3. Kapitel Leben in Rom
Hermann kam aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Der Anblick der sich ihm bot, war einfach atemberaubend. Das Treiben vor den Toren war mit dem Treiben innerhalb dieser nicht zu vergleichen. Hermann sah Männer und Frauen, jeglichen Alters, jeglicher Herkunft, jeglichen Standes. Sah Menschen geschäftig von einem Ort zum anderen laufen, sah Sklaven, die hinter ihren Herren herliefen. Er sah meterhohe Gebäude, Tempel für die Götter mit einem Material, welches Hermann noch nie zuvor gesehen hatte, später sollte er herausfinden, dass dieses Material Marmor war. Er sah Männer in die neu errichteten Therme spazieren, die, wie er noch herausfinden sollte, eine groß angelegte Badefläche war. Wie sollen so viele Menschen an so einem Ort leben können, fragte er sich selbst. Ein Blick zu seinem Bruder ließ ihn vermuten, dass dieser genauso dachte. Er bekam den Mund vor Staunen nicht mehr zu. Sie hielten mit den anderen Schritt, für die diese Rückkehr nichts mehr besonderes war. Diese ließen ihre Blicke auch nicht mehr umherschweifen, sondern konzentrierten sich nur noch aufs ankommen. So marschierten sie weiter. Sollemnis gesellte sich zu ihnen.
„In Kriegszeiten“, ergriff er das Wort, „sieht das meistens anders aus. Da wird man nicht mit Blumen empfangen, sondern man wird gemustert, wer von unserer Truppe es noch zurück geschafft hat. Es ist grausam, denn man kennt die Frauen und Kinder mancher Kameraden. Wenn diese zu dir gelaufen kommen und nach ihren Männern und Vätern fragen und du diese nur mit einem Kopfschütteln abwimmeln muss, da dir die Stimme wegbleibt und du beim Weitergehen nur das Wimmern und Schluchzeln hörst, ist das so, als würdest du deinen Kameraden nochmal fallen sehen. Kinder warten auf ihre Väter, die sie nie wieder zu Gesicht bekommen werden. Aber so ist nunmal der Krieg und diese Erfahrung wünsche ich niemanden, doch es tut mir Leid euch das sagen zu müssen, aber auch ihr werdet diese machen.“
Hermann nickte und Friedrich schluckte. Beide hatten selbstverständlich noch keine von diesen Erfahrungen gemacht, doch beiden war klar, dass diese früher oder später passieren würden. Und dies war etwas, was beiden nicht beigebracht werden könnte.
Langsam kamen sie zum Ziel ihrer Reise, dem Forum Romanum, den Sitz der römischen Politik, und dem Comitium, wo früher die Volksversammlungen abgehalten und nun nur noch Berichte über Eroberungen oder Handelsdienste dokumentiert wurden. Während die Gesandten vorneweg in das Gebäude gingen, blieben die Soldaten, wie auch Hermann und Friedrich draußen stehen. Die Sonne schien und es herrschten angenehme Temperaturen. Ruhe genießen konnte man aber nicht, da die Geräusche der Stadt zu laut waren. Es dauerte ein gutes Stück an Zeit bis die Gesandten wieder hinaustraten. Diese zeigten jedoch nur auf Hermann und Friedrich und kehrten dann wieder zurück. Beiden war klar, dass sie ihnen folgen sollten und nach einem Nicken von Sollemnis beeilten sich Hermann und Friedrich um Anschluss an die beiden Gesandten zu finden. Schon beim Eintritt in das Comitium staunte Hermann über die Größe und die Ausstattung. Es war noch immer der Platz für Volksversammlungen gegeben, doch dies war auf Grund der Kaiserherrschaft nicht mehr notwendig. Doch nun waren nur noch im hinteren Bereich mehrere Tische vorbereitet, an welchen mehrere Männer ihre Arbeit erledigten. Hin und wieder standen noch einige Männer vor ihnen, doch auch ohne diese, hätten diese Männer genug Arbeit vor sich. Hermann und Friedrich standen noch einige Zeit umher und schauten sich um und beobachteten die Menschen, während die beiden Gesandten zu einem Tisch vorgegangen waren. Hermann, der das beobachtet hatte, stieß Friedrich kurz in die Seite und beeilten sich, um sich neben die Gesandten zu stellen. Die Gesandten sprachen mit den Männern, zeigten hin und wieder auf die beiden germanischen Jungen und auch die Männer schauten auf sie herab und musterten diese. Sie sprachen die Kinder an, doch durch die Sprachbarriere verstanden sie kein einziges Wort, sodass die beiden Gesandten wieder die Führung übernahmen. Es dauerte eine gute Weile, bis für die beiden Jungs endlich etwas passierte, wobei sie jedoch nur Platz nehmen sollten. Hermann wusste nicht wieviel Zeit vergangen war, doch nach einiger Zeit kam ein junger Mann auf sie zu, vom Aussehen her, so Hermann, sah er aus, wie ein Germane. Und tatsächlich sprach er sie mit ihrer Muttersprache an.
„Herzlich Willkommen in Rom“, sprach er.
„Sie kommen auch aus Germanien?“, fragte Hermann.
„Ja genau“, antwortete dieser, „ich bin ein Sklave aus dem Gebiet westlich des Rheins.“
Bei diesen Worten bekam Hermann einen leichten Stich. Er erinnerte sich an die Worte seines Onkels über die Sklaverei.
„Ich bin hier“, sprach der Sklave weiter, „um euch zu erklären, wie es jetzt für euch weiter geht und wo ihr einquartiert werdet. Weiterhin bin ich hier, um euch den ersten Unterricht in lateinischer Sprache zu erteilen.“ Er blickte auf eine Rolle. „Ihr bekommt hier in Rom neue Identitäten. Du“ und er blickte Hermann an, „dein Name ist nun Arminius und du“ und er zeigte auf Friedrich, „dein Name ist nun Flavus.“
Hermann und Friedrich blickten sich an. Nicht nur, dass man ihnen ihre Heimat genommen hatte, jetzt nahm man ihnen auch noch das einzige, was sie als Germanen auszeichnete, ihren Namen.
Hermann merkte wieder, wie der Hass in ihm brodelte. Er begriff, dass sich etwas ändern musste im Verhalten der Völker untereinander, vor allem im Bezug der Sieger und Besiegten.
„Habt ihr noch Fragen?“, fragte der Sklave und riss Hermann aus seinen Gedanken.
„Ja. Allerdings“, entgegnete Friedrich, „wie heißen Sie denn überhaupt? Und damit meine ich Ihren richtigen Namen?“
Der Sklave stutzte. „Es ist lange her“, antwortete er, dass mich jemand nach meinen Namen gefragt hatte. Hier in Rom werde ich meistens nur Sklave gerufen oder man spricht mich als Germane an, mein richtiger Name ist Ratbod.“
„Verstehe“, antwortete Friedrich. „Nett, Sie kennen zu lernen.“ Und er reichte ihm die Hand.
Wiederrum stutzte Ratbod, doch gab erst Friedrich die Hand und auch Hermann, der ihm seine Hand ebenfalls entgegengestreckt hatte.
„Es freut mich auch euch kennen zu lernen. Ihr seit irgendwie anders, als die vorherigen Gäste.“
„Wir sind keine Gäste“, antwortete Hermann, „wir sind ebensolche Sklaven, wie Ihr es seid.“
„Oh nein“, erwiderte Ratbod lächelnd, „mein Los ist ein viel schwierigeres als eures. Ihr seid Gäste Roms, ausländische Bürger, ich hingegen bin nur dazu da, euch zu dienen.“
„Ich sage Ihnen eins“, entgegnete Hermann, „Sie werden mir nicht ein einziges mal eine menschenunwürdigen Dienst erweisen. Dies lasse ich nicht zu.“
„Meine erste Meinung hat sich nicht getäuscht. Ihr seid anders. Kommt. Wir müssen gehen“ und er nahm beide mit und brachte sie hinaus aus dem Comitium. Sie kamen an Tempeln vorbei, wo beide öfters mal stehen blieben und diese bestaunten, ein Anblick, welchen sie nicht einmal in ihren kühnsten Träumen zu träumen gewagt hatten. So marschierten sie zu einem Gebäude, unweit des Forum Romanums. Sie blickten das riesige Gebäude aus Marmor an.
„Dies ist euer neues Zuhause! Die nächste Zeit werdet ihr hier euren Unterricht erhalten, ich werde euer Lehrer sein. Bis zur 4 Stunde bekommt ihr Unterricht, danach steht euch alles offen. Ihr könnt euch Rom angucken, in die Therme gehen oder einfach auch nur zu Hause bleiben. Alles eure Entscheidung. Nur zum Essen solltet ihr hier wieder zurückkehren.“
Ratbod marschierte vorneweg in den Hauseingang, doch Hermann und Friedrich staunten weiterhin beim Anblick dieses Prachtwerks. Sie waren nunmal nicht an diese Art von Gebäuden gewöhnt, sie lebten in Germanien jetzt nicht schlecht, doch verglichen mit diesen Gebäuden konnte man nicht von Luxus sprechen. Sie folgten Ratbod, nachdem ihnen aufgefallen war, dass er schon weg war, mit schnellen Schritten. Er wartete noch, schien Verständnis für sie zu haben. Er führte erstmal die beiden Jungen in ein Zimmer, welches leicht, aber dennoch angenehm dekoriert war. Ein Bett, ein Schrank, eine Karaffe mit Wasser, eine Vase mit einer Blume auf einen kleinen Tisch neben dem Bett, ein Fenster zum Forum Romanum. Ratbod ließ die beiden eintreten.
„So“, begann er, „dies ist eines eurer Zimmer, wer von euch beiden hier schlafen will, dass macht ihr am besten untereinander aus, ich kann euch nur jetzt schon sagen, dass das Zimmer des anderen nicht viel anders
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 01.02.2020
ISBN: 978-3-7487-2816-0
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