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Schlacht um Germanien

7. Kapitel Schlacht um Germanien

 

 

Hermann ließ sich auf einem Stuhl nieder, seine Habseligkeiten verstaute Thusnelda bereits. Danach setzte sie sich ihm gegenüber. Sie blickte ihn an und merkte sofort, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Hermann hatte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Wort gesprochen, weder hatte er sie gefragt, ob mit ihr alles in Ordnung sei, noch hatte er Fragen zu Friedrich und den anderen gestellt.

„Was ist los?“, fragte sie ihn nun, nachdem nichts von ihm gekommen war. Es wunderte sie, denn normalerweise sprach er nach einer Reise ausgiebig von seinen Erlebnissen.

„Es ist alles ok“, beruhigte sie Hermann. Er wollte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machte. „Ich bin nur etwas müde von der langen Reise.“

„Diese Lüge würde vielleicht bei jemandem funktionieren, der dich nicht kennt, doch ich merke gleich, dass du nicht die Wahrheit sagst. Sag mir, was los ist.“

Hermann blickte sie an. Er wusste, dass er nun mit der Wahrheit rausrücken musste, doch er wusste nicht, wie er anfangen sollte.

„Adelais ist tot“, sprach er dann doch nach einer Weile.

Thusnelda blickte ihn geschockt an. Sie hatte viel erwartet, nur genau dies nicht. Sie wusste natürlich von den Schwierigkeiten der beiden untereinander, doch sie wusste nicht, dass sich beide wieder versöhnt haben. Dennoch war ihr klar, dass Adelais wie ein Bruder für Hermann war.

„Das tut mir Leid“, sagte sie nach einer Weile.

Ihr war die Nachricht, so hart dies auch klingen mag, nicht so nah gegangen. Im Gegenteil, die größte Trauer empfand sie der Tatsache geschuldet, dass Hermann über diesen Verlust trauerte. Sie hatte nie sonderlich viel mit Adelais zu tun gehabt und deswegen empfand sie auch nicht so viel.

„Er hat sein Leben für mich gegeben“, erklärte Hermann ihr, „ohne ihn würde ich heute nicht hier am Tisch sitzen. Mein Bruder hat sein Leben geopfert, damit ich wohlbehalten zurückkehren kann.“

Diese Worte sorgten dafür, dass Thusnelda mehr Trauer für den Tod Adelais empfand. Sie hatte dies natürlich nicht gewusst und musste ihm nun dankbar sein, dass er sich für Hermann geopfert hatte.

„Wir haben uns versöhnt“, erklärte Hermann weiter, „er war wieder zu dem Mann geworden, der er einst war, ein Mann, der seinen Bruder liebte. Wieso musste er dann sein Leben geben? Er hätte es doch verdient weiter zu leben.“

„Gewiss hätte er das“, antwortete Thusnelda, „doch stell dir vor, er wäre gestorben ohne sich mit dir versöhnt zu haben. Er hätte seinen Hass mit ins Grab genommen, hätte sich dazu entschieden, dass der Tod seinen Mund endgültig versiegelt, bevor er dir seine wahren Gefühle offenbart hat. Er ist gestorben in dem Wissen, dass sein Bruder leben kann. Leb für ihn nun weiter.“

Hermann blickte sie an. „Was wärst du für eine hervorragende Königin, ein jeder Untertan wäre glücklich solche Worte aus deinem Mund hören zu dürfen.“

„Dem einzigen, dem ich diese Worte sagen möchte, bist du. Denk daran, du hast dies selbst schon einmal gesagt. Der Krieg nimmt uns Söhne, Väter, Brüder, Ehemänner. Den Bruder, den du jetzt verloren hast, kann niemals die anderen Toten der Schlachten aufwiegen. So schmerzhaft der Verlust für dich auch sein möge, du hast als Anführer eine Verantwortung den anderen Soldaten gegenüber. Könntest du den Männern in die Augen schauen, wenn du sogar mich belügen willst? Hätte es Adelais verdient, dass du seinen Tod verleugnest?“

„Aber ich verleugne ih-...“

„Oh, doch, dass tust du“, unterbrach sie ihn, „in dem du mir nicht von seinem Tod erzählen wolltest, hast du ihn bereits verleugnet. Er hat sein Leben für dich gegeben und wie dankst du es ihm, indem du dich selbst bemitleidest. Hätte er dies gewusst, ich weiß nicht, ob er sich dann nicht anders entschieden hätte.“

Dies waren harte Worte von Thusnelda, doch sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Hermann nickte ihr zu. Sie hatte Recht, dachte er. Adelais hätte nicht gewollt, dass ich nun Ewigkeiten um ihn trauere. Die Erinnerung an sein Handeln werden immer in meinem Gedächtnis bleiben, dies könnte man mir niemals nehmen.

Hermann stand auf. Er ging zu seiner Tasche mit seinen Habseligkeiten, krammte etwas in ihr und zog kurz darauf einen Helm heraus.

„Dies ist doch nicht deiner.“

„Gewiss nicht. Dies ist Adelais Helm“, erklärte ihr Hermann.

Er nahm den Helm und legte ihn auf eine Kommode. Dieser Helm sollte ihn nun immer an Adelais Heldentat erinnern, jeden Morgen, wenn er an diesem vorbeilief, würde er an Adelais denken und sich bei ihm bedanken. Er blickte den Helm an und nahm Thusnelda, die sich neben ihm gestellt hatte, in den Arm.

„Ich danke dir für alles.“

„Dafür bin ich doch da“, entgegnete sie und lächelte ihn an.

Er drückte sie an sich und er setzte sich wieder hin, während Thusnelda ihm eine Kleinigkeit zum Essen servierte. Nach dem Essen beschloss Hermann Friedrich und die anderen aufzusuchen. Er wollte ihnen vom Ableben Adelais erzählen. Er verabschiedete sich von Thusnelda und machte sich auf den Weg zum Quartier der drei. Dort angekommen ließ er einen Sklaven nach den dreien schicken, jedoch erschienen nur Friedrich und Arved. Sie fielen einander in die Arme und umarmten sich. Beide waren froh, ihren Bruder wohlbehalten zurück zu haben. Sie setzten sich etwas abseits und beide blickten Hermann gespannt an. Sie erwarteten seine Erzählung.

„Wo ist Thorwin?“, fragte Hermann jedoch vorher.

„Der ist auf einem Feldzug“, erklärte Friedrich“, er brach kurz nach dir auf, müsste aber, wenn alles gut verlaufen sollte natürlich, schon bald zurückkommen. Es war nur eine Stadt, die von Rebellen eingenommen wurde. Thorwin wurde ausgewählt, um dort, gemeinsam mit einer Armee, für Ruhe zu sorgen.“

„Ich verstehe.“ Hermann nickte.

„Doch nun erzähl.“

Hermann schwieg eine Weile und blickte zu Boden. Er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Sollte er zuerst von dem Tod Adelais berichten oder zuerst über die Schlacht.

„Adelais ist tot“, sprach Hermann und blickte beide abwechselnd an. Er hatte sich zuerst für diese Nachricht entschieden.

Diese Nachricht verfehlte ihre Wirkung nicht. Erschrocken blickten beide Hermann an und brachten keinen Laut hervor. Es schien als wäre die Szene eingefroren, niemand rührte einen Muskel.

„Wenn Adelais tot ist“, ergriff Arved nach einer Weile das Wort, „dann heißt das ja...“

„Ganz genau“, nickte Hermann, „wir haben die Schlacht verloren.“

Die Blicke der beiden waren die ganze Zeit nur auf Hermann gerichtet. Sie konnten es beide nicht glauben. Noch nie hatte Hermann eine Schlacht verloren, doch als wenn dies nicht schon schlimm genug gewesen wäre, hatte diese Niederlage noch zu einem erheblichen Verlust geführt. Ihr Bruder war gestorben, ein Mann, mit welchem Friedrich und Arved zwar nicht so viel zu tun hatten, wie Hermann, der ihnen über die Zeit jedoch genauso ans Herz gewachsen war.

„Wie ist er umgekommen?“

„Er hat sich für mich geopfert. Er hätte eigentlich hier sitzen sollen und euch die Geschichte erzählen sollen.“

Friedrich und Arved blickten sich an und dann zurück zu Hermann. Ihnen war bewusst, dass Hermann gerade einen schweren Gewissenskonflikt durchmachen musste. Er gab sich selbst die Schuld am Tod seines Bruders, obwohl dieser diese Entscheidung selbst getroffen hatte und Hermann nicht um dieses Opfer gebeten hatte.

Hermann atmete tief durch und erzählte nun die ganze Geschichte der Schlacht. Er erzählte von den ruhigen Zeiten, von der Versöhnung mit Adelais, von dem ersten Angriff, dem anscheinenden Sieg über die Feinde, dem zweiten Angriff, die Flucht des Flottenanführers Naptunus, ihre Flucht und dem Opfer seines Bruders. Die ganze Zeit, in der er erzählte, blickte er zu Boden. Immer wieder brach er ab, da seine Stimme versagte. Als er geendet hatte, blickte er beide kurz an und dann zurück zum Boden. Arved und Friedrich schwiegen. Sie konnten sich nun etwas in Hermann hineinversetzen, jedoch nicht den ganzen Ausmaß seiner Trauer begreifen.

„Adelais ist als Held gestorben“, meinte Arved nach einer Weile, „ich bin mir sicher, dass er diesen Tod so gewollt hätte.“

„Niemand wünscht sich den Tod“, widersprach ihm Hermann, „hätte ich klüger gehandelt, hätte ich die Situation vorausgesehen, wäre er sicher noch am Leben geblieben.“

„Wenn ich dich gerade richtig verstanden habe“, sagte Friedrich, „dann hast du einige Soldaten zurück gebracht. Ohne deine klugen Entscheidungen wäre niemand aus dieser Hölle entkommen. Opfer gehören zum Krieg dazu, auch wenn sie weh tun.“

Hermann dachte an die Worte Thusneldas, die ihm etwas ähnliches gesagt hatte. Er blickte seinen Bruder an, diesmal länger. „Du hast Recht“, entgegnete er ihm, „aber...“

„Uns ist dein Schmerz bewusst“, unterbrach ihn Arved und diesmal blickte Hermann Arved an, „doch Adelais hat sich sicher nicht dafür geopfert, dass du dir nun selbst die Schuld an seinem Tod gibst. Dies hatte er mit ziemlicher Sicherheit nicht gewollt.“

Sie hatten Recht, dachte sich Hermann. Es war Zeit wieder nach vorne zu blicken. Seine Gedanken an Adelais werden nie verblassen und dies war das einzige was zählte. Er werde seinen Bruder immer in Ehren halten, auch wenn er nicht mehr unter ihnen weilte. Er erinnerte sich an die letzten Worte Adelais, in welchem er gesagt hatte, dass er in Walhalla auf ihn warten werde. Er stellte sich vor, wie er vor den Toren stehe und diese ihm geöffnet werden und Adelais hinter diesen Toren seine Arme öffnete, um seinen Bruder in Empfang zu nehmen. Eine wahrlich schöne Aussicht auf die Zukunft, die Hermann Tränen in die Augen trieb.

„Ihr habt Recht, meine Brüder“, ergriff Hermann nach einer Weile das Wort und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, „ich darf mich davon nicht unterkriegen lassen. Als Dank für Adelais werde ich mein Leben weiter leben.“

„Dies ist der Hermann, wie wir ihn kennen“, rief Arved freudig und auch auf Friedrichs Gesicht war das Lächeln zurückgekehrt.

Nun fragte Hermann sie über ihre Tätigkeiten aus, doch sie erwiderten, dass sie bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen weiteren Feldzügen zugeteilt wurden und so ihre Zeit in Rom verbrachten, entweder die Thermen besuchten oder durch die Gassen der Stadt schlenderten. Hermann hörte ihnen aufmerksam zu. Friede, so wie beide hier in Rom genossen, hatte er nie über einen längeren Zeitraum gehabt, ein Soldat führte nur Befehle aus, ein Anführer musste dafür sorgen, dass diese Männer diese Befehle ausführen und dann auch heil zurückkehren konnten. Ihre Anstrengung fing erst mit der Schlacht an, seine schon viel früher. Nun genoss er die Ruhe wieder bei Thusnelda und seinen Brüdern zu sein, obwohl er natürlich wusste, dass nun ein Platz für immer frei sein würde.

Sie unterhielten sich noch etwas, doch nach einiger Zeit verabschiedete sich Hermann von beiden und schlenderte nun selbst durch die Stadt. Friedlich lag Rom da, Angst vor einem Angriff herrschte nirgendwo. Rom schien da die einzigste Ausnahme zu sein, dachte sich Hermann, da sonst in jeder Stadt man vor feindlichen Übergriffen gewappnet sein musste. Hermann genoss diese Ruhe, da er nicht wusste, wann er in den nächsten Feldzug geschickt werde.

Nach einer Weile kehrte er heim. Thusnelda bereitete etwas zu essen vor und Hermann genoss dies. Wochenlang auf einem Schiff zu sein mit Männern, deren Kernaufgabe es war zu töten und nicht zu kochen, hatte seinem Körper deutlich zu schaffen gemacht . Erst jetzt merkte Hermann, dass diese Reise seinem Körper deutlich mehr zugesetzt hatte, als er geglaubt habe. Das Adrenalin der Schlacht, die Flucht und der Tod Adelais hatten dies zuerst überspielt, doch nun, da dies alles schon ein paar Tage vorbei war, zeigte sein Körper ihm seine Probleme. Gemeinsam aßen sie nun und Hermann spürte deutlich, wie wieder Kraft in seinen Körper floss. Er blickte Thusnelda freudig an, die ihrerseits erleichtert ausschaute, hatte sie sich doch sichtlich Sorgen um Hermann gemacht. Nach der Mahlzeit legten sie sich gemeinsam ins Bett und während Thusnelda sich an Hermann kuschelte, ihren Kopf auf seine Brust legte und selig einschlief, blickte Hermann zur Decke und dachte nach. So konnte es nicht weitergehen, dachte er sich. Er wusste nur nicht, was er tun sollte. Hoffentlich würde er es bald herausfinden.

 

„Wir kehren heim.“

Thusnelda blickte ihn verschlafen an. Die Sonne schien gerade herein, sie ließ Hermanns Gesicht erstrahlen, der aufrecht im Bett saß.

„Wie bitte?“

„Wir kehren nach Hause.“

„Aber wir sind doch zu Hause.“ Thusnelda schien verwirrt.

„Hast du diesen Ort jemals dein Zuhause genannt?“, fragte sie Hermann, „hast du dich jemals wohl gefühlt.“

„Wir sind hier zusammen und ich fühl mich wohl“, entgegnete Thusnelda, die immer noch nicht wusste, worauf Hermann hinauswollte.

„Natürlich fühle ich mich wohl mit dir“, beruhigte sie Hermann sofort, „doch galt Rom für dich je als Heimat?“

„Natürlich nicht“, widersprach Thusnelda, „meine einzige Heimat ist Germanien, Rom sehe ich nur als Gastland an.“

„Und genau dies meinte ich. Wir kehren heim nach Germanien.“

Thusnelda blickte Hermann verstört an. „Wie kommst du auf diesen Gedanken?“

„Ich weiß es selbst nicht“, gestand Hermann, „ich lag in der Nacht noch länger wach, dachte darüber nach, dass es, so wie es jetzt ist, nicht weitergehen kann.“

„Aber du hast dir doch dein Leben als Soldat ausgesucht.“

„Dies mein ich nicht“, entgegnete Hermann, „wir leben nun schon einige Jahre in Rom, es waren gewiss keine grausamen Jahre, dies will ich nicht sagen, doch ein Heimatgefühl kam für mich hier nie auf. Und dieses Gefühl, das Gefühl für die Heimat, vermisse ich.“

„Schön und gut“, antwortete Thusnelda, „doch glaubst du wirklich, dass dich die Römer einfach aus Rom gehen lassen. Du bist einer ihrer besten Männer, glaubst du wirklich, dass sie dich dann nach Germanien zurückkehren lassen?“

„Ich weiß es nicht. Doch nur hier sitzen und nichts geschehen lassen, kann ich nicht. Ich bin ein Mann der Tat, der seinen Plan auch durchführen muss.“

Sie nickte ihm zu.

„Gemeinsam kehren wir heim.“

„Wann willst du denn zum Senat gehen und deine Bitte vortragen?“

„Ich warte bis Thorwin heimkehrt“, entgegnete Hermann, „ich werde meine Brüder fragen, ob sie sich uns anschließen wollen. Ich werde sie nicht dazu zwingen, sie sollen ihre Entscheidung frei treffen. Ich würde es ihnen auch nicht verdenken, wenn sie in Rom bleiben würden, ein Leben wie in Rom, könnte ich ihnen in Germanien nicht bieten. Und auch dir muss dies bewusst sein, das Leben in Germanien unterscheidet sich deutlich vom Leben in Rom.“

„Dies ist mir bewusst“, sprach Thusnelda kühl, „ich habe meine Zeit in Germanien nicht vergessen. Und eins garantiere ich dir. Ich würde alles, was ich hier besitze, sofort dafür hergeben, dass ich zurück in die Heimat dürfte.“

„Auch mich?“

„Du gehörst mir nicht.“

„Und dies ist auch eine Sache“, sprach er und ging vor ihr auf die Knie, „die ich nur in Germanien hätte tun wollen. Wenn wir heimkehren, wirst du dann meine Braut?“

Sie blickte ihn erstaunt an. „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wieso du mich nie gefragt hast, ob du mich nicht genug geliebt hättest.“

„Ich habe dich stärker geliebt, als ein Mann je eine Frau lieben könnte“, entgegnete er, „doch den Bund der Ehe könnte ich niemals in dieser Stadt eingehen. Es ist meine Heimat, dort wo meine Familie ist, wo ich dich ehelichten will, selbstverständlich nur, wenn du auch willst.“

„Natürlich möchte ich dies“, entgegnete Thusnelda und Tränen schossen ihr in die Augen.

Hermann stand auf, umarmte sie und küsste sie. „Lass uns heimkehren.“

„Ja“, schluchzte sie.

 

Die Tage vergingen. Hermann hatte seine Entscheidung nach Germanien heimzukehren bis jetzt noch kein einziges Mal bedauert. Im Gegenteil, er freute sich maßlos darüber, zum einen seine Mutter endlich wieder in die Arme schließen zu können, zum anderen dort Thusnelda zu ehelichten. Er wusste nicht, ob er seinen Vater und seinen Onkel dort wiedersehen würde, da diese ja ebenfalls unter römischer Flagge dienten. Er hoffte es sehr, bezweifelte dies jedoch. Auch Thusnelda schien sich auf ihre Abreise zu freuen. Sie schwebte leichtfüßig durch das Haus und jedes Mal, wenn sie sich begegneten, strahlte sie ihn fröhlich an. Hermann hoffte, dass er ihr nicht zu viel versprochen hatte. Bis jetzt war Thorwin noch nicht wieder heimgekehrt und Hermann bat Arved und Friedrich darum, dass sie ihm Bescheid geben sollten, falls sie ihn wieder sehen würden. Er hatte ihnen noch nichts darüber erzählt, dass er gerne nach Germanien zurückgehen wollte. Dies würde er ihnen erst verkünden, wenn Thorwin ihnen beiwohnen würde. Die Zeit in Rom verbrachte Hermann oft zu Hause oder in den Thermen. Er genoss es wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, da er nie wusste, wann er das nächste Mal einberufen wurde. Seine Wege führten ihn auch öfters am Forum Romanun vorbei. Dort sah er viele Soldaten, Gesandte und Senatsmitglieder. Dem Senat hatte er ebenfalls noch nicht mitgeteilt, dass er heimkehren möchte. Er wollte wissen, ob seine Brüder dies ebenfalls wollten und wenn ja, würde er sie bitten, ihnen dies ebenfalls zu gestatten.

Es dauerte noch zwei Wochen, bis plötzlich Arved vor seiner Tür stand und ihm mitteilte, dass Thorwin heimgekehrt war. Hermann machte sich gleich mit ihm auf den Weg. Sie begrüßten einander fröhlich und erzählten sich gegenseitig von ihren Feldzügen. Wie die beiden anderen war Thorwin erschrocken darüber, dass Adelais tot und er blickte betreten zu Boden. Doch Hermann ging nicht länger darauf ein.

„Meine Brüder“, sagte er, „wir leben nun etliche Jahre in Rom, wie ihr wisst.“

„Wie können wir das vergessen“, entgegnete Friedrich mit einem leicht angesäuerten Blick, „hat man uns doch unserer Heimat beraubt.“

„Und genau das ist der Punkt, weswegen ich mit euch sprechen möchte. Ich könnte jetzt einen langen Ausschweif machen, doch den spar ich mir. Ich werde den Senat bitten, dass ich nach Germanien zurückkehren kann.“

Er spürte die Reaktion der drei deutlich. Alle blickten ihn ungläubig und mit versteinertem Gesichtsausdruck an. Niemand sprach ein Wort.

„Doch damit nicht genug“, fuhr Hermann fort, „ich werde den Senat ebenfalls bitten, dass Thusnelda mit mir gehen darf. Und, wenn ihr es wünscht, dass ihr uns ebenfalls begleiten dürft.“

Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Es schienen Minuten zu vergehen, bevor es eine erste Regung in ihren Gesichern gab und Stunden, bevor einer etwas sagte. Friedrich war es, der zuerst die Stille brach.

„Mein Bruder“, sprach er, „ich habe dir zu Beginn unserer Reise gesagt, dass ich dich immer begleiten werde, egal welchen Schritt du machen wirst. Und ich werde mich daran halten. Kehren wir heim nach Germanien. In unsere Heimat, die wir so lange vermisst haben.“

Hermann nickte und blickte nun zu Arved und Thorwin. Beide blickten sich kurz an, nickten einander zu und blickten zu Hermann herüber.

„Ich denke, ich spreche auch mit Thorwins Worten“, fing Arved an, „ihr wisst, dass ihr Brüder für uns seid und ewig in unseren Gedanken sein werdet, doch nun, da ihr nach Germanien heimkehren wollt, werden sich unsere Wege trennen müssen. Wir beide haben beschlossen hier in Rom zu bleiben. Wir haben uns an das Leben hier gewöhnt und auf uns wartet sowieso keiner mehr in der Heimat.“

„Ich mache euch keinen Vorwurf“, entgegnete Hermann, „es ist eure freie Entscheidung hier in Rom zu bleiben. Natürlich ist es traurig, dass ihr uns nicht begleiten werdet, doch ich respektiere eure Entscheidung.“

„Aber wieso willst du denn eigentlich nach Germanien zurückkehren?“, fragte ihn Arved.

„Ich weiß es nicht genau“, gestand Hermann, „möglicherweise ist es der Verlust Adelais gewesen, der mir in dieser Stadt immer wieder ins Gedächtnis getrieben wird oder aber auch die Sehnsucht nach der Familie und der Heimat.“

„Ich vermute eher eine Mischung aus beiden“, warf Friedrich ein und Hermann, nach kurzem Überlegen, stimmte ihm zu.

„Dies ist dein gutes Recht“, sprach Thorwin, „wann werdet ihr denn aufbrechen?“

„Da es am heutigen Tag schon zu spät ist“, antwortete Hermann mit einem Blick zum Horizont, wo die Sonne langsam verschwand, „werde ich am morgigen

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 01.02.2020
ISBN: 978-3-7487-2820-7

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