu, die sich an einem Baum verhakt hatte und fest hing. Tim erkannte sie als die Holzplatte, auf der sein Zelt gestanden hatte. Doch dann entdeckte er den kleinen Hund auf der Holzplatte. Er stand da, zitterte am ganzen Leib und blickte sich ängstlich um. Als er Tim entdeckt hatte, fing er fürchterlich an zu bellen. Er bellte so lautstark, dass er dabei mit den Vorderpfoten leicht hüpfte, was die Platte zum schwanken brachte.
Tim wischte die Lähmung, die sein Körper erfasst hatte, weg und rief dem Hund zu: „Sei ruhig, mach Platz! Du musst ruhig bleiben, ich hole Hilfe!“ Tim drehte sich um, er wollte seinen Vater holen, doch der Hund fing wieder an zu bellen.
„Ruhig, mein Freund. Bleib ruhig! Nicht, dass sich die Platte von dem Baum losreist. Ich hole meinen Papa, der kann uns helfen!
Jetzt war es, als hätte der Hund verstanden, was Tim gesagt hat. Er setzte sich vorsichtig hin und blieb ruhig.
Tim rannte sofort zum Wohnwagen, wo er seinen Vater ohne was zu sagen, an der Hand nahm und aus dem Wohnwagen raus zerrte. „Ich brauch deine Hilfe!“, sagte er nur und zog ihn weiter.
Der Vater folgte nur widerwillig und wollte wissen, was los war. Tim erzählte ihm die Geschichte mit dem kleinen Hund, der ihn abends bei seinem Zelt besuchte, ihnen am Vortag fast vor das Auto gelaufen wäre und sparte auch seine Vermutung nicht aus, dass der Hund herrenlos sei. „Aber wir müssen dem Hund trotzdem helfen!“, schloss er seine Erzählung.
Und schon waren sie am Wasser angekommen. Der Hund hatte ganz ruhig auf der Holzplatte ausgeharrt und sah sie kommen. Er wollte wieder bellen, aber Tim konnte ihn beruhigen.
Der Vater war erstaunt, wie gut sich dieser Hund und sein Sohn verstanden. Auch er war der Meinung, dass man diesen Hund nicht einfach seinem Schicksal überlassen konnte. „Tim, beruhige ihn weiter. Ich versuche an ihn ran zu kommen.“
Tim redete ruhig auf den Hund ein, der ihn mit aufmerksamen Augen zuhörte. Es war wieder, wie an dem einen Abend am Zelt, als Tim ihm sein Herz ausgeschüttet hatte und der Hund ihm zughört hat.
In der Zeit pirschte sich der Vater vorsichtig durch die braunen Fluten bis zu dem Brett vor. Er wollte den Hund gerade anfassen, als dieser knurrte. Er kannte den Vater nicht und traute ihm nun nicht.
„Tim,“ rief der Vater. „Versuch ihm klar zu machen, dass ich sein Freund bin. Ich muss ihn rüber tragen!“
Tim erklärte dem Hund ganz ruhig, dass er dem Mann vertrauen könne. Er redete mit dem Hund so, als würde er mit einem Freund reden. Der Hund hörte aufmerksam zu.“
Als der Vater ein zweites Mal versuchte, den Hund anzufassen, lies dieser sich bereitwillig hoch nehmen.
Vater und Hund kamen glücklich wieder auf zwar schlmmigen, aber festem Boden an und Tim nahm seinem Vater sofort den kleinen, verängstigten Hund weg. Die beiden begrüßten sich, als würden sie zueinander gehören und das immer so machen.
Die kleine Menschentraube, die sich inzwischen versammelt hatte, um das Schauspiel zu beoobachten, klatschte begeistert Beifall.
Auch die Mutter war inzwischen am Schauplatz des Geschehens angekommen und beäugte die ganze Szenerie sauertöpfisch.
Der Vater nahm die Decke dankend an, die ihm der Platzwart anbot. „Wissen Sie,“ sagte der Platzwart. „ich wusste gar nicht, dass der Hund überhaupt noch da ist. Den hat im letzten Jahr eine Familie einfach da gelassen. Und im Vertrauen, ihr Junge ist ihm scheinbar ein wirklich guter Freund.“
Der Vater drehte sich grinsend zu seiner Frau um. „Ok Schatz, wir fahren heute auch nach Hause. Aber nur, wenn Tim sein Souvenir behalten darf!“
Darauf wusste die Mutter nichts mehr zu sagen. Tim aber, hatte das mitbekommen und stimmte ein freudiges Indianergeheul an. Den Hund hatte er runter gesetzt und der sprang freudig bellend um Tim herum.
- Auch dieser verregnete Urlaub war nun der schönste des Lebens geworden.
Tag der Veröffentlichung: 07.06.2013
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Widmung:
für "Kommissar Kalte Schnauze" der mir schon so manches Lächeln und oft auch Trost gespendet hat