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Vorwort

So ein Besuch auf dem Arbeitsamt, egal aus welchem Grund, ist immer alles andere als angenehm.

Der Antragsteller wird in der Regel mit einem knallharten Kalkül behandelt. - Ich wage sogar zu behaupten, dass das Unwohlsein des „Kunden“ gewollt ist. Die Vermittler arbeiten mit Druck und jeder Menge Psychologie (oder soll ich sagen negative Suggestion?).

Vermittler, welche sich gegen das System auflehnen, mit etwas Menschlichkeit arbeiten, werden vom Dienst suspendiert und haben innerhalb des Kollegiums verschiedenste Repressalien zu ertragen (So erst kürzlich wieder von einem solchen Fall gelesen).

Ich selber bin derzeit kein „Kunde“ dieser Einrichtung, war es aber mal. Und ich bin mir durchaus bewusst, dass mich dieses Schicksal jederzeit wieder ereilen kann. - Nur dann habe ich zumindest schon mal eine Ahnung, was da wirklich auf mich zukommt.

Arbeitsamt

„Guten Tag, setzen Sie sich bitte dort hin!“

Ich habe gerade ein kahl aussehendes Büro betreten. Hinter dem Computer verschanzt sich ein Mensch, welcher der Stimme nach wohl männlich ist. Eine Hand weißt mir einen harten Holzstuhl zu. Auf so einem habe ich gerade erst drei Stunden gesessen und darauf gewartet ob und wann man mich zu meinem „Berater“ vor lässt.

Eigentlich eine große Frechheit. Ich war ja pünktlich. Und vor mir war auch niemand aus diesem Büro getreten. - Jedenfalls tat mir der Hintern weh. Allein die Vorstellung, wieder auf so einem harten Stuhl zu sitzen, bereitete mir unsägliche Qualen.

„Nein dank, ich würde gern stehen bleiben.“

Diese Worte lassen den Mann hinter dem riesigen Monitor hervor rollen. „Werte Frau Marquardt, wir können hier auch gleich mal eine Sperre verhängen. Mit welchem Recht reden ausgerechnet Sie mit mir von oben herab? Schließlich beabsichtigten Sie, dem Staat mit ihrer Arbeitslosigkeit auf der Tasche zu liegen. Also, setzen oder Sperre!“

Mir wird heiß und kalt bei diesen Worten. Nur weil ich nicht mehr sitzen möchte, muss man doch nicht beleidigend werden. Doch sein zorniges „Haben wir es denn nun langsam mal?“ reißt mich aus meinen Gedanken. Ich lasse mich widerwillig und äußerst vorsichtig auf die Sitzfläche sinken. Um meinen schmerzenden Po etwas zu erleichtern, umgreife ich seitlich das harte Holz, um mich abzustützen. Dabei ertasten meine Finger etwas Weiches. - IIIIIHHHH, ich habe in ein Kaugummi gefasst. Meine Gesichtszüge scheinen mir leicht entgleist zu sein, denn ich bekomme einen wirklich sehr seltsamen Blick in meine Richtung gesandt.

Mit einem hämisch wirkenden Grinsen wendet er sich nun der vor ihm liegenden Akte zu. „Also, ich gehe mal davon aus, dass die Daten im Antrag so stimmen. Deswegen habe ich die mal so in den PC übernommen.“

Er sieht mich durchdringend an. Offensichtlich soll ich jetzt irgendwie reagieren. Aber wie? Noch mehr verunsichert und eingeschüchtert sinke ich auf dem Stuhl zusammen.

Er zieht nur eine Augenbraue hoch und tippt auf den Tasten herum – Schweigen.

Ganz unvermittelt sagt er: „Wir haben derzeit ein sehr hohes Aufkommen an Anträgen. Die Bearbeitung kann derzeit bis zu vier Monaten dauern. Anfragen sind in der Zeit nicht zu stellen. Auskünfte kann man dann eh nicht geben. Geldleistungen erhalten Sie selbstverständlich auch nicht.“

Wieder wird mir abwechselnd heiß und kalt bei dieser Information. „Aber...“, fange ich einen Protest an und ernte einen bösen Blick.

„Ich weiß! Sie müssen Miete zahlen und essen. Das bringen alle Antragsteller in dieser Situation an. Aber auch Ihnen sei gesagt: Wir haben nichts zu verschenken. Ihre Ansprüche werden genauestens geprüft. Sollte sich ein Anspruch auf Leistung herausstellen, bekommen Sie die Leistungen nachgezahlt. Und bis es soweit ist, nehmen Sie doch bitte Ihre Ersparnisse her!“

Ersparnisse? Himmel, auf welchem Mond lebt der Mann? Ich war ein Geringstverdiener. Wo soll man denn da Ersparnisse hernehmen“ Meine Gedanken drehen sich augenblicklich im Kreis. Schon jetzt frage ich mich, ob ich wohl meine Wohnung halten kann. Meine Existenz ist in meinen Augen auf jeden Fall mehr als gefährdet.

„So, wir wollen die Sache hier doch nicht sinnlos in die Länge ziehen“, fängt er mit einem hochmütigen Tonfall das Thema ´Vermittlung` an. „Was haben Sie denn bisher gemacht? Hier steht ja nur, dass sie bei einer Zeitfirma beschäftigt waren.“

Mit einem beklemmenden Gefühl erzähle ich, was ich in der Lehre gemacht habe, und was ich für Einsätze in der Zeitfirma hatte. „Kommissionieren hat mir richtig viel Spaß gemacht. Und in der Verpackungsfirma war es auch toll. Da sehe ich meine Zukunft.“, sage ich schon etwas lockerer. Meine Absicht war, ihm einen Ansatz für seine Arbeit zu liefern.

„Also wirklich, sie machen mir Spaß“, schnauzt er mich an. Sie sind in aller erster Linie arbeitslos! Sie müssen nehmen, was wir Ihnen anbieten. Sollten Sie ein mögliches Arbeitsverhältnis ablehnen, haben Sie mit Sanktionen zu rechnen!“

Er sieht mich an, als wenn er wieder eine Reaktion erwartet. Die kann ich ihm aber nicht geben, da er mich gerade wieder total überfahren hat.

„Zu Ihrer Ausbildung“, fährt er fort. „Da machen Sie sich mal keine Hoffnungen. Aus dem Beruf sind Sie total raus. Außerdem haben wir genug Arbeitslose mit kaufmännischer Ausbildung. Da kommen Sie nie wieder rein!“

Ich sage wieder nichts. Aber in meinem Kopf schreit es: ´Du Schlauschwein, du dämliches. Als ob ich das nicht selber wüsste. Ich hab nicht im Ansatz erwähnt, dass ich ins Büro will.`

Sprachlos versuche ich, meine Beherrschung nicht zu verlieren.

Er hackt einmal mehr auf seine Tastatur ein. Irgendwas muss ihn verärgert haben. Wenn ich ehrlich bin, kann ich das gar nicht verstehen. Es geht ihm doch gut...

„So, das hätten wir also geklärt“, sagt er und hämmert mit Schwung auf die die Return-Taste. Sein Drucker fängt an zu rattern und spuckt einen Packen Papier aus.

„Hier habe ich mir erlaubt, etwas für Sie raus zu suchen“, sagt er süffisant. „Das sind schon mal Adressen, bei denen Sie sich bewerben. Und bevor sie noch Einwände vorbringen, sei Ihnen gesagt, dass ich eine Notiz in ihrer Akte gemacht habe. Sollten Sie den Nachweis also nicht innerhalb von drei Wochen bringen, können Sie sich als sanktioniert betrachten“ Er klatscht mir einen kleinen Packen grau-braunen Papiers auf den Tisch.

Ich nicke lediglich, nehme die Papiere aber nicht auf, da er mir offensichtlich noch nicht alle gegeben hat.

„Wollen Sie nicht mal nachsehen, ob es Ihren Interessen entspricht? Wissen Sie, man kann vieles auch direkt an Ort und Stelle klären.“

Ich nicke und nehme die Papiere auf. Grob schaue ich mir lediglich die Adressen an. Zwei liegen weit über den von mir angegebenen Kilometern. Er sagte, ich könne das mit ihm klären. Also versuche ich es: „Hier sind Adressen, das liegt weiter weg, als ich angegeben habe.“

Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und sieht mich an. Sein Blick ist für mich undefinierbar. „Das liegt nicht in meinem Ermessen, junge Frau. Der Gesetzgeber schreibt einen zumutbaren Tagespendelbereich vor. Deswegen auch die Adressen.

Ich nicke nur. Eigentlich ist mir egal, was er sagt. Ich will nur noch raus hier. Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl hin und her. Mein Po meldet sich schmerzhaft.

„Ich sehe schon“, seufzt er. „Mit Ihnen werde ich noch meine Probleme haben.“

Mit diesen Worten legt er mir die restlichen Zettel auf den Tisch. „Der Antrag auf Bewerbungskostenrückerstattung!“, sagt er nur und wendet sich wieder seinem Computer zu.

Ich sitze unschlüssig auf dem Stuhl. Sehr zögerlich werfe ich einen Blick auf die Papiere. Eine Frage brennt mir auf der Zunge und ich räuspere mich.

„Ja bitte“, sagt er unwirsch. „Sie haben noch Fragen?“

Ich fasse Mut. Er will sie zumindest noch hören. „Der Antrag“, beginne ich zögernd. „soll ich den gleich hier...“ weiter komme ich nicht. Da knallt er mir auch so die Antwort um die Ohren: „Nein! Wir haben hier keine Zeit, diesen Antrag auszufüllen. Draußen wartet bereits mein nächster Klient. Der war schon vor zwei Stunden bestellt. Im übrigen haben sie doch auch den Erstantrag gemeistert. Dann schaffen Sie den hier auch. Und sollte es doch nicht so sein, dann haben wir einen Antragsservice im Haus. Die sind für so etwas zuständig!“

Ich nicke nur. In mir kocht es, doch ich weiß, dieser Typ sitzt am längeren Heben. Wenn er will, kann er mich unter den Brückenbogen bringen.

„Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“, bellt er und sieht mich finster an.

Ich stehe auf, und sehe zu, dass ich aus dem Büro komme. Auf dem Gang stolpere ich über die ausgestreckten Beine eines weiteren „Klienten“ dieses Herrn. Im selben Moment geht eine Bürotür auf und ich höre einen Schrei. Nur kurz nehme ich die mit Kaffee besudelte Frau in der Tür wahr, dann hetzte ich weiter.

Vor der Tür des Gebäudes angekommen, atme ich wieder bewusst durch. Mir wird klar: ICH BIN JETZT OFFIZIELL ARBEITSLOS! - Nichts mehr wert. Am Rande der Gesellschaft. Ich muss mir selber helfen, wenn ich nicht wirklich vor die Hunde gehen will!!!

Nachwort

Genau so, wird es doch hoffentlich nicht ablaufen. Das alles habe ich hier sehr überspitzt dargestellt.

Aber gerade die harten Holzstühle auf dem fensterlosen Gang, die man dann als „Wartezone“ bezeichnete, sind mir in Erinnerung.

Auch musste ich öfter vor Büros warten, in die ich bestellt war, wo kein „Kunde“ drin war, man mich aber trotzdem schmoren lies.

Und die Kaffeetassenszene – wenn ich da saß, liefen die Leute nur mit vollen oder leeren Kaffeetassen durch die Gegend, um Treffen in den verschiedensten Büros abzuhalten.

Und über dem Alltag schwebte ständig das Damoklesschwert einer Sanktionierung. Aus Erzählungen heraus, ereilte eine solche auch jene „Kunden“, die sich kein Fehlverhalten geleistet hatten.

 

Diese Einrichtung hat, meiner Meinung nach, hart an ihrem Ruf gearbeitet und diesen auch mehr als verdient!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 03.06.2013

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