„Ein dunkel Wesen mit reiner Seele, geboren in Mondes Blut, um zu wandeln Finsternis in Licht. Es trage in sich das Höllenfeuer, zu läutern sei sein Ziel. Wer in seinen läuternden Flammen aufgeht, dessen Sünden zu Asche verbrennen. Doch wisset, jede unserer Taten wird ein Teil von unserem Selbst, auch die Sünde. Verbrennt sie so wird ein jeder grässliche Qualen leiden, denn ein Teil seiner Selbst wird im Feuer verenden.“
Prophezeiung aus dem 7. Buch, des Dämonenlords Tenebrae (1)
Aaden schlug die Augen auf. Die entsetzlichen Schreie, von denen er so oft träumte, hallten noch immer in seinem Kopf wieder. Er erhob sich und sank stöhnend zurück aufs Bett, als die Kopfschmerzen einsetzten, die er nach seinen Alpträumen immer hatte. Für einen Moment drehte sich das Zimmer um ihn herum. „Ad, Schätzchen, bist du wach?“ Das war seine Mutter. Anstatt zu antworten, blaffte er nur zurück: „Aspirin!“ Ein kurzer Moment herrschte Stille, dann ging die Tür auf und eine attraktive, schwarzhaarige Frau in ihren Vierzigern rauschte mit einem Glas Wasser und einer Packung Tabletten herein. „Oh weh, hattest du wieder diesen Traum? Tut’s sehr weh?“ Sie kam zu ihm und strich ihm über die Haare. „Aspirin!“, stiess Aaden zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie reichte ihm eine Tablette und Aaden spülte sie mit dem Glas Wasser herunter. Silvy, seine Mum, setzte sich neben ihn und strich ihm tröstend über den Rücken. Er lehnte sich an ihre Schulter und so blieben sie sitzen, bis er merkte, dass das Medikament langsam seine Wirkung entfaltete. „Guten Morgen“, murmelte er schliesslich. Sie lächelte: „Guten Morgen, Ad.“ Sie drückte ihm noch einen Kuss auf die Stirn und erhob sich dann. „Es ist schon halb acht, wenn du es noch rechtzeitig in die Schule schaffen willst, musst du dich beeilen. Ich mach inzwischen Frühstück.“ „Danke, Mum. Ich komme gleich nach und helfe dir“, rief er ihr nach, als sie die Treppe runter eilte. Er sprang schnell unter die Dusche und zog sich an, bevor er ihr nach unten folgte.
Aaden war adoptiert, deshalb ist es kaum verwunderlich, dass er keinerlei Ähnlichkeit mit seiner Mutter hatte. Sie schwarzhaarig, er rothaarig, sie gut gebräunt, er recht helle Haut, sie warme, braune Augen, er grüne. Vor 16 Jahren fand ihn die Polizei am Schauplatz eines Mordes. Es war Brandstiftung. Das Haus brannte bis auf die Grundmauern nieder. Mitten drin seine leibliche Mutter und er. Sie starb in dem Feuer, doch Aaden überlebte und das vollkommen unverletzt. Da weder ein Vater noch andere lebende Verwandte ausfindig zu machen waren, wurde er, als gerade mal ein paar Tage altes Baby, zur Adoption freigegeben. Aaden hatte Glück, kurz vor seinem ersten Geburtstag adoptierten ihn Silvy und Mike Thomsen. Und zehn Jahre später nahmen sie die Zwillinge bei sich auf.
Die beiden kamen gerade in die Küche geschlurft, als er und seine Mum das Frühstück fertig hatten. Toast, Marmelade und Rührei. Seine Adoptivgeschwister Kim und Kyle sind sieben, total verwöhnt, faul, frech und absolut liebenswert. Die beiden sind für Aaden die wichtigsten Menschen auf der Welt, dicht gefolgt von seiner Mum Silvy und Mike, seinem Dad.
„Hunger...“, murmelte Kyle verschlafen und rieb sich die Augen. Er streckte seine Hand nach einem Toast aus, doch Aaden war schneller. Er klatschte ihm den hölzernen Pfannenwender auf die Hand. „Autsch!“ Erschrocken zog sein kleiner Bruder die Hand zurück und funkelte ihn böse an. Jetzt war er endgültig wach und öffnete schon den Mund um einen Stapel Flüche auf seinen Bruder loszulassen. „Ah, ah!“ Aaden schüttelte den Kopf. „An deiner Stelle würd ich mir in Erinnerung rufen, wer dein Mittagessen macht. Du möchtest heute doch nicht den ganzen Tag hungern?“
Der Kleine klappte seinen Mund wieder zu und schoss hasserfüllt imaginäre Laserstrahlen aus seinen Augen auf seinen grossen Bruder. Aaden lächelte und wuschelte ihm durch die Haare und wandte sich gerade noch rechtzeitig Kim zu, um zu verhindern, dass die Kleine nach ihrem Toast greifen konnte. Auch sie bekam einen Klaps auf den Handrücken.
„Erst duschen und anziehen. Und vergesst das Händewaschen nicht!“ Die beiden schlurften murrend davon.
Aaden wendete sich wieder dem Rührei zu, das in der Pfanne brutzelte. Seine Mutter lehnte sich schmunzelnd neben ihm an die Arbeitsplatte. „Was?“
Sie seufzte theatralisch: „Neben dir krieg ich echt Komplexe. Du bist eine so viel bessere Mutter als ich.“
Aaden lachte: „Alles dein Verdienst. Du hast mich zur perfekten Hausfrau erzogen!“
Der Ausdruck seiner Mutter wurde ganz weich und sie wuschelte ihm zärtlich durchs Haar. „Im Ernst! Ich bin stolz auf dich, Aaden.“
Aaden grinste glücklich. „Danke Mum.“
Mike kam gerade zur Tür herein als sich Aaden und die Zwillinge auf den Schulweg machen wollten. Er war Arzt im örtlichen Krankenhaus und arbeitete meist in der Nachtschicht. Er sah übernächtigt und vollkommen erledigt aus, die dicken Augenringe bezeugten das. Trotzdem lachte er glücklich und schwang die beiden Kleinen im Kreis herum, als sie sich auf ihn stürzten. „Hey, Dad“, Aaden umarmte ihn kurz. „Frühstück steht auf dem Tisch, Mittagessen im Kühlschrank. Du brauchst es nur noch aufzuwärmen. Wenn du gegessen hast, mach dass du ins Bett kommst! Du siehst furchtbar aus!“
Mike blickte ihn finster an. „Charmant wie eh und je, Sohn. Danke! Ich wünsch euch einen schönen Tag!“
Die Zwillinge winkten noch, dann sputeten sie zu dritt die Strasse runter und erreichten gerade noch knapp den Schulbus. Ihre Schulen waren gleich nebeneinander, somit konnten sie den gleichen Bus benutzen.
Sie hüpften hinein. Kim und Kyle steuerten sofort die hinterste Reihe an, um sich neben ihre besten Freunde zu setzen. Tim und Lilly waren ebenfalls Zwillinge und glichen einander wie ein Ei dem andern, trotz ihres unterschiedlichen Geschlechts.
Aaden fand es komisch die vier zusammen zu sehen. Irgendwie kam er sich dann immer vor wie in einem menschlichen Memoryspiel.
Er setzte sich in der Mitte des Busses neben Kylia, seine beste Freundin, begrüsste dabei Akito, seinen besten Freund, mit einem Handschlag. „Morgen.“
„Hi“, grüsste dieser knapp und mit einem kleinen Lächeln zurück. Er war noch nie sehr gesprächig. Akito sprach immer nur wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte. So etwas wie Smalltalk gab es bei ihm nie. Dafür war er toller Zuhörer und Beobachter. Man konnte ihm nichts vormachen, er wusste wie es jemandem ging, noch bevor dieser es selber merkte oder aussprach. Aaden schätzte diese beiden Eigenschaften sehr an ihm. Er wusste er konnte sich immer auf ihn verlassen und er stellte, nicht wie so manch Anderer, wieder und wieder die Frage, warum er so oft morgens mit Kopfschmerzen und schlechter Laune zur Schule kam.
Aaden wandte sich Kylia zu und wollte ihr auch einen guten Morgen wünschen, doch die Worte blieben in seinem Hals stecken. Seine sonst immer fröhliche und unglaublich redselige Freundin starrte ihn aus dunkel umrandeten Augen, die trotz der Schminke noch zu sehen waren, und wutverzerrtem Schmollmund an. Er wollte sie gerade fragen was los sei, da zischte sie: „Wag es ja nicht nur einen falschen Piep von dir zu geben, oder ich bring dich um!“
Aaden runzelte verwundert die Stirn und sah hilfesuchend zu Akito. „Ihre Eltern waren übers Wochenende weg und hatten vergessen, dass ihre beiden kleinen Cousins kommen würden. Also musste sie das ganze Wochenende auf sie und auf ihre beiden Brüder aufpassen. Die vier Teufelsbraten haben ihr die Zeit wohl ziemlich zur Hölle gemacht.“
Das hätte witzig sein können, doch Aaden wusste, wie die Brüder von Kylia sein konnten. Er würde sie niemals freiwillig babysitten, die Beiden wussten ganz genau welche Knöpfe sie drücken mussten, um dafür zu sorgen, dass man sich schlussendlich dazu genötigt sieht, entweder schreiend davonzurennen oder ihnen die Köpfe einzuschlagen. Er verzog mitfühlend das Gesicht. „Das muss ja schlimm gewesen sein! Tut mir Leid für dich.“ Sie würdigte ihm keinen Blick, murrte leise und starrte zum Fenster hinaus.
Um Kylia aufzumuntern rannten die beiden Jungs, gleich als sie aus dem Bus ausstiegen, in die Kantine und holten ihr einen grossen Becher Kaffee schwarz mit viel Zucker und einen Schokoladenmuffin. Wie eine Opfergabe an eine wütende Göttin boten sie ihr im Klassenzimmer die Gaben an. Sie riss ihnen die Sachen aus der Hand und begann zu trinken. Aaden und Akito setzten sich auf ihre Plätze und gingen zusammen die Hausaufgaben durch, die sie natürlich mal wieder nicht gemacht hatten. Erst zehn Minuten später erwachten in Kylia wieder die Lebensgeister, da das Koffeein endlich seine Wirkung entfaltete. Gerade noch rechtzeitig für den Unterricht. Es klingelte, als sie sich gerade mit einem zerknirschten Lächeln bei den Jungs bedankte.
Der alte Direktor Steffens kam ins Schulzimmer geschlurft, neben ihm ein gutaussehender Mann mit kurzen blonden Locken und strahlend blauen Augen. Aaden hatte ihn noch nie gesehen, vermutlich der angekündigte, neue Lehrer. Ihr Klassenlehrer ist letzte Woche pensioniert worden.
„Guten Morgen, Klasse! Das ist Herr Johannes Schulz, er übernimmt die Aufgaben von Herrn Jonson und ist somit ab heute euer Klassenlehrer.“ Ein paar Mädchen in den hinteren Reihen gaben ein aufgeregtes Quitschen von sich und tuschelten miteinander. Aaden wollte gerade eine spöttische Bemerkung an Akito richten, da bemerkte er den verkniffenen, angespannten Ausdruck seines besten Freundes. Seine Lippen waren schmal zusammengepresst und seine Hände auf dem Tisch, ballten sich zu Fäusten.
Was war bloss mit ihm los? Auch Kylia schien alles andere als begeistert. Als Aaden sich zu ihr umdrehte, schien es fast als versuchte sie diesen Herrn Schulz mit Blicken zu erdolchen. Aaden runzelte die Stirn. Kannten die Beiden diesen Mann?
„Guten Morgen, alle zusammen!“ Aaden richtete sich wieder nach vorne zu dem neuen Lehrer. „Wie bereits erwähnt, mein Name ist Johannes Schulz.“ Er lächelte freundlich in die Reihen und Aaden war sicher, dass in diesem Moment einige der Herzen seiner Klassenkameradinnen geschmolzen waren. „Ich kann meinen Nachnamen nicht sonderlich gut leiden, also bitte nennt mich alle Johannes. Ab heute unterrichte ich euch in Englisch, Geschichte, Mathe und Sport. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit.“ Es gab Beifall. „Wie ich erfahren habe, bekommt ihr heute noch eine neue Mitschülerin.“ Eine neue Schülerin? „Cool, hoffentlich ist sie hübsch!“ Flüstert Max, Aadens Sitznachbar ihm zu. Aaden verdrehte die Augen. Herr Schulz, pardon, Johannes sah auf seine Uhr. „Vorhin habe ich sie im Sekretariat gesehen. Sie müsste jeden Moment...“ Und schon klopfte es.
Die Tür ging auf und...
Aaden’s Atem stockte. als das zauberhafteste Wesen eintrat, das er je gesehen hatte. Ihre glänzenden Locken fielen ihr, wie goldene Kaskaden, auf ihre zierlichen Schultern. Ihre strahlenden blauen Augen funkelten fröhlich und ihre vollen, roten Lippen waren zu einem süssen Lächeln verzogen. Sie streckte Johannes ihre perfekt manikürte Hand hin, um sich vorzustellen. „Hi, Diana Saint mein Name. Freut mich Sie kennen zu lernen.“ „Genau aufs Stichwort. Willkommen Diana in der Klasse 1d. Setz dich doch auf einen der freien Plätze.“ Zur Klasse gewandt fügte er noch hinzu: „Am Besten fangen wir gleich mit einer kleinen Vorstellungsrunde an, um einander etwas besser kennenlernen.“
Aaden bekam davon nichts mit. Er starrte immer noch wie gebannt Diana an, die direkt auf ihn zukam, ihm zulächelte und sich auf den freien Platz direkt vor ihm setzte. Das, was von seinem Verstand noch arbeitete, wusste, dass er in der nächsten Zeit vom Englischunterricht nicht mehr viel mitbekommen würde. So war es dann auch. Als es endlich läutete, zuckte er schuldbewusst zusammen und packte schleunigst seine Sachen. Johannes rief über den anschwellenden Lärm hinweg: „Einen Moment noch! Wer ist bei euch Klassensprecher?“ Aaden hob die Hand. „ Ah, Aaden, richtig? Gut, kannst du vielleicht Diana die Schule zeigen? Sie kennt sich hier ja noch nicht aus.“ Der Gefragte strahlte vor Freude, was ihm missbilligende Blicke von seinen beiden besten Freunden und neidische von seinen Klassenkameraden einbrachten. „Klar, kein Problem!“, meinte er fröhlich. Diana drehte sich zu ihm um und sein Herz geriet ins Stocken, als sie ihm ein Lächeln zeigte, das einfach nicht von dieser Welt stammen konnte. „Vielen Dank, das wär echt super!“ Die beiden verliessen gemeinsam den Raum, ohne dass Aaden bemerkte, was für mörderische Blicke Kylia und Akito der Neuen zuwarfen.
Nach diesem Schultag, schwebte Aaden bereits auf Wolke sieben. Er und Diana hatten sich super unterhalten. Sie hatte Humor und neben ihres guten Aussehens auch Köpfchen. Besonders interessierte sie sich für Chemie und Theologie. Offenbar war sie gläubige Christin. In ihrer Heimatstadt hatte sie im Kirchenchor mitgesungen und regelmässig den Gottesdienst besucht. Aaden fand das super. Erst hielt er sie ja eher für die typische Cheerleaderin. Viel Schminke, wenig Grips und nimmt nichts wirklich ernst. Doch so war sie nicht. Das gefiel ihm.
Der einzige trübende Schatten an diesem Tag waren seine Freunde gewesen. In der grossen Pause hatten sie ihn von Diana weggezerrt. Sie schwafelten irgendetwas davon, dass er sich lieber von ihr fernhalten sollte. Sie sei nicht gut für mich. Aaden verstand nicht was plötzlich mit den beiden los war. Sie waren doch sonst nie so. Was hatten die beiden nur gegen Diana und den neuen Lehrer Johannes?
Ihr Verhalten änderte sich auch in den nächsten zwei Wochen nicht. Sie versuchten immer wieder ihn von Diana fernzuhalten und davon zu überzeugen, dass sie nichts für ihn sei. Aaden ging das zunehmend auf die Nerven. Dabei lief es gerade so gut zwischen ihm und Diana. Sie hatten sogar schon ein Date, wovon Kylia und Akito natürlich nichts wussten. Sie waren zusammen ins Kino gegangen und anschliessend essen. Zum Abschied hatten sie sich geküsst. Das war vorgestern. Aaden konnte noch immer ihre weichen Lippen auf seinen fühlen, wenn er daran zurückdachte. Es war das absolut schönste Gefühl gewesen, dass er in seinem bisherigen Leben erfahren durfte.
Zarte Finger schlossen sich um seine. Sein Herz setzte einen Schlag aus, wie immer wenn sie ihn berührte. „Guten Morgen, Aaden“, flüsterte sie und streckte sich ein wenig um ihm einen Kuss zu geben, den er etwas überrumpelt erwiderte. Als sie sich zurückzog grinste er sie dümmlich an. Dann wurde er wieder ernst und fragte unsicher: „Heisst das jetzt wir sind zusammen?“ Sie tippte zärtlich seine Nase an und meinte: „Genau das heisst es.“ Dann drehte sie sich lachend um und zog ihn hinter sich her ins Klassenzimmer.
Als seine Freunde ihn händchenhaltend mit Diana hereinkommen sahen, verdüsterten sich ihre Gesichter und sie begannen miteinander zu tuscheln. „Im Ernst! Was war mit denen los? Sollten sie sich nicht für mich freuen?“, fragte sich Aaden im Stillen. „Dann rutscht mir doch den Buckel runter!“ Trotzig wandte er sich von ihnen ab und konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Schönheit, die vor ihm sass. Nachdem sie ihre Bücher ausgepackt hatte, drehte sie sich zu ihm um.
„Du hast morgen Geburtstag, oder?“ Ihre Augen blitzten aufgeregt. Er schaute sie erstaunt an. „Genau! Woher weisst du das den?“ „Och, ich hab so meine Quellen.“
Er musste schmunzeln. „Ja ich feiere meinen Geburtstag immer nur im kleinen Kreis mit meiner Familie und meinen Freunden. Möchtest du nicht auch kommen? Dann könnte ich dir alle vorstellen.“ Sie strahlte ihn an, das hatte sie ganz offensichtlich gehofft zu hören. Dann verfinsterte sich ihr Gesicht plötzlich. „In diesem Fall sind die beiden wohl auch mit dabei, richtig?“ Aaden zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Auch wenn sie sich im Moment total daneben benehmen, sind sie doch meine besten Freunde.“ Diana lächelte ihn liebevoll an. „Klar, das versteh ich. Wer weiss, vielleicht können wir sogar unsere Differenzen überwinden bei dem Fest.“ Aaden’s Augen wurden feucht vor Liebe und Dankbarkeit. Er lehnte sich zu ihr vor und küsste sie zärtlich. „Danke!“
„Tu das nicht! Nein! Bitte!“ Ihre Stimme klang verzweifelt, sie flehte und weinte. Dann plötzlich verstummte sie, um im nächsten Moment einen schrecklichen, gellenden Schrei auszustossen.
Aaden fuhr schreiend aus dem Bett hoch. Er keuchte und zitterte. Was war das? Die Schreie dieser unbekannten Frau hallten noch in seinem Kopf nach und sofort setzten die Kopfschmerzen mit voller Wucht wieder ein. Er stöhnte schmerzerfüllt auf und liess sich zurück aufs Bett fallen. Um ihn herum drehte sich alles.
Die Träume wurden immer schlimmer! Früher hörte er alle möglichen Schreie im Traum. Doch in letzter Zeit hörte er immer öfters nur diese eine Frauenstimme. Und das war seltsamerweise noch schlimmer für ihn, als alles andere. Warum konnte er nicht sagen.
Die Tür wurde aufgerissen. Mike und Silvy stürmten herein. „Aaden alles in Ordnung?“ Besorgt eilten sie zu ihm. Silvy setzte sich neben ihn aufs Bett und strich ihm zärtlich die Haare aus dem Gesicht. Mike verschwand währenddessen im Bad und kam mit Kopfschmerztabletten und einem Glas Wasser zurück.
Er kniete sich vor ihm nieder und reichte ihm das Mitgebrachte. Dankbar nahm Aaden es entgegen und stürzte beides so hastig runter, dass er sich verschluckte. Silvy klopfte ihm auf den Rücken. Mike betrachtete seinen Adoptivsohn besorgt. „Meine ich das nur oder wird es in letzter Zeit schlimmer mit deinen Träumen?“ Aaden nickte schwach. Mike seufzte. „So was musst du mir doch sagen! Das weisst du doch!“ Aaden nuschelte etwas das sich wie: „’schuldigung“ anhörte.
Sein Vater lächelte leicht und klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern. „Übrigens alles gute zum Geburtstag!“, meinte Silvy nach einem kurzen Blick auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Sie gab ihm einen Kuss auf die Schläfe. Mike tat es ihr gleich und gratulierte seinem Sohn herzlich. Aaden grinste schwach. Heute würde bestimmt ein guter Tag werden! Der Gedanke an das Fest und vor allem an Diana liessen ihn seine Kopfschmerzen beinahe vergessen.
Es war Samstag, also keine Schule. Den Morgen verbrachte Aaden mit seiner Familie, die ihn nach Strich und Faden verwöhnte. Als er geduscht und angezogen nach unten in die Küche kam, hatten seine Eltern und die Zwillinge ein wunderbares, üppiges Frühstück gezaubert. Es gab frische Brötchen, seinen Lieblingsbrotaufstrich, seine Lieblingscornflakes, Fruchtsalat und äh... Spiegelei... Zumindest sollte es das wohl darstellen. Die Zwillinge hatten darauf bestanden zu helfen, was wirklich lieb war, aber zur Folge hatte, dass das Spiegelei eher einer undefinierbaren, verkohlten Masse glich, die entfernt an Rührei erinnerte.
Der Geschmack war nicht viel besser, aber als Aaden das leuchten in den Augen der Zwillinge sah, gab er sich einen Ruck und schluckte mühsam einige Bissen runter, ehe er mit viel frischgepresstem Orangensaft versuchte den ekligen Geschmack im Mund loszuwerden. Himmelherrgott, was haben die da reingemischt? Lieber nicht darüber nachdenken. Kam sowieso viel zu selten vor, dass die beiden freiwillig bei irgendetwas halfen. Da war es wohl besser, die beiden nicht auch noch zu entmutigen.
Als sie fertig gegessen hatten war es bereits fast Mittag und Aaden dementsprechend aufgekratzt. In einer halben Stunde sollte Diana eintreffen. Eine Stunde vor Kylia und Akito, damit er sie in aller Ruhe seinen Eltern vorstellen konnte, ohne auf deren seltsame Launen Rücksicht nehmen zu müssen.
Er machte sich noch einmal etwas frisch, putzte seine Zähne und überprüfte gerade seine Frisur, als es klingelte. Schneller als jemals zuvor sprang er die Treppe runter und stürzte zur Tür. Dabei rannte er beinahe Mike um, der ihm kopfschüttelnd, mit einem wissendem Grinsen im Gesicht, hinterher sah.
Er öffnete die Tür und blickte in die wunderbaren blauen Augen von Diana, die ihm sofort um den Hals fiel, ihm immer und immer wieder Happy Birthday wünschte und dabei kleine Küsse auf seinem Gesichte verteilte, ehe sich ihre Lippen trafen und sie sich in einem leidenschaftlichen Kuss verloren. „Jetzt kann ich glücklich sterben“, schoss es Aaden durch den Kopf.
Erst ein gequängeltes „Igitt ist das ecklig! Sucht euch ein Zimmer“ seines Kleinen Bruders, brachte die beiden dazu lachend voneinander abzulassen. Sein Vater und seine Mutter kamen ebenfalls lachend zur Tür, um den Gast zu begrüssen. Jetzt war Aaden doch wieder etwas nervös. „Mom, Dad und die beiden Rotzgören“, stellte Aaden kurz vor. „Das ist Diana, meine Freundin.“ Er platzte beinahe vor Stolz. Diana lächelte freundlich in die Runde. Sie umarmte kurz meine Mutter und meinen Vater, die die Begrüssung freudig erwiderten. „Freut mich dich kennenzulernen, Diana. Mein Sohn hat uns schon viel von dir vorgeschwärmt.“ „Mum!“, rief Aaden aus und errötete leicht. Diana nahm seine Hand und lächelte ihn kurz an. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite.“
Sie gingen ins Wohnzimmer und Silvy servierte Getränke. Die Zwillinge verzogen sich bald in den Garten um Fussball zu spielen. Währenddessen unterhielten sich die anderen prächtig miteinander. Seine Eltern schienen Diana zu mögen und das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. Aaden fiel ein Stein vom Herzen. Immerhin mit seinen Eltern wird es keine Probleme geben.
Eine Stunde später klingelte es wieder und Aaden ging aufmachen. Akito und Kylia standen vor der Tür und strahlten ihn an. „Alles Gute zum Geburtstag!“, riefen sie laut und umarmten ihn fest. Er lachte. „Danke, Leute. Kommt rein!“ Bereits im Gang drückte ihm Kylia ein kleines langes Paket in die Hand. „Von Akito und mir. Ich hoffe es gefällt dir!“ „Ganz sicher! Vielen Dank! Gehen wir ins Wohnzimmer?“
Die beiden folgten ihm. Aaden beobachtete genau ihre Reaktion als sie den Raum betraten und Diana sahen. Ihre Fröhlichkeit schien verschwunden und das Lächeln gefror ihnen auf den Lippen. Doch dann rissen sie sich anscheinend beide zusammen und setzten ein falsches Lächeln auf. Sie begrüssten meine Eltern und sogar Diana, auch wenn etwas steif. Immerhin. Aaden nickte zufrieden. Er konnte sie nicht zwingen Diana zu mögen, auch wenn er nicht verstand warum. Aber sie bemühten sich wenigstens um eine Art Akzeptanz, das war ein deutlicher Fortschritt.
Die Zwillinge sprangen gleichzeitig auf Akito und krallten sich, wie Klammeraffen, auf seinen Rücken. Er stand ungerührt still und liess sich alles gefallen. Die Zwillinge nannten ihn Kletterbaum, weil er immer so ruhig war und sie gut an ihm rumklettern konnten. Mit seinem muskulösen Körperbau und den guten ein Meter neunzig entsprach er ziemlich genau diesem Bild.
Es wurde ein fröhlicher Nachmittag und Aaden freute sich darüber. Auch wenn Kylia und Akito sich weiterhin Diana gegenüber verschlossen.
Es war schon dunkel als sich die beiden verabschiedeten und Aaden Diana anbot sie nach Hause zu bringen.
Sie verliessen gemeinsam das Haus und trennten sich drei Strassen weiter, da seine Freunde in die andere Richtung mussten.
Aaden und Diana schlenderten händchenhaltend weiter. „Deine Eltern sind echt nett“, eröffnete Diana das Gespräch. „Ich mag sie. Und deine Geschwister sind richtig süss!“ Aaden schnaubte ungläubig. „Süss? Du nennst die frechen Gören süss?“ Er lachte, aber sein stolzer, liebevoller Blick strafte ihn Lügen. Er liebte die Beiden abgöttisch, das wusste jeder und auch für Diana war das offensichtlich. „Ich find das echt toll, wie du mit den beiden umgehst. Man sieht dir richtig an wie viel sie dir bedeuten.“ Sie lächelte und blieb unter einer Strassenlaterne stehen. Aaden wandte sich ihr lächelnd zu und nahm ihre beiden Hände in seine.
Er beugte sich vor und wollte sie gerade küssen, da gellte plötzlich ein lauter Schrei durch die Nacht. „Hiiiilfeeee! Umpf“, tönte es aus einer Nebenstrasse, dann war es wieder still. Aaden fuhr herum, schob Diana hinter sich und starrte angespannt in die Dunkelheit. Als nichts weiter geschah, wies er Diana an sich zu verstecken und blickte vorsichtig in die Gasse. Was er sah verschlug ihm kurz die Sprache. Ein Mann, ungepflegt und gross, war über eine bewusstlose Frau gebeugt. Ihr Rock hochgeschoben, er wollte sich gerade die Hosen öffnen. Er hörte Aaden aufkeuchen vor Schreck und fuhr herum. Ein Messer blitzte in seiner Hand auf und etwas in Aaden explodierte. Er sah noch, wie die Augen des Mannes sich vor Entsetzen weiteten. Spürte dann eine unglaubliche Hitze in seinem Innern, die nach Aussen drängte. Der kurze heftige Schmerz in seinem Herzen, fühlte sich an, als ob es brennen würde. Er schrie auf und plötzlich schossen glutrote Flammen aus seinem Körper, hüllten ihn ein und... es tat nicht mehr weh! Bevor er überhaupt realisierte, was gerade geschah, sah er, wie der dreckige Mann entsetzt versuchte zu flüchten. Ohne das Zutun von Aaden lösten sich in sekundenschnelle die Flammen von ihm, bildeten eine Art lose Kugel und schossen auf den Mann zu. Sie trafen den Fliehenden am Rücken, rissen ihn von den Füssen und hüllten ihn ein. Schmerzerfüllt kreischte dieser los. Er hörte gar nicht mehr auf! Aaden presste sich die Hände auf die Ohren, seine Knie gaben nach. Dann wurde alles um ihn schwarz. Diese Schreie. Er kannte diese Art von Schreien.
Liebevoll streichelte ihm die Frau über den Kopf, küsste ihn auf seinen Scheitel, wiegte ihn sanft in ihren Armen. Sie seufzte traurig. „Du wirst es mal nicht leicht haben. Aber du brauchst keine Angst zu haben“, flüsterte sie ihm zärtlich ins Ohr. „Denn wir werden dich immer lieben und in deinem Herzen bei dir sein. Glaub mir, mein Schatz. Du bist nie allein!“ Er kannte diese Stimme. Aber woher? Er konnte sich nicht erinnern und als ihre Stimme leiser wurde, bekam er Panik. „Nein, nein, geh nicht weg! Bitte, lass mich nicht allein!!!“ Dann versank er erneut im schwarzen Nichts.
Stechender Schmerz bohrte sich in seinen Schädel, als sich der Nebel um seinen Kopf langsam lichtete. Er stöhnte auf und kniff die Augen noch fester zusammen. „Er kommt zu sich. Akito, er wacht auf!“, hörte er eine laute und viel zu schrille Stimme rufen. Er stöhnte erneut auf. Er versuchte gequält seine Hände auf die Ohren zu pressen, doch seine Glieder fühlten sich schwer wie Blei an. Er blinzelte angestrengt, versuchte sich an das helle Licht zu gewöhnen, um zu sehen wo er war. Jemand beugte sich über ihn. „Hey Aaden, kannst du mich hören? Wie geht’s dir?“ Das war Kylia. Aaden stöhnte erneut vor Schmerzen auf. Sein Blick klärte sich allmählich und er blinzelte verwirrt. „Wo bin ich?“ Ein erleichtertes Seufzen war zu hören und jemand betrat den Raum. Kurz darauf ertönte eine tiefere, ruhige Stimme: „Bei mir zuhause, Ad. Wir haben dich nach dem Vorfall hierher gebracht. Zum Glück waren wir etwas schneller als Johannes.“ Akito setzte sich zu seinem Freund aufs Bett. „Hä? Welcher Vorfall? Wieso Johannes?“, fragte sich Aaden. Da kamen mit einem Schlag die Erinnerungen zurück. Er schoss erschrocken auf. „Feuer! Es hat gebrannt! Was ist mit dem Mann? Ist die Frau in Ordnung? Oh Gott, was ist mit Diana?!“ Panik ergriff von ihm Besitz. Er wollte sich erheben, da drückte ihn Kylia zurück auf die Matratze. „Ganz ruhig, Ad. Wir werden es dir erklären, aber du musst dich erst beruhigen. Es geht allen gut, auch Diana. Beruhige dich!“ Aaden atmete kurz auf. Er stockte und seine Augen weiteten sich entsetzt. „D-das war ich, oder? D-das F-feuer kam aus mir. Aus meinem Innern!“, schrie er seinen Freunden regelrecht entgegen. „Ja, Ad. Wir können dir alles erklären! Doch zuerst musst du runterkommen!“ Versuchte Akito ihn zu beschwichtigen. „Hier, trink erst mal und atme ein paarmal tief durch!“ Er drückte ihm eine Tasse Tee in die Hand. Aaden versuchte es. Es dauerte eine Weile, doch schlussendlich normalisierte sich sein Herzschlag und er konnte wieder frei atmen.
Er trank einen Schluck der warmen Brühe, straffte sich und musterte seine beiden Freunde erwartungsvoll. „Also was war da los? Und was habt ihr damit zu tun?“, fragte er mit fester Stimme. Kylia rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum und Akito rieb sich nervös mit der Hand den Nacken. „Ich weiss nicht wo ich anfangen soll...“, murmelte er. „Am besten, am Anfang“, spottete Aaden.
Kylia beugte sich vor und sah ihm fest in die Augen. „Zuerst musst du versprechen uns ausreden zu lassen, ehe du reagierst. Du musst dir alles anhören, bis zum Schluss. Versprich es!“ Das mulmige Gefühl in Ad’s Magen verstärkte sich und er war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er die Erklärung überhaupt hören wollte. Aber eigentlich hatte er gar keine Wahl, also versprach er es.
Akito holte tief Luft und begann zu erzählen.
„Als erstes musst du wissen, dass alles was wir dir erzählen, wahr ist. Wir würden dich diesbezüglich niemals anlügen! Du wirst es uns vermutlich trotzdem nicht glauben. Das hier wird dein ganzes Weltbild auf den Kopf stellen, aber wir können es dir beweisen! Das werden wir auch tun, nur lass uns erst alles zu Ende erzählen!“ Aaden wurde es immer flauer im Magen. Unsicher nickte er. Akito räusperte sich. „Ok, erst die Grundlagen: Du weisst in vielen Mythen, Geschichten und der Bibel ist die Rede von einem Himmel, einem Paradies, der Hölle, oder auch der Unterwelt. Die gibt es wirklich! Sie existieren paralell zu der Unseren.“ Aaden entwich ein hysterisches Lachen, doch das verging ihm schnell als er Akitos ernstes Gesicht sah. Erschrocken stellte er fest: „Du glaubst tatsächlich, was du da sagst?“ Dieser nickte.
Ungläubig sah Aaden zu Kylia, doch sie machte genauso ein ernstes Gesicht. „Du auch? Wollt ihr mich vergackeiern?!“, fuhr er sie wütend an. „Vergiss nicht, du hast versprochen fertig zu zuhören!“, erinnerte sie ihn. Akito liess ihm keine Zeit zu widersprechen und fuhr fort: „Jedenfalls... Es gab eine Zeit, da existierte unser Universum noch nicht, da herrschte ein grausamer 200 jähriger Krieg zwischen der Unterwelt und dem Himmel. Beide Seiten waren des Kämpfens müde, denn es sah nicht so aus, als ob je ein Gewinner aus den Kämpfen hervorgehen würde. Die Bewohner beider Welten, also die Engel und die Dämonen, hatten unglaubliche magische Kräfte und waren unsterblich. Keiner war bereit sich zu ergeben. So wäre der Krieg wohl ewig weitergegangen, wenn sich nicht eine Gruppe von Engeln und Dämonen, die es satt hatten, einander zu bekämpfen, gegen ihre Gebieter, den Teufel und Gott, aufgelehnt hätten. Sie nannten sich die Suchenden. Weil sie alle etwas suchten, dass ihnen der Krieg nicht geben konnte. Frieden, Ruhe, Wohlstand, Luxus... Jeder von ihnen suchte etwas anderes, doch dieser ewige Krieg verhinderte, dass sie es finden konnten. Die Wert- und Moralvorstellungen dieser Engel und Dämonen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Nur in diesem einen Punkt waren sie sich einig: Dieser Krieg musste aufhören! Also schlossen sie sich zusammen, bündelten ihre Kräfte und erschufen, gegen den Willen ihrer Herrscher, zwischen Himmel und Unterwelt eine Raum- und Zeitbarriere, so dass die beiden Reiche nie wieder direkt gegeneinander kämpfen können. In diesem Raum zwischen den beiden Welten entstand unser Universum, wie du es kennst und unsere Erde. Die Suchenden mussten fliehen, um der Strafe zu entkommen und suchten in dem neu entstandenen Universum eine Bleibe. Bald fanden sie heraus, dass sie hier nicht mehr unsterblich waren und sie einen Teil ihrer magischen Kräfte eingebüsst hatten. Freischwebend im All brauchten sie die Kräfte jedes einzelnen um zu überleben. Das schweisste sie zusammen und bald waren sie zu einer festen Gemeinschaft geworden. Sie begannen sogar, sich untereinander fortzupflanzen. Daraus entstanden weitere Engel und Dämonen, sowie Mischlinge der beiden Arten. Alles in allem ging es ihnen nicht mal so schlecht, solange sie sich aufeinander verlassen konnten. Trotzdem fehlte ihnen ein Zuhause.
Es schien glücklicherweise so, als ob es Gott und dem Teufel nicht möglich war, sie zu verfolgen. Anscheinend konnten nur diejenigen, die direkt an der Erschaffung der Raum- und Zeitbarriere beteiligt waren, dies auch durchschreiten.
Derweilen entstand auf der Erde das erste Leben. Als schliesslich die ersten Menschen auf dem Planeten wandelten, fanden die Suchenden hier ein neues Zuhause. Sie liessen sich auf der Erde nieder und lebten vorerst im Verborgenen. Sie beobachteten interessiert, wie sich die Menschen entwickelten und begannen schlussendlich mit und unter ihnen zu leben. Sie erkannten das Potenzial der Menschheit und versuchten dies zu fördern und manchmal es zu manipulieren. Da die Suchenden nicht mehr voneinander abhängig waren, fiel die Gemeinschaft auseinander. Nun gab es auf der Erde Nachfahren von Dämonen, Engeln und Mischlinge. Viele berühmte Persönlichkeiten, welche du kennst, waren Nachfahren der Suchenden. Zum Beispiel Kleopatra, sie war ein Mischling. Leider Gottes auch Napoleon und Hitler, sie waren Dämonen. Und Siddhartha, dir vielleicht besser bekannt als Buddha, war ein Engel.
Es gab auch bald Menschenmischlinge.
So, das als Hintergrundinfo. Jetzt kommen wir zu dir.“
„Hintergrundinfo?! Ist das sein Ernst?“ Aaden schwirrte doch jetzt schon der Kopf.
Aaden konnte nicht glauben, was ihm seine Freunde hier aufzutischen versuchten. Glaubten die Beiden wirklich, was sie da erzählten? Sie müssen den Verstand verloren haben. Eine andere Erklärung gab es für ihn nicht. Allerdings...
Wenn er seinen Erinnerungen glauben schenkte, war er selbst nicht besser dran. Oder wie sollte er sich erklären, dass erst vor wenigen Stunden Flammen aus seinem Inneren herausgebrochen sind und er trotzdem keinerlei Verbrennungen hatte?
Akito fuhr fort: „Das alles ist wahrscheinlich schwierig zu verstehen und noch schwerer zu glauben, aber wir sagen dir die Wahrheit. Wir sind deine besten Freunde! Wir würden dich diesbezüglich niemals anlügen.“ Er blickte seinen Freund flehend an. Er schien Angst zu haben. Das war so untypisch für Akito, dass Aaden ganz automatisch nickte. Seine Freunde seufzten erleichtert auf.
Kylia ergriff jetzt das Wort: „Du möchtest sicher wissen, was das Ganze mit dir zu tun hat, richtig?“ Aaden nickte wieder. Sie lächelte ihn etwas schief an. „Deine leiblichen Eltern... Aaden, sie waren beide Dämonen. Nachkommen der Suchenden. Genauso wie Akitos Eltern und meine Mutter. Mein Vater hingegen ist ein Engel.“
Entsetzt starrte er Akito und Kylia an. „D-du meinst...“ Sie nickte: „ Wir drei sind direkte Nachkommen der Suchenden. Du und Akito sind Dämonen, ich bin ein Mischling.“
Aaden lachte hysterisch auf. „Ist das echt euer Ernst?!“ Langsam wurde es ihm zu bunt. Wütend sprang er auf. „So einen Schwachsinn tischt ihr mir hier auf und nennt euch Freunde? Es reicht! Wenn ihr mir nicht erklären könnt, was da draussen passiert ist, finde ich es eben selbst raus!“, schrie er die Beiden an und wollte hinausstürmen. Die Tränen in Kylias Augen und ihre Rufe ingnorierte er. Plötzlich erzitterte der Raum und direkt vor Aaden schossen Steine aus dem Boden und sammelten sich direkt vor seinem Gesicht. Dort blieben sie schwebend mitten in der Luft stehen und begannen sich um sich selbst zu drehen. Vor Schreck stolperte Aaden zurück, landete unsanft auf seinem Hintern und schnappte nach Luft. Sprachlos und mit offenem Mund starrte er die schwebenden Steine an. „Glaubst du uns jetzt?“, spottete Akito. Kylia schniefte und klärte ihn auf: „Was du hier siehst, ist Akitos Gabe. Jeder Dämon und jeder Engel hat eine eigene. Sie sind unglaublich vielfältig. Die häufigsten Fähigkeiten sind wohl die Kontrolle über eines der Elemente, Feuer, Luft, Wasser und Erde. Wobei es ganz unterschiedliche Ausprägungen gibt. Es gibt auch andere Fähigkeiten, wie zum Beispiel Telekinese, Teleportation, die Fähigkeit mit Tieren zu sprechen, Pflanzen wachsen zu lassen, Illusionen zu erzeugen oder sich unsichtbar zu machen. Warte, ich zeige es dir.“ Sie stupste sich mit einem Finger gegen die Nase und... War verschwunden! Sie war weg! Aaden starrte schockiert auf die Stelle wo eben noch seine beste Freundin gestanden hatte. Aus dem Nichts hörte er ihre Stimme. „Du solltest dein Gesicht sehen!“, lachte sie. Und schwupp: Schon stand sie wieder da, ihr Finger an der Nasenspitze und grinste ihn an. Aaden klappte seinen Mund auf und zu wie ein Fisch. Er hatte sichtlich Mühe sich zu fassen. Doch seine beiden Freunde zeigten sich geduldig. Kylia brachte ihm noch ein Tee, Akito zog ihn auf die Füsse und führte ihn zurück zum Bett. Sie setzten sich alle und nachdem Aaden sich beruhigt hatten, erzählten die Beiden weiter. Sie erklärten ihm, dass die Nachfahren der Suchenden wegen internen Auseinandersetzungen in drei Gruppen zersplittert sind. In die Engel, die trotz ihres eigenen Verrats den strengen Prinzipien Gottes treu bleiben wollten. In die Dämonen, die grossen Wert auf ihre Freiheit legten, sich keinen Regeln und Beschränkungen zum Wohle Aller unterwerfen wollten. in die Gemeinschaft der Nachfahrenden der Suchenden, kurz GNS. Sie wollten ein friedliches Miteinander der Dämonen, Engel und den Mischlingen beibehalten.
Sie sprachen über eine Prophezeiung, die einer der früheren Dämonenlords vor über tausend Jahren machte. Darin ging es um einen Dämonen mit reiner Seele, der das Höllenfeuer in sich trage. Dieses Höllenfeuer konnte Sünden verbrennen, somit den Brennenden von ihnen befreien und ihn wieder zu einem Unschuldigen machen. Sozusagen eine Wiedergeburt für verdorbene Seelen.
Das sei aber sehr schmerzhaft und die Sünder wollen meist nicht geläutert werden. Akito eröffnete ihm, dass Aaden selbst dieser Dämon sei. Das sei bereits bei seiner Geburt festgestellt worden. Die GNS, denen Akito’s und Kylia’s Familien angehörten, sorgten nach dem Tod seiner Mutter dafür, dass er in gute Hände kam und unbeschwert aufwachsen konnte, bis seine Gabe an seinem 16. Geburtstag erwachen würde. Sie wollten verhindern, dass eine der beiden anderen Gruppen, ihn töten oder für ihre Zwecke missbrauchen würde. Denn für die meist aggressiven und gewaltbereiten Dämonen, war er eine Gefahr und für die Engel wäre er ein perfektes Werkzeug um alles Böse oder Sündige von der Welt verschwinden zu lassen. Dabei wies Kylia Aaden daraufhin, dass eine geläuterte Seele nicht direkt eine gute Seele sei. Sie verglich das mit einem beschriebenen Blatt Papier. Das Höllenfeuer wirke wie ein Tipex, es löscht alle bösen Worte. Dadurch entstehen Lücken, die man wieder füllen kann und was man da hineinschrieb kann ein Tipex nicht beeinflussen. Aaden musste bei dem Vergleich schmunzeln. Es war typisch für Kylia, dass sie so seltsame Vergleiche anstellte. Er und Akito hatten sich über ihre Art des Erklärens schon oft lustig gemacht. Das Lachen verging ihm aber schnell wieder, als sie fortfuhr. Die Engel wollten dies für sich nutzen. Die geflügelten Wesen waren Meister im Bereich der Manipulation und wollten erreichen, dass alle sich ihrem Gott unterordneten.
Ihm fiel es immer noch schwer ihnen zu glauben. Eine andere Erklärung hatte er jedoch nicht und er musste zugeben, dass jetzt alles Sinn zu machen schien. Natürlich hatte er trotzdem noch jede Menge Fragen.
Als erstes: „Hat eure Abneigung gegenüber Johannes und Diana etwas mit all dem hier zu tun?“ „Scharfsinnig kombiniert, Sherlocks Holmes. Die beiden sind Engel und wir befürchten, nein, wir sind uns sicher, dass sie dich nur für ihre Zwecke ausnutzen wollen. Tut mir Leid, Aaden. Ich weiss, dass du Diana gerne hast, aber... Ich fürchte, sie versucht nur dich auf ihre Seite zu ziehen.“
Aaden’s Kiefer verkrampfte sich. Das konnte und wollte er nicht glauben. Doch da schoss ihm plötzlich ein anderer wirrer Gedanke durch den Kopf.
Seine Hand zitterte, als er seine nächste Frage stellte: „M-meine Mutter... Sie starb in einem Feuer... War das etwa... ich?“ Tränen stiegen ihm in die Augen und Verzweiflung drohte ihn zu überrollen. Kylia sprang von ihrem Stuhl auf und zog ihn in ihre Arme. „So etwas darfst du nicht mal denken!“, rief sie aus. „Wir haben dir doch erzählt, dass dein Feuer nur die Sünden verbrennt. Deine Gabe tötet niemanden! Ausserdem ist deine Gabe erst jetzt erwacht. Du konntest sie damals gar nicht nutzen!“
Aaden schloss die Arme um seine Freundin und verdrückte ein paar Tränen. Der Schock darüber, vielleicht seine eigene Mutter getötet zu haben, sass ihm noch in den Knochen. Akito streichelte ihm tröstend über den Rücken und langsam versiegten die Tränen. Seine Freunde hatten schliesslich Recht. Er konnte nicht Schuld an ihrem Tod sein. Akito rettete ihn schliesslich von weiteren Spekulationen. „Ein anderer, mächtiger Feuerdämon hat deine Eltern getötet. Er wollte verhindern, dass du zur Welt kommst und hat darum versucht, dich zu töten, als du noch im Mutterleib warst.“ Aaden sah ihn verwirrt an. „Beim Brand damals warst du noch nicht geboren. Er ermordete deine Mutter und glaubte, dass er damit auch dich getötet habe. Er hat dabei nie in Erwägung gezogen, dass du gegen das Feuer imun sein könntest.“ „D-du meinst...“ Er nickte: „Genau. Deine Mutter hat dich während des Feuers zur Welt gebracht. Keine Ahnung wie sie das geschafft hat, aber dass du heute hier bist, ist der beste Beweis dafür.“
„Meinen Vater hat er auch getötet?“ Akito schaute ihn traurig an. „Ja, leider. Dein Vater war ein Winddämon. Ein toller Mann. Er war auch Mitglied der GNS und war gut mit meinen Eltern befreundet. Dein Vater hatte ein grosses Herz, aber er war nicht sonderlich stark und starb bei dem Versuch den Dämonen von deiner Mutter fernzuhalten.“
Die drei Freunde sassen an diesem Abend noch lange zusammen. Kylia und Akito versuchten ihm alle Fragen zu beantworten und als sie nicht mehr weiterwussten, gingen sie alle gemeinsam zu Akitos Eltern. Die beiden sind die Leiter der GNS und führten Aaden auch gleich in die Gebräuche, Sitten und Grundregeln der Gemeinschaft ein.
Sie legten ihm ans Herz seine Gabe zu trainieren, um sie im Notfall besser kontrollieren zu können. Sie versprachen ihm ihre Hilfe. Es mussten Stunden vergangen sein, als Aaden tief gähnte und somit die Gespräche verstummten. Er wollte noch so viel mehr wissen und er hatte keine Ahnung wie es jetzt weitergehen sollte. Was sollte er seinen Eltern sagen? Sollten sie es überhaupt erfahren? Wollte Diana ihn wirklich nur benutzen? Wie sollte er sich ihr gegenüber jetzt verhalten? Was erwartete die Gemeinschaft jetzt von ihm? Wie wird seine Zukunft aussehen? Und, und, und...
Doch er war einfach viel zu müde und sein Kopf rauchte von all den neuen Informationen. Akito richtete das Gästebett her und Aaden schlief ein, sobald sein Kopf das Kissen berührte.
Die nächsten paar Tage verbrachte Aaden nach der Schule hauptsächlich mit Akito und seiner Familie. Diana war in der Schule krankgeschrieben, so konnte er sich vorläufig von einer Konfrontation mit ihr drücken. Er redete stundenlang mit Kylia, Akito und deren Eltern über die Gemeinschaft, Dämonen, Engel, seine Gabe und seine Zukunft. Sie versichertem ihm, dass die Gemeinschaft keine Erwartungen an ihn habe. Sie wollen ihm, auch im Gedenken an seine Eltern, die von fast allen Mitgliedern der GNS sehr geschätzt wurden, bloss helfen und verhindern, dass er ausgenutzt werde. Sie wollten ihm nicht vorschreiben was er zu tun hätte, wollten aber, dass er ihnen verspreche seine Entscheidungen genau zu überdenken und nicht voreilig zu handeln. Die Existenz der Engel, Dämonen und der Mischlinge sollten geheim bleiben, also sollte er darauf achten seine Gabe nicht in der Öffentlichkeit zu gebrauchen. Sie luden ihn ein der GNS beizutreten, drängten ihn aber nicht dazu. Akito’s Vater meinte: „Du brauchst gar niemandem beizutreten. Du kannst dein Leben weiterführen wie bisher, wenn du willst. Deine Gabe kann Grosses bewirken, doch ob du sie dafür einsetzen willst, ist deine eigene Entscheidung. Sobald du sie richtig kontrollieren kannst, ist es deine Sache was du mit ihr anstellst. Meiner Erfahrung nach sind grosse, abrupte Veränderungen dem Frieden und dem Glück eher abträglich. Also würde ich dir eher davon abraten, gleich die ganze Menschheit läutern zu wollen. Ich an deiner Stelle würde meine Gabe nur einsetzen, um dir oder jemand anderem in einer Notsituation zu helfen. So wie du es unbewusst in dieser Gasse getan hast. Auf diese Art bringst du auch die Engel und Dämonen nicht gegen dich auf. Es könnte für dich gefährlich werden, wenn du dich auf eine Seite schlägst. Die Gegenseite könnte das als Grund sehen, um gegen dich und vielleicht sogar deine Familie vorzugehen. Ich möchte dir keine Angst machen oder dich zu irgendetwas drängen, aber du musst dir bewusst sein, dass deine Entscheidungen Konsequenzen haben werden, die du nicht steuern kannst.“
Aaden war beunruhigt von diesen Worten. Er wollte auf keinen Fall, dass seine Adoptivfamilie in das ganze hineingezogen wird. Oft lag er Nachts wach und dachte über alles nach. Er kam zu dem Schluss, dass er am liebsten sein Leben, so wie bisher weiterleben wollte. Doch da waren immer noch Diana und Johannes. Sein Klassenlehrer hatte ihn bereits zweimal um ein Gespräch unter vier Augen gebeten und schien verärgert über sein Nichterscheinen. Während des Unterrichts spürte Aaden oft den Blick des Lehrers auf sich und das jagte ihm jedes Mal einen Schauer über den Rücken. Inzwischen war Aaden soweit, dass er gerne mit Diana gesprochen hätte. Es herrschte zwischen ihnen eindeutig Klärungsbedarf und er konnte, bis dieser behoben wäre einfach nicht ruhig schlafen. Doch sie war noch nicht wieder in der Schule aufgetaucht und ihr Handy hatte sie ausgeschaltet.
Am Mittwoch nach seinem Geburtstag, hielt er es nicht mehr aus und verabredete sich mit Kylia und Akito, um gemeinsam Diana einen Besuch abzustatten. Doch dazu sollte es gar nicht erst kommen.
Als Aaden nach Unterrichtsschluss noch schnell auf die Toilette wollte, packte ihn plötzlich Johannes unsanft am Arm und zerrte ihn in sein Büro. „Wir müssen reden Aaden! Davor kannst du dich jetzt nicht mehr drücken!“ Seine Stimme war ruhig und gefasst. Aber der grobe Griff um seinen Arm und das Zittern, zeigten Aaden, dass sein Lehrer wütend war. Er machte die Tür zu, schloss aber nicht ab und wandte sich dann an seinen Schüler. „Ich vermute deine Freunde haben dich inzwischen aufgeklärt, richtig?“ Aaden nickte. „Und so wie du mir aus dem Weg gegangen bist, haben sie wohl nicht viel Nettes über mich und meinesgleichen verlauten lassen.“ Aaden funkelte ihn wütend an. „Sie haben euch nicht schlechtgeredet oder so. Sie befürchten nur, dass ihr mich und meine Gabe als Werkzeug für eure Ziele einsetzen wollt.“ Johannes lehnte sich an sein Schreibpult. „Ganz Unrecht haben sie nicht, aber wir wollen dir nichts Böses. Im Gegenteil! Du kennst doch den Spruch: Aus grosser Kraft folgt grosse Verantwortung. Du hast die Gabe auf der ganzen Welt für Frieden und Harmonie zu sorgen. Du kannst die Menschen ändern! Gemeinsam könnten wir dafür sorgen, dass die Welt ein besserer Ort wird.
Stell dir vor, deine Geschwister könnten in einer Welt gross werden, wo sie nie befürchten müssen überfallen zu werden, wo sie wissen, dass alle Menschen ihnen gut gesonnen sind. Es gäbe keine Kriege, keine Gewalt mehr. Du bist der einzige auf dieser Welt, der die Macht dazu hat dieses Utopia mit unserer Hilfe zu erschaffen. Denkst du nicht, dass es deine Pflicht ist deine Gabe für das Gute einzusetzen?“
Das alles hatte Aaden sich auch schon überlegt, aber er hatte sich entschieden. Bestimmt schüttelte er den Kopf. „Natürlich klingt das schön, aber du hast es selbst gesagt, es ist ein Utopia. Nicht realisierbar. Die Dämonen würden sich auflehnen gegen dieses Vorhaben. Es würde einen Krieg geben und sicher auch Opfer. Das will ich nicht riskieren. Ausserdem glaube ich nicht, dass es richtig ist die Menschen so zu manipulieren, wie ihr es tun müsstet, um diesen Frieden zu erlangen. Das würde sie doch ihres freien Willens berauben.“
Johannes versuchte weiter ihn zu überzeugen. „Selbstverständlich wird es Opfer geben, Aaden. Alles hat seinen Preis. Damit wir eine bessere Welt erschaffen können, müssen wir das in Kauf nehmen. Das musst du doch verstehen! Und was den freien Willen angeht: Die meisten Menschen können richtig und falsch nicht unterscheiden. Wir sorgen lediglich dafür, dass sie diese Unterschiede verstehen und erkennen.“
Aaden schnaubte ungläubig: „Und wer bestimmt was richtig und falsch ist? Ihr? Und was ist mit Meinungs-, Religionsfreiheit und all dem Zeug? Nein danke, da mache ich nicht mit! Ich werde meine Gabe nur benutzen, wenn es nicht anders geht oder ich jemandem damit direkt helfen kann.“ Damit drehte er sich um und wollte das Büro verlassen.
Doch sein Lehrer war schneller. Blitzschnell schoss er auf und stellte sich zwischen ihn und die Tür. „Du stellst dich gegen den Willen Gottes? Das wirst du noch bereuen, Aaden!“, fauchte Johannes. Aaden wich erschrocken vor ihm zurück. Er hatte plötzlich so gar keine Ähnlichkeit mehr mit dem netten Lehrer, der bei den Schülern so beliebt war. Sein Gesicht war verzerrt vor Hass und Verachtung. Und da brachen aus seinen Schulterblättern plötzlich zwei grosse, schneeweisse Flügel hervor. Sie sahen wunderschön aus, doch das war eindeutig nicht die Zeit um sie zu bestaunen.
„Weisst du das den nicht, Junge?“, säuselte Johannes sanft mit einem wahnsinnigen Funkeln in den Augen. „Gottes Wege sind unergründlich. Deswegen müssen wir sie nicht weniger befolgen. Wenn du das nicht tust, wendest du dich gegen Gott. Und wer sich gegen Gott wendet ist unser Feind.“ Seine Stimme wurde immer lauter, die letzten Worte schrie er fast. Aaden bekam es mit der Angst zu tun. Dieser Engel hatte doch eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank. Fanatischer ging es ja kaum noch! Er musste hier raus!
Er wich weiter zurück während Johannes lauernd auf ihn zukam. Was hatte er bloss vor?
Aaden stiess gegen die Wand. Für einen Moment hielt Johannes inne und sah den Jungen, mitleidig an. „Glaub mir, ich wollte nicht, dass es so kommt, aber du lässt mir keine andere Wahl. Ich werde dafür sorgen, dass es deiner Familie gut geht, das verspreche ich dir.“ Sein Gesicht wurde wieder zur hassverzerrten Maske. Er grinste hämisch. „Weisst du, weshalb ich für diese Mission ausgewählt wurde? Meine Gabe erlaubt es mir, die eines anderen zu stehlen und selbst anzuwenden. Falls du dich nicht freiwillig uns anschliesst, habe ich die Erlaubnis der Engellords, alles zu tun was nötig ist, um unseren Plan durchzusetzen. Dafür muss ich dich nur kurz berühren...“ Er streckte seine schlanken Finger nach dem Gesicht seines Schülers aus. Aaden versuchte panisch ihm auszuweichen und schlug, als das nicht klappte, seine Hand weg.
Unheimliches, schäbiges Lachen von Johannes erfüllte den Raum. „Vielen Dank Aaden, das reicht schon.“ Schockiert starrte Aaden auf die Hand des Engels, die plötzlich in Flammen stand. Johannes inspizierte interessiert seine Hand, wendete sie hin und her. „Wirklich eine ausserordentlich interessante Gabe, die du da hast.“ Er ballte die brennende Hand zur Faust und die Flammen erloschen.
Der Engel richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Aaden der wie erstarrt dastand und immer noch ungläubig auf seine Hand des Lehrers starrte. Etwas fehlte ihm. Er fror entsetzlich, spürte keine Hitze mehr in sich. Er hatte diese Wärme in sich bisher nie bewusst wahrgenommen, nun fehlte sie ihm und er zitterte wie Espenlaub.
„Leider, Aaden, hält das nicht für ewig. Ich muss dich jede Woche wieder berühren, damit es anhält. Also muss ich dich leiiider mitnehmen.“, meinte Johannes gespielt bedauernd. Sein Gesicht zu einer fiesen, grinsenden Maske verzerrt. Bevor Aaden realisieren konnte wie ihm geschieht, hatte Johannes ihm die Arme auf den Rücken gedreht, ihn zu Boden geworfen und drückte ihm ein Knie ins Kreuz. Schmerzerfüllt stöhnte Aaden auf und versuchte sich auch sogleich zu befreien. Vergebens. Hilflos musste er es über sich ergehen lassen, dass sein Lehrer ihn fesselte. Er versuchte zu schreien, da legte ihm Johannes einen Finger auf die Lippen und plötzlich kam kein Wort mehr aus seinem Mund. Egal, wie sehr er es versuchte, kein Piep war zu hören. Es war als ob er plötzlich stumm wäre. Panik nahm ihn jetzt vollends in Besitz und er tobte und strampelte, um sich irgendwie zu befreien. Doch so gefesselt und seiner Gabe beraubt, hatte er keine Chance.
Plötzlich gab es einen lauten Knall und die Tür flog auf. Akito stürmte in den Raum und etwas schleuderte Johannes von Aaden weg. Er krachte gegen die Wand und gab einen kläglichen Laut von sich. Dann ging alles furchtbar schnell. Johannes stiess sich von der Wand ab, versuchte zu Aaden zu gelangen, dann prallte er plötzlich zurück, als ob er wogegen gelaufen sei und eine Stimme schrie aus dem Nichts: „ Schnell Aaden, er hat deine Gabe nicht mehr, setze sie ein!“ Tatsächlich spürte er wie die Hitze in sein Herz zurückkehrte und als hätten die Flammen nur auf das Kommando gewartet, brachen sie aus seinem Innersten hervor und erfüllten den gesamten Raum. Kylia wurde plötzlich mitten im Büro sichtbar in Flammen gehüllt und keuchte erschrocken auf. Akito, der inzwischen zu seinem Freund gerannt war, zuckte zurück, als die Flammen ihn einschlossen. Johannes währenddessen schrie vor Höllenqualen sich die Seele aus dem Leib. Er krümmte sich krampfartig zusammen und brannte noch lange weiter, als alle anderen Flammen erloschen waren. Dann sank er ohnmächtig zu Boden und seine schönen, weissen Flügel, zogen sich langsam in seinen Rücken zurück.
Sofort machten sich Kylia und Akito daran ihren Freund von seinen Fesseln zu befreien und halfen ihm auf. Er war völlig durch den Wind, zitterte, auch wenn nicht mehr vor Kälte, und konnte einfach nicht fassen, was gerade passiert war.
Da ertönte von der Tür her plötzlich eine Stimme: „Johannes! Ich mach da nicht mehr... mit...“ Da stand Diana und starrte erschrocken auf die Szene die sich vor ihr offenbarte. Akito und Kylia gingen in Kampfposition, bereit ihren Freund zu verteidigen.
„Was ist den hier passiert?“ Diana schien aufrichtig überrascht. Aaden legte seinen Freunden je eine Hand auf die Schulter und wandte sich dann an Diana. „Johannes hat meine Entscheidung sich euch nicht anzuschliessen nicht gutheissen wollen und hat stattdessen versucht mich zu entführen. Hast du auch ein Problem damit?“, fragte er provozierend und funkelte sie böse an. Sie schnappte entsetzt nach Luft: „Nein! Was denkst du von mir? Ich...“ Sie sah schuldbewusst zu Boden. „Ja, ich sollte helfen dich auf unsere Seite zu bringen, aber... Du musst mir glauben, von irgendwelchen Entführungsplänen habe ich nichts gewusst!“ Aaden und seine Freunde warfen sich einen skeptischen Blick zu. „Ich... Ich gebe zu, zuerst bin ich nur wegen der Mission auf dich zugekommen, aber... Ich hab dich in unserer gemeinsamen Zeit echt lieb gewonnen und als ich dich an deinem Geburtstag zu Johannes hätte bringen sollen, habe ich es nicht mehr übers Herz gebracht. Ich wollte, dass du beide Seiten kennenlernst, die GNS und die Engel, damit du selbst entscheiden kannst. Also habe ich Johannes erst über den Vorfall informiert, als dich deine Freunde bereits abgeholt hatten. Er war daraufhin furchtbar wütend und hat mich dazu verdonnert zuhause zu bleiben. Er sagte, wenn ich schon nicht helfen wolle, soll ich ihm wenigstens nicht in die Quere kommen. Erst habe ich mich daran gehalten, aber heute hielt ich es einfach nicht mehr zuhause aus und entschied mich auszusteigen. Ich wollte lieber hier weiterleben und mit dir zusammenbleiben, als dieses Utopia zu erschaffen. D-das wollte ich ihm gerade mitteilen.
Bitte, du musst mir glauben!“, schluchzte sie. Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Ich... ich hätte dich niemals dazu gezwungen dich uns anzuschliessen...“ Ihre Stimme brach. Sie schlug sich die Hände vor das Gesicht und weinte herzzerreissend.
Akito und Kylia entspannten sich merklich und auch Aaden fiel ein Stein vom Herzen. Rasch ging er zu seiner Freundin und nahm sie tröstend in den Arm. „Schon gut. Nicht weinen! Ich glaub dir ja.“ Sie hob ihr tränennasses Gesicht und sah ihm in die Augen. „Wirklich?“, fragte sie unsicher. Er nickte: „Ich werde noch eine Weile daran zu knabbern haben, dass du mich versucht hast zu manipulieren, aber ich glaube dir, dass du mich nicht zwingen wolltest. Bitte sei von jetzt an einfach ehrlich zu mir, ok?“
Sie schluchzte dankbar und drückte ihr Gesicht an seine Brust.
Akito und Kylia beobachteten die Szene lächelnd und dabei legte er ihr den Arm um die Schultern.
Eine Weile standen die vier so da, genossen den Moment des Friedens. Keiner sah das kleine, schadenfrohe Lächeln, das Dianas Lippen kräuselte.
Als Johannes zwei Tage später aus seiner Ohnmacht erwachte, schien er desorientiert. Er konnte sich verschwommen an das Geschehene erinnern, aber er verstand nicht mehr, warum er das alles getan hatte. Jedoch auch nicht, wieso er das nicht hätte tun dürfen.
Er war also nicht plötzlich einfach gut geworden. Genau wie Akito und Kylia es Aaden vorhergesagt hatten. Die GNS sorgte dafür, dass Johannes an einen Ort weit weg kam, wo er hoffentlich eine weniger fanatische Moralvorstellung vermittelt bekommen würde.
Dann stand für Aaden das Gespräch mit seinen Eltern an. Die GNS hatte ihm erlaubt mit ihnen darüber zu sprechen und Akito’s Eltern begleiteten ihn dabei. Sie wollten es erst gar nicht glauben. Es dauerte eine Weile bis sie den Schock verdaut hatten. Doch sie liebten ihren Sohn und würden unter allen Umständen hinter ihm stehen.
Nun stand er hier, mit Diana im Arm, vor der Schule und wartete auf Kylia und Akito.
Sie waren verabredet, wollten zusammen ins Kino gehen.
Um die Zeit totzuschlagen, unterhielt er sich leise mit Diana. Er genoss die Zeit mit ihr allein, aber...
Bereits seit dem Vorfall neulich, beschlich ihn, in ihrer Gegenwart, immer dieses seltsame Gefühl. Es war mit ihr einfach nicht mehr dasselbe wie zuvor. Sein Bauch sagte ihm, dass irgendetwas nicht stimmte. Er ignorierte es trotzdem hartnäckig, denn er liebte Diana.
Er wollte ihre Beziehung nicht unnötig belasten. Sie hatten sich schliesslich erst gerade wieder zusammengerafft.
Diana kicherte über eine seiner Bemerkungen und der Anblick erfüllte Aaden mit Freude.
Er schob die unerfreulichen Gedanken beiseite.
Seine beiden besten Freunde kamen um die Ecke gerannt, blieben keuchend vor ihnen stehen. Sie entschuldigten sich für ihre Verspätung und sie machten sich alle gemeinsam auf den Weg ins Kino.
Tag der Veröffentlichung: 27.02.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Diese Novelle schrieb ich als Matura-Abschlussarbeit.
Was ist gut? Was ist böse? Auf diese beiden Fragen hat jeder von uns eine etwas andere Antwort. Teils wegen unterschiedlicher Herkunft, Religion oder auch wegen unserer individuellen Weltanschauung.
Oft betiteln wir Dinge, Wesen oder Menschen vorschnell als gut oder böse und übersehen, dass die Übergänge fliessend sind.
Es gibt nicht nur schwarz oder weiss. Es gibt auch unendlich viele Graustufen.
Mit meiner kurzen Novelle möchte ich dies verdeutlichen.
In „Flammträger“ werden Sie Dämonen begegnen, die nicht böse sind. Auch solchen, die sich gar für Menschen halten.
Sie werden Engeln begegnen, die nicht so unschuldig und lieb sind wie sie scheinen, sowie Mischlingen aus den drei Arten, Dämon, Engel und Mensch.