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Bernd nahm seine Brille von der Nase und rieb sich die Augen.
„Du wirst dir noch endgültig die Augen verderben, Junge.“ meinte seine Mutter. Zu seiner Schwester gewandt fuhr sie fort:
„Das musst du dir mal vorstellen, Beate. Der sitzt jeden Tag mindestens zwölf Stunden vor dem Computer und schattet, oder wie das heißt. Mit diesem kranken Rücken kann der ja erstaunlich lange sitzen. Da hätte er ja auch Kraftfahrer bleiben können. Möchtest du noch ein Stück Kuchen?“
„Danke, nein.“ wehrte Beate ab. „Aber ein Schlückchen Kaffee nehme ich schon noch.“ Sie hatte den Satz nicht ganz ausgesprochen, als ihr Bruder schon nachschenkte.
„Das heißt sowieso schättet.“ gab Bernd seiner Mutter zur Antwort und fuhr fort:
„Außerdem ist das Sitzen auf Stühlen sowieso nicht so belastend für die Wirbelsäule wie Fernfahrten.“
„Ja lass ihn doch Mutter, ist doch gut, dass er was zur Unterhaltung hat. Besser als in Kneipen rumhocken, wie gewisse andere Leute.“
Dann strich sie ihrem kleinen Sohn, der an den Tisch gekommen war, mit einer beiläufigen Bewegung das Haar aus der Stirn.
„Jonas, Spiel schön mit dem Bionicle, das dir Onkel Bernd geschenkt hat.“
„Ach was,“ sagte die Mutter, „der soll sich endlich eine Frau suchen. Ist doch nicht normal, dass ein Mann mit dreiundvierzig noch keine Freundin hat. Andererseits kein Wunder, das ständige sowieso ist ja nicht auszuhalten.“
„Nun lass ihn mal Muttern, lieber nicht verheiratet als schlecht verheiratet.“
„Ich war ja gegen deine Heirat“ erwiderte die Mutter, „dein Mann hat nie was getaugt und wird auch nie was taugen.“
„Bitte Mutter, nicht vor dem Kind.“
„Ich geh nach oben“, warf Bernd ein, „das wird mir hier sowieso zu persönlich.“

In seinem Zimmer angekommen lehnte er sich gegen die Tür. Mutter hat heute wieder Streitlust, dachte er. Sowieso kein Wunder, dass Vater damals abgehauen ist, alte Xanthippe die.
Dann schloss er seine Zimmertür ab und startete den Laptop.
Die Seite des Forums für Alleinerziehende „Vater und Mutter sein“ erschien auf dem Monitor. Bernd war noch unentschieden mit welchem Nickname er sich einloggen würde.Da musste er feststellen, dass seine virtuellen Identitäten als „BigLover“ und „die Süße“ gesperrt waren.
Wütend las er den Grund dafür und ärgerte sich dann über seine Mutter. Gestern war sie wieder ohne anzuklopfen in sein Zimmer gekommen, das mochte er nicht und deshalb konnte er sich nicht auf seine Beiträge konzentrieren. Dadurch ist ihm der Dialog zwischen „die Süße“ und „BigLover“ völlig durcheinander geraten und diese falschen Antworten hatten sein Spiel entlarvt.
Hebe, seine Hebe schrieb sogar so hässliches wie: `Geseier beendet´. Dabei wollte er sie doch gut unterhalten. Sie ist die Betreiberin des Forums und ihre Beiträge hatten ihm gefallen.
Sie ist so ruhig, irgendwie ausgeglichen und sie hat trotzdem so viel zu erzählen. Für so viele hat sie ein freundliches Wort übrig, das tut so gut. Wegen ihr hat er sich mit den Sagen der Antike beschäftigt, weil er alles über den Ursprung ihres Nicknamen erfahren wollte. Die Göttin der Jugend, das passt wirklich zu ihrem frischen Wesen.
Bernd betrachtet oft ihr Foto aus der Galerie des Forums, eine kleine, zierliche Frau mit rotbraunen Haaren. Wegen ihr meldete er sich dann im Forum mit dem Nicknamen, den er schon als CB-Funker hatte an, BigLover.
Als er merkte, dass er von den Leuten dort fast ignoriert wurde, schuf er sich eine zweite Identität, diesmal eine weibliche, "die Süße" und kürzlich kam noch eine andere weibliche Identität dazu, "Beate".
Er gab sich viel Mühe, den Nicknamen Charakter zu geben, "die Süße" war etwas einfältig und in Rechtschreibung schwach, BigLover, war ein Kerl, der sich im Leben auskannte und es ihr erklärte.
Doch nun hat er keine Möglichkeit mehr, seine Ansichten darzulegen. Jedenfalls solange nicht, bis er neue Emailadressen eingerichtet hatte um eine weitere virtuelle Identität zu erschaffen.

Die Teilnahme am Forum war ihm wichtig geworden, weit mehr noch als früher auf dem Bock der CB-Funk. Aber da war er ja auch nur "BigLover" und unterhielt sich mit anderen Fahrern, "die Süße" hätten die ihm nicht abgenommen. Da hatte er eben über sie geredet, dass sie nur seiner Fantasie entsprang, war unwichtig, er hatte Zuhörer und konnte mit ihnen auch mal lachen.
Bernd loggte sich als "Beate" in das Forum ein und setzte noch unter die verärgerten Beiträge der Anderen den Satz:
Haha, wo „die Süße“ draufsteht ist „BigLover“ drin.
Anschließend lud er das Foto, auf dem Beate, Jonas und seiner Mutter zu sehen war in die Fotogalerie des Forums hoch. Darunter schrieb er: Jonas, ich und Mutter.
Während Bernd die neuen Beiträge durchlas, erreichte ihn eine private Nachricht von Hebe.
Heftig zuckte er zusammen. Hat Hebe mich auch in Beate erkannt?
Aber dann las er glücklich einen wohlmeinenden Kommentar über das Foto seiner Familie.
Zuversicht erfasste Bernd. Diese Frau ist die richtige Partnerin für mich, dachte er. Ganz sicher!
Zum wiederholten Male las er ihre Beiträge und dachte:
Mich sucht sie, ich bin ihr Nonplusultra! Ich bin sowieso das ganze Gegenteil von ihrem Exmann, dem treulosen Idioten. Neuerdings kommt dieser Kerl wieder angekrochen, schreibt sie. Aber zum Glück will sie sowieso nicht mehr, ist viel zu enttäuscht.Das ist meine Chance, schließlich bin ich zuverlässig, ich flirte nicht, ich bin sowieso sparsam und trinke nicht.Alle Eigenschaften, die sie sucht. Als Frührentner habe ich sowieso viel Zeit für Familie und zu ihrem Kind würde ich dann schon nett sein, obwohl es sowieso nicht von mir ist. Ganz klar, ich bin ihr Traummann! Sie muss mich nur noch kennen lernen. Aber, Beate wird es schon richten. Sowieso. Neugierig las er die Beiträge in dem Forenbereich, für den nur Frauen freigeschaltet werden. Amüsiert las er, dass diese Madonna von einer Abmahnung wegen ihrer Homepage berichtete, der das Impressum fehlte. Sie war schon beim Anwalt gewesen und der hatte ihr erklärt, dass sie nach dem Telekommunikationsgesetz und der Rechtsprechung dieser Informationspflicht nachkommen muss und ihre volle Anschrift und Telefonnummer öffentlich machen muss. Dass sie nur ihre Gedichte zeigen will, spielt keine Rolle, selbst wenn sie kein Geld damit verdienen möchte. Um weiteren Ärger zu vermeiden, setzte diese Madonna nun die geforderten Angaben auf ihre Homepage. Dafür nahm sie einige Gedichte mit eindeutig intimem Inhalt von der Seite. Bernd stellte fest, dass sie nur 50 km von ihm entfernt lebte und notierte sich ihre Adresse und die Telefonnummer.
Eigentlich mochte er Madonna gar nicht. Ihren wechselnden Männerbekanntschaften von denen sie hier immer berichtete, die freizügige Art, mit der sie sich über Sexualität äußerte,all das war ihm suspekt.
Aber seine Hebe schrieb sich gern mit ihr im Forum und so konnte er viel über Hebe erfahren.
Die Frauen tauschten sich nun darüber aus, ob es gefährlich wäre, bei den Inhalten ihrer Seiten und dem Thema des Forums die Wohnanschrift bekannt zu geben.
Als sich die Aufregung gelegt hatte, stellte Hebe einem weiteren Beitrag ein:
Das mit der Impressumspflicht ist zwar blöd, aber mein Tag war heute aber einfach nur schön, da lasse ich mich nicht herunterziehen. Ich habe einen Job!!! Einen tollen noch dazu! Sieben belastende Jahren mit Krankheit und Sozialhilfe sind nun vorbei.
Aber positiv war in dieser Zeit meine Weiterbildung zur Museumsmoderatorin,das muss ich zugeben. Und heute habe ich die Zusage auf eine Bewerbung beim Stadtmuseum bekommen! Führungen durch das Museum "Knoblochhaus", ich freue mich so! Später werde ich auch noch Touren durch Berlins Mitte leiten, super!
„ Stadtführerin also.“, sprach Bernd vor sich hin. „Ach, ich wollte ja sowieso Urlaub machen. In Berlin war ich sowieso noch nie!“
Dann entdeckte er, dass Hebe dem Forum schon ein Impressum beigefügt hatte. Tatjana Maria Kriesters hieß sie und wohnte in Berlin-Mitte, in der Probststraße.
Den Rest des Abends verbrachte Bernd damit, im Internet den Berliner Stadtplan zu studieren und dann suchte er nach einer Urlaubsunterkunft nahe der Probststraße.

Drei Wochen später bezog Bernd seine Ferienwohnung auf der Fischerinsel in Berlin-Mitte. Sie war einfach eingerichtet, aber das Wichtigste war vorhanden: sie verfügte über einen Computer mit Internetanschluss.
Er verstaute seine Kleidung und ging spazieren. Mit der Umgebung seines Quartiers war er schon durch das Studium des Stadtplanes vertraut. Zielsicher überquerte er den Mühlendamm und den Molkenmarkt und dann hatte er das Nikolaiviertel erreicht, in dem die Probststraße lag.
Für die alten und auf alt gemachten zwei- und dreistöckigen Häuser hatte er keinen Blick. Die vielen kleinen Läden für Touristen, das Zille-Museum und die Gaststätte „Kartoffellaube“ konnten kein Interesse bei ihm wecken. Nur das Haus in dem Hebe wohnte.
Bernd entdeckte den Namen Kriesters auf dem Klingeltableau und dem aufkommenden Impuls zu klingeln konnte er einfach nicht widerstehen.
Zwei junge Frauen verließen in diesem Augenblick das Haus und so konnte er den Hausflur betreten. Er stieg die Treppen hoch bis zu Hebes Wohung und berührte die Wohnungstür. Da kam ihm die Idee, seine Zukünftige mit einem Gedicht zu überraschen. Dichten konnte sowieso so schwer nicht sein, Madonna schreib ja andauernd welche. Beschwingt verließ er das Gebäude und spazierte in angenehmen Gedanken versunken durch die Straße. Bald fand sich vor dem Neptunbrunnen wieder.
Wie gern hätte er seine pflastermüden Füße in das Wasser gehalten! Die bunten Sonnenschirme der Straßencafes luden ihn zum Ausruhen ein. Genüsslich trank er dort eine „Berliner Weiße“. Nun ließ er sich Zeit und beobachtete entspannt die vorbeieilenden Passanten.

Zurück in seinem Quartier saß Bernd noch lange am Computer und baute an einem Gedicht für Hebe.
Am nächsten Morgen kaufte er in einem Blumengeschäft eine einzelne, langstielige rote Rose. Schneller als er es erwartet hatte ergab sich für ihn wieder eine Gelegenheit, Hebes Haus zu betreten. Er schlich die Treppen hinauf. Dann legte er die Rose, zusammen mit einem Briefumschlag, auf den Abtreter und drückte, allen Mut zusammennehmend, kurz die Türklingel.Schnell lief er die Treppen hinunter, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend.

Den ganzen Tag verbrachte Bernd in Vorfreude auf die Führung im "Knoblochhaus", bei der er Hebe das erste Mal persönlich sehen würde.
Leider hatte er es dann nicht geschafft, in die von Hebe geführte Besuchergruppe zu kommen, doch wechselte er etwas später einfach zu ihrer Gruppe über. Während Hebe von der Berliner Wohnkultur im Biedermeier sprach, kämpfte Bernd mit seiner Enttäuschung:
Eine Göttin der Jugend habe ich mir aber anders vorgestellt, dachte er. Hat die Falten um die Augen! Außerdem ist sie sowieso zu dünn! Auf dem Foto in der Forengalerie sah sie wesentlich besser aus. Nicht mal Titten hat sie. Andererseits, das wird sowieso noch, wenn sie wie Beate täglich Mutters Kuchen isst.
Wieder schmerzten ihm die Füße. Als die Führung zu Ende war, war Bernd erleichtert. Nun freute er sich auf die abschließende gesellige Runde im Weinrestaurant und die Gelegenheit, mit Hebe zu plaudern.
In der Gaststätte war er so begierig, neben Hebe sitzen zu können, dass er einen älteren Mann beiseite drängte und damit Unmut bei den anderen Teilnehmern der Besichtigung erzeugte.
Nach kurzer Zeit hatten die anderen Besucher keine Fragen mehr an Hebe.Bernd sah seine Chance. Vermeintlich weltmännisch formulierte er seine Fragen, gelegentlich legte er dabei seine Hand auf ihre. Je mehr Interesse er an dem Beruf des Museumsmoderators zeigte und je mehr er von seinen eigenen Reiseerfahrungen sprach, desto eintöniger wurden Hebes Antworten. Sie verabschiedete sich abrupt von ihrer Gruppe und ging. Doch Bernd war zufrieden,Hebe hatte mit ihm geredet. Er überlgte: Mein Interesse hatte sie zwar eingeschüchtert, aber das war sowieso gut. Sie hat ja nicht häufig Gelegenheit, sich mit einem gut aussehenden Mann zu unterhalten, so wie sie aussieht.Die Jüngste ist sie sowieso nicht mehr. Und die Hübscheste auch nicht! Kann sowieso froh sein, wenn einer sie nimmt, mit Kind und so. Aber im Vortäuschen falscher Tatsachen war sie gut, sowieso ganz schön frech, sich Hebe zu nennen. Wie alt mag sie sein? Das Geflunker muss sie sich sowieso abschminken, wenn wir erst ein Paar sind.

Zurück in der Ferienwohnung schaltete er den Computer ein um sich mit den Namen seiner Schwester ins Forum einzuloggen. Im Frauenbereich konnte er schon über die Rose auf den Abtreter lesen und sein Gedicht hatte sie auch abgeschrieben. Stolz las er es,fast war es ihm zu schade für diese Hebe. Eine Hebe, die weder jung noch hübsch aussah.


Du meine Göttin,
meine Schöne du,
ich weiß nicht mehr was ich tu,
weil ich Dich so liebe.

Bist mir so fern, so fern
bist wie ein Stern so fern
wie kann ich es wagen
dich endlich zu fragen?

Du Schöne, du Gute,
schenk mir nur eine Minute.
Mein Herz ist für dich frei
ich komme bald bei dir vorbei.

Dann bist du nicht mehr einsam
denn dann sind wir gemeinsam.
Wir werden uns lieben
auf ewig uns kriegen.

Du meine Göttin,
meine Schöne du,
ich weiß nicht mehr was ich tu,
weil ich Dich so liebe.



In seiner virtuelle Identität „Beate“ schrieb ins Forum:
So etwas Romantisches möchte ich auch gern erleben. Eine Rose und ein so schönes Gedicht von einem Unbekannten zu bekommen. Du musst ja wirklich schön sein, Hebe.

Hebe antwortete:
Ich sehe ganz normal aus und finde das nicht romantisch. Es ist unheimlich.
Madonna fragte:
Kann das von Deinem Ex sein?
Hebe erwiderte:
Niemals würde er solch schlechte Gedichte zusammenstoppeln. Und wenn er noch so blau ist.
Solche Geschenke mag ich nicht, ich hab sie weggeworfen.
Überhaupt war mein Tag heute nur blöd. So wie er begann, ging er auch weiter. Erst fiel meine Mittagspause aus. Ich musste die Kasse übernehmen. Und abends dann das Highlight: Der Ladenhüter aller Heiratsinstitute hat sich in meine Abendgruppe gedrängt. Ein eckliger Typ! Ein Monsterbaby ohne manieren, dafür im grünen Westover. Wie der aussah, zum kreischen, ein altes rosa Babygesicht, mit einer blonden Schmachtlocke, die in die Stirn fällt.Typ 50er Jahre. Dauernd hatte der mich angetatscht mit seinen schweißigen Händen. Und erst der Wortschatz! Minimal, und jedes dritte Wort sowieso. Ich hab manchmal gar nicht gewusst, was der meint.
So einem würde ich das zutrauen. So wie der sich benommen hatte!

Bernd las den Beitrag wieder und wieder. Was bildete sich dieses faltige Weib eigentlich ein? Wütend setzte er zu einer Antwort an. Dann überlegte er kurz und schickte seine Botschaft doch nicht ab. Das wollte er morgen mit Hebe persönlich klären,sie muss doch einsehen, dass man so nicht mit ihm umgehen kann!
Aber wahrscheinlich will sie sowieso nur vor dieser Madonna angeben. So tun, als sei es ihr egal, dass ihr Männer nachlaufen. Wenn sie erst mit mir gesprochen hat, wird alles anders sein. Das ist sowieso klar und wenn sie dann weiter so abweisend ist ...

Lange stand er am nächsten Morgen vor dem Spiegel und betrachtete sein glattes Gesicht. Von wegen Babygesicht.Die Alte hat schon den richtigen Job, mit dem Faltengesicht passt die sowieso ins Museum, da gibt es in jeder Ecke einen alten Hocker.
Ach, sowieso ist die nur neidisch auf meine glatte Haut.
Bernd entschloss sich, seinen Kleidungsstil zu verändern. Mit einem Basecape, der schicken Sonnenbrille und dem bunten Hawaii - Hemd wird sie mich nicht erkennen. Wenn ihr Westover nicht gefallen, dann eben so.Aber Blumen bekommt sie heute nicht! Hat sie sowieso nicht verdient.

Am nächsten Tag betrat er das Haus in der Probststraße gegen Mittag. Wieder schlich er unbemerkt die Treppen hoch. Auch diesen Brief legte er auf den Abtreter, doch diesmal klingelte er nicht. Es reichte, dass sie seine Verse fand wenn sie ging, meinte er. Was er ihr mitzuteilen hatte, ging niemanden im Forum etwas an.
In Gedanken deklamierte er:
Ein Mann allein, eine Frau allein,
soviel Alleinsein muss doch nicht sein!
Schnell sind Deine Jahre vergangen,
wer will dich noch mit deinem Rangen?
Steig von deinem hohen Ross herab
sonst bringt es dich ganz schnell ins Grab.



Vormittags spazierte bernd im Nikolaiviertel, er schoss viele Fotos von der Nikolaikirche, denn vom Nikolaikirchplatz aus hatte er einen guten Blick auf die Probststraße.
Da sah er, wie Hebe das Haus verließ um zur Arbeit zu gehen. Schnell lief er zu seinem Wagen und den Rest des Tages verbrachte er in seinem Auto vor dem Museumsgebäude.
Heute war Mittwoch, ihr Tag für die Chorprobe; das wusste er aus ihren Forenbeiträgen. Da blieb ihr Sohn über Nacht bei den Großeltern. Die beste Gelegenheit, sie zur Rede zu stellen.

Die Chorprobe endete gegen 21 Uhr. Hebe und einige Chordamen wollten den Abend mit einem „Absacker“ beenden. Noch vom Gesang beschwingt, unter viel Gelächter gingen sie zu einem kleinen Gartenlokal am Spreeufer. Bernd folgte ihnen unauffällig und setze sich ans andere Ende der Terrasse. Seine „Berliner Weiße“ zahlte er vorsorglich gleich. Die Frauen tranken Wein und unterhielten sich angeregt. Als sie zahlen wollten, verließ Bernd das Gartenlokal und ging zu Hebes Wohnhaus. Er klingelte bei Mietern der obersten Etage. Durch die Sprechanlage bellte eine männliche Stimme „Ja?“
„Könnten sie mir die Tür öffnen. Ich hab einen Brief für Frau Kriesters, die ist sowieso nicht da. Ich muss an den Briefkasten.“

Das war einfach, dachte er. Was sind die Leute doch blöd, die lassen sowieso jeden ins Haus.
Im Hausflur versteckte er sich in einer Nische.Bald hörte er, wie sich Hebe von den Frauen verabschiedete, den Hausflur betrat und die Treppe hinaufging. Vorsichtig schlich er ihr nach. Als Hebe ihre Wohnungstür aufschloss, eilte er die letzten Stufen hoch, stieß sie in die Wohnung und zog die Tür hinter sich zu.
„Wir müssen reden.“ zischte er.
Entsetzt, mit weit aufgerissenen Augen sah Hebe ihn an. Mit seinen schweißigen Händen hielt er der verängstigten Frau den Mund zu. Hebe wehrte sich, sie begann zu treten und auf den Boden zu stampfen. Voller Zorn packte er ihr Haar, drehte und zerrte so fest er konnte. Hebe wurde vor Schmerz bewegungsunfähig und wimmerte.
“Warum machst du dich über mich lustig?“ ereiferte sich Bernd.
Hebe wimmerte noch immer,ihre Augen waren schreckenstarr.Dieser Anblick gefiel Bernd. Der arroganten Ziege zu zeigen, wo sie hingehörte; ein unbeschreibliches Gefühl! Als Hebe tief Luft holte um zu schreien, legte er seine Hände um ihren dünnen Hals und drückte kräftig zu.
“Du hast jetzt sowieso genug gesungen.“ zischte er.
Fasziniert sah er zu, als ihr Blick brach.
Das ging ja schnell, dachte er. Die ist ja schon tot, ich konnte ihre Angst gar nicht richtig genießen. Aber jetzt sieht sie so freundlich aus, so friedlich und irgendwie auch jung.
Nächstens muss ich mir aber einen besseren Ort suchen, einen, wo sowieso niemand etwas mitbekommen kann. Dann kann ich mir mehr Zeit lassen.

Über sich selbst erstaunt wiederholte er den Gedanken an ein nächstes Mal.

Am folgenden Tag beendete Bernd seinen Urlaub. Auf der Heimfahrt überlegte er: Diese Hebe war meine Liebe sowieso nicht Wert. Aber sie wird meine ewig junge Göttin bleiben.
Durch sie habe ich gelernt, dass ich vor Frauen sowieso keine Angst zu haben brauche, aber umkehrt schon.
Er dachte an Madonna.
Mit der habe ich sowieso eine Rechnung offen. Nur diese Madonna ist Schuld, dass ich Hebe nicht heiraten konnte. Die Kuh hatte meine schöne Braut für mich verdorben,das muss bestraft werden. Ich werde Mittel und Wege finden.
Sowieso!

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Tag der Veröffentlichung: 19.04.2010

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