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Das Wetter ist heute nicht so toll, dafür, dass morgen Sommeranfang ist.

 

Regnerisch und kalt.

 

Aber mir ist das gerade sehr recht, denn so kann ich meine Hände unbemerkt in meinen Jackentaschen verstecken. Nur im T-Shirt, wüsste ich wohl derzeit einfach nicht wohin mit ihnen, würde wahrscheinlich nervös damit an meinem Shirtsaum fummeln oder, noch schlimmer, auf den Fingern herumkauen.

 

So mit der Jacke ist es gut.

 

Schweigend laufen wir nebeneinander her. Langsam gehen wir über den Feldweg, der unendlich weit immer geradeaus  zu führen scheint. Wir haben es nicht eilig, ich will es nicht eilig haben. Heute beginnt der Rest unseres Lebens und das macht mir eine scheiß Angst.

 

Die kleinen Kieselsteine knirschen unter unseren Schritten und ich werfe einen verstohlenen Blick auf Janosch.

Der kühle Wind fährt ihm durch seine dunkelblonden Haare, während er den Blick aus seinen braunen Augen in die Ferne schweifen lässt. Er geht gerade, er geht aufrecht. Ihn scheint das alles nicht zu sorgen. Aber doch kann ich das Muskelspiel seiner Wangen sehen. Das heißt er beißt die Zähne zusammen, wie immer wenn er nervös ist.

Unsere Freundschaft war schon immer anders, als die zu den anderen Jungs. Enger, verbundener. Woran das lag, wussten wir nicht und es war auch nicht wichtig. Hauptsache war, dass es so war, wie es war. Vor knapp einem Jahr hat sich, dann aber etwas verändert.

Wir sind wirklich anders, als unsere Freunde. Obwohl es sich eigentlich für mich normal anfühlt. Ich mag es nicht, Mädchen zu küssen, fand ich schon immer nicht erstrebenswert. Aber ich liebe es, Janosch zu küssen.

 

Unsere Schritte tragen uns immer weiter voran. Nur begleitet vom Knirschen der Kieselsteine und dem Rascheln der Blätter und Gräser im Wind. Selbst die Vögel schweigen. Diese Stille zwischen uns, beginnt an mir zu nagen.

"Und du glaubst wirklich, dass das eine gute Idee ist?"

 

Ich wende mich leicht zu Janosch, will in sein Gesicht sehen, beobachten was darin vorgeht.

Sein Blick hängt weiterhin an der Landschaft, richtet sich nicht auf mich. Ich krampfe meine Hände in den Jackentaschen zusammen. Was, wenn er es sich anders überlegt hat? Bin ich dann glücklich darüber? Oder doch enttäuscht?

Mir macht unsere Zukunft Angst, eindeutig. Doch, wenn wir es nicht tun, wie soll es dann weitergehen? Immer verstecken? Das letzte Jahr war schon anstrengend genug, damit uns niemand erwischt.

Und funktioniert hat es auch nicht so richtig. Wir wurden erwischt. Und so furchtbar es auch ist, es zu sagen: Zum Glück von meiner Mutter.

Wer hätte gedacht, dass das das Beste war, was uns passieren konnte. Ich definitiv nicht.

Nach dem ersten Schock für uns alle, wurden wir von ihr an den Esstisch kommandiert.

Ich war in heller Panik, dass mich nun der Weltuntergang erwarten würde, die Apokalypse in Form einer Mama. Die Verurteilung unserer abartigen Neigung.

 

Doch nichts dergleichen passierte. Auf dem Esstisch standen Gläser und eine Flasche Cola für uns bereit, während meine Mutter sich gegen ihre sonstige Art am hellichten Tag ein großes Glas Wein genehmigte.

Janosch und ich saßen nebeneinander und während meine Mutter sprach, verschränkten sich untter dem Tisch unsere Hände miteinander.

Sie verkündete uns, dass sie ziemlich sauer sei, was hinter ihrem Rücken hier vorgehen würde, dass sie geglaubt hatte, mir verständlich gemacht zu haben, ihr alles sagen zu können.

Und dann legte sie richtig los. Mir war irgendwie nie klar gewesen, wie offen meine Mutter war. Mit allem!

Mir liefen die Ohren heiß und je nachdem, was sie uns gerade berichtete, quetschte Janosch meine Hand zusammen oder streichelte zärtlich darüber.

Wovon sie sprach? Von allem. Von Liebe, Safer Sex, Sextechniken zwischen Männern, Geschlechtskrankheiten, Analfissuren und der richtigen Reinigung für Analverkehr.

Bis dato hatten wir und noch nicht viel mehr getraut, als uns gegenseitig einen runterzuholen oder uns zu blasen.

Nach diesem Nachmittag und Abend mit meiner Mutter hatten wir zwar von ihr immer einen Vorrat Gleitgel, Kondome und Fryka Cliss in meinem Zimmer, aber bis auf etwas Schmusen und Küsse war uns erstmal alles vergangen.

 

Jedenfalls war sie von da an unsere Verbündete, ist gleich in einen Verein für Eltern von homosexuellen Jugendlichen eingetreten und mischt da stark mit. Das ist nun auch schon wieder drei Monate her. Sie steht komplett hinter uns. Ich liebe meine Mutter dafür, wirklich. Bei ihr muss ich keine Angst haben. Aber der Rest der Welt?

 

Janosch räuspert sich neben mir. Ich komme aus meinen Gedanken zurück, blicke ihn wieder direkt an.

Auch er sieht mich nun an. So gehen wir erstmal schweigend weiter. Beide die Hände in den Taschen vergraben. Er ist ein Stück größer als ich, also muss ich zu ihm aufblicken.

 

Das Knrischen der Steinchen unter unseren Schuhen ist wieder alles, was zu hören ist, während ich versuche in seinem Blick zu lesen. Er ist der Starke von uns, der Macher. Da, wo ich zögere, stürmt er vor und überwindet jedes Hindernis. Auch für mich.

 

Deshalb hatte ich auch geglaubt, dass ich derjenige bin, der als erstes den Hintern hinhalten muss. Klar, ich will das sogar irgendwie, ich bin jung, hab in Janosch's Nähe immer einen Ständer und ich will alles, was ich an Sex kriegen kann. Trotzdem war da ein bisschen Angst.

Mir blieb aber gar keine Wahlmöglichkeit, denn Janosch ist wie immer derjenige gewesen, der das Hindernis aus dem Weg räumt. Und er hat entschieden, dass ich ihn erobern soll.

Natürlich lief unser erstes Mal nicht sonderlich gut. Wir haben uns beide eben wie Jungfrauen angestellt, die wir nun mal waren. Ich bin zu früh gekommen, Janosch dabei gar nicht und er konnte am nächsten Tag in der Schule nicht sonderlich gut sitzen.

Aber das hat ihn nicht davon abgehalten, es wieder zu tun. Janosch ist ein Kämpfer. Mein Kämpfer. Ich liebe ihn.

Die nächste Windböe bringt leichten Nieselregen mit sich und mein Freund kneift leicht die Augen zusammen, wendet seinen Blick kurz gen Himmel und rümpft die Nase.

Aber dann liegt sein Blick wieder auf mir. Ein Lächeln auf den Lippen, zieht er seine Hand aus der Tasche und steckt sie in meine. Unsere Finger verschränken sich miteinander und mein Herz schlägt höher.

 

Ok, es ist nur der Feldweg, niemand außer uns ist hier, doch es ist das erste Mal, dass wir außerhalb meiner vier Wände Händchen halten. Draußen in der Welt als Pärchen auftreten.

Ich lächle ihn an.

 

"Ja, das glaube ich. Wir sind schwul, Felix. Wir lieben uns doch. Und das will ich nicht verstecken. Und notfalls haben wir immernoch deine Mum. So, wie ich sie kenne, quatscht sie die, die uns Ärger machen, einfach platt … Oder zieht ihnen ihren neuen Regenbogenregenschirm über den Schädel", erwidert er endlich schmunzelnd. Ich muss auch lachen, denn das würde sie wirklich tun. Oder die Anderen mit einem Enough is Enough-Button niederstechen. Meine Löwenmutter, die inzwischen auch Janosch's Löwenmutter ist.

 

Ja, da hat er Recht.

 

Seine Hand in meiner gibt Wärme ab an meine kalten Finger. Der Nieselregen ist unangenehm, endet aber mit einem weiteren Schritt. Wir haben den Waldrand erreicht und das Blätterdach bietet uns Schutz.

 

Mein Janosch hat Recht.

 

Wir bleiben dicht zusammen unter den Bäumen stehen, blicken zurück auf den Feldweg, der diesig hinter den vielen feinen Tröpfchen liegt. Ich lehne mich leicht an Janosch's Schulter.

 

Ja, ich habe Angst und ich glaube, Janosch auch ein bisschen. Auch meine Mutter. Das muss wohl aus so sein. Aber es muss weiter gehen. Kein Verstecken mehr. Offen. Out.

 

Ab Morgen sind wir nicht nur in meinem Zimmer ein Paar. Nein, ab morgen zeigen wir es der Welt.

 

Wir lieben uns und das ist alles, was zählt.

 

 

 

Ende

Impressum

Texte: Blake Heartland/Black Heartlet
Tag der Veröffentlichung: 20.06.2015

Alle Rechte vorbehalten

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