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Der Feldzug nach Lauriacum

5. Kapitel Der Feldzug nach Lauriacum

 

 

Die Zeit zog sich dahin. Hermann und seine Brüder trainierten tagein tagaus bis zum Umfallen. Sie waren nun fast ein Jahr bei ihrer Ausbildung zum Soldaten, doch dieses Jahr war verflogen, wie nichts. Hermann schleppte sich jeden Abend zurück in sein Bett. Natürlich vergaß er nicht jeden Abend Thusnelda zu besuchen, doch seine Brüder hatten sogar zu dieser Tätigkeit keine Kraft mehr. Hermann durchlief jede mögliche Einheit, bis auf die Spione, da ihn diese Tätigkeit gar nicht reizte. Es tat ihm zwar Leid für Arved, der gerne einmal mit Hermann gemeinsam trainiert hätte, doch Hermann wusste, dass er niemals Spion werden wollen würde und deshalb ließ er dies bewusst aus. Auch Friedrich war zu einem Meister seiner Einheit ausgebildet worden und beherrschte den Pfeil und Bogen nun besser als Hermann es tat. Nun trainierte Hermann wieder einmal mit den Principes und Adelais war sein Gegner. Sie trieben sich immer wieder an ihre Grenzen und sogar darüber hinaus. Niemand konnte ihnen das Wasser reichen. An den Tagen, an welchen neue Rekruten in die Armee einbestellt wurden, wurden beide als Gegner für diese ausgesucht. Beide verlangten den Männern alles ab, doch keiner dieser stellte auch nur die geringste Gefahr dar, trotzdem ließen sie die Männer meistens gewinnen, um ihr Selbstbewusstsein zu steigern und damit ihnen ihre Rüstungen anvertraut wurden. Doch niemand bemerkte, dass beide nicht richtig kämpften. Am heutigen Tage war es wieder soweit. Hermann und Adelais trainierten abermals hart gegeneinander. Die Schwerter prallten gegeneinander, auf Schilder verzichteten beide.

„Arminius, Adelais!“, rief plötzlich jemand.

Hermann und Adelais ließen die Schwerter sinken und sahen sich um, ihr Ausbilder winkte sie zu sich.

„Ihr werdet wieder gebraucht, Männer“, sprach der Ausbilder, kaum waren sie bei ihm angelangt und man konnte ihm ansehen, dass er es nicht amüsant fand, dass seine beiden Schützlinge immer gebraucht wurden, „es ist wieder ein neuer Tross Frischlinger aufgetaucht, ihr sollt gegen sie kämpfen, damit sie sich beweisen können.“

„Gewiss, Herr“, sprachen beide, wie aus einem Mund und verneigten sich vor ihm.

Der Ausbilder winkte ab und zeigte hinter sich. „Geht dort hin“, und er zeigte auf zwei Ausbilder, die mit fünf Soldaten, die sich immer wieder nervös umsahen, zusammenstanden.

Hermann und Adelais nickten und setzten sich in Bewegung, um schnell zu den Ausbildern zu gelangen. Dort angekommen besah sich Adelais gleich die neuen Soldaten, während Hermann sein Interesse dem Ausbilder widmete. Den einen kannte er, doch den anderen hatte er noch nie zuvor gesehen. Hermann konnte ihn nicht einschätzen, es schien keine große Gefahr von ihm auszugehen, doch Hermann war geübt und schlau genug, niemanden nach seinem Aussehen zu beurteilen. Plötzlich kamen noch drei andere Soldaten angelaufen und Hermann wunderte sich zuerst, erkannte aber dann, dass es fünf neue Soldaten waren und diese auch geben fünf trainierte Soldaten kämpfen sollten. Keiner der fünf neuen Soldaten machten jedoch den Eindruck, als ob dieser jetzt ein neugeborener Hector wäre, im Gegenteil. Einige wirkten sehr schwach, einer war zwar etwas kräftiger gebaut, doch Hermann bezweifelte, dass dieser schnell genug für einen Kampf wäre. Und so war es auch. Der Kräftige begann gegen einen der drei anderen Soldaten und während der Kräftige seine ganze Kraft in seinen Angriff steckte, besiegte ihn der Soldat mühelos. Geknickt trat der Kräftige wieder zu seinen Mitankömmligen. Auch den zwei Nächsten erging es nicht viel anders. Hermann fragte sich, wieso Adelais und er für diese Aufgabe gerufen worden waren, wenn sogar die anderen diese Neuen besiegen, dann war es für sie beide nun überhaupt kein Problem. Die anderen drei wurden zurück zu ihren Truppen geschickt und Hermann und Adelais standen nun allein da. Adelais entschied sich, als nächstes zu kämpfen.

„Es dauert nicht lange“, flüsterte er im Vorbeigehen Hermann zu.

„Mach es ihnen nicht zu leicht“, zwinkerte Hermann ihm zu.

Adelais lächelte und stellte sich vor dem Soldaten, der mit schüchterner Miene sein Schwert hob. Hermann kannte Adelais Strategie, welcher er bei fast jedem Neuankömmling durchgeführt hatte. Er ließ sie meistens müde werden, parierte meist ihre Angriffe, bis er selbst, natürlich unabsichtlich, einen dummen Fehler macht und dem Gegner so die Möglichkeit gab, einen Gegenangriff durchzuführen, damit dieser gewinnen und somit seine Rüstung bekommen könnte. Anfangs wartete er jedoch meist ab, um zu sehen, welche Art von Angreifer sein Gegner war. Und so war es auch diesmal. Adelais wartete, was den Soldaten noch mehr aus der Fassung brachte. Wild nach vorne stürmend griff er Adelais an, welcher mühelos den Schlag parierte. Spielend leicht wich Adelais zurück, parierte hier einen Schlag, ein anderes mal ließ er ihn ins Leere schlagen. Und dann kam es wie es kommen musste, Adelais wich zurück, stolperte scheinbar wie aus dem Nichts und stürzte beinahe zu Boden. Der Soldat witterte seine Chance und stürzte nach vorne. Wenn er ein richtiges Schwert in der Hand gehalten hätte, hätte Adelais ihm jetzt schon die Beine abgeschnitten, dachte sich Hermann, doch er tat natürlich nichts dergleichen. Er tat so, als würde er sich noch verteidigen wollte, doch das Schwert des Soldaten trat ihn an der Seite. Der Soldat schien davon so überrascht, dass er erst einmal gar nichts tat, sondern die Situation nur ungläubig beäugte, bis er schließlich zurücksprang, die Arme hochstreckte und zu den anderen Soldaten rannte, die sich mit ihm freuten. Adelais blickte ihm hinterher, lächelte und drehte sich zu Hermann um.

„Schade, beinahe hättest du gewonnen“, feixte Hermann.

„Mal sehen, wie du dich schlägst“, antwortete Adelais mit einem Zwinkern zurück und gab ihm das Holzschwert.

Nun trat Hermann nach vorne. Der letzte Soldat trat nach vorne und blickte Hermann an. Hermann lächelte ihm zu und verbeugte sich, womit der Soldat nichts anfangen konnte und er stattdessen seine Kampfpostion einnahm. Keine Manieren, dachte sich Hermann, doch machte sich nun ebenfalls zum Kampf bereit. Auch er wartete ab, was der andere Soldat machen würde, doch dieser tat gar nichts. Hermann beäugte ihn kritisch und stellte fest, dass sein Schwert zitterte. Ohje, dachte er sich, wie soll ich dem Jungen denn zu einem Sieg verhelfen, der lässt sein Schwert doch schon fallen, wenn ich ihn berühre. Hermann machte einen Vorwärtschritt und der junge Soldat machte den Eindruck, dass er am liebsten davonlaufen würde. Hermann wollte zuerst seine Schwerthand wechseln, doch überlegte es sich rechtzeitig anders. Wenn der Junge jetzt schon Probleme hatte, dachte er, wie wird er erst reagieren, wenn ich auch mit der anderen Hand kämpfen würde. Abermals trat Hermann einen Schritt nach vorne und auch der junge Soldat wich daraufhin wieder zurück. Hermann wusste nicht so Recht, was er tun sollte, wenn er ihn besiegen wollen würde, hätte er dies schon längst erledigt, doch dies wollte er nicht, er wollte nun mal, dass die Soldaten diesen Test bestehen sollten. Er versuchte dem Soldaten sogar mit seinen Augen die Anweisung zu geben anzugreifen, doch entweder verstand er dies nicht oder er konnte sich vor Angst nicht rühren. Hermann wusste nicht mehr weiter. Hermann tat das einzig richtige, er griff an. Sein Schwert sauste herab und der Soldat parierte zwar, doch wenn Hermann mit seiner ganzen Kraft zugeschlagen hätte, wäre er sicher gewesen, dass dieser sein Schwert nicht hätte halten können. Er trieb den Soldaten vor sich her, wie ein Schäfer seine Schafe. Spielend leicht bewegte er sich auf dem Kampffeld, während der Junge Probleme hatte, sich auf diesem zurechtzufinden. Womöglich bekomme ich beim Kampf ja eine Idee, dachte er sich und tatsächlich kam sie auch. Er blieb absichtlich am Boden hängen und stolperte vorwärts und dies auch noch so langsam, dass der Junge schlussendlich doch einmal reagieren musste, was er dann auch tat. Er trat zur Seite und holte mit dem Schwert aus, dies jedoch in so einer Geschwindigkeit, dass Hermann ihm leicht schon hätte, mit einem richtigen Schwert selbstverständlich, die Kehle durchschneiden können. Er unterließ dies jedoch und das Schwert des Soldaten traf seinen Rücken. Hermann richtete sich auf. Er hatte so gut wie nichts von dem Holzschwert gemerkt, zwar hatte er gemerkt, dass es ihn berührt hatte, doch er spürte keine Schmerzen. Entweder war es der Kraft seines Gegners gescholten oder sein Körper war soweit trainiert, Hermann entschied sich für eine Mischung aus beidem. Er grinste den Soldaten an, der ihn nur ungläubig ansah. Hermann drehte sich um.

„Warte!“

Hermann drehte sich um. Der junge Soldat blickte ihn an. „Wie ist dein Name?“

„Lerne erstmal Respekt, Junge“, erwiderte Hermann, „dann verrat ich dir meinen Namen.“ Er drehte sich um und machte einige Schritte zu Adelais hin.

„Ich habe dich besiegt“, rief ihm der Junge hinterher und Hermann stoppte zugleich, „ich weiß gerne die Namen der Personen, die ich besiegt habe.“

Hermann spürte die Wut in ihm hochkochen. Adelais schien dies zu bemerken und schritt schnellen Schrittens zu Hermann herüber.

„Beruhige dich“, flüsterte er Hermann zu, „lass dich von so einem Gerede nicht aus der Fassung bringen.“

Hermanns Wut verflüchtigte sich langsam. Er blickte Adelais an. „Du hast Recht“, entgegnete er, „dafür sollte ich erfahren genug sein.“

„Eben.“

Beide blickten kurz zu den Ausbildern und nickten ihnen zu. Danach gingen sie ruhigen Schrittens zu ihrer Einheit zurück.

„Halt!“

Hermann und Adelais drehten sich um und Hermann war schon in Gedanken, dass dieser Junge ihn abermals etwas befohlen wollte, doch diesmal war es der Ausbilder, der sprach. Nicht jedoch der, der ihnen vertraut vorkam, sondern der andere, den Hermann noch nie gesehen hatte. Hermann wunderte sich und fragte sich selbst, was dies zu bedeuten hatte.

„Er hat nach deinem Namen gefragt?“ Er zeigte auf den jungen Soldaten, der lächelte.

„Das ist mir bewusst, Herr“, entgegnete Hermann.

„Und wieso verrätst du es ihm denn nicht?“

Hermann schwieg. Er wusste nicht, wie er es hätte ausdrücken können. Sollte er zugeben, dass er und Adelais nie richtig gegen die Neulinge gekämpft hatten oder sollte er nachgeben und nun einfach seinen Namen verraten.

„Vielleicht ist es der Grund“, unterbrach der Ausbilder Hermanns Gedanken und beantwortete seine eigene Frage, „dass er dich nicht besiegt hatte.“

Das Lächeln im Gesicht des Neulings verflog und Hermann und Adelais blickten den Ausbilder mit erstaunten Augen an.

„Ihr glaubt doch wohl nicht“, fuhr dieser fort, „dass es mir entgangen ist, dass ihr nicht richtig gekämpft habt. Wenn du wolltest und es hättest tun können“, und er zeigte auf Adelais, „dann müsste der eine sich seinen Kopf wieder annähen müssen und bei dir“, und er zeigte auf Hermann, „hätte dieser da“, und er zeigte diesmal auf den jungen Soldaten, „keine Kehle mehr, wenn nicht sogar noch ein paar Gliedmaßen weniger. Und nun ist meine Frage, wieso ihr sie habt gewinnen lassen?“

Hermann und Adelais schwiegen einen Moment, doch es war ihnen bewusst, dass sie nicht solange schweigen konnten.

„Es tut uns leid, Herr“, fing Adelais an und Hermann nickte, „doch es ist für uns ein Privileg der Armee zu dienen und wir möchten, dass viele dieses Privileg ebenfalls genießen dürfen.“

Der Ausbilder sah beide durchdringend an, dann blickte er kurz auf den anderen Ausbilder und zeigte in Richtung des jungen Soldaten, der dem Schauspiel interessiert beiwohnte. Der Ausbilder verstand. Er nahm den Soldaten am Kragen und schleifte ihn mit. Hermann und Adelais sahen ihm nach.

„Keine Sorge“, sprach der Ausbilder, „er bekommt seine Rüstung, schließlich hat er seinen ersten Kampf hier gewonnen, wenn auch geschenkt. Ich bewundere jedoch euren Einsatz für die Armee, dass muss ich neidlos anerkennen.“

„Danke, Herr“, sprachen beide, wie aus einem Munde und verneigten sich vor ihm.

„So, genug der Lobeshymnen“, fuhr er weiter fort und blickte die beiden durchdringend an, „natürlich bin ich nicht gekommen, um den ersten Kampf von Neulingen zu begutachten. Ich halte euch für so schlaue Männer, dass ihr das selbst herausgefunden habt. Nein, weswegen ich gekommen bin, ist einfach. Ich suche Männer für meinen Trupp. Denn ich bin kein Ausbilder, sondern ein Comes.“

Hermann und Adelais blickten sich an. Sie verspürten eine Aufregung in sich, welche Adelais noch nie und Hermann nur einmal erlebt hatte. Sie waren gespannt auf die weiteren Worte des Comes.

„Zu welcher Einheit gehört ihr denn?“, wollte er aber zuerst wissen.

„Wir sind Principes, Herr.“

„Sehr gut, von eurer Sorte brauche ich einige. Danach bräuchte ich noch Bogenschützen, Velites, Hastati und einen oder zwei Spione, die sind immer nützlich.“

„Geht es hinter feindliche Stellungen, Herr?“

„Gut möglich. Zuallererst werden wir jedoch mit der Hauptarmee zusammentreffen, danach wird die Frage sein, ob ihr euch dazugesellen oder ob ihr als Verteidiger des Stützpunktes agieren werdet.“

Hermann kam erst jetzt der Gedanke, dass bei der Aufzählung der verschiedenen Einheiten auch die Einheiten seiner Brüder genannt wurden, es bestand demnach die Möglichkeit, dass sie wieder zusammenkommen könnten.

„Also ihr beide seid klar!“

„Aber, Herr“, fing Adelais an, „nicht, dass wir nicht gerne wollen würden. Aber sie haben uns doch noch gar nicht richtig kämpfen gesehen. Woher wollen Sie denn wissen, dass wir dafür geeignet sind.“

„Aber ich habe euch kämpfen gesehen“, antwortete er lächelnd.

„Aber...“

„Das hat mir gereicht. Ich weiß, dass ihr nicht ernsthaft gekämpft habt, doch eure Fußarbeit und euer Umgang mit dem Schwert haben mir bewiesen, dass ihr fähige Kämpfer seid. Und nun muss ich mich beeilen. Ich trete später noch zu eurer Einheit, ich werde mir zuerst die anderen Einheiten genau ansehen.“

Und er beeilte sich von dannen zu ziehen und ließ die beiden Jungen allein zurück. Die beiden blickten sich an und klatschten sich ab. Sie waren ihrem Ziel einen Schritt näher gekommen. Sie kehrten rasch zu ihrer Einheit zurück, wurden jedoch von ihrem Ausbilder zur Schnecke gebracht, wieso es so lange gedauert hatte und da sie nicht schnell genug geantwortet hatten, wurden sie zu fünf Strafrunden verdonnert. Hermann hielt beim Drehen seiner Runden Ausschau nach seinen Brüdern, er erkannte Friedrich, der gerade seinen Pfeil abgeschossen hatte. Natürlich landete er haargenau im Ziel. Hermann gab ihm unsichtbar für die anderen ein Zeichen und Friedrich erkannte es. Anstatt sich hinten anzustellen, trat er etwas abseits und wartete bis Hermann und Adelais an ihm vorbeikamen.

„Was gibt es?“, fragte Friedrich, als beide bei ihm waren.

„Achte genau auf den Mann dort drüben, siehst du ihn?“

Friedrich blickte sich um und sah sofort, welchen Mann Hermann meinte und nickte.

„Das ist ein Comes“, fuhr Hermann fort, „er schaut sich die einzelnen Einheiten an und sucht sich aus diesen die besten Leute heraus. Adelais und ich sind schon aufgenommen worden.“

Friedrich blickte Adelais an, der lächelnd nickte.

„Gib dein Bestes, wir müssen weiter“, rief Hermann und beide liefen weiter. Das gleiche durchlief Hermann mit Arved und Thorwin, die ihm versicherten, dass sie es schaffen würden. Nachdem sie ihre Strafrunden absolviert hatten, stellten sie sich wieder zu ihrer Einheit, just in dem Moment, in welchem der General zu ihnen trat. Er sprach einige Worte mit dem Ausbilder und dieser gab den Soldaten das Zeichen zu trainieren. Hermann und Adelais zogen ihre Schwerter und kämpften so verbittert gegeneinander, dass man meinen könnte, dass sie sich wirklich gegenseitig umbringen wollten. Nach einiger Zeit sprach der Comes wieder mit dem Ausbilder, der nickte nur und der Comes verließ sie wieder. Sie trainierten weiter, bis der Ausbilder das Zeichen zum Abschluss gab. Die Männer verbeugten sich vor ihrem Ausbilder und machten sich dann auf den Weg zur Speisehalle. Hin und wieder hielt der Ausbilder einige an und sprach kurz mit ihnen. Einige machten frohe Gesichter, andere schienen entsetzt zu sein. Auch sie beiden wurden von ihrem Ausbilder angehalten. Sie wollten aber nicht sagen, dass sie bereits mit dem Comes gesprochen hatten.

„Männer“, fing er an, „ihr beide habt dem Mann, der vorhin neben mir gestanden hatte, außergewöhnlich gut gefallen. Ihr müsst wissen, er ist ein Comes. Ja, gewiss ein Schock für euch“, fuhr er fort, als die beiden so getan hatten, als wären sie überrascht, „er sucht nach Männern für seine Truppe und ihr sollt seine Vorzeigesoldaten sein.“

„Wir fühlen uns sehr geehrt, Herr.“

„Das dürft ihr gewiss auch sein. Dann heißt es jetzt auch Abschied nehmen?“

„Wie meinen Sie das, Herr?“, fragte Hermann und diesmal war er wirklich überrascht.

„Stimmt, das könnt ihr nicht wissen. Wenn jemand von der Armee kommt und euch für gut befindet, werdet ihr gleich am nächsten Tag einbezogen und brecht auf. Das wird also eure letzte Nacht hier sein und dies war euer letztes gemeinsames Training.“

Hermann verstand erst jetzt das Ausmaß dieser Nachricht und die Freude, die vorher geherrscht hatte, fiel in sich zusammen. Denn das bedeutete, dass er und Thusnelda sich für eine längere Zeit nicht sehen würden, und wer wusste, ob es die anderen ebenfalls in die Armee geschafft hatten. Hermann stand nur da und sagte nichts, während der Ausbilder sich umdrehte und sich ebenfalls in Richtung des Gebäudes begab.

„Kommst du?“, fragte Adelais. Ihn nahm diese Nachricht nicht so mit, da er keine geliebten Menschen zurücklassen müsste.

„Ja, sofort“, erwiderte Hermann und er setzte sich schwerfällig in Bewegung. Das war nicht das erste Mal, dass er Lebewohl sagen musste, auch bei seiner Mutter war dies schmerzhaft gewesen und er war sich sicher, dass dies später nicht viel anders ablaufen würde. Er würde am liebsten Zeit allein mit Thusnelda verbringen, war sich jedoch sicher, dass auch die anderen sich gerne von ihr verabschieden wollen würden. Sie traten gemeinsam ein, nun war es ganz normal für beide. Friedrich, Arved und Thorwin saßen heute gemeinsam an dem Platz, den sie damals bei ihrem ersten Eintreffen eingenommen hatten. So schließt sich der Kreis, dachte sich Hermann. Anfang und Ende an einem Ort. Er und Adelais beeilten sich, um sich zu den anderen zu setzen. Die Stimmung war ausgelassen und Hermann fragte sich, ob dies daher rührte, dass ein jeder zur Armee berufen wurde und dies wurde bestätigt. Noch bevor sie Platz genommen hatten, rief Friedrich aus, dass jeder von ihrem jeweiligen Ausbilder gesagt bekommen hatte, dass sie zur Armee einbezogen werden würden.

„Hat er euch auch gesagt“, fragte Hermann, „dass wir morgen schon aufbrechen werden?“

Plötzlich erstarb die Stimmung komplett. Friedrich, Arved und Thorwin sahen zuerst Hermann an, dann Adelais und dann wieder Hermann, als Adelais keine Anstalten machte, Hermann zu widersprechen.

„Das meinst du doch nicht ernst?“

„Doch, leider. Der Ausbilder hat es uns erzählt“, antwortete Hermann und Adelais nickte.

Nun nahmen beide auch Platz und warteten, bis das Essen gebracht wurde.

Nach dem Essen machten sich alle, bis auf Adelais, auf, um sich von Thusnelda zu verabschieden. Die Stimmung war gedrückt. Niemand redete. Alle hingen stumm ihren eigenen Gedanken nach. Es dauerte auch nicht lange, bis sie bei Thusnelda angekommen waren. Wie immer warteten sie, bis Thusnelda herausgerufen wurde. Diese erkannte sofort, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist denn los?“, fragte Thusnelda verunsichert und blickte alle nacheinander an, bis ihr Blick bei Hermann ruhen blieb.

Die Jungen schauten einander an, niemand wollte derjenige sein, der die schlechte Nachricht überbringen würde.

„Wir werden fortgehen müssen“, ergriff nun Hermann doch das Wort, „morgen früh werden wir Rom verlassen.“

Thusnelda sagte nichts, sondern blickte jeden einzelnen nochmals genau an. „Und nun seid ihr gekommen, um euch zu verabschieden. Ist ja nett von euch“, erwiderte sie mit einem Lächeln.

Die Jungen trauten ihren Ohren nicht. Sie waren niedergeschlagen, da sie nur eine einzige Kameradin für eine längere Zeit nicht mehr wiedersahen, doch Thusnelda, die nun alle verlor, schien dies nichts auszumachen. Friedrich, Arved und Thorwin verabschiedeten sich dann auch ziemlich schnell von Thusnelda und kehrten zurück, während Hermann noch eine Weile bleiben wollte.

„Ich bin echt traurig, dass ihr geht“, ergriff Thusnelda das Wort, nachdem die anderen außer Hörweite waren, „ich habe mir nur gedacht, dass es ohnehin für euch schwer sein würde und da wollte ich euch nicht noch mehr Kummer bereiten.“

Hermann, der damit gerechnet hatte, nickte nur stumm.

„Pass auf die drei auf“, fuhr Thusnelda weiter fort, „und bring alle wohlbehalten zurück. Und dich natürlich auf“, fügte sie hinzu und gab ihm einen Kuss.

Hermann erwiderte diesen stürmisch. Es gab für ihn nichts zu sagen, er wollte nur bei ihr sein. Er wusste nicht, wie lange er fortbleiben würde, doch er war sich sicher, dass er zurückkehren würde. Er wusste nicht, woher er das wusste, doch es war, wie eine innere Stimme, die ihm dies immer wieder ins Gedächtnis rief. Er konnte es nicht erklären, es war einfach so. Er nahm Thusnelda in den Arm und drückte sie.

„Du musst dir keine Sorgen machen“, sprach er, „finanziell ist für dich gesorgt. Durch diesen Feldzug werden wir deutlich mehr verdienen, du sollst es haben, mir wird alles gegeben werden.“

„Es geht mir nicht um das Geld, ich bete nur dafür, dass du wohlbehalten zurückkehren wirst, mein Geliebter.“

„Ich werde zu dir zurückkommen. Das verspreche ich dir.“

Er gab ihr noch einen letzten Kuss und drehte sich dann um und machte sich auf, zurückzukehren. Er blickte sich noch einmal um und er sah sie noch winken. Er hob den Arm zum Abschied und danach drehte er sich nicht mehr um, obwohl er deutlich ihre Blicke im Rücken spüren konnte. Er wollte den Abschied für sie, wie auch für ihn, nicht noch schwerer gestalten.

So kehrte er zu seinem Zimmer zurück, wo die anderen schon auf ihn warteten.

„Und wie traurig ist Thusnelda wirklich?“, fragte Thorwin, kaum das Hermann das Zimmer betreten hatte.

„Wie meinst du das?“

„Es ist doch wohl klar, dass sie traurig ist“, entgegnete Arved, „mit ihrer gespielten Fröhlichkeit kann sie möglicherweise anderen etwas vorspielen, aber nicht uns, die wir sie schon so lange kennen.“

„Warum habt ihr nichts gesagt?“

„Wenn eine Frau lügt, dann spielt man mit. Man lässt sie nicht auffliegen. Es wird schon einen Grund gehabt haben, dass sie gelogen hat, selbst, wenn es für einen selbst, schwer gewesen sein sollte.“

Hermann fragte sich zwar, woher die drei dies wussten, hatte bisher noch niemand von ihnen eine Frau gehabt, zumindest nicht, dass er wüsste, doch er fragte nicht nach.

„Sie ist natürlich traurig“, beantwortete Hermann die Anfangsfrage, „doch sie wird zurecht kommen. Sie bat mich nur, dass wir alle gemeinsam zurückkehren werden.“

„Natürlich.“

„Darauf kann sie sich verlassen.“

„Was denkt sie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 01.02.2020
ISBN: 978-3-7487-2818-4

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