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Heiligabend



Achtung homoerotisch!
Ein bisschen bittersüß ...


„Papa!“
Isabells helle Kleinkindstimme drang von oben zu ihm herunter.
„Papa, wie lange denn noch?“, quengelte sie und im Hintergrund konnte er auch seinen zehnjährigen Sohn Jasper hören, der seine kleine fünfjährige Schwester tadelte.
„Er kommt gleich“, rief Matthias hinauf. „Ganz bestimmt. Noch ein bisschen Geduld.“

Isabells genervtes Seufzen war laut genug zu hören und Matthias musste lächeln. Für Kinder war Weihnachten ein Fest der ewigen Warterei. Er lächelte seine Frau Sabrina an und zuckte die Achseln. „Ich glaube, ich höre ein Auto kommen“, meinte sie nur lauschend, sah von ihrer Arbeit, dem Dekorieren eines Tellers mit Nüssen, Schokoweihnachtsmännern, Tannenzweigen und Keksen auf. „Viel länger können wir die beiden Nervenbündel da oben wohl auch kaum vertrösten.“
„Vielleicht ist ihm was dazwischen gekommen“, vermutete Matthias, lauschte ebenso auf das Geräusch und spürte, wie sein Herzschlag sich bereits erhöhte. Unruhig strich er seine Hände an seiner Hose ab. Er wurde jedes Mal so nervös.
„Ja, da kommt er“, bestätigte Sabrina, stellte den Teller zu den anderen auf den Couchtisch, warf noch einen prüfenden Blick auf die bunt eingepackten Geschenke unter dem Weihnachtsbaum und erhob sich dann zeitgleich mit ihrem Mann.
„Alles so, wie du es haben möchtest?“, fragte der besorgt nach, als er ihren prüfenden Blick bemerkte. Sabrina war es so wichtig, dass alles an seinem Platz war. „Aber ja!“, meinte sie lächelnd, griff nach seiner Hand und drückte sie kurz. „Alles perfekt für unser Weihnachtsfest!“

Matthias, drückte ihre Hand ebenso fest, hoffte, dass sie seine feuchten Handflächen nicht bemerken würde. Jedes mal wenn er kam, fühlte er diese zittrige Anspannung in sich.
Die Türglocke läutete und von oben hörte man zwei triumphierende Kinderschreie! „Er kommt! Er kommt!“, trällerte Isabell.
Gemeinsam mit seiner Frau ging Matthias zur Tür, ließ ihre Hand aber los, bevor er sich durch seine Aufregung verriet.
Sabrina öffnete die Tür und da stand er, schon in seinem Kostüm, dem weiten roten Mantel, dem ausgestopften Bauch, der roten Kapuze und dem falschen, langen, weißen Bart. Matthias’ Blick blieb kurz an seinen Turnschuhen hängen und unversehens musste er schmunzeln.
„Willkommen“, begrüßte Sabrina ihren Besucher freudig. „Die Kinder sind schon ganz ungeduldig.“ Das Lächeln hinter dem weißen Bart und die frechen, blauen Augen passten so gar nicht zu einem gütigen, alten Weihnachtsmann, fand Matthias. Es passte aber natürlich zu ihm.
„Entschuldigung“, meinte der junge Mann im Weihnachtkostüm. „Es hat ein bisschen länger gedauert. Da war ein Unfall auf der Hauptstraße.“ Sein Blick wich von Sabrina ab und traf Matthias, der augenblicklich lächelte, dessen Herz freudig hüpfte und er nickte dem Weihnachtsmann verstohlen zu.
„Kommen Sie rein“, übernahm er seine Rolle und Sabrina trat auch sofort zur Seite, ließ den Weihnachtsmann eintreten.
„Soll die Bescherung wieder im Wohnzimmer stattfinden?“, fragte ihr Weihnachtsmann nach und Sabrina nickte sofort. „Kommen Sie, ich habe schon alles vorbereitet. Matthias holt dann gleich die Kinder.“
Sie ging voraus und der Mann im Weihnachtskostüm folgte ihr sofort. Er wusste wo das Wohnzimmer war. Natürlich.

Matthias blickte ihm nach. Unter dem Kostüm konnte man nicht viel von ihm erkennen, alles war zusätzlich ausgestopft, um den Eindruck eines beleibten, alten Mannes zu vermitteln, der er definitiv nicht war.
Von oben ertönte wildes Geschrei und Matthias riss sich von dem Anblick los und eilte nach oben, wo er eine heulende Isabell und eine schmollenden Jasper antraf. Zum Glück war Weihnachten und die beiden viel zu sehr auf ihre Geschenke versessen, um sich lange mit längeren Streitereien aufzuhalten. Aufgeregt klammerte sich Isabell an ihren Vater, als sie nach unten gingen. Jasper wartete nicht, stürzte beinahe die Treppe hinab und Matthias befürchtete für den Moment wirklich schon, er würde fallen. Er war so ungestüm, sein Sohn. Fast wie er als Kind.
Lächelnd griff er nach Jaspers Hand vor der nun verschlossenen Wohnzimmertür. Isabell hatte erwartungsvoll seine andere Hand ergriffen und starrte gebannt auf die dunkle Glastür vor ihnen.

Matthias blickte seine Kinder liebevoll an. Isabell trug ein weißes Kleidchen und irgendetwas Glitzerndes in ihren hellen Haaren. Jedes Mädchen machte wohl so eine Prinzessinnenphase durch, dachte er. Rosa, weiße Kleider, Schmuck, der funkelte und glitzerte und irgendwann würde sie wieder daraus entwachsen sein. Bald schon würde sie in die Schule gehen.
Jasper lehnte sich nach vorne, versuchte durch das Glas etwas zu sehen. Er hatte kurze, ebenso helle Haare wie Isabell, die sie beide von ihrer Mutter geerbt hatten. Dazu abstehende Ohren, von denen Sabrina immer behauptete, er hätte sie von Matthias’ Onkel geerbt, der dies vehement bestritt.
Jasper war ein echter Raufbold und eine echte Sportskanone, spielte Fußball und Tennis und hing noch klar seinem Traum, einmal ein berühmter Fußballstar zu werden, an.
Matthias musste lächeln, wenn er daran dachte. Er selbst hatte als Teenager auch leidenschaftlich Fußball gespielt, war sogar auf ein Sportinternat gegangen, nur die Verletzung seines Knies beim Snowboarden hatte eine Profikarrierevereitelt.

„Menno!“, quengelte Isabell wieder, stieß aber gleich darauf einen kieksenden Laut aus, als hinter der Wohnzimmertür Kerzen aufflammten. „Endlich“, stieß auch Jasper aus und ließ prompt die Hand seines Vaters los. Aus dem Wohnzimmer erklang nun weihnachtliche Musik und Matthias nickte seinen beiden Kindern zu, öffnete dann die Tür und sie betraten das Weihnachtszimmer.

In einer Ecke erstrahlte der Weihnachtsbaum mit unzähligen, künstlichen Kerzenlampen, die das Zimmer alleine schon zu erhellen vermochten. Sabrina hatte aber zusätzlich an jeder Wand noch Lichterketten und Lichtervorhänge aufgehängt, die den Raum nun ebenso gut beleuchteten, wie die vier Halogenspots an der Decke es sonst taten.
Matthias unterdrückte ein Seufzen. Sabrina musste es immer übertreiben. Selbst der Weihnachtsbaum, eine Nordmanntanne, verschwand unter den Dutzenden von bunten Kugeln, Sternen, dem Lametta und den Schokokringeln. Von dem grau grün war praktisch nichts mehr zu sehen.

Matthias wandte den Blick zu ihm, der ihn unverwandt ansah und er bemerkte das feine Lächeln unter dem weißen Bart. Sofort fiel er aber in seine Rolle.
„Hohoho Kinder!“, begrüßte der Weihnachtsmann die beiden, die ehrfürchtig vor ihm stehen geblieben waren. „Frohe Weihnachten ihr beiden!“
Sabrina trat zu ihrem Mann, schob sich selbstverständlich an ihn und legte ihren Arm um seine Hüfte, während sie zusahen, wie der Weihnachtsmann die Kinder der obligatorischen Befragung nach ihrem Bravsein unterzog, bevor er ihnen die Geschenke überreichte.
Matthias versteifte sich prompt etwas, entspannte sich jedoch sofort wieder, legte seinen Arm nun seinerseits um Sabrinas Schultern. Zum Glück war der Weihnachtsmann gerade beschäftigt und achtete nicht auf sie.
„Er macht das echt toll“, flüsterte Sabrina zufrieden. „Ich bin froh, dass er jedes Jahr diese Rolle übernimmt, obwohl er nicht mehr studiert.“ „Ja“, raunte Matthias zurück, beobachtete begierig die schlanken Finger, wie sie Jaspers Geschenk schüttelten, wie er es scherzhaft an sein Ohr hielt und dann erst Jasper reichte, der das liebevoll eingepackte Geschenk wenig rücksichtsvoll öffnete, das Papier einfach zerriss und dann einen Jubelschrei ausstieß, als er das neue Spiel entdeckte.

„Hier ist noch eins für die kleine Prinzessin“, sagte der Weihnachtsmann zu Isabell, reichte ihr einen rosafarbenen Karton mit kitschigen Tüllschleifen drumherum. Sie lachte glücklich und entpackte es weitaus vorsichtiger, als ihr Bruder, freute sich dann über das Paar silberfarbener Slipper.

„Ich hoffe, er hat auch nächstes Jahr noch Zeit und Lust, für die beiden den Weihnachtsmann zu geben“, flüsterte Sabrina weiter, betrachtete ihre Tochter verzückt, die sich abmühte, die silbernen Slipper anzuziehen. „Ich werde ihn fragen“, gab Matthias leise zurück. Später, wenn sie mehr Zeit hatten.

Etwa eine halbe Stunde brauchten die beiden Kinder, bis sie all ihre Geschenke ausgepackt hatten und sie von ihren Eltern gebührend bewundert worden waren. Matthias stand irgendwann auf und ging hinüber in die Küche, um einen Kaffee aufzusetzen. Hinter sich ließ er die hellen Kinderstimmen, die Stimme seiner Frau und das bemüht tiefe Brummen des Weihnachtsmannes. Irgendwann verabschiedete der sich freundlich von den Kindern, die ihm mittlerweile kaum noch Beachtung schenkten..
Matthias schenkte zwei Tassen ein, schaute hinaus in den dunklen Garten, der nicht so dunkel war, da Sabrina auch dort nicht an Weihnachtsdekoration gespart hatte. Nur gegen den kitschigen, beleuchteten Schneemann hatte er sich gewehrt. Er gab ihr selten Kontra, diese Scheußlichkeit hingegen kam ihm nicht in den Vorgarten.

Matthias starrte auf die dunkle Scheibe und lauschte seinem schnellen Herzschlag. Er sah seine Gestalt als Reflexion in der Fensterscheibe, als er in die Küche kam.
„Geschafft“, sagte er erleichtert mit seiner normalen, tiefen, wohlklingenden Stimme, trat zu ihm heran. „Jasper ist ganz schön gewachsen in dem letzten Jahr.“ Lächelnd wandte sich Matthias um, nahm am Küchentisch Platz und schob ihm die andere Tasse Kaffee zu. „Ja, er ist groß für sein Alter“, meinte er, spürte seine Hand ganz leicht zittern. „Der Größte in seiner Mannschaft.“
„Er sieht dir so ähnlich“, sagte der Weihnachtsmann, schob sich die Kapuze vom Kopf und zog den falschen Bart aus. Blonde, kurz geschnittene Haare kamen zum Vorschein, ein feiner Bart an den Wangen und dem Kinn.
Matthias spürte sein Herz einen freudigen Hüpfer machen und versank sofort in den strahlenden, blauen Augen.
Augen wie Eismeere, wie kaltes, arktisches Wasser, beinahe schon hellblau, nein eisblau! Dann diese weichen, schönen Lippen, schmal, wie mit Pinselstrichen gezogen.

Andreas lächelte ihn an. „Also ich vermute mal, dass du als Kind auch so ausgesehen hast“, fügte er hinzu, senkte seine Stimme deutlich. „Das gleiche, freche Funkeln in den Augen.“
Matthias Mundwinkel zuckten nach oben, abermals lächelte er, konnte den Blick nicht von Andreas’ wunderschönen Augen lassen.

Aus dem Wohnzimmer hörte man nun veränderte Laute. Offenbar hatte Isabell ihre neue CD mit Kinderliedern eingelegt und Sabrina sang mit ihr und Jasper mit. Andreas drehte sich halb um, lauschte einen Moment und blickte dann wieder lächelnd zu Matthias. „Soll ich nächstes Jahr wiederkommen?“, fragte er schmunzelnd nach. „Wie jedes Jahr?“ Matthias lächelte zurück, nickte zustimmend.
„Ich bezahle dich dann morgen“, sagte er schmunzelnd, löste seine Hand von der Kaffeetasse und hielt sie Andreas hin. „Morgen. Wie letztes Jahr“, raunte er nur. Andreas nickte, ergriff seine Hand und drückte sie kurz. Dann erhob er sich und nahm seinen falschen Bart an sich, bevor er zur Tür ging.
Sabrina tauchte nun auch aus dem Wohnzimmer auf, strahlte Andreas an. „Vielen Dank, Herr Gust!“, bedankte sie sich. „Ich hoffe, mein Mann hat sie schon gefragt, ob sie gegebenenfalls im kommenden Jahr wieder mitmachen würden?“, fragte sie mit einem Blick auf Matthias nach.
Ihr Mann nickte nur und Andreas schenkte Sabrina ein strahlendes Lächeln. „Aber natürlich gerne Frau Wagner. Es macht mir viel Spaß!“, antwortete er, ging dann voraus zur Tür, stopfte sich dabei den falschen Bart in die Tasche.

„Wundervoll“, freute sich Sabrina, hakte sich augenblicklich bei ihrem Mann ein. „Schatz, hast du ihn schon bezahlt?“ „Natürlich!“, antwortete Andreas lächelnd. „So etwas vergisst ihr Mann nie.“
Matthias runzelte die Stirn, warf ihm einen gespielt bösen Blick zu, sagte aber nichts. „Bis dann!“, verabschiedete sich Andreas von ihnen und verließ das Haus.
„Wir haben so viel Glück mit Herrn Gust“, meinte Sabrina, als sie gemeinsam in das Wohnzimmer zurückgingen. „Von den drei Studenten, die sich auf die Anzeige damals gemeldet haben, war er der Einzige, der es echt toll gemacht hat. Und dass er es nun schon seit vier Jahren macht ...“ Sie wurde von Isabell unterbrochen, die sie mit sich zog, ihr ganz aufgeregt in ihrem neuen Buch etwas zeigen wollte.

Später gab es Weihnachtslieder zu singen, Herings- und Kartoffelsalat zu essen, Torte als Nachtisch, viel Geschrei, als die beiden Kinder ins Bett sollten und der obligatorische Streit darüber, welche Weihnachtsgeschenke mit ins Bett durften und welche auf dem Zimmerboden zu bleiben hatten.
Matthias küsste seine beiden Kinder liebevoll und machte in jedem Zimmer das Licht aus, bevor er seufzend hinab ging und Sabrina beim Aufräumen half.
Sie lagen in ihrem Bett, erinnerten sich gegenseitig zufrieden daran, wie die Kinder sich über ihre Geschenke gefreut hatten, ließen das erfolgreiche Weihnachtsfest Revue passieren. Irgendwann verstummten sie.

„Ich habe mich auch sehr über dein Geschenk gefreut“, unterbrach Sabrina die Stille kurz darauf, rollte sich zu Matthias herum und kuschelte sich an ihn. „Diese Kette ist wunderschön und der Gutschein für ein gemeinsames Essen bei diesem tollen Italiener fand ich total nett von dir.“
Matthias lächelte, starrte an die dunkle Decke. Er war in ziemlich vielen Juwelierläden gewesen, bis er diese Kette gefunden hatte, bei der er sich ganz sicher war, dass sie Sabrina gefallen würde.
„Und ich finde es gewagt von dir, dass du mit mir wirklich zum nächsten Fußballspiel kommen willst“, sagte er in die Dunkelheit hinein. „Du hast dir doch nie etwas daraus gemacht.“
„Jasper ist ganz verrückt danach“, meinte Sabrina, klang schon schläfrig. „Du bist sein großes Vorbild. Da ist es doch nur gut, wenn ich wenigsten ein bisschen mehr Ahnung davon habe, als bisher, oder?“
Matthias brummte zustimmend, spürte bereits, wie Sabrinas Atmung ruhiger wurde. Sie würde gleich einschlafen. Nur er selbst war noch hellwach, dachte an eisblaue Augen und ein besonderes Lächeln und daran, dass sein Magen ihm bereits wehtun sollte.

Weihnachtsfeiertag



„Ach, Schatz, es tut mir so leid“, sagte Sabrina mitfühlend, strich ihm liebevoll über die Wange. „Letztes Jahr hattest du auch schon solche Probleme, ich hätte daran denken sollen.“
Matthias lächelte gequält, legte seine Hand auf ihre und schaute sie bedauernd an. „Ein ganz normales Weihnachten eben“, meinte er sarkastisch und entlockte ihr ein kurzes Lachen.
„Ja, letztes Jahr war es ja auch schon so. Da hast du dich Abends noch zu meinen Eltern gequält. Du sahst echt schlecht aus“, antwortete sie mitleidig. „Diesmal bleibst du hier, kurierst dich aus. Wenn es dir morgen besser geht, dann kommst du einfach nach, ja?“
„Versprochen“, meinte Matthias zufrieden. „Bestimmt geht es mir morgen wieder besser. Es ist nur mein empfindlicher Magen. Ich habe einfach zu viel von deinem leckeren Heringssalat gegessen.“

Jasper und Isabell saßen schon im Auto, winkten ihrem Vater von da aus zu, der bis an die Haustür gekommen war, nun frierend in seinem Schlafanzug winkte. „Ich melde mich, wenn wir angekommen sind“, versprach Sabrina, küsste ihren Mann auf die Wange und ging zum Auto.
Erleichtert schloss Matthias die Haustür. Es war sehr kalt draußen, gewiss bereits unter sechs Grad minus.
Draußen hörte er den Wagen davonfahren und verspürte nur einen winzigen Anflug von schlechtem Gewissen. Dann überwog die Vorfreude.
Er eilte hinauf ins Badezimmer, duschte sich, rasierte sich gründlich und zog sich hastig an. Danach eilte er hinunter in den Keller, holte eine der Weinflaschen hoch und packte sie in den Weinkühler. Zu Essen war noch genug von gestern da und eins musste man Sabrina echt lassen, ihr Heringssalat war erstklassig.

Etwa eine Stunde später klingelte es und Matthias, sprang aus dem Sessel auf in dem er erwartungsvoll gesessen hatte. Tief holte er Luft, bevor er die Tür öffnete. Andreas trug nun passend zu den gleichen Turnschuhen eine Jeans und eine warme Winterjacke. Sein Gesicht hatte einen leicht rosigen Schimmer von der Kälte aber der Blick aus seinen eisblauen Augen erwärmte Matthias Herz.
„Komm rein“, sagte er lächelnd, fühlte sein Herz noch viel schneller schlagen. Andreas lächelte zurück, folgte ihm sofort ins Haus. „Endlich ...“, brachte er noch heraus, bevor ihn Matthias an die Wand drückte und seinen Mund mit seinem Kuss verschloss.
Minutenlang küssten sie sich nur, zunehmend leidenschaftlich, bis sie sich endlich atemlos voneinander lösten. „Ich habe dich so vermisst“, sagte Matthias, strich Andreas zärtlich durch die kurzen Stoppeln seines Haares. Andreas lachte glucksend auf. „So lange ist es doch noch gar nicht her“, meinte er augenzwinkernd. „Gerade mal eine Woche, seit dem letzten Training.“
„Eine Woche zu lang“, meinte Matthias, küsste ihn wieder. „Ich habe uns Wein kalt gestellt, komm.“
Zufrieden lächelte Andreas, ließ sich von Matthias an der Hand nehmen und ins weihnachtlich geschmückte Wohnzimmer führen. Dort entledigte er sich seiner dicken Jacke und setzte sich dann zu Matthias auf das Sofa, kuschelte sich an ihn.
„Hast du wieder Magenschmerzen?“, erkundigte er sich feixend und der andere Mann nickte nur zustimmend, während er ihnen den Wein in zwei Gläser ein goss. „Es ist ein wenig unfair, denn Sabrina kocht immer gut, aber ich konnte es einfach nicht länger aushalten“, entschuldigte er sich. „Am liebsten hätte ich dich gestern schon aus diesem Kostüm geholt und wilden, heißen Sex mit dir gehabt, direkt hier unter dem Weihnachtsbaum.“
Grinsend drückte Matthias Andreas das Glas in die Hand, prostete ihm zu. „Nur vor den Kindern wollte ich es lieber nicht machen“, fuhr er schmunzelnd fort, mit einer Spur von Wehmut im Blick.
„Du hast zwei tolle Kinder“, bemerkte Andreas kaum weniger schwermütig. „Aber mir ging es gestern genauso, also lass uns schnell diesen Wein austrinken und dann fallen wir übereinander her, ja?“
Matthias legte ihm seine Hand in den Nacken, küsste ihn und trank sein Glas dann in einem Zug leer. „Fertig!“, raunte er. „Bereit?“ Verdutzt beeilte sich Andreas auch sein Glas zu leeren, kam kaum dazu, es auf dem Couchtisch abzustellen, bevor ihn Matthias bereits aufs Sofa drückte und seinen Pullover nach oben schob.
Lachend wehrte Andreas dessen Hände ab. „Ich dachte, du wolltest es unter dem Weihnachtsbaum machen?“, amüsierte er sich. Matthias brach unvermittelt ab, lächelte auf ihn hinab. „Wir können auch nach oben gehen, wenn du möchtest?“, schlug er vor, Andreas schüttelte jedoch bereits den Kopf. „Nein, hier unter dem Weihnachtsbaum. Ihr habt doch eine Nordmanntanne, die nadelt nicht.“
„Okay“, stimmte ihm Matthias zu, zog ihn mit sich und kniete sich dann vor ihm auf den Boden, um ihm die Jean auszuziehen. Wohlig seufzend ließ Andreas es sich gefallen, zog derweil seinen Pullover aus.
„Du bist so wunderschön“, bewunderte Matthias seinen Körper, als er ihn von Schuhen, Socken und der Hose befreit hatte. Sein Unterleib pochte erwartungsfroh, ja er fühlte bereits, wie es leicht feucht wurde. So eine Wirkung hatte nur Andreas auf ihn.
„So wie du“, flüsterte Andreas, beugte sich vor und umschloss Matthias Gesicht sanft mit seinen Händen. „Deine vollen, braunen Haare, deine frechen Augen und dein Knackarsch. Jedes Mal, wenn wir uns wieder sehen, verliebe ich mich in dich!“
„Und ich mich in dich“, gab Matthias kaum weniger zärtlich zurück, das Herz schlug glücklich in dem schnellen Takt, den es immer annahm, wenn er mit Andreas zusammen war. Er stand auf und schloss Andreas in seine Arme. „So wie beim ersten Mal, damals als ich deine Augen gesehen habe.“
Andreas seufzte zufrieden, strich mit den Händen über Matthias Rücken, zog dessen Hemd heraus. „Ich dachte, ich sterbe, als ich dich gesehen habe, der Typ meiner Träume“, raunte er in Matthias Ohr, leckte spielerisch darüber. „Deine schönen Lippen, ich wollte nichts lieber, als sie zu berühren, sie wundküssen und all jene wundervollen Dinge mit dir machen.“
Matthias lachte verhalten, ließ Andreas los und begann sich ebenfalls zu entkleiden. Andreas nutzte es aus und küsste jedes Stückchen blanker Haut, welches sich ihm bot.

„Du bist so ein geiler Typ“, fügte Andreas seufzend hinzu. „Wenn ich dich unter der Dusche gesehen habe, ging mir fast jedes Mal einer ab und als du mich dann wirklich angesprochen hast, oh man, das war der Himmel auf Erden!“
Matthias zog sich mit einem entschlossenen Ruck die Unterhose herunter. Sein hartes Glied wippte leicht, präsentierte sich voll erigiert dem anderen. „Ich wollte dich“, gab Matthias zu, beobachtete verzückt, wie sich nun auch Andreas des letzten Kleidungsstückes entledigte. Auch dessen Penis sprach von der Vorfreude, ihrem wilden Begehren nacheinander, welches seit dem ersten Tag nicht nachgelassen hatte.
Entschlossen trat Matthias vor, zog Andreas an sich, presste ihrer beider, harter, heißer, verlangender Lenden aneinander, rieb sich ganz leicht an ihm und ihm entkam ein leises Stöhnen.
„Wie bei unserem ersten Mal“, keuchte Andreas mit geschlossenen Augen. „Nur war ich da noch viel aufgeregter, weil ich noch nie mit einem anderen Mann so richitg geschlafen hatte und dann mit dir … Wow, es war so toll!“.
„Es ist immer toll mit dir“, seufzte Matthias, intensivierte ihren Körperkontakt, ließ sich dann zu Boden gleiten und zog Andreas mit sich, so dass der auf ihm zu liegen kam. „Willst du mich reiten, oder wie möchtest du es haben?“, fragte er mit vor Erregung schon heiserer Stimme nach. „Hast du diesmal Gleitgel da?“, brachte er stöhnend vor Lust noch hervor. „Ja, sogar Kondome“, gab Matthias zurück, tastete mit der Hand nach der Tube Gel, welche er auf dem Tisch abgelegt hatte.

Andreas stützte sich auf seine Brust, blickte ihn nachdenklich an. „Ich weiß, dass du nur mit mir schläfst“, sagte er glücklich lächelnd. „Ich denke, die Dinger kannst du bei deiner Frau benutzen, aber ich will dich pur spüren.“
Matthias schluckte hart, strich Andreas mit der linken Hand über seine kurzen Haare.
„Ich habe schon sehr lange nicht mehr mit ihr geschlafen“, gab er zu und erklärte dann: „Seit Isabell geboren wurde schlafen wir nur noch sehr selten miteinander.“
„Bereust du es?“, erkundigte sich Andreas mitfühlend und Matthias begriff augenblicklich was er damit meinte, schüttelte den Kopf. Isabells lachendes Gesicht erschien vor seinem inneren Auge, ihre kleinen Hände, ihr Puppengesicht. Nein, er liebte sie.
„Es war nicht beabsichtigt. Jasper war schon ungeplant. Wir wollten eigentlich keine Kinder und warum sie trotz Pille schwanger geworden ist ...“ Er brach ab, drehte den Kopf etwas zur Seite.
„Wir sollten das Thema wechseln“, meinte Andreas verschmitzt grinsend, griff zwischen sie und begann ihrer beider Glieder zu reiben. „Bei dem Thema machst du mir immer schlapp.“ Während er sie beide stärker pumpte, küsste er Matthias und bald schon waren sie wieder in ihrem Liebesspiel gefangen, verloren keine unnötigen Worte mehr.
Matthias stöhnte laut auf: „Ich halte nicht mehr lange durch, Andreas!“
„Ich bin schon längst bereit“, meinte der, ließ sich zur Seite fallen und rollte sich herum, so dass er mit dem Rücken zu Matthias lag. „Leg los!“
Wohlig stöhnte er auf, als Matthias dem nach kam, sein mit Gleitgel benetztes Glied langsam in ihn schob und dabei kaum weniger heftig keuchte, als Andreas. „Das ist so gut“, stöhnte Matthias lusterfüllt. „Dich zu fühlen, dich zu riechen, dich zu berühren, zu küssen, in dir zu sein!“
Andreas japste auf, als er sich zu bewegen begann, stöhnte bald schon langgezogen bei jedem kräftigen Stoß in seinen Körper.

Matthias fühlte sich zufrieden, erfüllt, glücklich. In diesen Momenten konnte er alles vergessen. Sein anderes Leben, seine Frau, seine Kinder, Probleme im Job, seinen Chef, die Sorgen um die Firma, um seinen Arbeitsplatz, all die vielen Dinge die ihm das Leben schwer machten. Mit Andreas zusammen konnte er einfach sein.

Bald schon erreichte er seinen Höhepunkt, spürte seinen heißen Samen aus sich in Andreas warmes Inneres fließen, spürte kurz danach, wie dessen Glied unter seiner Hand bebte, stoßweise dessen Sperma verspritze, lauschte Andreas’ zufriedenem, wohligen Stöhnen und presste sich ganz fest an seinen Liebhaber.

Fünf Jahre. Fünf Jahre kannten sie sich nun schon, waren sie zusammen. Heimliche Treffen, Blicke beim Training, die vielen Male bei ihm oder in Andreas Wohnung und nie, nie kühlte es ab, nie ließ ihre Leidenschaft für einander nach.
Matthias hatte auch schon zuvor mit anderen Männern geschlafen. Selten, stets mit schlechtem Gewissen und vor allem wenn er weit weg, auf Geschäftsreise war. Erst mit Andreas war es diese verzehrende Leidenschaft, war es Liebe geworden. So lange hatte er dagegen gekämpft und dann hatte er ihn dort gesehen, an jenem regnerischen Tag, an der Bushaltestelle nach dem gemeinsamen Training.
Sie waren in Andreas Studentenbude gefahren und hatten sich im Grunde nur gestreichelt und geküsst, stundenlang, einander nur mit der Hand befriedigt, doch danach war zwischen ihnen alles klar gewesen. Er hatte Andreas von vornherein reinen Wein eingeschenkt, nie hatte er verheimlicht, dass er eine Frau und ein Kind hatte, aber Andreas liebte ihn trotzdem.

Zufrieden lagen sie nun zusammen nackt auf dem Sofa und Matthias fütterte Andreas mit Kräckern und Sabrinas Heringssalat. „Schön war es, wie immer“, seufzte Andreas zufrieden. „Ich genieße jeden Moment, den ich mit dir zusammen sein kann.“ „Ich ebenso“, gab Matthias ehrlich zurück. Wehmütig dachte er daran, dass sie sich nun erst im neuen Jahr, nach Silvester wieder treffen würden.
„Ich werde dich vermissen bis zum nächsten Training“, sagte er, strich Andreas über die Brust, nahm mit dem Finger ein Stückchen rote Beete auf. „Ich fahre morgen nach Köln, zu Sabrinas Eltern, Weihnachten feiern.“
„Schade“, antwortete Andreas resignierend. „Dann habe ich dich also nur noch heute Nacht?“
Matthias nickte und da Andreas es nicht sehen konnte, bestätigte er es: „Ja, heute Nacht gehöre ich ganz dir.“ Er würde mit Andreas im Arm einschlafen und mit ihm zusammen aufwachen, sie würden zusammen frühstücken. Wundervoller Gedanken. Beinahe so schön, wie ihr letzter gemeinsamer Skiurlaub. Drei Tage zusammen. Nur sie beide, Sonne, Schnee und Glühwein.
Matthias seufzte leise.
„Woran denkst du gerade?“, erkundigte sich Andreas interessiert, rollte sich halb herum. „Daran, dass du ab morgen wieder der brave Familienvater bist?“ „Auch“, gab Matthias zu. „Aber vor allem, wie schön es ist, mit dir zusammen zu sein, so wie jetzt, wenn ich weiß, dass wir zusammen einschlafen und aufwachen werden. Das ist so schön normal!“
Andreas kicherte, malte mit seinem Finger, den er immer wieder in den Rotwein tauchte, Muster auf Matthias Brust. Plötzlich hielt er inne, blickte seinen Freund geradewegs in die Augen.

„Würdest du eines Tages alles aufgeben wollen, für … für mich?“, fragte er vorsichtig nach, schluckte sichtlich. Matthias erwiderte den Blick geradeheraus, schüttelte langsam den Kopf.
„Wenn ich keine Kinder hätte ...“, begann er, brach wieder ab. „Es würde alles zerstören, mein ganzes Leben“, erklärte er schwermütig, spürte sein Herz schmerzhaft schlagen, den winzigen, stechenden Schmerz in seiner Brust. Schwieg lange Zeit in der ihn Andreas unverwandt ansah. Matthias wusste, dass Andreas ihn nie drängen würde, nie von ihm verlangen würde, wozu ihm einfach der Mut fehlte. Gerade deshalb liebte er ihn so, genau deshalb fand er bei ihm dieses unsagbare Glück.
„Vielleicht … vielleicht wenn sie größer, älter geworden sind. Wenn sie es verstehen können, wenn sie besser damit klarkommen können …“, flüsterte er und war sich schmerzhaft bewusst, wie wenig er den Mut für diesen Schritt aufbringen würde. All die Jahre und nie hatte er es sagen können, nie hatte er dazu stehen können.
„Ich weiß nicht, ob ich dieses normale Leben je einfach aufgeben kann“, flüsterte er mutlos, wollte noch mehr sagen, doch Andreas verschloss seine Lippen mit seinem Zeigefinger, lächelte ihn mitleidig an.
„Ich werde immer auf dich warten“, meinte er mit einem tiefen Blick aus seinen eisblauen Augen. „Bis dahin feiern wir unser eigenes, ganz normales Weihnachtsfest.“
Matthias lächelte zurück, vertrieb alle traurigen Gedanken aus seinem Kopf und Herzen.
„Ja“, flüsterte er zurück, küsste seinen Andreas liebevoll auf dessen Stirn. „Ganz normales Weihnachten!“

Impressum

Texte: Weihnachtsschmuck(c) Gerd Altmann/pixelio.deYoung Man(c) photostock/freedigitalphotos.net
Tag der Veröffentlichung: 03.12.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Bittersüß ...

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