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Bis die Sonne aufgeht




Wow. Einfach atemberaubend.
Es war genau drei Uhr fünf und fünfzig und der Himmel war übersäht mit Sternen. Nicht eine einzige Wolke war zu sehen.
Trotz der späten Stunde, war es noch so warm, dass wir in T-Shirt und kurzer Hose auf der Wiese lagen. Der Tau, der sich langsam auf uns legte war angenehm kühlend, denn das Thermometer zeigte immer noch fast sechsundzwanzig Grad.
Tobi hatte wieder seinen Arm um mich gelegt und ich genoss es, schweigend dort zu liegen und den Sternschnuppen zu zusehen, wie sie eine nach der anderen am Himmel auftauchten. Mal waren sie hell, mal nur schwach zu sehen, mal zogen sie sich fast über den ganzen Himmel und dann wieder nur so kurz, wie ein kleiner Finger lang ist.
Woran es lag, dass der Himmel immer am einundzwanzigsten Juni voll von Sternschnuppen war, wusste ich nicht, aber ich liebte es. Und Tobi auch.

Vor genau 13 Jahren hatten wir uns auf dieser Wiese kennen gelernt. Damals hatten wir mit dem Kindergarten einen Ausflug gemacht und anschließend auf dieser Wiese gezeltet. Auch damals hatten Tobi und ich uns zusammen die Sterne angesehen und immer die Hand des anderen gedrückt, wenn wir eine Sternschnuppe entdeckt hatten. Dann die Augen geschlossen, etwas gewünscht und dann in die Augen des anderen gesehen und uns gewundert, was sich wohl der andere gewünscht hatte.

Ich wünschte mir nun schon seit 13 Jahren das gleiche, bei jeder Sternschnuppe. Und wie immer dachte ich darüber nach, ob es wohl genau das Falsche war. Würde der Wunsch nur dann in Erfüllung gehen, wenn man ihn sich nur ein Mal wünscht? Oder musste man eine gerade Zahl erreichen? Oder vielleicht genau hundert Mal das gleiche wünschen?
Oder es nur ein Mal aussprechen? Fragte die gemeine Stimme in meinem Kopf.
Ja, einfach nur laut aussprechen. Ich seufzte. Einfach.
Tobi drückte meine Hand und ich richtete meine Augen auf den Himmel. Und da war sie. Die wohl perfekteste Sternschnuppe, die ich je gesehen hatte. Sie zog sich langsam über den ganzen Himmel und ließ ihn aufleuchten. Ich wünschte mir das Gleiche, wie immer und sah dann in Tobis Augen. In seinen dunklen Augen, spiegelte sich der Sternenhimmel wider. Es sah aus, wie tausende kleine, goldene Sprenkel, die mich anfunkelten und ich hoffte ich könnte diese Augen immer sehen. Aber genau das war das Problem, was mich wieder zum weinen brachte. Ich würde sie nie wieder sehen. Zumindest einige Jahre nicht, denn die Zeit war gekommen. Tobi würde Morgen ans andere Ende der Welt fliegen. Was würde ich nur ohne ihn machen.

Es war nun 4 Monate her, dass er mir erzählte, er würde für sechs Jahre nach Australien gehen um zu studieren. Ich hatte es schon immer gewusst, denn es war sein Traum gewesen, seit sein Vater dort hingezogen war. Ich wusste er vermisste ihn ganz schrecklich, aber ich hatte gehofft, uns würde noch ein wenig Zeit bleiben.
Du hättest die Zeit doch wieder nicht genutzt! Sagte die Stimme wieder und leider hatte sie auch diesmal recht.
Ich liebte ihn, aber ich konnte es ihm einfach nicht sagen.

„Du darfst nicht weinen“ sagte er gerade und wischte die Träne von meinem Gesicht. Ich schloss die Augen. Es war so einfach zu glauben, diese Zärtlichkeit bedeutete Liebe.
Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und atmete tief ein. Ich wollte mir diesen Geruch in mein Gehirn brennen und immer mit mir tragen. Und das Gefühl, das er in mir auslöste. Ich wollte mich fallen lassen. In seine Arme und nie wieder andere Arme um mich spüren. Ich merkte, wie die nächste Träne meine Wange herunterkullerte und spürte weiche Lippen, die die Träne trockneten. Diese Lippen würde ich auch nie vergessen, auch wenn ich sie noch nie mit meinen Lippen berührt und geküsst hatte.
Doch genau in diesem Moment legten sie sich auf meine Lippen. Es war das schönste Gefühl, das ich je kennen gelernt hatte und ich war froh, dass es mir vergönnt war, es einmal zu fühlen.
Ich dachte es wäre nur ein kurzer Kuss, um meine Traurigkeit fort zu jagen, doch seine Lippen blieben auf den meinen liegen. Seine eine Hand strich mir zärtlich über die Wage, während er die andere langsam in meine Haare vergrub. Seine Lippen bewegten sich noch immer mit meinen und ich konnte auch seine Tränen schmecken, die sich mit meinen vermischten.
Konnte es denn wirklich wahr sein? Konnte er das gleiche fühlen, wie ich? Ich wollte es so gerne glauben.
Dann löste er sich von meinen Lippen um die Tränen von meinen Augen zu trocknen, die nun immer mehr wurden.
„Ich habe es mir so oft vorgestellt, wie es sein würde mit dir in den Armen aufzuwachen.“ Sagte er leise, wobei wieder sein Atem auf mein Gesicht traf und ich bekam trotz der Wärme eine Gänsehaut.

„Hey, da ist wieder eine“ rief eine Stimme laut.
Das brachte mich wieder dazu klar zu denken. Wir waren nicht alleine hier, egal wie sehr ich mir das wünschte und der Moment war vorüber. Tobi schüttelte kurz seinen Kopf und ich schaute schnell, um nicht seinen Augen begegnen zu müssen, in den Himmel und sah gerade noch eine kleine Sternschnuppe, die schnell verblasste, genau wie meine Hoffnungen, er könnte mich lieben.

„ELENA!, Süße du musst aufwachen, sonst verpasst du noch den ganzen Tag. Ich weiß es ist der längste, aber das ist er nur solange du jetzt aufstehst und ihn wach erlebst.“
Ich spürte eine Hand an meiner Schulter die mich schüttelte und versuchte zu wecken. Ich wollte nicht aufstehen, aber dann bemerkte ich, dass ich nicht auf der Wiese am Bach lag sondern in einem Bett. Ich öffnete die Augen und sah durch die geöffnete Terrassentür die Sonne aufgehen. Der Himmel war wolkenlos und rot Über dem Meer. Langsam tauchte die Sonne auf und schickte die ersten Stahlen am längsten Tag des Jahres auf die Erde.
Ich wendete meinen Kopf um zu sehen wem die Hand gehörte, die mich soeben geweckt hatte und sah in Tobis glänzende Augen.
„Guten Morgen, Gut geschlafen? Na dann auf wir haben noch einen Tag hier, dann müssen wir wieder zurück nach Deutschland.“
Ich sah mich in dem Zimmer um, und die Erinnerung kam wieder auf mich zu. Hatte ich das alles nur geträumt?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.09.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch ist für alle meine Freunde, die es genauso wie ich lieben im Sommer unter freiem Himmel Zelten zu gehen.

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