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VORWORT
ZUR BESSEREN VERWIRRUNG

Es fällt niemandem ein, von einem Einzelnen zu verlangen, dass er glücklich sei, - heiratet aber einer, so ist man sehr erstaunt, wenn er es nicht ist!
Rainer Maria Rilke

Ursprünglich wollte ich diesen Titel wählen „Frau und Mann chancenlos! .....vielleicht etwas für Abenteurer.“
So hat es begonnen! Ich erzähle meiner Frau, welcher Buchtitel mir vorschwebt und schon werde ich darauf hingewiesen und verbessert, dass es „AbenteurerInnen“ heißt, mit großem I.
Ist Beziehung überhaupt denkbar als Ort der Ruhe, Entspannung und Geborgenheit? Christentum und Sozialismus wollten eine friedliche und konfliktfreie Welt schaffen. Gott, die Natur, die Gene oder was auch sonst, haben eine andere Welt erzeugt. Eine Welt mit Konkurrenz, Wettbewerb, Kampf. Und alles erfordert Mut zum Risiko.
Natürlich darf man sich schon an dieser Stelle fragen, sind wir alle schonungsbedürftige Kleinkinder, die man nicht belasten darf? Oder traut uns diese Welt mehr zu?
Wenn man bedenkt, dass in Mitteleuropa 50% der Ehen geschieden werden und der Rest der bestehenden Verbindungen auch durchwachsen sein wird: von beglückend und bereichernd, über Beziehungen, die nichts bringen aber auch nichts nehmen, bis hin zu jenen Ehen, die zwar am Papier bestehen, aber nur Missachtung, Nichtwahrnehmung und gegenseitiger Behinderung beinhalten, dann bleibt nur ein trauriger Rest, den man mit reinem Gewissen, als positiv bezeichnen darf.
Um nicht in den Verdacht zu geraten, ein grenzenloser Pessimist zu sein, möchte ich schon festhalten, dass am Beginn der Paarbeziehung fast immer eine beglückende Zeit der Verliebtheit steht, jene Zeit, die man Flitterwochen nennt. Aber schon das Wort „verliebt“ macht nachdenklich. Bedeuten denn nicht fast alle Worte, die mit „ver“ beginnen etwas Negatives: vergessen, vernachlässigen, verludern, verrosten, verlieren, verraten, versterben ..... Wir können uns daher genüsslich zurücklehnen und das Wort „verheiratet“ auf der Zunge zergehen lassen.
Auch Maaz (2008) setzt sich mit dem „ver“ auseinander, wenn er meint: „Viele Menschen sind verliebt oder glauben zu lieben, wenn sie einen Menschen finden, der ihnen Gutes tut. Sie mögen ihn oder sie nur wegen der erfahrenen Zuwendung und Zuneigung, mit der sie innere Defizite aufzufüllen hoffen – dies geschieht vielleicht aus der Liebesfähigkeit des Spenders, begründet aber noch lange keine Liebe beim Empfänger. Dafür hat die deutsche Sprache auch das Wort „ver-liebt“ zur Verfügung.“ (S 66)
Nun, vermuten, versichern, verstehen, versüßen beginnt auch mit „ver“ – also so ganz eindeutig ist die Sache wohl nicht. Aber was ist, wenn es um Beziehung, Verliebtheit, Liebe geht, schon einfach?
Zu den Themen: wie sind Frauen, wie sind Männer, wie kann eine Beziehung funktionieren, gibt es ohnedies – wie ich zu sagen pflege - erst 7.865 Veröffentlichungen. Somit ist es verständlich, dass die Menschheit auf dieses Buch schon sehr dringend gewartet hat.
Die meisten Arbeiten zu diesen Themen machen uns ein schlechtes Gewissen, denn den paar leicht einzulösenden Ratschlägen wird man doch gerecht werden können: Miteinander reden, wirklich zuhören, etwas Toleranz, manchmal ein wenig nachgeben das wird man denn doch noch schaffen! Doch spätestens beim Streit heute morgen, waren die gut gemeinten Psychologien völlig vergessen gewesen und man stand wieder einmal als peinlicher Versager da. Oder heißt es VersagerInnen?
Beziehungsanalphabet, Liebesneandertaler, eigenbrötlerischer Egoist, unverbesserlicher Idiot, die Tiernamen lasse ich jetzt weg, und schon wieder hab ich vergessen, das große I einzufügen – was bleibt ist Alkohol, eine Freundin, ein Geliebter, Kegelclub, Engagement in der Emanzipationsbewegung, Resignation, Depression, also alles außer dem einen: gib es auf, es hat ohnedies alles keinen Sinn!
Niemand liest bei Popper nach, wenn er meint „....der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, provoziert stets die Hölle.“
Warum sollte es uns in die Hölle führen, wenn wir den Himmel suchen? Die hohen, idealisierten Ansprüche, die natürlich niemand erreicht, machen uns Schuldgefühle, definieren uns als Versager, nehmen uns Kraft und Mut und machen daher Lebensangst. Das gräbt uns die Lebensenergie ab, die wir doch so dringend im Beziehungsdschungel bräuchten. Oft war auf Seminaren, die Brigitte und ich gemeinsam leiteten, das größte Highlight, wenn die Teilnehmer wahrnehmen konnten, dass auch wir Differenzen hatten, uns manchmal zurechtwiesen und manchmal verschiedener Meinung waren. Das nimmt die Angst, wenn man wahrnimmt, dass sich auch die Profis abmühen, um durchs Leben zu kommen.
Wider aller Erfahrung kämpfen sich die meisten Menschen durch diesen Beziehungsfrust.
Was reitet so viele Autoren, so zu tun, als wäre Beziehung ein leicht zu erklimmender Gipfel? Das ist es nämlich nicht! Lege ich die eingangs erstellt Rechnung zu Grunde, so werden 50% der Ehen geschieden und von der restlichen 50% sind 1/3 bereichernd, 1/3 belastend und 1/3 bringt nichts und nimmt nichts, ist also weder bereichernd noch belastend also bleibt eine Erfolgsrate von circa 16%. Würden Sie noch in ein Flugzeug steigen, wenn nur 16% von Ihnen heil ans Ziel kommen?
Dabei sind die vielen „Lebensabschnittsbeziehungen“ und das dortige wiederholte Trennungsleid nicht berücksichtigt.
Welche unglaubliche Triebfeder steckt in uns Menschen, dieses Wagnis trotzdem einzugehen?
Ich schlage drei Grundthesen vor:
1. Jeder, der Beziehung wagt, verdient es für seinen Abenteurermut geachtet zu werden
2. Jeder, der dieses Abenteuer eingeht verdient trotzdem Respekt, auch wenn er sich als gescheitert erlebt. Das Wesen großer Abenteuer liegt in ihrem enormen Risiko. Ich schlage vor, nicht nur den Mut anzuerkennen, sondern auch nicht zu übersehen, dass Lernprozesse immer beinhaltet sind, egal wie das Experiment ausgeht.
3. Jeder, der das Abenteuer einer Beziehung wagt, wird einem Entwicklungsprozess untergeworfen.
Sollte also C.G.Jung mit seiner Idee von der Individuation recht haben? Er meint, frei nacherzählt, bei allem Respekt vor der ungeheuren Bedeutung der Sexualität, so glaubt er, dass ein Trieb im Menschen noch stärker angelegt ist, nämlich der, zu der Persönlichkeit heranwachsen zu wollen, die in ihm angelegt ist. Diesen Trieb nennt er Individuation.
Da ich davon ausgehe, dass ca. 90% der Leser im Dschungel des Beziehungslabyrinths Verirrte sind, möchte ich alle willkommen heißen. Ihr seid in guter Gesellschaft und das folgende Buch will zeigen, wieso es so schwer ist, wo überall Fallen lauern und, dass es normal ist, wenn man dabei Wunden und Schrammen davonträgt.
Und, lieber Leser, Sie können vollkommen beruhigt sein: Es gibt keine guten Ratschläge, so wie Wilhelm Busch schreibt von weisen Lehren, die “gut gemeint, doch bös zu hören“ sind.
Und weil es so gut zum Thema passt, hier das ganze Gedicht:
Der Einsame
Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
Kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zu töten,
Und laut und kräftig darf er prusten,
Und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemach vergisst man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
»Was, lebt er noch? Ei Schwerenot,
Ich dachte längst, er wäre tot.«
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Lässt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
»Wer einsam ist, der hat es gut.«
Auch Henrik Ibsen lässt seine Hauptfigur in „Der Volksfeind“ , zwar resigniert und verzweifelt, sagen: „Der stärkst Mann der Welt ist derjenige, welcher – alleinsteht!“
Und wenn wir zur Psychologie zurückkehren: Zurhorst (2009 S. 50) meint, wenn jemand allen Beziehungsproblemen aus dem Weg geht, um sich das Liebesleid zu ersparen: „Nun war der Schmerz zwar weg, keiner konnte uns mehr etwas antun, dafür aber nagt jetzt in unserem Inneren eine Leere.“ Sie meint, das Alleinsein hätte einen Preis, die innere Leere.
Und es gibt noch einen möglicher Weise größten Schmerz: das Alleinsein zu zweit. Das Nichterreichen eines Menschen, der vor einem sitzt oder steht, obwohl zum Greifen nahe.
Ein kurzen Nachsatz für alle wissenschaftlich kritischen Leser. Vieles von dem Sie bald lesen werden, hab ich irgendwo gehört, gelesen auf einem Kongress aufgeschnappt und ich habe keine Ahnung mehr wo und von wem. Und jeder, der gerne Unwissenschaftlichkeit anprangert, wird ein Eldorado an Verallgemeinerungen, Vorurteilen und Behauptungen finden.
Es ist meine Meinung von heute, nicht mehr und nicht weniger, was ich morgen oder gar übermorgen denken werde, davon weiß ich heute noch nichts.
Des Weiteren werden Männer wie Frauen viel Ärgerliches vorfinden, aber ich glaube, es wird sich symmetrisch verteilen. Am Ende des Tages werden beide Geschlechter auf mich böse sein – nun, damit muss ich von jetzt an leben.
Sollten Sie zu den wenigen Ausnahmen gehören, zu denen die folgenden Aussagen nicht passen – Gratulation!
Also viel Spaß!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.12.2011

Alle Rechte vorbehalten

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