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Kapitel 1. Aeverus


»Na haben dich wieder Geister besucht«, spottete jemand.
»Hey Freak? Keine Lust zu spielen? Vielleicht wirst du zu einem Geist!«, drohte jemand.
»Freak! Komm doch zu uns. Wir wollen doch nur deine Freunde sein.«, lachte jemand.
Ein Junge rannte aus der Menge welche ihn verspottete. Er war nicht sehr sauber und seine Kleidung war eher ein Haufen Stofffetzen. Die Menge verfolgte ihn duch die Gassen der Stadt, welche vom Schnee weiß in der aufgehenden Sonne glitzerten.
Bald schon konnte der Junge nicht mehr rennen, er hat seit Tagen keinen Bissen mehr zu sich genommen und die Menge holte ihn ein.
Sie begannen wieder auf ihn einzureden und einige wurden gar handgreiflich.
Auch als der Junge zu heulen begann hörten sie nicht auf und machten verbissen weiter.
Erst als ein Büttel kam, löste sich die Menge und ließ den zusammengetretenen und wimmernden Jungen am Straßenrand zurück. Jedoch wurde er auch vom Gesetzeshüter ignoriert. Nur schwer konnte er sich aufrappeln und strauchelte benommen duch die Straßen. Er war es mittlerweile gewohnt, täglich zusammengeschlagen und gehetzt zu werden.
Auf dem Weg zum Marktplatz stibitzte er im Vorbeigehen unachtsamen Fremden die Geldbeutel.
Alle Bewohner von Kingsbridge kannten ihn und mieden daher seine Nähe. Fremde jedoch waren ein leichtes Opfer. Der Junge war recht erfolgreich, aber er hatte sein Geld immer wieder schnell ausgegeben. Die Anwohner störte es nicht, denn letztendlich schlugen sie ja ihren Profit daraus.
Am Marktplatz angekommen, sah er zu einem Stand der Mönche an dem Wolle, Tuch und auch Kleidung verkauft wurde. Er wollte sich endlich wieder neue, saubere Kleidungsstücke kaufen. Was jedoch nie etwas brachte, da er am nächsten Tag wieder durch den Dreck getreten werden würde.
So ließ er es bleiben und schlenderte in Richtung Gasthaus, wo er sich ein billiges Frühstück in Form von Körnerbrei und Dünnbier gönnte.
Natürlich war er hier nicht willkommen und wurde samt dem Essen vor die Tür gesetzt.
Der Winter war die härteste Zeit des Jahres. Es kamen weniger Fremde in die Stadt welche er bestehlen konnte.Und die Anwohner kannten seine Tricks.
»HEY! Bursche wie heißt du? Ich glaube dich schon einmal gesehen zu haben. Hast du nicht vorhin einem Mann diesen Geldbeutel gestohlen?«
»W...Was...Wer ich bin?Andariel...Herr, wieso wollen sie das wissen?« stotterte er hervor, während er nach der eben ergatterten Geldbörse tastete und merkte, dass der Fremde sie schon in Händen hielt.
»Bitte verraten sie mich nicht! Ich bin allein und lebe auf der Straße! Und niemand will mich einstellen, weil man mir nachsagt, dass ich mit Geistern und Dämonen in Kontakt stehe!«, schluchzte Andariel ihm zu, was den Fremden jedoch aufmerksam machte.
»Geister? Dämonen? Wieso denken die Leute das? Ich würde sagen, ich lade dich zu mir ein und du erzählst mir alles,ok?«, fragte der Mann, anscheinend interessiert an dem Jungen.
»W...Was?Sie wollen mich zu sich einladen? Wohnen sie etwa hier? Ich kenne sie nicht. Seit wann leben sie in Kingsbridge?«, fragte Andariel ohne die anfängliche Scheu und merkte, dass sich die Augen des Fremden kurzzeitig veränderten.
Sie wurden rot... ein rot welches schon fast in schwarz überging.
»Ich bin seit heute in der Stadt. Ich wohne gegenüber dem Tor zum Klostergelände. Und? Kommst du mit? Ja oder Nein?«
Der Junge nickte und folgte dem Mann. Dafür das er recht arm aussah wohnte er in einem prächtigem Haus.
Zwei Stockwerke,verglaste Fenster, die Wände solide aus Stein erbaut.
Es ähnelte einem Wohnturm der adeligen Bevölkerung.
Aber dieses Haus stand bis vor zwei Tagen leer und war verfallen.
Nun glänzte es in neuer Pracht.
Innen war es angenehm warm und eine Dienerin legte gerade einen weiteren Scheit Holz in den Kamin vor dem sich die beiden in bequemen Sesseln niederließen.
Kurze Zeit später brachte die Dienerin jedem eine Schüssel Eintopf mit verschiedenen Sorten Fleisch.
Als sie den Jungen sah, blickte sie schockiert zwischen ihm und dem Mann hin und her verschwand dann aber wieder aus dem Zimmer.
»Ich glaub sie mag mich nicht...«, seufzte Andariel recht traurig.
»Mach dir da mal keine Sorgen. Sie hat nur Angst. Weißt du, sie sieht mehr als andere Menschen. Sie sieht das Wahre hinter den Hüllen. Möglicherweise hat sie bei dir etwas gesehen.Vieleicht sind die Geschichten über dich doch nicht so fiktiv wie du denkst.«
»Ach ja... ich wollte Ihnen noch von dem Ereignis erzählen. Es ist die Geschichte wie ich Heim und Familie verloren habe...
Es geschah vor zehn Jahren... Ich war grade sechs Jahre geworden... Mitten in der Nacht stand ein komischer Mann an meinem Bett.
Wie ich merkte, hatte er mir irgendetwas in den Mund getröpfelt, aber es war zu dunkel als das ich etwas hätte sehen können. Kurz darauf kamen meine Eltern rein... Der Typ hat sie, bitte nicht lachen, mit seinen Gedanken duch den Raum geschleudert und umgebracht...
Mich hat er irgendwie wieder in Schlaf versetzt...
Als ich aufwachte war ich hier in dieser Stadt auf dem Klostergelände.
Zwei Jahre lebte ich bei den Mönchen bis man mich rausgeworfen hatte... Nachdem ich meine Geschichte erzählt hatte haben sie mich mit dem Satan in Verbindung gesetzt und die Gerüchte verbreitet. Das ist nun acht Jahre her. Nun lebe ich auf der Straße und bin von allen gehasst. Aber na ja. Wenigstens lebe ich noch... Aber ich weiß nicht, ob meine Vergangenheit nur Fantasie ist oder wirklich die Realität... es ist so...übernatürlich...«
»Junge... ich glaube dir. Und ich möchte dir ein Angebot machen. Willst du bei mir wohnen? Ich würde die Mönche fragen ob es möglich wäre, dich zu adoptieren damit uns niemand gesetzlich etwas anhaben kann.
Du könntest ein geordnetes Leben führen und ich hätte wenn zum reden. Wie fändest du das?«
Andariel sah den, ihm eigentlich völlig fremden, Mann ungläubig an der ihm gerade vorgeschlagen hatte, ihn bei sich aufzunehmen.
»Sie wollen was?! Ist das ihr Ernst? Na ja ich habe nichts zu verlieren...ich gehe darauf ein. Unter ein paar Bedinungen...«, noch ehe er weiterreden konnte wurde er unterbrochen.
»Ich biete dir an dein Leben zu retten und du stellst Bedingungen?! Verschwinde aus meinem Haus! Komme erst wieder, wenn du bereit bist das Angebot anzunehmen!...«
Doch da war er schon draußen und konnte den Rest der Predigt nicht mehr hören.
Er rannte. Bald müste er zu seinem Unterschlupf kommen. Dort war der einzige Ort, an dem er sich sicher fühlte.
Doch als er dort ankam, erwartete ihn eine schlimme Überaschung.
Eine Gruppe Kinder wartete dort auf ihn.
Sie hatten Messer,Steine und Schleudern dabei.
Als sie ihn sahen umringten sie ihn.Andariel war verloren.
Er stand einfach nur angewurzelt da und rührte sich nicht.
»Na du Psycho? Haben schon auf dich gewartet...« sagte einer der Jungen mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen.
»Na? Was machen wir jetzt mit ihm? Ich wäre dafür, wir lassen ihn leiden. Den Tod hat er nicht verdient.«
»Hey wir sind doch hier um ihn umzulegen, oder? Also ziehen wir das auch durch!«
Andariel zählte sechs Angreifer.
Alle ihm körperlich überlegen.
Seine einzige Chance war es, in den Wald zu flüchten.
Aber er könnte nicht ewig wegrennen. Sie würden ihn kriegen.
Erst als einer der Jungen ihm den linken Arm anritzte, wurde er aus seinen Gedanken gerissen und realisierte, wie ernst es war.
Diese Jungen machten ernst. Er wollte schreien doch zwei der Jungs überwältigten und fesselten ihn. Sie Banden ihn an einen Baum und begannen, ihm am ganzen Leib Schnittwunden zuzufügen.
Er wollte schreien, doch war es nicht möglich, da sie ihm ein Tuch in den Mund gestopft hatten, bevor sie ihn knebelten.
Es war aussichtslos. In ein paar Stunden hätten sie ihn zu Tode gefoltert.
Nach zwei Stunden der Qualen banden sie ihn los, um ihn umzudrehen.
Bisher hatten sie nur seine Rückseite bearbeitet.
Diesen Moment nutzte er, um den siegessicheren Jungen zu entkommen.
Er riss sich los und rannte.
Er rannte immer tiefer in den Wald.
Er blutete stark.
Nach einer Weile gelangte er auf eine Straße. Er erinnerte sich, dass es die Straße nach Glouchester sein musste.
Wenn er sie zurückverfolgte, würde er wieder nach Kingsbridge kommen. Dort würden die Mönche oder ein anderer Heilkundiger ihm helfen können.
Er folgte der Straße und kam nach einem recht kurzen Fußmarsch wieder in seiner “Heimat”an. Keine der Ansässigen, die hätten helfen können wollten es tun.
Oft bekam er Sprüche zu hören, wie die von Phil Demid.
»Warum sollte ich dir helfen? Du bist eh nur eine Störung! Ohne dich sind wir besser dran!«
Seine letzte Hoffnung war, dass ihm der Unbekannte von vorhin helfen könnte.
Er ging zu seinem Haus und die Dienerin sah ihn mit dem selben verstörten Blick an, wie am Morgen.
»Wieso bist du wiedergekommen?Ich dachte du wärst schlau genug, um ihn zu meiden. Moment, was ist mit dir passiert?Komm rein ich hole...ihn... «, flüsterte sie ihm zu und verschwand die Treppe hinauf.
Kurz darauf kam der Mann die Treppe herunter und grinste breit.
»So, so. Da bist du ja wieder. Und du siehst großartig aus. Nimmst du mein Angebot nun an? Wenn ja werde ich dich versorgen. Wenn nicht... kannst du wieder verschwinden.«, er grinste weiter und wusste schon, dass Andariel annehmen würde. Es war schließlich seine einzige Möglichkeit zu überleben.
»Ich... Ich nehme an. Ich werde hier einziehen und ein “edles” Leben führen...« gab er mürrisch von sich.
»So ist fein. Bitte lege dich auf diesen Tisch... ich übernehme den Rest.«, wies er Andariel an, welcher grummelnd gehorchte.
Es passte ihm ganz und garnicht, dass er nun bei diesem Mann wohnen sollte und in seiner Freiheit eingeschränkt war.
Aber er könnte ja einfach abhauen wenn, er wieder gesund sei, dachte er sich.
Er malte sich das Leben, welches er von nun an führen müsste, aus und zuckte ab und zu bei der Versorgung der Wunden.
»Wie heißen sie eigentlich? Sie kennen meine Lebensgeschichte, aber ich nicht mal ihren Namen.
Erzählen sie etwas über sich um mich von dem Schmerz abzulenken.«
»Mein Name?Du kannst mich Aeverus nennen.«, anwortete er lachend und wieder konnte Andariel den schwarzroten Schimmer in seinen Augen sehen.
Es kam ein weiterer Mann die Treppe herunter, welcher recht genervt wirkte, versetzt worden zu sein.
»Aev...Ich dachte es geht schnell? Was ist überhaupt los hier unten? Oh wer ist denn der?
Du lässt mich wegen diesem Menschen warten?«, grummelte er vor sich hin und ging auf die beiden zu.
»Was erlaubst du dir! Wir sind hier in meinem Haus und wenn ich Menschen versorgen will, dann tue ich das auch!Dieser Junge ist nicht so wie die anderen...«
Doch den Rest bekam Andariel nicht mehr mit, da Aev zu flüstern begann. Aber es musste etwas besonderes sein, so wie der andere Mann guckte.
»Hey,kleiner. Tut mir leid, dass ich so unhöflich war. Ich bin Ciel. Ein guter Freund deines... Gastvaters«, entschuldigte er sich und legte eine neckische Betonung auf das letzte Wort.
»Ich wusste ja nicht, was du für eine Vergangenheit hast. Alles verloren und schlägst dich auf der Straße durch. Meinen Respekt Junge nur wenige halten so lange durch. Und Kinder überleben meist keine Woche. Na ja ich bin wieder oben.«
Den letzten Satz sagte er schon im Gehen und begann, verwundert zu murmeln.
»Ich glaub er mag mich nicht... Wie lange bleibt er hier? Sicher, dass ich bleiben soll?«, fragte Andariel Aeverus neugierig und hoffte dem Zwangswohnen zu entgehen.
»Sagen wir er mag dich nicht, aber hassen tut er dich auch nicht. Er ist vorhin hier angekommen und wird ebenfalls hier leben. Ihr werdet euch schon aneinander gewöhnen. Und wenn nicht? Dann habt ihr beide Pech, ich werde niemanden bevorzugen.«
Andariel seufzte und überlegte wie er hier wieder rauskommen sollte.
Andererseits gefiel ihm der Gedanke an etwas familienartiges.
Diese Gedanken verdrängte er jedoch schnell wieder und suchte nach Fluchtmöglichkeiten.
Er müsste einfach gehen.
Aev könnte ihn nicht aufhalten ohne handgreiflich zu werden.
Und das will er sicher nicht.
Er muss mich gehen lassen, dachte er nur.
»Ja... Wir werden uns aneinander gewöhnen...«, stammelte Andariel nur und versank wieder in Gedanken.

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Tag der Veröffentlichung: 10.03.2010

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