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Schlacht um Nikopolis

6. Kapitel Schlacht um Nikopolis

 

 

Immer und immer wieder wurde Hermann im Laufe der Zeit zu Feldzügen und Schlachten berufen. Es verging kein halbes Jahr, ohne das er wieder von Thusnelda getrennt wurde. Doch diese Zeit genossen beide immer in vollen Zügen. Hermann liebte es gemeinsam mit ihr vor dem Haus zu sitzen, den Tiber zu beobachten, wie er sich leise, wie eine Schlange, durch Rom schlängelte, er sah Kinder, die am Wasser spielten, sah ihre Mütter sie immer ermahnen, nicht so weit ins Wasser zu gehen, da sie ansonsten möglicherweise mitgerissen werden konnten. Bei dem Blick auf die Kinder wünschte sich Hermann öfters eigene, doch er konnte ihnen kein Vater sein, wie er es gerne wäre. Er würde seine Söhne gerne aufwachsen sehen, würde ihnen gerne das Gehen und das Sprechen beibringen, würde ihnen zeigen, wie sie mit dem Schwert umzugehen hätten. Doch mit dem Wissen, dass jede Schlacht seine letzte sein könnte, wollte er seine Kinder nicht als Halbwaisen zurücklassen. Außerdem wäre dies nicht seine Heimat. Falls er jemals heimkehren sollte, zurück nach Germanien, und dort in Frieden leben könnte, dann könnte er sich entschließen, endlich Kinder in diese von Kriegen verseuchte Welt zu setzen. Doch bis dieser Tag gekommen war, begnügte er sich damit, mit Thusnelda allein zu sein. Und ganz allein waren sie eigentlich nie. Fast jeden Tag sah er Friedrich und seine anderen Brüder, sie besuchten ihn in seinem Haus oder sahen sich zufällig in der Stadt oder in den Thermen. Anfänglich hatten sie noch ein paar Feldzüge gemeinsam, doch im Laufe der Zeit trennten sich auch in diesem Bereich ihre Wege. Mit Arved bestritt er keinen Feldzug mehr, seit ihrem ersten, Thorwin und Friedrich begleiteten ihn nur noch auf zwei weiteren. Nur Adelais, als sein Optio, war bei jeder Schlacht anwesend. Das Verhältnis beider war immer noch ziemlich angespannt, obwohl es sich doch gebessert hatte. Sie wechselten hin und wieder einige Worte, doch diese beschränkten sich meistens auf die Taktiken der bevorstehenden Schlachten. Ob es damals die Tatsache war, dass Adelais gleich nach seinem ersten Feldzug zum Optio ernannt wurde und sich dadurch ihr Verhältnis etwas gebessert hatte, konnte Hermann nicht sagen. Er glaubte jedoch immer noch, dass ihr Verhältnis dadurch angespannt war, dass Hermann immer noch in der Ranghöhe vor ihm stand. Solange sie in Rom verweilten, bekam Hermann Adelais nur selten zu Gesicht und wenn doch, dann beschränkte sich dies nur auf ein Kopfnicken. Wenn er ihn aufsuchte, dann meistens nur mit einem weiteren Soldaten, der ihn bat, ihn zu begleiten, um sich für einen neuen Feldzug einzufinden. Hermann gewöhnte sich langsam an diese Feldzüge und an die dazu einhergehenden Schrecken. Er hasste sich anfangs zum Ende jeder Reise für seine Taten, doch dieser Hass nahm immer mehr ab. Es wurde zur Routine. Jedes Gesicht, jeder Mann, den er tötete, war gleich. Er unterschied zwischen keinem mehr, egal, ob Gallier, ob Grieche, sogar Abtrünnige Römer. Ein Feind war ein Feind, der vernichtet werden musste. Seine Taten wurden groß gefeiert, seine Taktiken brachten den Sieg, wenige Römer starben, dafür umso mehr der Feinde. Er führte die Männer, wie ein wahrer Feldherr in die Schlachten, manch einer verglich ihn sogar mit Cäsar, obwohl Hermann dies nicht gerne hörte, da Cäsar für viele als Tyrann in die Geschichte eingegangen war, er hörte lieber, dass er ein wiedergeborener Achilles oder Hector wäre, obwohl dies ebenfalls übertrieben war. Er tat nur das, wozu er ausgebildet wurde, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Doch darüber zerbrach er sich nun nicht den Kopf. Er lebte nun schon seit fünf Monaten wieder in Rom, eine lange Zeit, ohne, dass er einberufen wurde. Ab und an wurde er nachts jedoch immer noch von Alpträumen gejagt. Er sah die Gesichter der Männer, die er tötete, sah die Frauen, wie sie ihre Kinder an sich pressten und die leblosen Körper ihrer Männer beweinten, konnte ihre hasserfüllten Blicke auf ihn spüren, konnte hören, wie sie sagten, dass er bald ebenso tot sein würde. Er erwachte dann immer schweißüberströmt, drehte sich zu Thusnelda um, die seelenruhig schlief. Er legte sich meistens dann wieder hin, nahm Thusnelda in den Arm, die ihren Kopf auf seine Brust legte und er horchte ihrem leisen ein- und ausatmen. Es beruhigte ihn ungemein und so konnte er ebenfalls wieder einschlafen. Er hatte schon öfters überlegt, Thusnelda zu seiner Frau zu nehmen, schließlich kannten sie sich schon etliche Jahre, doch ebenso, wie bei den Kindern, wollte er Thusnelda nicht als Witwe zurücklassen. Er hatte sich jedoch vorgenommen, bei ihrer Heimkehr nach Germanien, falls es sie irgendwann geben sollte, würde er sofort um ihre Hand anhalten.

An diesem Tag saß er wieder vor dem Haus und beobachtete den Tiber. Es herrschte Ruhe, die jedoch nicht lange bestand haben sollte. Er hatte vor kurzem erst gemeinsam mit Thusnelda gespeist, die daraufhin in die Stadt aufgebrochen war, um neue Lebensmittel zu besorgen. So saß er da, beobachtete die leichten Wellen des Tiber, die der Wind besorgte, als er plötzlich Adelais auf sich zukommen sah. Oh nein, dachte sich Hermann und seine Vermutung wurde bestätigt, als er sah, dass Adelais in Begleitung eines weiteren Soldaten kam.

„Guten Morgen, Herr“, sprach der Soldat auch gleich, nachdem beide vor Hermann angelangt waren.

„Guten Morgen“, entgegntete Hermann und nickte beiden zu.

Adelais sprach kein Wort, sondern nickte Hermann ebenfalls nur zu.

„Was kann ich so früh am morgen bereits für euch tun?“, fuhr Hermann weiter fort.

„Ich müsste Sie bitten, uns zugleich zum Forum zu begleiten. Eure Anwesenheit wird verlangt. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die keinen Aufschub zu dulden hat.“

Hermann nickte. „Ich verstehe, ich werde euch gleich begleiten.“ Er drehte sich um und kehrte ins Haus zurück. Seine Rüstung, sein Schwert, wie auch sein Schild und die Tasche waren immer sofort griffbereit. Kurz darauf trat er wieder aus dem Haus.

„Ah, das trifft sich gut“, sprach er, als er sah, dass sich Thusnelda näherte, „sie werden mich doch gewiss kurz entschuldigen.“

Der Soldat nickte verständnisvoll und verbeugte sich vor Thusnelda. Diese lächelte beide an.

„Es sieht so aus, als würde ich wieder einbezogen werden“, sagte Hermann an Thusnelda gewandt.

„Dies habe ich bereits vermutet, als ich Adelais und den Soldaten dort stehen sah“, entgegnete sie, „ich bin nicht überrascht. Du hast deine Pflicht zu tun.“

„Ich danke dir für dein Verständnis.“ Er küsste ihre Stirn und danach gaben sie sich einen richtigen Kuss auf den Mund. Danach drehte sich Hermann um, schulterte seinen Schild und seine Tasche und folgte Adelais und dem Soldaten. Sie marschierten eine Zeit lang, doch niemand sprach ein Wort, Hermann beschloss erst im Forum nach dem Grund und dem Ort zu fragen. Sie erreichten das Forum, wo auch zu der frühen Stunde schon ein gewaltiges Treiben herrschte. Sie betraten ein Gebäude und der Soldat verabschiedete sich mit einer Verbeugung von ihnen und bat sie hier zu warten. Hermann und Adelais taten dies und es dauerte auch nicht lange, bis ein Mann auf sie zutrat, den Hermann jedoch noch nie gesehen hatte.

„Guten Morgen, meine Herren“, begrüßte er sie, „bitte begleiten sie mich.“

Sie taten es, folgten dem Mann zu einer Tür, durch welche sie gemeinsam durchtraten. Dort warteten schon vier Männer, von welchen Hermann zwei erkannte.

„Guten Morgen“, sprachen die Männer, wie aus einem Munde, „sie werden sich sicher fragen, wieso wir sie zu so früher Stunde einberufen haben.“

„Ach“, entgegnete Hermann, „nach den Jahren stelle ich mir diese Frage schon nicht mehr.“

Adelais schwieg.

„Nun“, sprach einer der Männer, die Hermann nicht kannte, „es wird Ihnen sicherlich klar sein, dass sie zu einem weiteren Dienst zur Wahrung des Friedens des römischen Reiches teilnehmen müssen, doch dieser wird sich von den anderen Diensten unterscheiden. Genauer gesagt wird dieser Dienst zum großen Teil auf dem Wasser ausgeführt werden.“

Hermann schaute die Männer verwundert an. „Ich bin kein Seemann“, entgegnete er, „ich habe keine Erfahrung mit dem Meer gemacht.“

„Sie müssen auch nicht auf diesem kämpfen“, antwortete einer, „sie müssen das Meer nur überqueren, um den Hafen von Nikopolis und die Stadt einzunehmen. Selbstverständlich nicht allein, mit ihnen werden 40 weitere Schiffe mit je 50 Mann aufbrechen. Sie werden das Kommando über ein Schiff bekommen und werden ebenfalls zweiter Anführer der gesamten Flotte.“

„Ich wiederhole mich in diesem Punkt gerne“, sprach Hermann, „doch ich bin kein Seemann. Wieso wird mir so eine Befehlgewalt übergeben, wenn ich im Anführen auf See keine Erfahrung gemacht habe. Ich bin mir sicher, dass es qualifizierte Männer dafür gebe.“

„Dies ist auch so“, bestätigte einer der Männer, „doch viele unserer Schiffe und der dazu angehörigen Kapitäne sind auf Unternehmungen in der Ägais oder vor Ägypten.“

„Demnach bin ich einer der qualifiziertesten Männer in Rom und dies obwohl ich noch nie eine Seeschlacht durchgeführt habe.“

„Ihre Qualifikation rührt dahin, wie sie die Stadt Glanum vor den Rebellen befreit hatten, ihre Belagerungsstrategie führte zu einer raschen und gewaltlosen Aufgabe des Feindes. Und genau dies sollen Sie nun auch in Nikopolis durchführen. Der Hafen soll belagert werden, sodass kein Nachschub durchkommen kann. Nach gut einer Woche, möglicherweise auch zwei, soll der Hafen dann eingenommen werden, sodass wir unseren Nachschub liefern und die Stadt danach eingenommen werden kann.“

„Ich verstehe.“

„Der einzige Mann, der noch vor ihnen steht, wäre Naptunus, ein erfahrener Seemann, der bereits viele Seeschlachten und Hafenbelagerungen gemeistert hatte.“

„Naptunus“, sprach Hermann, „vom Namen her, können wir gar nicht versagen.“

„Ihr wisst am besten, dass Namen nichts wert sind, doch wir können Ihnen versichern, dass in der jetzigen Situation es keinen geeigneteren Mann geben würde.“

„Mir ist die Lage bekannt, diese haben sie ja gerade geschildert. Nun gut, ich nehme an, dass wir sofort aufbrechen.“

„Das nehmen Sie richtig an, ihre Mannschaft erwartet sie auf ihrem Schiff in Lecce. Eine Soldatengarnison wird Sie und ihren Optio nach Lecce begleiten. Ich ernenne Sie hiermit, neben Ihrer Funktion als Centurio an Land, als Kapitän zu Wasser. Möge Jupitur und Neptun Ihnen beistehen.“

Da verlasse ich mich lieber auf Odin und auf Ägir, dachte sich Hermann. Er nickte nur, drehte sich um und verließ den Raum. Adelais folgte ihm. Draußen wurden sie bereits erwartet, eine Soldatengarnison stand bereit und schien nur auf sie zu warten. Ein Soldat trat aus dieser hervor und beeilte sich zu Hermann zu kommen.

„Seid Ihr Arminius, Herr?“, fragte er höflich.

„Der bin ich.“

„Wir begleiten Euch nach Lecce. Kommt. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“

Hermann nickte. Ihm, wie auch Adelais, wurden ihre Taschen und Schildern genommen und auf die Pferde, der anderen Männer verteilt. Hermann setzte sich auf seins und gemeinsam galoppierten sie los. Neugierige Kinder kamen angelaufen und winkten ihnen zu, Hermann quittierte dies mit einem Lächeln und nickte ihnen freundlich zu, sodass die Kinder noch mehr strahlten. Adelais hingegen verzog keine Miene, reitete still hinter Hermann her. Es dauerte zwei Tage bis sie in Lecce eintrafen. Sie trafen schon fast gegen Abend ein. Die Hafenstadt lag ruhig da. Doch man konnte ihr ansehen, dass sie als Zwischenstation genutzt wurde. Überall waren Soldaten verteilt, die dösend in der Sonne lagen und auf den Befehl zum Aufbruch warteten. Am Strand fiel Hermann die Vielzahl an Schiffen auf. Nie zuvor hatte er diese gewaltige Summe an Schiffen gesehen. Von Liburnen zu Hexere bis hin zu Quinquereme, Schiffe jeglicher Art waren vertreten. Hermann wurde zu einem Zelt nahe einer Quinquereme gebracht, dort stieg er von seinem Ross ab und wurde von einem anstürmenden Soldaten begrüßt. Dieser geleitete ihn, gemeinsam mit Adelais, in das Zelt, wo schon eine Vielzahl von Männern saßen, die alle einem Mann zuhörten. Als Hermann eintrat, blickten ihn alle an und als der Soldat erklärte, wer er war, standen alle auf und verbeugten sich vor ihm. Er hob die Hand zur Begrüßung und wartete ab.

„Sie müssen Arminius sein“, sprach der Mann, der eben gesprochen hatte.

„Der bin ich“, entgegnete Hermann, „mit wem habe ich das Vergnügen?“

„Mein Name lautet Naptunus“, erklärte der Mann ihm, „ich bin der Anführer dieser Flotte und ich bin auch darüber informiert worden, dass Ihr als meine rechte Hand fungieren sollt.“

„Dem ist so.“

„Nur gut, dass ich keine rechte Hand brauche, da meine noch verfügbar ist“, lachte Naptunus, „aber jetzt mal ehrlich. Mir wurde versichert, dass Ihr ein exzellenter Feldherr seid, der schon manche Schlachten durch sein Genie vorzeitig entschieden hat, doch Ihr seid ein absoluter Niemand auf dem Meer. Das Meer kann tödlich sein und deswegen werde ich mein Leben und das meiner Soldaten nicht in die Hand eines Niemands legen.“

„Dies müsst Ihr nicht“, versicherte ihm Hermann, „verfahrt mit mir nach eurem Gutdünken.“

„Das höre ich selten aus dem Mund eines Centurio“, sagte Naptunus und schien ernsthaft überrascht zu sein, „hoffentlich verhaltet Ihr euch auch so, wie Ihr es nun von euch gebt.“

„Wenn nicht könnt Ihr mich über Bord schmeißen“, versicherte Hermann.

„Beim Klabautermann das würde ich auch tun“, entgegnete er,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 01.02.2020
ISBN: 978-3-7487-2819-1

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