Gegenwart
Wenn ich auf die letzten zehn Jahre meines Lebens zurückblicke, dann erscheint es mir doch so, dass ich alles richtig gemacht habe. Teils habe ich die Regeln befolgt und teils habe ich selbstständig gehandelt. Zwar sind viele Dinge passiert die ich nur zu gerne verhindert hätte, doch jetzt ist das auch nicht mehr möglich.
Der Tod kommt immer schneller als man zu hoffen gewagt hat. Man muss sich einfach daran gewöhnen. Ein Kampf, eine Schießerei, der kleinste Auslöser, wenn niemand damit rechnet. Gevatter Tod begleitet dich in diesem Gewerbe auf Schritt und Tritt. Man kann nur sein bestes geben, um zu verhindern, dass man selbst sein Opfer wird. Seien Sie vorbereitet und Wachsam, denn schon im nächsten Zug können Sie Matt gesetzt werden.
Am Anfang, da wäre ich am liebsten allem entflohen, doch mit der Zeit wurde mir immer klarer, dass ich meine Familie nicht in Stich lassen kann. Tradition ist Tradition und das, was wir tun ist zu wichtig, um es einfach so fallen zu lassen.
Sie kennen mich nicht und Sie kennen meine Familie nicht. Wir arbeiten in der Dunkelheit und doch würde ohne uns einiges ziemlich aus dem Ruder laufen.
Hier schreibe ich nieder, was mir in den letzten zehn Jahren widerfahren ist und wie sehr es mein Leben doch verändert hat. Die Ereignisse werden so geschildert, wie sie geschehen sind und nicht anders. Sie werden im Folgenden also die pure Wahrheit zu lesen bekommen. Sie war nicht immer schön und wenn Sie etwas heiteres erwarten, dann hören Sie jetzt auf zu lesen und versuchen Sie es mit einer anderen Geschichte.
Für die die Weiterlesen möchte ich noch eine Warnung aussprechen. In den folgenden Zeilen werden Dinge stehen, die eigentlich niemals an die Öffentlichkeit gelangen sollten und ich kann Ihnen nicht garantieren, dass Sie in vollkommener Sicherheit sind, nachdem sie diese Geschichte gelesen haben, denn man kann nie genau wissen, von wem man beobachtet wird.
Vergangenheit
Ich ließ meine langen, hellbraunen Haare durch meine Finger gleiten und wandte mich wieder meinem Spiegelbild zu. Schnell betonte ich meine grünen Augen noch mit ein wenig Mascara und schlüpfte in mein Lieblings T-Shirt und einfache Jeans. Meine Mutter hatte es noch nie gemocht, wenn ich mich so anzog. Sie kaufte mir immer wieder schöne Kleider, Blusen und Röcke, doch sie waren einfach nicht mein Stil. Manchmal, selten, zog ich sie trotzdem an um meiner Mutter einen Gefallen zu tun. Mein Vater war da anders, ihm war es relativ egal was ich trug und meistens ließ er sich dann auch dazu überreden, mich Klamotten im Internet bestellen zu lassen, die mir auch gefielen. Allerdings war er dann in anderen Hinsichten wieder strenger als meine Mutter.
Zusammen mit den beiden und ein paar Angestellten lebte ich in einem großen Haus am Stadtrand von Ragusa.
Ich ging hinunter ins Erdgeschoss und setzte mich an den Esstisch, auf dem nur ein einziger Platzt gedeckt war. Dort befanden sich gebratener Schinken und Rührei mit frischen Kräutern und ein Glas voller Grapefruitsaft. Normalerweise frühstückte ich immer gemeinsam mit meinen Eltern, doch es war Sonntag, mein Ausschlaftag und die Beiden waren schon längst fertig.
Am Freitag hatten sie mir eröffnet, dass sie in der nächsten Woche geschäftlich verreisen mussten. Ich wusste nicht genau, welchen Job meine Eltern hatten, doch ich hatte es schon lange aufgegeben nachzufragen, denn eine Antwort hätte ich eh nie erhalten. So verschieden sie auch waren, wenn es um ihre Arbeit ging waren sie sich immer einig.
In der Zeit, in der sie verreist waren sollte ich zu meinem Onkel Domenico ziehen. Er war der jüngere Bruder meines Vaters und vor einem Jahr nach Deutschland gezogen. Davor hatte er uns oft besucht und ich mochte ich ihn sehr gerne. An sich hätte ich nichts gegen diese ganze Sache einzuwenden gehabt, wäre da nicht noch der Tatsache gewesen, dass sie mich auf eine normale Schule schicken wollte. Davor hatte ich Angst. Mein Leben lang hatte ich hier gelebt, ich kannte niemanden in meinem Alter! Abgesehen von meinem Cousin Gino. Sein Vater war der ältere Bruder meines Vaters und seit dem Tod seiner Frau vor vier Jahren, hatte ich die Beiden nicht mehr gesehen. Ich wusste nur von Domenico, dass sich Gino hauptsächlich für Technik interessierte. Wie sollte ich es also schaffen unter fremden Menschen zurechtzukommen?
Ich hatte versucht mit meinen Eltern darüber zu reden, doch sie sagten nur, dass es notwendig wäre, dass ich auf eine Schule ginge und damit war für sie die Diskussion beendet. Für mich hieß das also folgen und nicht widersprechen.
Als ich aufgegessen hatte entschloss ich mich raus zu gehen, denn in Deutschland würde es kälter werden als hier an dem Mittelmeer und ich wollte wenigstens noch ein wenig das Wetter genießen.
Ich ging in unsere Eingangshalle. Die großen Fenster fluteten die, mit Brokat Tapeten und Gemälden verzierten, Wände den ganzen Tag lang mit Sonnenlicht und selbst nachts, wenn der Mond hell genug schien war sie in sein weißes Licht getaucht. Früher, als ich noch jünger war, bin ich an Regentagen in ihr so lang Rollschuh gefahren bis jemand mich in mein Zimmer geschickt hatte. Meistens war das der Assistent meiner Mutter gewesen, denn er war der einzige, der etwas dagegen hatte. Er hatte dann immer sozusagen die Ersatzstandpauke abgeliefert, wenn meine Mutter arbeiten musste.
Selbst jetzt hielt ich mich noch gerne in der Eingangshalle auf. Manchmal saß ich stundenlang auf einer Fensterbank und las. Doch heute wollte ich zu meinem eigentlichen Zufluchtsort, dort wo ich wirklich nie gestört wurde. Sobald ich den Kiesweg, der von unserer Haustür zum Parkplatz führte verlassen hatte fing ich an zu rennen. Immer auf die Mauer zu, die unser Grundstück umgab und vor ungebetenen Gästen schützte. Ich folge ihrem Verlauf ein Stück, bis ich zu einer Baumgruppe kam. Vor seinem Tod war Opa Albarella so gut wie immer hier zu finden gewesen. Wenn man näher kam sah man, dass die Bäume exakt kreisförmig angeordnet waren und ein steinernes Schachbrett, mit zwei passenden Sitzen umringten. Damals hatte ich hier oft mit ihm gesessen und gespielt, doch irgendwann war er zu krank um hinauszugehen und wir spielten nur noch an seinem Bett.
Wenn ich jetzt herkomme, dann nur um auf einen Baum zu klettern und meinen Gedanken nachzugehen. Dieser Ort beruhigte mich und ich fühlte mich hier am wohlsten. Bis zum Mittagessen blieb ich dort.
Als ich ins Esszimmer kam saß meine Mutter schon am Tisch und las etwas. Ihr war sehr wichtig, dass wir wenigstens das Mittagessen gemeinsam aßen, deshalb wusste ich, dass mein Vater auch bald dazukommen würde.
„Hallo Mutter“, sagte ich, währen ich mich auf den Stuhl ihr gegenüber setzte.
„Hallo Sofia, meine Süße.“ Als sie aufblickte und meine Kleidung sah verzog sie kurz das Gesicht, sagte aber nichts. So wie ich nicht mehr danach fragte, wie sie ihr Geld verdienten, so hatte sie es aufgegeben sich über meinen Kleidungsstil aufzuregen.
„Deine Koffer für morgen sind schon gepackt“, sagte sie, wieder in ihre Lektüre vertieft, „wir müssen dann nur noch losfahren.“
Ich hob eine Augenbraue. „Wir?“
„Natürlich, du fliegst das erste Mal alleine, da werden dein Vater und ich es uns doch nicht entgehen lassen dich persönlich zum Flughafen zu bringen.“
Ich war ein wenig verwundert, freute mich jedoch. Allerdings machte ich mir Sorgen um den Inhalt meiner Koffer, denn irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass mir eine Menge Pastellfarben und Rüschen entgegenkommen würden, wenn ich nicht nochmal einen Blick in sie werfen würde.
Dann kam mein Vater hinein und wir begannen zu essen.
Meine Eltern, Elodie und Giovanni hatten sich bei einem Fest, auf dem Anwesen der Familie meiner Mutter kennengelernt und sich sofort ineinander verliebt. Als Giovanni zurück nach Italien musste, wollte Elodie nicht in Frankreich verweilen und folgte ihm. Danach ging alles Knall auf Fall. Sie heirateten, setzten mich in die Welt und waren seit dem 18 Jahre lang ein glückliches Ehepaar.
Nach dem Essen ging ich im mein Zimmer um die Koffer zu inspizieren und wie erwartet fand ich nur Kleider vor, die meine Mutter ausgewählt hatte.
Ich seufzte genervt und fing an alles wieder in meinen Schrank zu hängen. Dann suchte ich meine normalen Klamotten zusammen und steckte sie in die Koffer. Nach kurzem Überlegen suchte ich mir noch ein paar möglichst schlichte Röcke, Kleider und Blusen raus und packte sie dazu. Man konnte ja nie wissen.
Am nächsten Tag wurde ich schon früh geweckt. Ich hatte zwar ein paar Stunden geschlafen, doch es kam mir vor, als wären es grade mal fünf Minuten gewesen. Letzte Nacht hatte mich auf einmal die Aufregung übermannt und ich hatte stundenlang wach dagelegen und die Decke angestarrt.
Nachdem ich gefrühstückt und mich angezogen hatte fuhren meine Eltern und ich zum Flughafen. Nur wir drei, noch nicht mal ein Chauffeur war dabei.
Das meiste Gepäck war schon vorausgeschickt worden, nur der kleine Koffer mit meinen Kosmetikartikeln musste noch aufgegeben werden. Das machte mein Vater für mich, während meine Mutter und ich auf ihn warteten. Überall liefen beschäftigt aussehende Menschen herum. Es waren wirklich viele, die meisten davon trugen Anzüge oder Kostüme und zogen kleine schwarze Trolleys hinter sich her. Kaum Touristen waren zu sehen, was in Anbetracht der Jahreszeit auch nicht verwunderlich war, denn jetzt waren auch nirgendwo Ferien, so weit ich wusste.
Nachdem mein Vater wieder da war gingen wir zusammen zum Gate, wo wir und verabschieden mussten.
Meine Mutter zerquetschte mich fast mit ihrer Umarmung, während sich die Verabschiedung meines Vater sich nur auf ein Schulterklopfen beschränkte. Als ich die Sicherheitskontrollen durchlaufen hatte wurde auch schon mein Flug aufgerufen und ein paar Minuten später saß ich dann auch schon im Flieger nach Deutschland.
Das Flugzeug war nicht sehr voll und außer mir befanden sich dort ausschließlich Geschäftsmänner und Frauen in Schlips und Kragen.
Irgendwann fing der Mann schräg hinter mir an Selbstgespräche zu führen. Er murmelte irgendwas von wegen Sitzplatz B3 und dass er irgendwas gefunden hätte. Ich war zu müde um ihn weiter zu lauschen und schloss für einen Moment die Augen.
Als ich sie wieder öffnete befanden wir uns kurz vor dem Landeanflug.
Gegenwart
In letzter Zeit ist mir aufgefallen, wie selten man als berufstätige Frau zum Schreiben kommt. Daher habe ich mir angewöhnt mein Notizbuch immer bei mir zu haben, falls ich, wie gerade jetzt, zwischendurch ein wenig Zeit habe um jedenfalls ein paar Zeilen niederzuschreiben. Zurück zum Thema.
Diese 'Geschäftsmänner' damals hatten alle ein Auge auf mich gehabt, denn alleine wäre ich wahrscheinlich schon auf diesem Flug gestorben. Auf besagtem Sitzplatz Nummer B3 saß ein Mann der von der anderen Seite bestochen wurde und für sie als Spion in unserer Organisation arbeitete. Doch dank der guten Arbeit von unseren kompetenten Mitarbeitern passierte nach unserer Landung folgendes:
Einer der Männer packte unseren Freund vom Platz B3 am Arm und brachte ihn unter einem Vorwand nach draußen. Dort wartete schon ein Wagen, mit dem er einige Kilometer weiter in eine verlassene Fabrik gefahren wurde. Als ihm klar wurde, dass sie ihn aus dem Verkehr ziehen wollten, war es allerdings schon zu spät um zu flüchten. Es war drei gegen einen, und alles nur zu meiner Sicherheit. Mittlerweile weiß ich, dass ich ihn auch damals ohne Probleme selbst hätte verschwinden lassen können. Doch unsere drei netten Mitarbeiter waren besser darin, eine Leiche unauffällig verschwinden zu lassen als ich und außerdem hatten sie noch etwas Spaß daran. Sie ließen ihn einen Revolver in den Mund nehmen und zwangen ihn dazu selbst abzudrücken. Es gab zwar eine riesige Sauerei, aber in einer verlassen Fabrik würde es eh nicht auffallen. Sie zerhackten ihn und ließen seine Überreste in einer Müllpresse auf der nahe gelegenen Müllhalde verschwinden. Somit war er Geschichte und die drei hatten ihre Arbeit erfolgreich erledigt.
So weit dazu. Übrigens die Zeit zum Schreiben habe ich grade gefunden, weil ich mich auf einem Motorboot befinde, dass mir eine der beiden Gestalten, die neben mir schwimmen, freundlicherweise geborgt hat. Die Füße der beiden habe ich höchstpersönlich, mit Hilfe einer wirklich außerordentlich stabilen Kette, mit einem Betonklotz verbunden . Dieser Klotz steht jetzt auf dem Grund des Meeres, doch leider lassen die, wohl etwas zu kurzen Ketten den beiden Jungs gerade mal so viel Bewegungsfreiraum, dass sie wenigstens ihre Gesichter aus dem Wasser strecken können. Noch, bald kommt ja auch die Flut und auf die warte ich grade. Mittlerweile macht es mir wirklich nichts mehr aus, sie zu töten, denn sie sind so wie so nichts weiter als Marionetten, opferbare Bauern in einem Schachspiel. Niemand trauert ihnen nach, sie haben ihr Leben schon mit Beginn dieser Arbeit beendet. Ziel dieses Spiels ist es doch, wie jeder weiß den König letztendlich Matt zu setzten.
Vergangenheit
Gerade, als ich aus dem Bereich, in dem sich das Gepäckband befand hinausging, kam Onkel Domenico mir schon entgegen.
“Sofia! Wie groß du geworden bist und so hübsch, ganz die Mutter.”
Er umarmte mich und betrachtete mich dann von oben bis unten. Eine besondere Eigenschaft von Domenico war, dass er immer lächelte. Ich hatte ihn noch nie mit einem ernsten Gesicht gesehen.
“Hallo Onkel Domenico.”
Ich ließ mir den Koffer abnehmen und folgte ihm zum Parkplatz. Mein Blick wanderte über die Gesichter der Leute um uns herum, aber niemand schien uns zu beachten. Doch trotzdem fühlte ich mich schrecklich beobachtet. Schnell schloss ich dichter zu Domenico auf und glaubte zu hören, dass er kicherte. Das musste ich mir eingebildet haben. Gemeinsam gingen wir durch die Tiefgarage.
"Wie war dein Flug?"
"Ziemlich öde..."
Er schmunzelte.
"Na dann ist ja gut."
Was war denn los mit ihm? Gab es irgendeinen Witz den ich nicht kannte? Er schien ja alles ziemlich lustig zu finden.
Als wir am Wagen ankamen nahm Domenicos Chauffeur ihm meinen Koffer ab und hievte ihn in den Kofferraum.
"Michael, das ist Sofia, meine Nichte. Sofia, das ist Michael Bovino mein Chauffeur, bester Freund und Berater."
"Freut mich sie kennen zu lernen."
Ich streckte ihm die Hand entgegen, er ergriff sie. Er hatte einen festen Händedruck, der nicht wirklich zu seiner Größe und seinem jungenhaften Gesicht passen wollte.
"Freut mich auch, aber sag doch du zu mir."
Ziemlich sympathisches Kerlchen. Er hielt mir die Tür auf und ich stieg ein. Dann ging er um den Wagen und hielt auch für Domenico die Tür. Dieser beugte sich kurz näher zu Michael.
"Irgendwelche Zwischenfälle?"
"Nichts, was nicht zu lösen wäre."
"Ausgezeichnet."
Michael grinste, schlug die Tür zu und setzte sich hinters Steuer und fuhr los.
Ich verstand nur noch Bahnhof, was sollte das? Ich meine, meine Familie war schon immer ein wenig... Merkwürdig gewesen, aber jetzt benahmen sich alle noch viel, viel merkwürdiger.
Irgendwann bemerkte ich, dass Domenico mich die ganze Zeit ansah. Irgendwie war er heute noch seltsamer als sonst und würde nur zu gerne wissen warum. Doch das hatte noch Zeit, erstmal waren andere Fragen wichtiger.
Die fahrt vom Flughafen, bis in die Stadt, in der Domenico wohnte dauerte lange und wir unterhielten uns über belanglose Dinge. Zum Beispiel, wie es meinen Eltern ging, ob ich schon aufgeregt war und so was. Doch irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und stellte die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte.
"Du möchtest mich nicht zufällig mal darüber aufklären, warum ich eigentlich jetzt hier bin oder?"
"Nein noch nicht. Das hat noch Zeit."
Na toll. Geheimniskrämerei war etwas, was wohl jeder in meiner Familie liebte. Jeder außer mir, doch mehr als abwarten konnte ich auch nicht.
"Aber...."
Ich konnte nicht Weitersprechen. Ein Krachen. Mein Kopf stieß gegen etwas hartes. Schmerz. Etwas Warmes, was mein Gesicht hinunterlief. Dann wurde die Tür neben mir geöffnet und ich fiel auf die Straße. Ich war benommen, sah Füße, hörte undeutliche Stimmen. Laute Rufe. Waren das Schüsse? Dann tauchte ein Gesicht direkt vor meinem auf.
"Schlaf gut Prinzesschen."
Ein stechender Schmerz in meinem Arm und dann.... Stille. Der Schmerz verringerte sich zu einem dumpfen Pochen und es fühlte sich an, als hätte man mich in Watte gewickelt, ich hörte nichts, sah nichts, spürte nichts.
Als ich aufwachte, schmerzte mein Kopf tierisch. Stöhnend versuchte ich mich aufzurichten. Nach einigen Versuchen klappte es auch und ich konnte mich an eine Wand lehnen. Dann vernahm ich ein leises Lachen. Mein Kopf zuckte in die Richtung aus der es kam und ich sah einen Mann, der neben der Tür auf einem Stuhl saß.
"Ah, unsere Principessa ist also aufgewacht.”
„Wo bin ich? Und... wer sind sie?”
Er stand auf, ging langsam zu mir und hockte sich vor mich.
"Ich bin der, der entscheiden darf was wir mit dir machen."
Ein Klicken ertönte und ich spürte wie er mit dem Lauf einer Pistole langsam meine Kehle hinab fuhr und schließlich direkt über meinem Herzen stehen blieb.
"Ob ich dich hier und jetzt schnell töte oder meine Freunde da draußen noch ein wenig mit dir spielen lasse."
Ein bösartiges Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab und meine Augen weiteten sich.
"Töten?! Aber was habe ich ihnen denn getan? Welchen Grund habe ich ihnen gegeben mich töten zu wollen?!"
Mein Atem ging flach und schnell. Panisch sah ich mich in dem Raum um. Ein Schreibtisch auf dem ein PC stand, einige Briefe und ein Brieföffner lagen. Allerdings würde er über den wahrscheinlich nur lachen. Bilder an der Wand, ein kleines Regal, auf dem etwas lag das wie ein Schwert aussah.
"Oh, noch hast du uns keinen Grund gegeben. Aber warum sollten wir warten bis es soweit ist, wenn wir dich jetzt schon aus dem Verkehr ziehen können?"
Ich spürte, wie er den Lauf der Pistole fester gegen meine Brust drückte, war aber zu panisch um ihm weiter zuzuhören. Mir blieb nichts anderes übrig, ich musste es versuchen.
Mit einer Hand packte ich die Pistole, zog sie ihm aus der Hand und warf sie ans andere Ende des Raumes. Mit der anderen schlug ich ihm ins Gesicht. Benommen wich er ein wenig zurück und untersuchte seine Nase, aus der nicht wenig Blut herausschoss. Ich nutzte die Zeit um aufzustehen und wegzulaufen. Das war jedenfalls mein Plan, doch ich war immer noch leicht benebelt und wäre fast hingefallen. Dann schaffte ich es doch zum Regal zu gelangen und den Gegenstand, bei dem es sich tatsächlich um ein Schwert handelte aus der Scheide zu ziehen. Es war eines dieser japanischen Samuraischwerter. Mein Degen lag viel leichter in der Hand und ich musste das Schwert mit beiden Händen halten.
Mittlerweile war er wieder auf den Beinen und kam auf mich zu gestürmt. Seine Pistole schien er völlig vergessen zu haben, denn sie lag immer noch auf dem Boden.
Panisch ging ich ein paar Schritte zurück, bis ich mit meinem Rücken an das Regal stieß.
Ich konnte ihn doch nicht umbringen! Aber wenn ich es nicht tat würde er es tun, so viel stand fest.
Kurz bevor er bei mir angelangt war, tat ich es. Ich stieß zu. Es gab keinen Widerstand, ich sah nur, wie er erst die Waffe, die in seiner Brust steckte und dann mich anstarrte. Langsam färbte sich sein weißes Hemd um das Schwert herum rot. Mein Blick musste mindestens so geschockt gewesen sein wie seiner, als er wir ein nasser Sack hintenüber fiel. Langsam sank ich auf die Knie, weil ich so sehr anfing zu zittern, dass ich nicht mehr stehen konnte. Er lag reglos auf dem Boden und ich konnte nicht aufhören ihn anzustarren. Er war tot und es war meine Schuld gewesen. Ich wollte mich nur wehren, aber ihn töten? Nein, sicherlich nicht.
Von draußen waren Schüsse zu hören, doch ich kümmerte mich nicht darum. Ich kniete weiterhin nur zitternd auf dem Boden und starrte die Leiche an.
Irgendwie schien alles wie im Zeitraffer zu laufen, unwirklich, als würde ich das ganze nur beobachten. Die Tür wurde aufgerissen und jemand kam hinein. Ich wurde an den Schultern gepackt und geschüttelt.
"Sofia! Sofia rede mit mir! Bist du verletzt?"
Es war Domenico. Langsam sah ich zu ihm auf und schüttelte den Kopf.
"Ich.. Ich habe ihn... Er..."
Er unterbrach mich.
"Ich weiß Kleines, ich weiß. Komm wir gehen nach Hause, weg von hier, okay?"
Ich musste genickt haben, denn er zog mich auf die Beine und führte mich nach draußen. Alles wirkte, als würde ich es durch einen Schleier betrachten, vage nahm ich wahr, wie ich in ein Auto stieg und wie wir losfuhren. Es wirkte alles so, als würde ich mich in einem Traum befinden, aus dem ich gleich aufwachen würde. Zuhause, in meinem Bett, weit weg von allem Übel.
Irgendwann während der Fahrt begann ich wieder klar zu denken und brach mein Schweigen.
"Ich habe ihn umgebracht... W.. Was passiert jetzt mit mir? Komme ich ins Gefängnis?"
Domenico schien sich ein Grinsen zu verkneifen. Wie konnte er nur in so einer ernsten Lage lachen?
"Keine Angst Sofia, du kommst nicht in Gefängnis. Der Erste ist immer am schwersten, das glaub mir mal. Ich erinnere mich noch an meinen, als wäre es erst gestern gewesen. Drei Tage lang habe ich keinen Bissen hinunter bekommen und dein Vater hat mich ausgelacht, weil ich geweint habe wie ein kleines Kind. Ich bin wirklich Stolz, dass du das so gut hinbekommen hast."
Verständnislos starrte ich ihn an.
"Der Erste? Domenico! Was ist hier los? Ich habe gerade einen Menschen getötet und du... Du sagt, du wärst stolz auf mich?!"
Er versuchte immer noch nicht zu lächeln.
"Tut mir leid. Das muss dich jetzt noch alles verwirren, aber ich werde dir alles noch früh genug erklären. Wenn wir zu Hause sind solltest du erstmal schlafen gehen und morgen früh sieht die Welt wieder ganz anders aus. Du wirst zu Schule gehen, neue Leute kennenlernen und sehen, dass alles so läuft wie es laufen soll. Ganz einfach."
Erst jetzt registrierte ich, dass es dämmerte, wie lange war ich dort gewesen und warum war niemand schon früher gekommen um mir zu Helfen?
Irgendwann kamen wir an seinem Haus an, oder wohl eher Villa. Das altmodische, weiß verputzte Gebäude ragte mindestens drei Stockwerke hoch vor mir auf. An der einen Seite war ein Türmchen, an dem Wein hochrankte. In der Einfahrt standen einige Autos, Domenico hatte schon immer einen Fable dafür. Zu dem Eingang führte eine kleine Treppe, an deren Fuß zwei Säulen standen, die das Vordach und auch gleichzeitig einen Balkon mit verschnörkeltem, schwarzen Eisengeländer stützten.
Ich ging hinein und landete in einer großen, mit dunklem Holz vertäfelten Eingangshalle. Domenico ging an mir vorbei und breitete übertrieben die Arme aus.
“Na, wie gefällt dir mein Haus? Es ist größer als das in Italien nicht wahr? Fühl dich ganz wie Zuhause. Rebecca wird dir dein Zimmer zeigen, deine Sachen sind schon dort und ich habe noch ein bisschen was zu tun. Schlaf gut.”
Er ging und neben mir tauchte eine junge etwas dickliche Frau auf, die mich freundlich anlächelte.
“Hallo Sofia, ich bin Rebecca. Komm, wir gehen jetzt nach oben. Du hast heute viel mitgemacht.”
Ich nickte nur und folgte ihr zwei Treppen hinauf. Den Gang entlang, links abbiegen, dann noch mal rechts und letztendlich standen wir vor einer schweren Holztür. Sie öffnete sie und ich ging hinein.
“Gute Nacht Sofia.”
Die Tür schloss sich und ich war allein in dem Raum. Er war um einiges kleiner als der bei mir Zuhause. Ein großer Schminktisch, ein Schreibtisch mit einem gemütlich aussehenden Drehstuhl davor, ein großer Kleiderschrank und eine Couch mit passendem Kaffeetischchen befanden sich hier drinnen. Eine Tür ging zur Fensterseite hinaus und eine andere an einer anderen Wand. Ich öffnete die an der Fensterseite und fand dort ein großes halbrundes Bett vor. Es füllte fast den ganzen Raum aus und dem Wein, der an den kleinen Fenstern vorbei rankte nach zu Urteilen musste ich mich in dem Türmchen befinden. Ich ging zurück zum Kleiderschrank, alle meine Klamotten hingen dort fein säuberlich aufgehängt. Ich pickte mir ein Nachthemd heraus, zog mich um und warf einen Blick durch die andere Tür. Hinter ihr befand sich ein Bad. Ich wusch mir das getrocknete Blut aus dem Gesicht und betastete die Wunde. Sie war gar nicht so groß wie sie sich anfühlte, sicher würde sie schnell verheilen und bis dahin konnte ich sie unter meinen Haaren verstecken. Ich putzte mir noch die Zähne und verwand dann im Turmzimmer, wo ich sofort einschlief.
Es war circa halb eins als ich schweißgebadet aufwachte. Aufrecht saß ich in meinem Bett und starrte in die Dunkelheit. Es war ein Traum gewesen oder? Ich hatte nie jemanden umgebracht, ich hatte das nur geträumt. Nein, das gute zureden half auch nichts es war einfach passiert, ich hatte einen Menschen, einen lebenden, atmenden und vor allem noch relativ jungen Menschen einfach so das Leben genommen. Ich hätte es auch anders lösen können, ich weiß doch wie man jemanden außer Gefecht setzt, ohne ihn umzubringen, aber ich hab es nicht getan. Damit musste ich mich jetzt abfinden, je stärker ich mich da hineinsteigerte, desto schlimmer würde es für mich werden.
Ich stand auf und öffnete die Tür um in den größeren Teil meines Zimmers zu gelangen. Mein Hals war wie ausgedörrt, also schaltete ich das Licht an und sah mich nach etwas zu Trinken um, doch hier stand nichts. Ich beschloss runter zu gehen und die Küche zu suchen. Ich hätte auch etwas aus dem Wasserhahn in meinem kleinen Bad trinken können, aber ich suchte nach etwas Ablenkung.
So trat ich hinaus auf den schwach beleuchteten Flur und ging ins Erdgeschoss. Der größte Teil davon wurde von der Eingangshalle, dem riesigen Wohn- und Esszimmer und dem Wintergarten, den man von der Einfahrt aus nicht sehen konnte, eingenommen. Ich ging davon aus, dass in der Nähe des Esszimmers auch die Küche sein musste, deshalb fing ich an verschiedene Türen zu öffnen.
Gerade als ich die dritte öffnen wollte, bisher hatte ich nur Büros vorgefunden, legte mir jemand seine Hand auf die Schulter. Erschrocken wirbelte ich herum und sah in das Gesicht von Michael.
"Na na na, kleine Lady. So spät noch wach und am herumschnüffeln?"
Das selbe hätte ich ihn auch fragen können, doch ich ließ es lieber.
"Nein, ich..."
Ich holte einmal tief Luft und ließ die Hände, die Automatisch in Abwehrhaltung hochgeschnellt waren, wieder sinken. Sonst war ich nie so schreckhaft gewesen!
"Ich suche nur die Küche. Ich bin grade aufgewacht und hatte furchtbaren Durst."
Er grinste mich an.
"Gut, dann komm mal mit."
Er ging voraus und ich folgte ihm. Wir gingen aus dem Raum hinaus und er öffnete eine Tür, hinter der sich ein recht kurzer, schmaler Gang befand. Am Ende des Ganges war noch eine Tür, die er ebenfalls öffnete und dahinter befand sich die Küche.
"So da hinten ist der Kühlschrank, da solltest du etwas zu Trinken finden und dann gehst du schnell wieder ins Bett, okay?"
Ich nickte und ging zum Kühlschrank. Er drehte sich um und ging.
"Gute Nacht Sofia."
"Gute Nacht."
Der Kühlschrank war riesig und nachdem ich ein wenig gesucht hatte, fand ich sogar mein Lieblingsgetränk.
Genüsslich leerte ich das Glas voller eiskalten Grapefruitsaft, stellte es auf die Spüle und machte mich wieder auf den Weg nach Oben. Überraschenderweise fand ich den Rückweg auf Anhieb. Als ich wieder im Bett lag, zog ich mir meine Decke über den Kopf und rollte mich zusammen. Irgendwann schlief ich wieder ein.
Ein Klopfen an der Tür weckte mich. Ich setzte mich auf und sah auf die Digitaluhr, die auf dem kleinen Regalbrett, direkt neben mir stand. Es war 7 Uhr morgens.
"Ja?"
Auf der anderen Seite der Tür erklang Rebeccas hohe Stimme.
"Guten Morgen Sofia, es ist Zeit zum aufstehen. Deine Schultasche und die Uniform liegen auf der Couch und das Frühstück ist schon fertig.
"Okay, danke Rebecca."
Ich setzte mich ans Fußende des Bettes und rieb mir den Kopf. Wie sollte ich mich denn vorstellen? Hi, ich bin Sofia und habe gestern jemanden umgebracht, ich dachte ich komme deswegen ins Gefängnis, aber mein Onkel hat auch noch Witze darüber gemacht. Also scheint es okay zu sein, ich freue mich darauf mit euch in eine Klasse zu gehen?! Nein, ich musste mich zusammenreißen! Niemand wusste davon also warum machte ich mir Sorgen? Es gab keinen Grund.
Halbwegs entschlossen stand ich auf und ging ins Bad. Ich putzte mir die Zähne und wusch mich, die Wunde an meinem Kopf wurde perfekt von meinen Haaren verdeckt. Ein wenig zweifelnd blickte ich auf mein kleines Schminktäschchen. Sollte ich mich für den ersten Schultag schminken? Ich beschloss nur ein bisschen Mascara aufzutragen.
Ich wurde auf eine Privatschule geschickt, an der Uniformpflicht herrschte. Ich zog die Kombination aus weißer Bluse, schwarzen Rock und burgunderfarbenem Pullunder an und besah mich in dem großen Spiegel an der Schranktür. Seufzend nahm ich meine Tasche und ging nach unten.
Auf dem Tisch im Esszimmer stand Frühstück, doch ich ging geradewegs in die Küche und füllte mir erneut ein Glas mit Grapefruitsaft.
"Oh, Sofia. Möchtest du gar nichts essen?"
Rebecca betrat grade ebenfalls die Küche und sah mich verwundert an. Ich schüttelte nur den Kopf und nahm einen weiteren Schluck aus meinem Glas. Jetzt kam auch Domenico herein.
"Guten Morgen Onkel Domenico."
"Kannst du mich nicht bitte einfach nur Domenico nennen? 'Onkel' klingt so alt!"
Ein bisschen musste ich lächeln, denn meiner Meinung nach konnte man ihn mit seinen 35 Jahren schon Alt nennen. Trotzdem nickte ich und er wirkte zufrieden.
"Michael wird dich zur Schule fahren und auch wieder abholen"
Er lächelte und legte mir eine Hand auf die Schulter.
“Mach dir keine Sorgen, wenn du von der Schule wiederkommst werde ich dir alles erklären.”
“Und warum nicht jetzt?”
“Weil es zu lange dauern würde und jetzt Abmarsch.”
Domenico verpasste mir einen kleinen Stoß und ich ging mit einem kurzen ’Ciao’ aus der Küche.
Einige Minuten später saß ich auf dem Beifahrersitz von einem der Autos die Domenico gehörten und sah auf die Straße. Neben mit tippte Michael mit seinem Zeigefinger im Takt der Musik, die halblaut aus dem Radio tröpfelte, auf das Lenkrad.
"Alexander von Klint, 17."
Der Junge neben mir starrte genervt vor sich hin und vergrub die Hände in seinen Hosentaschen. Er war gut einen Kopf größer als ich und ziemlich gut gebaut.
"Mein Name ist Sofia Albarella, ich bin 16 Jahre alt und komme aus Italien."
Ich lächelte nervös. Alle Blicke schienen auf mir zu kleben.
"Gut, habt ihr irgendwelche Fragen an unsere zwei Neuankömmlinge?"
Sofort schnellte eine Hand in die Höhe. Das Mädchen, das zu der Hand gehörte hatte kurze, weiß-blonde Wuschelhaare und war sehr zierlich. Hätte sie längere Haare und würde vielleicht eines der Kleider tragen, die meine Mutter mir angezogen hatte, als ich noch kleiner war, würde sie glatt als Puppe durchgehen.
“Nora?”
Der Lehrer wies sie mit einer Handbewegung an aufzustehen. Nora sprang auf und öffnete ihren, sorgfältig mit pinken Lipgloss ausgemalten Mund.
“Wo seid ihr zwei denn vorher zur Schule gegangen?”
“Ähm, also ich, wurde immer Zuhause unterrichtet.”
Ich musste aufhören so nervös zu sein! Sie sahen mich nur an weil ich neu war und nicht weil sie irgendetwas wussten!
“Das geht niemanden was an.”
Da schien jemand richtig gute Laune zu haben, ein wunder, dass er nicht vor Sonnenschein platzte.
“Okay”, sagte der Lehrer gedehnt, “wenn ihr keine weiteren Fragen habt könnt ihr zwei euch einen Platz suchen.”
Alexander setzte sich alleine an einen Tisch am Fenster und ich wählte den freien Platz neben Nora.
“Hi, ich bin Nora. Sag mal kennst du den Griesgram da?”
Ich schüttelte den Kopf.
“Nein, aber freut mich dich kennen zu lernen, ich bin Sofia.”
“Hey! Nicht schwatzen! Ihr hattet die Chance Fragen zu stellen, den Rest könnt ihr auf die Pausen beschränken.”
Schnell wandten wir unsere Aufmerksamkeit wieder dem Lehrer zu.
Der Schultag verging ziemlich schnell da Nora und ich und gut verstanden und sie es auch tatsächlich schaffte mich ein wenig abzulenken. Wir erzählten uns voneinander und mehr und mehr merkte ich, wie meine Nervosität weniger wurde. Natürlich verschwand sie nicht ganz, wie konnte sie auch? Aber ich fühlte mich auf jeden Fall ein wenig besser.
Nach dem Unterricht gingen wir gemeinsam hinaus und als ich das Auto erblickte, mit dem Michael mich diesen Morgen gefahren hatte, machte sich sofort wieder dieses flaue Gefühl in meinem Magen breit. Ich verabschiedete mich von Nora und stieg in das Auto.
Michael achtete gar nicht auf mich, denn sein Blick war auf etwas anderes fixiert. Ich folgte ihm und sah grade noch so, wie Alexander in einen schwarzen Wagen einstieg und die Tür zuknallte.
"Michael?"
Ruckartig wandte er seinen Blick zu mir.
"Oh, Sofia. Na, wie war dein erster Tag?"
Er legte einen Gang ein und fuhr los.
"Gut gut, die Leute aus meiner Klasse sind wirklich nett."
Ich entschloss mich nicht zu fragen, warum er diesen Wagen angestarrt hatte, denn ich hatte jetzt ganz andere Sorgen. Mit den Händen knetete ich den Griff meiner Tasche, die ich die ganze Zeit fest umklammert hielt.
"Alles okay?" Michael blickte zu mir hinüber.
"Jah", sagte ich gedehnt, "es ist alles in bester Ordnung."
Jetzt lächelte er.
"So aufgeregt? Keine Angst wir sind gleich da."
Ich schwieg und bearbeitete weiter meinen Taschengriff.
Als wir wieder Zuhause waren wartete Rebecca schon vor der Haustür. Sie nahm mir meine Tasche ab und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.
"Dein Onkel wartet in seinem Arbeitszimmer im ersten Stock auf dich. Gleich die erste Tür links du kannst es gar nicht verfehlen."
Ich nickte nur und sprintete die Treppe hinauf. Vor der Tür verharrte ich kurz.
Dass meine Familie merkwürdig war wusste ich schon lange, dass sie auch noch ein Geheimnis hatte war mir zwar neu, aber irgendwie passte es doch. Doch ob ich dieses anscheinend ziemlich blutige Geheimnis wirklich lüften wollte wusste ich nicht so genau.
Ich atmete tief ein, nahm mich zusammen und klopfte.
"Herein!", ertönte Domenico Stimme von innen und ich öffnete langsam die Tür. Er saß an seinem Schreibtisch und sah ziemlich ernst aus. So kannte ich ihn gar nicht!
"Setzt dich doch."
Ich nahm platz und sah ihn erwartungsvoll an. Ich wusste wohl, dass das, was er mir jetzt erzählen würde mein Leben um einiges verändern würde, doch sein wir mal Ehrlich, wie viel verrückter konnte es jetzt noch werden, nachdem so darauf reagiert wurde, dass ich einen Menschen umgebracht hatte?
"Sofia, dass unsere Familie ein wenig anders ist weißt du ja sicher."
Natürlich wusste ich das. Nur weil ich, wie Nora es ausgedrückt hatte, in einem goldenen Käfig aufgewachsen war hieß das nicht, dass ich keine Filme und kein Internet hatte. Ich wusste wie andere Menschen leben und ich wusste auch, dass es nicht grade normal war, dass ich noch nicht mal wusste, was meine Eltern beruflich machten. Normalerweise waren solche Eltern dann immer Geheimagenten oder gehörten zur Mafia und so was.
Ich nickte.
"Naja, wir kümmern uns... wie soll ich das ausdrücken... ziemlich unkonventionell um Angelegenheiten von Leuten, die nicht möchten, dass irgendwas von dem was sie tun an die Öffentlichkeit gelangt."
Ich war mich nicht sicher, ob er grade wirklich versuchte zu umschreiben, dass unsere Familie eine Mafiaorganisation war oder ich da etwas falsch verstand. Also versuchte ich erstmal ruhig zu bleiben und vorsichtig nachzufragen.
"Also so was wie die Mafia, ja?"
Ein leichtes Schmunzeln zeichnete sich jetzt auf seinen Lippen ab.
"Ja so ähnlich kann man es sehen."
So ähnlich... Aha. Ich wollte ihn noch zu Ende erzählen lassen und dann vielleicht ausrasten. Das konnte er doch nicht ernst meinen!
„Wie du sicher gemerkt hast, haben wir allerdings auch Feinde, die uns gestern übrigens erspart haben, einen Test für dich zu organisieren.“
Okay, wo war die versteckte Kamera? Der wollte mich doch auf den Arm nehmen! Sie hatten daraus einen Test gemacht? Ich traute mich noch nicht einmal zu fragen, was denn passiert wäre wenn ich nicht bestanden hätte. Irgendwie konnte ich es mir schon ganz gut vorstellen.
"Du bist jetzt in dem Alter, in dem alle Nachfolger eingeführt werden. Dein Cousin Gino hat das schon vor zwei Jahren hinter sich gebracht. Allerdings setzten wir drei eher Hoffnung in dich als unsere Nachfolgerin.“ Mit 'uns dreien' musste er meinen Vater, Giuseppe und sich meinen. "Und nachdem, was du alleine gestern aus Reflex geleistet hast sind wir und ziemlich sicher, dass wir von dir nicht enttäuscht werden. Deine Eltern haben dich optimal vorbereitet und ich bin wirklich froh, dass ich dich zu Ende ausbilden darf."
Ich war perplex. Wenn ich das jetzt richtig verstanden hatte würde mir gar keine Wahl gelassen werden, um abzulehnen.
"Und was wäre, wenn ich das gar nicht wollen würde?", setzte ich vorsichtig an und schlagartig wurde Domenicos Blick wieder ernst.
"Es gibt kein 'Und was wäre, wenn'. Geh jetzt nach unten, du musst etwas essen."
Gegenwart
Den Rest der Woche verbrachte ich dann damit zur Schule zu gehen und, unter dem Vorwand mit Domenicos dänischer Dogge Manolo spielen zu wollen, das Grundstück auszukundschaften.
Das was Domenico mir damals erzählt hatte, hatte mir noch ziemlich lange zu schaffen gemacht. Ich meine jetzt mal im Ernst, hätten meine Eltern mich nicht so 'optimal Vorbereitet', dann könnte ich mir jetzt die Radieschen von unten angucken und das war damals sicherlich kein äußerst erfreulicher Gedanke für mich!
Also suchte ich nach blinden Punkten im Überwachungssystem. Ich wollte wenigstens die Möglichkeit haben unbemerkt verschwinden zu können, denn damals war ich mir noch nicht darüber bewusst, was alles passieren konnte, wenn ich mich nicht an Domenicos Regeln hielt. Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, hätte ich mich vielleicht daran gehalten. Allerdings wäre ich mir dann nicht so sicher, ob ich auch genauso wie jetzt auf einem Sessel sitzen und jemandem beim ersticken zusehen würde.
Vieles wäre wohl nicht passiert und vieles doch genauso und da man die Zeit ja nicht zurückdrehen kann sehe ich das ganze so positiv wie es nur geht.
Vergangenheit
Ich kletterte über den Zaun, genau an der Stelle, an der die Überwachungsanlage mich nicht erwischen konnte. Die Mauer war zwar glatt, aber mit ein paar Versuchen war es kein Problem die obere Kante zu greifen.
Alles fing damit an, dass Nora in der Klasse vorgeschlagen hatte eine Willkommensparty für Alexander und mich zu schmeißen. Alexander wollte nicht, doch mich ließ Nora nicht widersprechen und ehrlich gesagt war das eine willkommene Möglichkeit für mich den ganzen Wahnsinn bei Domenico jedenfalls ein einziges Mal hinter mir zu lassen. Wahrscheinlich würde er mich dafür umbringen, aber jetzt war mir das egal. Nur ein einziges mal wollte ich mal tun was ich wollte!
Hinter der Mauer führte eine unbefestigte Straße entlang. Auf der anderen Seite befand sich ein kleines Waldstück, durch das ich jetzt geradeaus hindurch lief.
Während ich innerhalb der Mauern geforscht hatte, kümmerte Nora sich um das, was sich dahinter befand. Ich hatte eine Taschenlampe dabei, denn in dem Geäst war es stockdunkel.
Als ich es fast geschafft hatte konnte ich schon Nora sehen, die unter einer Straßenlaterne stand und angestrengt in den Wald spähte. Als sie mich erblickte hellte sich ihre Mine auf.
"Sofia! Du hast es geschafft!"
Sie grinste bis über beide Ohren und ich stopfte die Lampe wieder in meine Tasche.
"Du hast mir ja erzählt, dass du Motorrad fahren kannst, also habe ich das von meinem Bruder hergeschoben.”
"Hat er dir das denn überhaupt erlaubt?", fragte ich im gehen.
"Nö, aber das ist nicht schlimm. Er ist ja noch nicht mal in der Stadt."
Ich bewunderte ihre Unbekümmertheit wirklich sehr. Sie führte mich zu einer kleinen Seitenstraße. Wir stiegen auf das Motorrad und machten uns auf den Weg.
Nora rief mir immer wieder zu wo ich abbiegen musste und letztendlich bedeutete sie mir bei einem verlassenen Fabrikgelände anzuhalten.
“Hier ist es?”, fragte ich.
“Jap, genau hier!”
Ich lehnte das Motorrad an einen Baum und wir gingen ein Stück. Nach ein paar Metern konnte man schon Musik und Stimmen hören. Ich war noch nie auf einer Party gewesen und ziemlich aufgeregt. Bis auf die Standarttänze, die mir Zuhause beigebracht wurden konnte ich überhaupt nicht tanzen, aber es würde wohl niemanden etwas ausmachen wenn ich einfach zuschauen würde. Wir standen jetzt vor einer Fabrikhalle die wohl zu einer Art privaten Disco gemacht wurde. Die ganz Schule musste hier anwesend sein! Ich hatte noch nie so viele Leute auf einem Haufen gesehen.
“Komm mit Sofia, bevor wir anfangen zu Feiern muss dir noch eine menge Leute vorstellen!”
Damit übertrieb sie noch nicht einmal! Sie zog mich durch die Menge und sprach immer wieder neue Leute an. Nach einer Weile hörte ich auf auch nur zu versuchen mir die Namen zu merken.
“So das waren alle. Möchtest du was trinken?”
Ich war erleichtert, dass sie endlich fertig war.
“Ja bitte!”
Die Musik war so laut, dass wir uns einfach anschreien mussten.
Sie drückte mir ein Glas mit blauer Flüssigkeit und Zuckerrand in die Hand. Ich probierte einen kleinen Schluck. Es war lecker, doch man konnte den Alkohol mehr als deutlich herausschmecken.
Zuhause hatte ich auch schon Alkohol getrunken. Meine Eltern hatten mir auf Familienfeiern, aber nur dann, erlaubt Wein zu trinken. Einmal hatte ich zu viel getrunken und war ziemlich beschwipst. Mein Vater hatte darüber gelacht, doch meine Mutter hatte mich sofort nach oben gebracht. Seit dem hatte ich mich immer zurückgehalten.
Ich leerte das Glas und Nora zog mich auf die Tanzfläche. Wir tanzten einfach und ich machte mir keine Sorgen mehr, denn durch die Musik bewegte sich mein Körper von ganz alleine.
Die Zeit verging und nach viel tanzen und einigen Drinks konnte ich es in der engen Halle nicht mehr aushalten. Nora war nicht zu sehen, also ging ich alleine Raus.
Ich lief ein Stück den unbefestigten Weg entlang, naja eigentlich torkelte ich eher und bevor ich noch hinfiel lehnte ich mich lieber gegen eine Wand. Die kühle Abendluft war angenehm und ich schloss für einen Moment die Augen. Nicht etwa um den Moment zu genießen, sondern um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, als ich an der Wand entlang auf den Boden rutschte.
Nora hatte ich nicht von meiner Familie erzählt. Ich hatte gesagt, dass Domenico ein Kontrollfreak war und ich deshalb nie zu ihr durfte. Es tat mir leid so was über meinen Onkel zu sagen, doch ich wollte weder meine Freundschaft mit Nora riskieren, noch sie auch noch auf irgendeine Weise hier mit hineinziehen.
Plötzlich hörte ich Schritte auf mich zukommen und als ich träge die Augen öffnete sah ich jemanden vor mit stehen.
“Hey, ich dachte du wolltest nicht kommen.” Grinsend blickte ich zu Alexander hoch, dessen blonde Haare im orangen Licht, in das das die ganze Lagerhalle getaucht war, schillerten.
Er verzog das Gesicht zu einem verschmitzten Grinsen.
“Bist du etwa betrunken? Das ist aber nicht gut, wenn du dein Sinne nicht beisammen hast... Könnte gefährlich werden, weißt du?”
Ich winkte ab.
“Hier kann mir doch nichts passieren. Niemand weiß, dass ich hier bin. Ich hab nur ein bisschen Spaß.”
“Ach wirklich? Das freut mich aber sehr. Dann macht es dir doch bestimmt nichts aus mit mir mitzukommen. Wir fahren ein Stückchen und dann sehen wir mal was sich noch so ergibt.”
Er grinste schief und ließ mir keine Möglichkeit um zu widersprechen, denn er hob mich hoch, umfasste meine Hüfte und schmiss mich über seine Schulter.
“Hey! Was soll das? Ich kann sehr wohl alleine Laufen!”
“Ich weiß.”
“Dann lass mich runter!”
„Nein.“
Ich trommelte unter lautem Protest mit den Fäusten auf seinem Rücken herum. Doch er ging einfach schweigend weiter.
„Was willst du überhaupt von mir? Soll das eine Entführung werden? Ich kann mich wehren weißt du?!“
Ich glaubte ein Lachen zu hören, bevor er mir antwortete.
„So kann man es auch nennen, obwohl ich eigentlich nur ein paar Informationen von dir möchte.“
Machte er sich einen Spaß daraus? Was sollte das werden?!
„Worüber sollte ich dir denn Informationen geben können?“
Ich fuchtelte mit den Armen und traf ihn mit der Faust am Kopf.
„Ah! Verdammt, das hat wehgetan!“
Er blieb stehen, ich hörte wie er eine Autotür aufmachte und landete rücklings auf der Rückbank von ebendiesem. Er selbst setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor.
"Hey, Moment mal! Du darfst doch noch gar nicht Fahren! Das ist illegal, du bist viel zu jung!" Rief ich, während ich versuchte mich aufzusetzen.
"Ach, ein Mitglied der Familie Albarella kümmert sich um Gesetze? Erstaunlich!"
In der Schule war er nie so. Da war er eher ruhig und ging allen aus dem Weg.
"Was weißt du denn über meine Familie?"
Jetzt grinste er mich im Rückspiegel an.
"Im Moment wahrscheinlich mehr als du."
"Hä? Woher denn?"
"Frag doch deinen Onkel. Mein Nachname sollte ihm geläufig sein."
Okay, das war jetzt nicht mehr lustig. Was wusste er denn und vor allem fragte ich mich, wo er mich denn jetzt hinbringen wollte. Ich musste es schaffen aus diesem Auto raus zu kommen. Doch wie?
Irgendwann erreichten wir wieder die Stadt.
"Wie viel weißt du Sofia?", sagte er auf einmal ganz sanft.
"Das geht dich nichts an! Du hast mit meiner Familie nichts zu tun!“
Ich war so dumm gewesen mich auf das alles hier einzulassen. Ich war von meinem sicheren Zuhause abgehauen und bin dann auch noch alleine gegangen. Das war keine gute Idee, doch jetzt musste ich mir selbst da raus helfen.
"Also nicht viel, ja?"
Vielleicht konnte ich ja aus dem Auto springen, aber dafür fuhr er viel zu schnell. Ich würde mir alle Knochen brechen.
"Wie gesagt, es geht dich rein gar nichts an."
Er lachte nur leise.
Warum hatten meine Eltern mich hier her geschickt? Hätte ich nicht einfach in unserem schönen Haus in Italien bleiben und mein Leben leben können? Aber nein es musste ja so kommen. Wundervoll.
Mein Magen fühlte sich an, als würde er Tango tanzen.
“Alexander? Kannst du vielleicht kurz anhalten?”
Er sah mich wieder durch den Rückspiegel an und zog eine Augenbraue hoch.
“Willst du mir etwa weglaufen?”
Ich schüttelte den Kopf.
“Nein es ist nur... Ich glaube ich muss ...“
Bevor ich den Satz beenden konnte, machte er eine Vollbremsung. Ich wollte die Tür aufmachen doch es ging nicht. Kindersicherung. Ich hätte so oder so nicht flüchten können. Verdammter, schlauer und gutaussehender Kerl! Nein, Moment, streichen wir das letzte, er war böse und böse Menschen sahen nicht gut aus! Er stieg aus und öffnete mir die Tür. Sofort taumelte ich zum Gehweg und übergab mich dort in einen Mülleimer. Als ich mir sicher war, dass nichts mehr kam, lehnte ich mich an eine Straßenlaterne und sah zum Wagen. Alexander lehnte an der Fahrertür und hatte das Gesicht verzogen.
“Weißt du was? Ich habe alles erfahren, was ich wissen wollte und weil ich Mitleid mit dir habe bringe ich dich jetzt nach Hause, kleines Mädchen.”
“Oho! Alexander der Wohltäter. ”
Er öffnete wieder die Hintertür.
“Quatsch nicht, steig ein und sei dankbar.”
„Nein, das werde ich nicht tun!“
Ich rannte los. Hinter mir hörte ich ihn fluchen und dann seine schnellen Schritte. Ich hätte diesen verdammten Alkohol nicht anrühren sollen! Mein Gleichgewichtssinn war so gut wie nicht mehr vorhanden und ich hatte sehr damit zu kämpfen nicht hinzufallen.
„Bleib stehen!“
Er war sehr dicht hinter mir und ich schlug einen Haken in die nächste Gasse, wo ein Müllcontainer mir den Weg versperrte. Hektisch sah ich mich um, irgendwo musste ich doch durchkommen, bevor Alexander mich erwischte! Seine Schritte wurden lauter und die einzige Möglichkeit zu entkommen sah ich jetzt nur noch in einem kleinen unbeleuchteten Treppengang, der zu einer Kellertür zu führen schien. Schnell lief ich die kurze Treppe hinunter und drückte mich an eine Wand. Die Schritte kamen näher, wurden langsamer, dann verstummten sie. Er war stehen geblieben. Warum klopfte mein Herz so laut? Ich hielt die Luft an und lauschte. Er setzte sich wieder in Bewegung und kurz darauf stand er oben auf dem Treppenabsatz und sah nach unten. Er schien mich noch nicht entdeckt zu haben, denn er sagte nichts, ging nur langsam die Treppe hinunter. Das war gar nicht gut! Hier unten war nicht gerade viel Platz und er würde mich sofort finden. Ich musste ihm einen Schritt voraus sein, um ihm zu entkommen! Schnell stieß ich mich von der Wand ab und rannte an ihm vorbei die Treppe wieder hoch.
Er fluchte und versuchte mich zu packen, doch er erwischte nur den Saum meiner Jacke. Allerdings reichte das, um uns beide aus dem Gleichgewicht und damit zum Sturz zu bringen. Schmerzhaft landeten wir auf dreckigen Beton. Alexander hatte sich schnell aufgerappelt und hockte nun über mir, die Knie auf meine Arme gedrückt.
„Du solltest nicht denken, dass du mir entkommen könntest.“
Er war leicht außer Atem und in seinem Gesicht spiegelte sich Wut wieder.
„Einen Versuch war es doch wert. Immerhin hätte ich es fast geschafft.“
Ich durfte keine Unsicherheit zeigen, ich musste locker bleiben.
„Das stimmt allerdings. Eigentlich hätte ich aber auch nichts anderes von dir erwartet. Du wurdest schon von Anfang an als gefährlich eingestuft, aber ich glaube immer noch, dass das nur viel Gerede um nichts ist. Klar du bist gut, aber ich bin besser.“
Da war aber jemand sehr von sich selbst überzeugt.
„Was wirst du jetzt tun? Mich töten? Erzähl mir was du vor hast.“
Er beugte sich zu mir hinunter und flüsterte mir ins Ohr, „Ich könnte dich töten, hier und jetzt. Ich könnte dich auch in meinen Kofferraum stecken und mit nach Hause nehmen, aber ich glaube ich lasse dich lieber gehen. Es könnte noch sehr viel Spaß mit dir machen, also warum sollte ich dich jetzt schon aus dem Weg schaffen?“
Er stand auf und trat einen Schritt zurück, während ich mich aufsetzte und mir die Arme rieb.
„Du wirst ja wohl alleine nach Hause finden. Wir sehen uns dann Montag in aller Frische.“
Er grinste noch einmal und verschwand dann. Ich blieb noch einen Augenblick sitzen. Warum verhielt er sich so? Warum musste er so ein Mistkerl sein? Aber anstatt mich weiter über ihn aufzuregen, musste ich mir jetzt überlegen, wie ich nach Hause kommen sollte.
Letztendlich entschied ich mich dazu zu Fuß zu gehen und der Himmel wurde schon langsam heller, als ich endlich Zuhause ankam.
Langsam ging ich die Einfahrt hoch und nach einiger Zeit konnte ich sehen, dass das Haus hell erleuchtet war. Eigentlich hätte es mir gleich klar sein müssen, dass mein Verschwinden nicht unbemerkt bleiben würde, aber ein wenig Hoffnung darf man ja noch haben. Mein Leben war so wie so schon verrückt genug, also sollte man meinen ich könnte mal ein kleines bisschen Glück haben, aber noch nicht einmal das war mir vergönnt.
Sie hatten mich jetzt bestimmt schon auf den Überwachungskameras entdeckt, denn an der Haustür konnte ich eine kleine Gestalt ausmachen. Es war Rebecca, die mir jetzt mit schnellen Schritten entgegen kam.
“Sofia! Da bist du ja, wir haben uns alle solche Sorgen gemacht! Dein Onkel ist außer sich, du muss sofort zu ihm!”
Sie ergriff meine Hand und zog mich zum Haus.
“Du stinkst ja ganz fürchterlich! Hast du etwa getrunken? Und warum bist du denn nur so dreckig und zerzaust? Wo hast du dich nur herumgetrieben?”
Sie seufzte und lenkte mich die Treppe hinauf. Wie erwartet, geradewegs zum Arbeitszimmer meines Onkels.
„Das kannst du mit ihm klären“, sagte sie und verschwand wieder mit schnellen Schritten.
Bevor ich überhaupt anklopfen konnte hörte ich schon Domenicos aufgebrachte Stimme. Ich hielt einen Moment lang inne um zu Lauschen.
„Was soll das heißen ihr habt das Gronewald Mädchen nicht weiter überwacht?! Verdammt! Sie ist doch am wichtigsten! Bin ich etwa nur von inkompetenten Leuten umgeben?!“
Ich hörte wie er das Telefon auf die Gabel knallte und klopfte an. Eins war gut am Alkohol, er machte mutig.
„Herein?“ Ertönte es resigniert von der anderen Seite der Tür und ich trat ein. Das erste was mir auffiel, als ich in Domenicos Gesicht sah war, dass er stocksauer war.
„Sofia! Wo zur Hölle warst du?!“
„Ich.. Ich kann alles erklären!“
„Ach ja? Gut setzt dich hin.“
Ich nahm auf einem der beiden Stühle vor seinem Schreibtisch platz und Domenico setzte sich in den großen Lederdrehstuhl dahinter. Seine Augen funkelten wütend über seine ineinander verschränkten Finger hinweg.
„Okay, von Anfang an.“
„Nur zu, ich bin gespannt.“
Ich seufzte und fing an zu erzählen. Von der Fahrt zum Fabrikgelände, über die Party, bis hin zu meinem Zusammenstoß mit Alexander.
Als ich fertig war, hatte Domenicos Blick von wütend zu nachdenklich gewechselt.
„Von Klint...“
„Er meinte, das würde dir etwas sagen.“
„Oh ja, das tut es. Es überrascht mich nur, dass er so schnell den Ersten Schritt gemacht hat. Weißt du Sofia, du bist nicht zufällig mit ihm in einer Klasse“, er schien einen Moment in Gedanken versunken und sagte dann, „Ich frage mich, warum er dich nicht getötet hat.“
Nachdenklich trommelte er mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum. Wie er so was immer so alltäglich daher sagen konnte, erstaunte mich immer wieder aufs Neue.
„Er hat gesagt, dass er nur ein paar Informationen von mir wollte...“
„Die du ihm natürlich sofort gegeben hast.“
„Ich wusste doch nicht, dass...“
„Ich weiß.“
„... und der Alkohol.“
„Ich weiß und ich mache dir keine Vorwürfe. Du weiß eh noch nichts, was uns in irgendeinem Sinne schaden könnte, wenn du es den falschen Leuten erzählst.“
„Aber warum gerade er?“
Domenico schob den Stuhl ein wenig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich erkläre es dir. Dein Großvater und der Großvater von Alexander sind als Jungen gemeinsam zur Schule gegangen und sie waren gute Freunde. Allerdings haben sie sich nach vielen Jahren und einiger Zusammenarbeit zerstritten. Es ging dabei um deine Großmutter musst du wissen. Jedenfalls haben die Beiden einander nie verziehen und so ist diese Generationen übergreifende Feindschaft entstanden.“
Gegenwart
Das hatte Domenico wirklich ernst gemeint. Mein Leben kam mir ab diesem Punkt einfach nur vor, wie das Drehbuch zu einem Film, den jeder schon eintausend mal gesehen hatte. Ich dachte ich war nichts weiter als ein Werkzeug um einen Krieg weiterzuführen, bei dem es allein um eine Frau ging, die schon vor Jahren gestorben ist. Am Sonntag dann, ließ Domenico mich noch mal in sein Büro kommen, wo er mir einen sehr kleinen Revolver in die Hand drückte. Sein einziger Kommentar dazu war, dass ich mir damit Alexander vom Hals halten sollte, wenn er mir zu Nahe käme und dass ich ja wohl wüsste, wie man damit umgeht.
Vergangenheit
Am Montag morgen lag auf meinem Schminktisch, direkt neben dem Revolver, den ich am Vorabend dort abgelegt hatte, ein Pistolenhalfter, das man sich ums Bein schnallen konnte.
Ich zog mich an und befestigte den Revolver so, dass man ihn auf keinen Fall sehen konnte. Domenico hatte schon Recht gehabt. Wenn Alexander mich wirklich töten wollte, musste ich mich wehren können.
Eine Stunde später, in der Schule, wartete Nora schon am Eingang auf mich. Wir hatten uns grade mal begrüßt, als sie schon anfing mich mit Fragen zu löchern. Ich konnte es ihr allerdings auch nicht verdenken. Am Wochenende hatte ich eine offizielle Version für die Vorfälle nach der Party ausgetüftelt und erzählte sie Nora. Auf keinen Fall sollte sie da mit hinein gezogen werden. Ich wollte doch nicht den einzigen normalen Menschen verlieren, der mich tatsächlich mochte. Obwohl man Nora auch nicht wirklich als „normal“ bezeichnen konnte. Aber wenigstens war ich mir fast zu 100% sicher, dass ihre Familie nicht aus Killern bestand.
Als wir den Klassenraum betraten, saß Alexander an seinem Platz und sah aus dem Fenster. In der Pause wollte ich ihn zur Rede stellen. Es ärgerte mich, dass er mich am Wochenende so auf die Schippe genommen hatte und ich wollte ihm klar machen, dass ich ein ernst zu nehmender Gegner war. Ich war doch nicht sein Spielzeug! Oh nein, das konnte er sich schön aus dem Kopf schlagen.
Die erste Stunde zog sich wie Kaugummi. Mein Blick wechselte zwischen der Uhr, deren Zeiger sich in Zeitlupe zu bewegen schienen und Alexander, der die ganze Zeit lang irgendetwas in sein Heft schrieb und nicht ein einziges mal aufblickte. Ich erschrak fast, als Nora mir plötzlich einen Zettel zuschob.
Ist alles in Ordnung? Du wirkst so nervös. Hast du etwa ein Auge auf Alexander geworfen? Du beobachtest ihn so interessiert, stand dort in verschnörkelter Schrift und dahinter hatte sie einen zwinkernden Smiley gemalt.
Als ich sie ansah grinste sie. Schnell griff ich meinen Stift und kritzelte eine Antwort darunter.
Nein, natürlich habe ich KEIN Auge auf ihn geworfen! Und ich beobachte ihn nicht, ich gucke nur aus dem Fenster. Der Unterricht ist langweilig.
„Natürlich...“, flüsterte sie und versuchte ihr Lächeln unter ihrer Hand zu verbergen. Vielleicht war es gar nicht mal so übel, wenn sie das glaubte. Dann hatte ich wenigstens eine Ausrede, um ihn später zur Seite zu nehmen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit klingelte es endlich. Da Alexander immer als letzter aus dem Raum ging ließ ich mir Zeit. Ich sagte Nora, dass sie draußen auf mich warten sollte.
Alexander sah mich nicht einmal an, sondern ging ebenfalls zur Tür, ich wollte ihn gerade aufhalten, als ich sah, dass er nicht rausging, sondern sie lediglich schloss.
„Na, was möchtest du denn von mir? Es ist doch kein Zufall, dass du deine kleine Freundin schon mal raus schickst und dann noch trödelst.“
Er kam mit verschränkten Armen auf mich zu.
„Glaub ja nicht, dass ich nicht ernst zu nehmen bin!“
Mittlerweile war er nur noch ein paar Schritte von mir entfernt und ich machte jetzt, wenn er einen weiteren Schritt vorwärts ging, ebenfalls einen rückwärts. Ich wollte nicht, dass er mir zu nahe kam, doch leider hatte dieser Raum auch Wände und ich konnte nicht ewig weiter gehen.
„Oh, wie käme ich denn auf diese Idee? Wenn ich das nicht wüsste, wärst du doch schon längst tot.“
Ich stand jetzt mit dem Rücken an der Wand und er direkt vor mir. Jetzt war nichts wichtiger, als der Nervosität keinen Raum zu lassen, ich musste einfach nur cool bleiben.
„Du wirst mich nie kriegen. Ich bin nicht einfach nur ein Zeitvertreib für den verwöhnten jungen Herren, dem alles in den Schoß fällt...“
Plötzlich schlug er die Hände neben meinen Kopf gegen die Wand und ich schaffte es sogar, mich nicht zu erschrecken.
„Verwöhnt, hm? Denkst du, dass du besser bist? Denkst du, dass du irgendwas über mich weißt? Oh nein, das tust du nicht. Du hast keine Ahnung!“
„Upps, habe ich da etwa einen wunden Punkt getroffen? Das tut mir jetzt aber leid.“
Sein Gesicht war meinem nun gefährlich nahe.
„Weißt du eigentlich, was ich jetzt gerne mit dir anstellen würde?“, knurrte er. Ich reagierte sofort und zog die Waffe, um ihren Lauf gegen seinen Bauch zu drücken.
„Gar nichts. Du wirst nichts tun, weil ich sonst etwas mache, das dir nicht gefallen wird.“
Er sah mir einen Moment lang in die Augen. Mir war vorher gar nicht aufgefallen, dass seine blau waren, doch es war so rauchig, dass man die Farbe vom weiten wohl eher für grau gehalten hätte... warum dachte ich jetzt über so was nach?!
Er stieß sich von der Wand ab und ging wieder zur Tür.
„Das würdest du hier so wie so nicht tun, genau so wenig, wie ich hier etwas anstellen würde. Es gibt immer noch ein paar Regeln, die Leute wie wir zu befolgen haben.“
Damit verschwand er. Ich holte tief Luft, bevor ich ebenfalls den Raum verließ.
Nora stand im Gang und empfing mich mit einem Grinsen.
„Also doch! Da ist was zwischen euch beiden, das spüre ich!“
Wenn sie wüsste...
„Ja vielleicht, aber sag da bloß niemanden was von!“
Sie machte eine Geste, als würde sie einen Reißverschluss an ihrem Mund zuziehen und sagte dann feierlich, „Meine Lippen sind versiegelt!“
Nach der letzten Stunde wartete ich vor der Tür des Klassenzimmers auf Nora, die noch mit dem Lehrer sprechen wollte.
Ich spielte mit einer Haarsträhne, die im Laufe des Tages aus meinem Zopf gerutscht war, während ich durch ein Fenster beobachtete, wie Alexander zwei Stockwerke tiefer in einen matt blauen Porsche Panamera stieg. Das Modell erkannte ich nur, weil Domenico mich über Jahre hinweg bei jedem seiner Besuche ausführlich über seine Lieblingsautos informiert hatte. Es regte mich wirklich auf, dass er so ein Arschloch sein musste. Den ganzen Tag schon hatte ich gegen den Drang angekämpft ihm irgendwas großes und schweres an den Kopf zu werfen, sobald ich sein Gesicht sah.
„Bleib ruhig und dir wird nichts geschehen.“
Als ich plötzlich spürte, wie mir etwas gegen den Rücken gedrückt wurde,wirbelte ich aus Reflex herum, um den Angreifer außer Gefecht zu setzen. Doch mein Arm wurde gepackt, bevor ich einen Treffer erzielen konnte.
„Sachte sachte, das war doch nur ein Scherz! Hier soll doch niemand verletzt werden.“
„Was sollte das?!“ schimpfte ich aufgebracht und löste meinen Arm aus seinem festen Griff. Ich hasste es so erschreckt zu werden!
Vor mir stand jemand, der mir zwar bekannt vorkam, den ich aber einfach nicht einordnen konnte.
„Ich hab dich gerufen, aber du hast so versunken aus dem Fenster gestarrt, dass du mich nicht gehört hast. Irgendwie musste ich dich ja wieder in das hier und jetzt zurückholen.“
Er lächelte und ich sah ihn verständnislos an. Daraufhin machte sich Erkenntnis in seinem Gesicht breit.
„Du erinnerst dich nicht mehr an mich! Dabei haben wir uns so nett auf der Party unterhalten.“
Er zog die Mundwinkel übertrieben weit nach Unten.
Ich musterte ihn genauer. Riesengroß, breite Schultern, kurze Haare und ein leichter Stoppelbart, der seinem markanten Kinn schmeichelte. Er trug die Krawatte der Schuluniform nicht und hatte das Hemd ein wenig aufgeknöpft, so dass man etwas von seiner muskulösen Brust erspähen konnte. Alles in allem kein Anblick, den man so schnell vergessen würde.
„Tut wirklich leid...“
Er lachte.
„Kein Problem, ich stelle mich gern noch ein zweites Mal vor. Nicolaj Staraja, stehe zu Diensten.“
Ein Lächeln schlich sich von ganz allein auf meine Lippen.
„Freut mich dich kennenzulernen, schon wieder.“
„Aber dieses Mal wirst du mich doch in Erinnerung behalten, oder?“
„Natürlich, ich werde mein Bestes geben.“
„Sehr gut! Ich muss jetzt aber leider los... Wir sehen uns, krasavitsa!“
Ich war noch dabei rot anzulaufen, als er schon um die nächste Ecke verschwunden war. Verdattert starrte ich ihm hinterher. Er hatte mich Schönheit genannt!
Das war doch mal ein Mann! Nicht so wie Alexander, dieser widerliche, egoistische Spinner! Nein, Nicolaj war charmant und offen und dazu auch noch ausgesprochen gutaussehend!
Gerade als seine Schritte nicht mehr zu hören waren, kam Nora endlich auf den Gang.
„Wollen wir?“
Hoffentlich war ich nicht allzu rot im Gesicht!
„Ja... Klar, meinetwegen gerne.“
Sie zog die Augenbrauen hoch.
„Alles in Ordnung mit dir?“
Ich musste mich einkriegen!
„Ja, natürlich. Warum sollte denn nicht alles in Ordnung sein?“
„Ach nur so.“
Gemeinsam gingen wir hinaus, wo schon Michael schon auf mich wartete.
Als wir Zuhause ankamen, ließ Michael mich vor der Haustür aussteigen und fuhr zur Garage weiter. Ich wollte gerade die Klinke greifen, als die Tür schon von selbst auf ging und ich mit jemandem zusammenstieß.
„Autsch, tut mir leid. Alles in Ordnung?“, fragte ich sofort.
Vor mit stand eine junge, komplett in altrosa gekleidete Frau, die versuchte ihre Bluse zurecht zu zupfen.
„Ja, zum Glück habe ich mich nicht verletzt“, sagte sie, während sie ihre Frisur betastete, um zu kontrollieren ob noch alles da war, wo es sein sollte. Sie hatte unglaubliche Engelslocken. Sofort fragte ich mich, ob sie von Natur aus so waren oder ob die Frau nachhalf und wenn, warum halten die sich bei ihr so gut und bei mir überhaupt nicht? Meine Mutter hatte schon etliche Male versucht mir Locken zu machen, doch egal was man tat, nach kurzer Zeit kehrten meine Haare immer wieder in ihre Ursprungsform zurück. Glatt und irgendwie Platt. Ich durfte mir nie Stufen oder einen fransigen Pony schneiden lassen und so hieß es für mich 16 Jahre lang ein langweiliger Mittelscheitel.
Nachdem die Frau fertig damit war in ihren Haaren herum zu fummeln betrachtete sie mich genauer und man konnte förmlich die Glühbirne sehen, die über ihrem Kopf aufleuchtete.
„Ah, du muss Sandra sein, Domenicos Nichte! Ich bin Marianne, seine neue Sekretärin. Freut mich dich kennenzulernen!“
„Ähm, ich heiße eigentlich Sofia... Freut mich aber auch...“
„Ja ja, genau irgendwas mit 's'. Na gut wir werden uns ja Sicherlich noch öfters sehen, weil ich ja jetzt für deinen Onkel arbeite. Tschüss!“
Wow, also entweder konnte sie sich Domenico gegenüber wirklich gut verstellen, oder ich musste anfangen an seinem Urteilsvermögen zweifeln. Kopfschüttelnd betrat ich das Haus. Als ich mich an den Esstisch setzte, wartete Domenico schon auf mich.
„Ich habe Marianne kennengelernt.“, sagte ich, bevor ich mir ein Stück Geflügel in den Mund steckte.
„Ja, meine neue Sekretärin. Wie findest du sie?“
„Sie ist … nett, aber findest du sie denn... qualifiziert?“
Er sah mich einen Moment lang an.
„Kein bisschen. Aber ich brauche sie trotzdem.“
„Warum das denn? Sie ist dumm wie Bohnenstroh!“
Ich griff zu meinem Glas und trank einen Schluck.
„Und die Halbschwester von deinem kleinen Freund.“
Hätte ich mich nicht gerade noch so gefasst, wäre das Wasser, dass sich in meinem Mund befand, in einer Sprühfontäne über den Tisch verteilt worden.
„Bitte was?!“
Domenico steckte sich Gemüse in den Mund und erzählte mit vollem Mund weiter.
„Sie ist Alexanders Halbschwester. Das wissen nicht viele, weil sie bei ihrer Mutter aufgewachsen ist, aber mit einem gewissen Alter bekam sie eben auch gewisse Einblicke in die Familie von Klint. Wie du schon sagtest, sie ist nicht gerade die hellste Birne im Keller, aber das macht es eben auch leichter sie für unsere Zwecke zu benutzen. So einfach ist das.“
Ich hatte mittlerweile aufgegessen und stütze mein Kinn auf meine Hände.
„Werde ich mich jemals daran gewöhnen?“
„Natürlich“, antwortete Domenico lächelnd. „Ach, und übrigens am Wochenende wird eines unserer Partnerunternehmen in Frankreich eine kleine Feier veranstalten. Ich möchte, dass du ein paar von meinen Klienten kennenlernst.“
„Was ist denn das für eine kleine Feier?...In Frankreich...“, fragte ich zweifelnd.
„Ein Maskenball. Wir fliegen dann am Donnerstag hin und am Montag wieder zurück.“
„Was ist denn mit der Schule?“
„Ist schon alles geregelt.“
„War ja klar... und wo fahren wir genau hin?“
„Nach Saint Martin de Belleville, ein Skigebiet. Gino wird auch da sein. Wir hoffen, dass du einen guten Einfluss auf ihn haben könntest. Möchtest du noch irgendwas wissen?“, fragte er beim Aufstehen.
„Nur noch eine Sache... Was zieh ich denn zu einem Maskenball an?“
„Keine Sorge, morgen kommt eine gute Freundin von mir vorbei und Kleidet dich ein.
Lächelnd verschwand er aus dem Esszimmer. Warum fragte ich überhaupt noch?
Draußen tanzten kleine Schneeflocken durch die Luft und mir wurde klar, dass dieser Winter nicht so werden würde wie ich es gewohnt war. Die Sonne fehlte mir einfach und in Frankreich würde es dieses Wochenende wohl auch nicht viel wärmer werden. Ich stand auf und ging in mein Zimmer.
Da meine Mutter in Frankreich aufgewachsen war, waren wir dort oft im Urlaub gewesen und auch Saint Martin kannte ich schon. Ich hoffte, dass sich mir an diesem Wochenende noch die Chance bieten würde ein bisschen Snowboard zu fahren, denn das hatte ich lange nicht mehr getan.
Am nächsten Morgen erzählte ich Nora von dem Ball.
„Was? Du wirst auch da sein? Das ist die beste Nachricht der Woche! Ich hasse es wenn ich alleine mit meinen Eltern auf solchen Veranstaltungen rumhängen muss!“ Sie strahlte über das ganze Gesicht.
„Ach, deine Familie hat auch mit der Firma zu tun?“
„Ja, mein Vater hier ein Tochterunternehmen von denen. Ist das nicht toll, dass wir da zusammen sein werden?“
„Ja, total! Dann besteht ja doch noch Hoffnung, dass es lustig wird.“ Ich lächelte aufrichtig. Es freute mich wirklich, denn wie groß ist schon die Gefahr, dass Nora auf so einer Feier von irgendetwas Wind bekommt?
„Das ist aber auch wirklich ein Zufall!“
„Oh ja“ … Wenn sie nur wüsste.
Alexander hatte mich den Tag über gründlich ignoriert, was ich wirklich angenehm fand. Nicht so toll fand ich allerdings die Tatsache, dass ich auch Nicolaj heute nicht zu Gesicht bekam.
„Oh, dass muss sie sein.“ Ich hatte gerade aufgegessen, als es klingelte. Rebecca war zur Tür geeilt um Domenicos Freundin einzulassen. Sie stellte sich als Magdalena vor und hatte eine menge Koffer dabei, was meine Motivation um einiges sinken ließ. Sie wurden allesamt in eines der Büros im Erdgeschoss verfrachtet, dass nun eher einer Boutique glich. Einige Minuten später fand ich mich in einem Meer von Kleidersäcken und Schmuckschatullen wieder. Das würde ein sehr sehr langer Nachmittag werden.
Magdalena war sehr geduldig und nach vielem hin und her hatte ich mich letztendlich entschieden. Das Kleid war mitternachtsblau und schulterfrei. Das Bustier war mit einem filigranen, goldenen Blumenmuster bestickt und der Rock fiel wie ein Wasserfall bis auf den Boden. Es war wunderschön und trotzdem nicht zu viel. Einfach perfekt für mich. Dazu passende Schuhe und feiner Goldschmuck. Die Maske bestand aus goldenen Stoff, der mit dem selben Muster wie das Kleid, nur in blau bestickt war. So bildete sie einen schönen Kontrast zu dem restlichen Outfit. Magdalena erzählte mir noch, dass sie mit nach Frankreich kommen würde, um mir beim Make-up und den Haaren zu helfen. Der Ball konnte also kommen.
Mittwoch. Morgen würde es losgehen und ich freute mich! Nora und ich hatten kein anderes Thema. Diskussionen über die Kleider, eindeutig von Nora angeführt und Spekulationen über die Gäste. Insgesamt verging der Tag überraschend schnell.
„Sofia warte mal!“
Ich war gerade auf dem Weg nach draußen, als Nicolajs Stimme mich aufhielt. Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.
„Nicolaj, was ist denn?“ Er blieb vor mir stehen und um ihm in die Augen sehen zu können, musste ich schon fast den Kopf in den Nacken legen.
„Ich wollte dich etwas fragen... und ab morgen bin ich weg, also musste ich dich unbedingt jetzt abfangen.“
War er etwa nervös?
„Würdest du vielleicht mit mir ausgehen? Nächste Woche, wenn ich wieder da bin?“
Ein Date! Er fragte mich nach einem Date! Wo waren die versteckten Kameras?
„Also...ähm... gerne, sehr gerne! Aber ich muss erst meinen Onkel fragen, er ist sehr streng und ich hab schon einmal Mist gebaut...“
„Okay, ist doch kein Problem. Du kannst mir auch gerne nächste Woche die Antwort geben, ich will dich ja nicht drängen oder so.“
„Das ist super! Ich bin dieses Wochenende nämlich auch gar nicht in der Stadt und dann sag ich dir einfach nächste Woche, ob es klappt.“
Ich lächelte nervös und schaute auf den Boden.
„Darf ich fragen, wo es hingeht?“
Die Frage wunderte mich ein wenig, doch ich antwortete trotzdem.
„Ach, nur so eine Veranstaltung, auf die mein Onkel mich mitschleppt. Nichts allzu besonderes...“
„Wenn das so ist... Hey, guck mich an.“
Langsam sah ich auf und blickte direkt in sein Gesicht.
„Ich freue mich auf unser Date und das mit deinem Onkel, das wird schon schief gehen!“
Ich nickte und lächelte wahrscheinlich wie der letzte Idiot.
„Wir sehen uns.“
Und nachdem er mich kurz umarmt hatte, ging er.
Er hatte mich umarmt! Umarmt! Und er roch so gut! Ich musste mich zusammenreißen, damit mir kein Schrei entfuhr.
Mit extrem guter Laune machte ich mich auf den Weg nach Hause.
Sogar am nächsten Tag im Flugzeug schwebte ich noch auf Wolke sieben. Nur hatte ich mich noch nicht getraut Domenico wegen dem Date zu fragen.Wie hoch waren denn die Chancen, dass er ja sagt? Gleich null! Also schob ich das Fragen ein wenig nach hinten und beschäftigte mich mit der Gästeliste für den Ball.
Die meisten Namen waren mir unbekannt, doch ein gewisser Nachname brachte mich zum Stocken. Warum hatte mir niemand erzählt, dass auch die Familie von Klint anwesend sein würde?!
„Domenicoooo?“, trällerte ich mit meiner zuckersüßesten Stimme zu meinem Onkel hinüber, der schon seit beginn des Fluges mit Michael auf den Bildschirm eines Laptops starrte. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie sich schon wieder Autos ansahen. Als nur ein 'hm?' zurückkam bestätigte sich meine Vermutung.
„Wann wolltest du mir denn erzählen, dass Alexander auch da sein wird?“
Jetzt sah er endlich mal von seinem Bildschirm auf.
„Also, ähm... Naja, ich dachte es wäre doch besser, wenn du es später erfährst, damit du dich noch ein bisschen freuen konntest...“
„Na klasse...“ Ich knüllte die Gästeliste zusammen und warf sie quer durch das Flugzeug. Das konnte dann ja noch interessant werden. Nora war immer noch im Glauben, dass ich auf Alexander stand und ich war mir absolut sicher, dass sie irgendwas anstellen würde. Auf jeden Fall würde ich ihm sicher nicht aus dem Weg gehen können...
Nach der Landung stiegen wir sofort in einen Helikopter um, der uns in die Berge brachte. Ich vermied es mit Domenico zu sprechen und unterhielt mich stattdessen mit Magdalena, die auch seine Begleitung für den Ball sein würde. Die letzte Etappe der Reise bestand aus einer längeren Autofahrt zu einem schicken Holzbungalow, das aussah, als hätte es schon immer in dieser verschneiten Landschaft gestanden. Wir parkten neben einem weiteren Auto, welches mich vermuten ließ, dass Gino schon da war. Als wir endlich drinnen waren ließ ich mich sofort auf eine Couch vor dem offenen Kamin fallen. Den ganzen Tag unterwegs zu sein zerrte ziemlich an den Kräften. Doch Domenico ließ mich nicht lange ausruhen. Er trug mir auf Gino zu finden, während er noch ein paar Anrufe zu tätigen hatte. Also fing ich an das Bungalow zu erkunden. Zwischendurch musste ich für Michael platz machen, der die ganze Zeit Koffer hin und her schleppte. Rebecca hielt zu Hause die Stellung und war deswegen leider nicht mitgekommen.
Meiner Meinung nach hatte dieses Haus für ein einstöckiges Gebäude eindeutig zu viele Zimmer, aber so war Domenico eben, er liebte seine Wohnorte schön geräumig. Ich hatte leere Schlafzimmer gefunden, die Küche, ein paar Büros, Magdalena beim Kleiderschrank einräumen und irgendwann erstaunlicher weise auch Gino. Er saß schweigend an einem Laptop und hämmerte in Rekordgeschwindigkeit auf die Tasten ein.
„Klopf, klopf!“, sagte ich vom Türrahmen aus. Erschrocken fuhr sein Kopf hoch und als er mich sah rückte er schnell seine Brille zurecht und stand auf.
„Oh, ich habe gar nicht gehört, dass ihr schon da seit.“
Wow, er war ja früher schon ziemlich zurückhaltend gewesen, aber jetzt war er zum Obernerd mutiert! Seine schwarzen Haare hätten mal wieder geschnitten werden müssen und seine Hemd und Jeans Kombination wirkte mindestens zwei Nummern zu groß. Das ganze wurde dann noch von einer großen Brille mit dicken schwarzen Rand abgerundet.
„Schon eine ganze Weile, aber wenn du dich hier im hinterletzten Zimmer verschanzt, dann kannst du das ja nicht mitbekommen. Komm mit, Domenico meinte ich soll dich ins Wohnzimmer bringen.“
Wir saßen schon eine ganze Weile wieder auf der Couch, als nach und nach auch die anderen wieder eintrudelten. Domenico besprach dann mit uns den Tagesablauf für morgen und riet uns früh ins Bett zu gehen, auch wenn wir ausschlafen konnten. Magdalena erklärte sich bereit das Frühstück zu machen und ich meldete mich um ihr zu helfen. Danach saßen wir noch eine Weile zusammen und unterhielten uns untereinander. Ich fragte Gino ein wenig aus und fing langsam an zu verstehen was Domenico damit gemeint hatte, als er sagte, dass sie nicht so viel Hoffnung in ihm haben. Er schien alles andere zu wollen, als das Familienunternehmen weiterzuführen und irgendwie konnte ich ihn schon verstehen, denn ich war auch nicht begeistert von der Idee.
Später im Bett ließ ich die letzte Woche noch einmal Revue passieren. In letzter Zeit passierte einfach so viel auf einmal, dass ich nicht dazu kam einmal Ordnung in meinem Kopf zu schaffen. Nora, Nicolaj, Alexander, meine Familie und diese ganze Mördergeschichte, das war einfach zu viel! Natürlich war Domenico überzeugt, dass ich damit ja gar keine Probleme haben würde und mich bald an diesen ganzen Kram gewöhnen werde. Immerhin einer von uns...
Irgendwann musste ich dann wohl eingeschlafen sein, denn als ich am nächsten Morgen aufwachte, war die Lampe auf meinem Nachttisch immer noch angeschaltet. Ich wühlte mich unter meiner warmen Bettdecke hervor und trat ans Fenster. Der Ausblick haute einen regelrecht um. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen und vor mir erstreckten sich, in zart rosa Licht getauchte, schneebedeckte Berge, soweit das Auge reichte. Auch wenn ich mich niemals mit Kälte anfreunden würde, was das schon wirklich aushaltbar. Ich sprang schnell unter die Dusche und zog mich an, dann ging ich in die Küche. Dass dort niemand war wunderte mich nicht, Magdalena und die anderen schliefen sicher noch. Also zog ich mir eine Jacke über und ging vor die Tür. An der Hauswand stand eine Holzbank, auf die ich mich setzte. Jetzt am Morgen war es besonders kalt, aber es war so friedlich, als hätte noch nie ein Mensch diese Berge betreten.
Irgendwann, als die Sonne aufgegangen und meine Nase mir fast abgefroren war, ging ich wieder ins Haus. Mittlerweile war Magdalena auch wach und kochte Kaffee.
„Guten Morgen“, sagte ich während ich mir die Jacke auszog und wieder an ihren Platz hängte.
„Oh, guten Morgen Sofia, wo kommst du denn her?“
„Ich war nur draußen und hab mir den Sonnenaufgang angeguckt.“ Währenddessen ging ich zum Kühlschrank und suchte alles für Rühreier zusammen. Ja, ich kann wirklich kochen.
„Der war bestimmt toll... Vielleicht sehe ich ihn ja morgen... Je nach dem, wie lange wir feiern.“ Sie zwinkerte mir zu und schaltete das Radio ein.
Irgendwann kamen auch die drei Übrigen und wir konnten zusammen ganz gemütlich frühstücken.
Am Nachmittag kam Magdalena dann mit einem Kleidersack und einer großen Tasche in mein Zimmer. Also war es endlich so weit, nur noch wenige Stunden, bis es losging.
Zuerst wurde ich geschminkt und damit geizte sie ganz und gar nicht. Ich war mir fast sicher, dass ich danach gar keine Maske mehr brauchen würde! Doch als ich dann in Spiegel schauen konnte war ich überrascht. Wie sie es gemacht hatte wusste ich nicht, aber meine Haut schien von innen heraus zu leuchten. Die Augen waren nur dezent geschminkt, aber trotzdem perfekt betont. Danach widmete sie sich meinen Haaren. Zuerst flocht sie einige Strähnen und drapierte sie mit Hilfe von kleinen Spangen um meinen Kopf. Danach steckte sie die restlichen Haare Strähne für Strähne an meinem Hinterkopf fest, sodass eine furchtbar kompliziert aussehende Hochsteckfrisur entstand. Diese Frau war eine Magierin! Ich wusste gar nicht, dass ich so gut aussehen konnte. Bevor das Kleid an der Reihe war, kam erst einmal etwas anderes. Magdalena drückte mir zwei Lederbänder in die Hand. Das eine war mein Pistolenhalfter und das andere schien für ein Messer gedacht zu sein.
„In das eine kommt deine Pistole und in das andere noch ein Dolch“, erklärte sie, als ich zögerte.
„Aber der Rock ist doch viel zu lang, um da schnell heran zu kommen...“
„Keine Sorge, ich hab ein bisschen was an dem Rock verändert.“
Ich befestigte die Riemen an meine Beinen und platzierte rechts meinen kleinen Revolver und links den Dolch, den Magdalena mir reichte.
„Sind die Waffen wirklich nötig?“, seufzte ich
„Laut Domenico schon und ich finde es auch besser, wenn du dich wehren kannst, nach dem was ich gehört habe...“
Welcher Mensch mit ein bisschen Verstand würde schon mitten auf einem Ball mit einer Schießerei beginnen? Aber man konnte ja nie wissen, vielleicht war es ja wirklich besser.
Jetzt zog ich das Kleid und die passenden Schuhe an. Magdalena legte mir noch eine Kette und ein feines Armband um, was meinen Look abrundete. Danach zeigte sie mir wie ich schnell an die Waffen kam. Sie hatte einfach zwei Schlitze in den Rock gemacht! Dadurch, dass er aus mehreren Lagen sehr feinmaschigen Organzastoffes bestand fielen sie auch nicht auf und ich kam ganz einfach an die Waffen heran. Jetzt lag es an mir zu warten.
„Du siehst großartig aus Sofia!“ Domenico, sehr elegant im Anzug, war der erste, der ins Wohnzimmer kam.
„Aber nur dank Magdalena...“
„Ach Quatsch, so viel hab ich gar nicht gemacht.“ Auch Magdalena kam jetzt aus ihrem Zimmer. Sie war wunderschön in dem Apricotfarbenen Kleid und mit den, über die Schultern drapierten, dunkelbraunen Locken. Auch wenn sie bescheiden tat, sah man ihr an, dass sie stolz darauf war, was sie aus mir gemacht hatte.
Gino und Michael kamen als letzte und ich sah sofort, dass Ginos Haare geschnitten wurden. Er sah ganz anders aus als gestern, jetzt bemerkte man erst die unglaubliche Ähnlichkeit mit seinem Vater.
Gemeinsam gingen wir zu dem Auto, mit dem wir auch gekommen waren und fuhren los. Unterwegs gab Domenico mir noch ein paar Anweisungen.
„Sofia, du kannst heute Abend machen was du möchtest, aber unter zwei Bedingungen. Erstens, halte dich so gut es geht immer in Sichtweite auf und wenn ich dich zu mir winke, dann musst du auch sofort kommen und zweitens, egal wer dich zum Tanzen auffordert, sag ja. Ich möchte, dass du den bestmöglichen Eindruck vermittelst und glaub mir, das ist zu deinem Besten.“
„Natürlich...“ Alles was Domenico entschied war 'zu meinem Besten'.
Nach einiger Zeit kamen wir an einem wunderschönen Schloss an. Michael blieb kurz vor dem Einfahrtstor stehen und setzte seine Maske auf, wir taten es ihm gleich. Dann fuhr er bis zum Eingang, wo wir ausstiegen und er den Autoschlüssel einem Einparkjungen übergab.
Drinnen war alles pompös geschmückt und man fühlte sich gut zweihundert Jahre in der Zeit zurückversetzt. Wir gaben unsere Mäntel an der Garderobe ab und hielten vor den Türen des Ballsaals noch einmal inne. Magdalena hakte sich bei Domenico ein und ich richtete noch einmal mein Kleid und hakte mich selbst bei Gino ein, was wahrscheinlich komisch aussah, da wir fast gleichgroß waren. Es konnte los gehen.
Als ich den Saal betrat, sprang mir aus der Menge eine Fee entgegen, die sich beim zweiten Mal hinsehen als Nora entpuppte. Ein Klischee möchte ich gleich einmal vom Tisch schaffen. Nur weil eine Person eine Maske trägt, heißt das noch lange nicht, dass man sie dann nicht erkennen kann! Das ist eine absolute Lüge, die uns eine menge Filme wieder und wieder verkaufen wollten.
„Sofia! Wie toll du aussiehst!“ Sie strahlte über das ganze Gesicht.
„Und du erst!“ Sie trug ein knielanges, rosa Kleid, das zum Saum hin immer heller wurde und aussah, als hätte sie eine Blume an. Ihre Maske hatte sie die Form eines Schmetterlings, der aus filigranen weiß und rosa lackierten Metallstreben geformt war. Ihre Haare trug sie leicht gelockt und nicht strubbelig, wie sonst.
„Komm mit, wir besorgen dir gleich mal was zu trinken.“
Sie packte meine Hand und zog mich zur Bar. Möglichst unauffällig hielt ich dabei Ausschau nach Alexander.
„Wehe du füllst mich wieder ab!“
„Ich hab dich nicht abgefüllt! Du hättest ja nein sagen können“, entgegnete sie breit grinsend. Verdammt, damit hatte sie Recht.
Nach einem Blick zu Domenico, um mich zu versichern, dass er mich nicht brauchte, setzten wir uns an die Bar und bestellten etwas zu Trinken. Kurz darauf traten zwei junge Männer zu uns. Wenn ich mich nicht irrte, waren es sogar Zwillinge.
„Guten Abend die Damen“, begann der, der direkt vor mir stand.
„Dürfen wir euch um diesen Tanz bitten?“, fragte jetzt der andere und beide verbeugten sich leicht. Nora und ich sahen uns kurz an und ich musste mich unweigerlich an Domenicos Bedingungen erinnern.
„Gerne“, antwortete ich und legte meine Hand auf seine. Auch Nora stimmte zu und wir ließen uns auf die Tanzfläche führen.
„Und?“ fragte mein Partner, als wir durch den Saal wirbelten. „Dürfte ich Ihren Namen erfahren?“
Ich versuchte kokett zu lächeln, was aber wahrscheinlich mächtig in die Hose ging.
„Würde das die Masken nicht überflüssig machen?“
Er schmunzelte nur milde.
„Sie haben natürlich vollkommen Recht. Sind Sie mit ihrer Freundin hier?“
Ich war mir nicht sicher ob er nur Smalltalk betreiben wollte oder eine lustige Fragerunde startete, aber um nicht merkwürdig zu erscheinen ging ich darauf ein.
„Nein, mit der Familie und wie sieht es bei Ihnen aus?“
Hinter seiner braunen Ledermaske konnte ich Augen erkennen, die die selbe Farbe hatten wie Alexanders und auch die Haarfarbe glich seiner auf den Ton genau.
„Gleichfalls. Haben Sie Geschwister?“
Ungewöhnliche Frage, aber gut warum sollten wir nicht weitermachen?
„Nein, aber sie scheinen ja mindestens einen Bruder zu haben.“
Sein Blick ging kurz zu Nora und dem Ebenbild meines Tanzpartners hinüber, bevor er antwortete.
„Sehr scharfsinnig, er ist mein Zwillingsbruder. Aber ich habe auch noch einen jüngeren.“ Einen Moment lang schwieg er.
„Verraten sie mir ihren Namen, wenn ich ihnen meinen verrate?“
„Vielleicht, versuchen sie es doch“, erwiderte ich mit einem leichten Lächeln.
„Tut mir Leid, aber Risiken gehe ich ungern ein.“ In diesem Moment endete das Lied. „Dann bleiben Sie heute Abend für mich wohl nur die ausgezeichnete Tänzerin im blauen Kleid.“
Er verabschiedete sich mit einem dahin gehauchten Handkuss und verschwand wieder in unter den Leuten. Ein Blick zu Domenico verriet mir, dass er mich beobachtet hatte. Mit einer Handbewegung bedeutete er mir zu ihm zu kommen.
„So so, noch nicht mal eine halbe Stunde hier und schon mit einem der Vorzeigezwillingen getanzt? Du bist gut.“
„Vorzeigezwilling?“
„Ja, Sebastian und Paul von Klint, Alexanders ältere Brüder. Sie waren von Anfang an Naturtalente und er muss ganz schön schuften um an sie heran zu kommen.“
Das erklärte Alexanders Reaktion in Klassenraum.
„Glaubst du er hat mich erkannt?“
„Natürlich, sonst hätte er dich wahrscheinlich gar nicht erst aufgefordert. Sie wissen wie du aussiehst.“
Ich konnte nicht antworten, da plötzlich ein Mann zu uns trat und dann war Domenico die nächste Stunde damit mich seinen Geschäftspartnern vorzustellen. Manche von ihnen forderten mich zum Tanzen auf und andere ließen mich lieber mit ihren Söhnen oder Enkeln tanzen. Das war ätzend! Als ich endlich entlassen wurde, drehte ich noch eine Runde mit Gino, weil er die ganze Zeit einfach nur so dastand und mit niemandem sprach. Danach wollte ich mich wieder auf die Suche nach Nora machen, wurde aber durch ein Tippen auf meiner Schulter aufgehalten. Ich drehte mich um, bereit denjenigen auf jeden Fall abblitzen zu lassen, falls ich wieder zum Tanzen aufgefordert wurde und fand mich vor einem nur zu gut bekannten Riesen wieder. Meine Vorhaben hatte sich schnell geändert!
„Nicolaj! Was tust du denn hier?“
„Wahrscheinlich das selbe wie du“, antwortete er lächelnd. Seine Maske war schlicht schwarz, mit einem feinen silbernen Rand und seine grünen Augen leuchteten dahinter hervor wie Smaragde. „Hab ich dir das Vorgestern nicht erzählt?“
„Nur, dass du über das Wochenende nicht da bist.“
„Hm... Naja, jetzt ist es ja egal und wenn wir beide schon hier sind... Würden Sie mir diesen Tanz schenken Krasavitsa?“, fragte er übertrieben höflich, mit der Andeutung eines Handkusses.
„Du bist der Erste heute Abend, dem ich ganz ehrlich mir einem 'nur zu gerne' antworten kann“, entgegnete ich lächelnd.
Es war großartig mit ihm zu Tanzen. Ich fühlte mich federleicht. Seine Hände schienen genau für meine gemacht zu sein und seine Schritte harmonierten perfekt mit meinen. Wir schienen eher über die Tanzfläche zu fliegen, als zu Tanzen und ich wünschte dieses Lied würde niemals enden.
„Übrigens“, sagte er plötzlich nachem wir eine weile geschwiegen hatten. „Du siehst umwerfend aus.“
Und schon stand mein Gesicht in Flammen.
„Dir steht dieser Anzug aber auch nicht schlecht“, antwortete ich betont locker. Bloß nicht rumstammeln!
„Ach, mir ist das zu eng.“
Ich hörte ihn nicht mehr, denn ich hatte Nora entdeckt und leider auch ihren Tanzpartner. Er trug eine schwarz-weiß karierte Maske, die aus Metall zu bestehen schien und ich spürte seinen Blick wie ein Brennen auf mir.
Verdammt! Die beiden bewegten sich auch noch auf uns zu. Ich versuchte Nicolaj in eine andere Richtung zu bugsieren, doch die beiden waren schneller. Verdammt! Verdammt! Verdammt! Alexander tippte Nicolaj auf die Schulter.
„Partnertausch?“
Nein, nein, nein! Bitte nicht! Ich schickte eintausend Stoßgebete zum Himmel, doch sie brachten nichts. Nicolaj stimme zu und Sekunden später wanderte meine Hand von seiner Schulter auf Alexanders. Nora zwinkerte mir zu und ich hätte sie am liebsten umgebracht, aber ich rang mich zu einem Lächeln ab. Sie durfte keinen Verdacht schöpfen!
„Warum muss das jetzt sein?“ Fragte ich gequält.
„Also bitte, ich kann doch nicht mit ansehen wie meine Liebste mit einem anderen Tanzt!“ Erwiderte er empört. Dieses miese, kleine... mir fiel leider gerade kein Schimpfwort ein, das ihn ausreichend beschrieben hätte.
„Ich hab mit deinem Bruder getanzt...“ begann ich vielsagend.
„Ich weiß. Ich tanze besser als er, ist es dir aufgefallen?“
„Aber natürlich, als würde mir das entgehen“ und mir entging auch nicht, dass die Hand, die eigentlich an meiner Taille liegen sollte, bei jeder Drehung ein wenig tiefer wanderte.
„Natürlich, du merkst ja alles sofort.“
Und schwupps, spürte ich seine Hand plötzlich an meinem nackten Bein. Verfluchte Schlitze!
„Upps, da ist ja jemand schwer bewaffnet“, berichtete er mir grinsend. Ich knirschte mit den Zähnen und zog ihn ein wenig näher an mich heran, bis meine Lippen fast sein Ohr berührten. Vom weiten sahen wir vielleicht aus wie ein verliebtes Paar, doch da wurde weit gefehlt.
„Wenn deine Hand da nicht gleich verschwindet, dann zeig ich dir gerne mal wie schwer ich bewaffnet bin“, flüsterte ich und mit einen Abschiedsklaps auf meinen Hintern verschwand sein Grapscher wieder aus meinem Kleid. Zu schade, dass es zu auffällig wäre ihn einfach umzulegen!
„Ist ja ganz nett da unten, meine Liebe.“
„Schwein.“
Ich krallte meine Fingernägel so tief in seine Hand, dass sie sogar etwas blutete. Immerhin ein wenig befriedigend.
„Uh, das liebe Mädchen hat also auch eine wilde Seite? Gefällt mir.“
Der Kerl ließ sich einfach nicht unterkriegen! Ich durfte mich nur nicht von seinen Sticheleien zur Weißglut treiben lassen. Das war es doch was er wollte!
Endlich war der Tanz zu Ende! So schnell es ging flüchtete ich zur Bar und kurze Zeit später gesellte sich auch Nicolaj wieder zu mir.
„Ihr beide... Das sah ja ganz schön innig aus...“ Begann er langsam. Verdammt, er hatte es gesehen. Innerlich starb ich ein kleines bisschen, er sollte doch nicht denken, dass ich etwas von Alexander wollte!
„Oh, das! Das war nicht so wie es aussah! Er hat mich begrabscht musst du wissen und ich wollte ihn möglichst unauffällig dazu bringen es zu lassen... Man muss hier ja keine Szene machen...“
„Wenn das so ist...“
„Es ist wirklich ganz und gar nichts zwischen uns“, betonte ich noch einmal. Auf der Tanzfläche sah ich Domenico und Magdalena umherwirbeln und auch Nora hatte sich einen neuen Tanzpartner besorgt. „Entschuldige mich kurz....“
Schnell sprang ich von dem Barhocker und ging zu den Toiletten, steuerte an ihnen vorbei und eilte einen leeren Gang entlang. Ich brauchte einfach eine Pause und wenn es nur für zwei Minuten war. Hinter einer großen Topfpflanze wollte ich mich kurz niederlassen, aber da war schon besetzt.
„Och nö, was tust du denn hier?“ Alexander hatte seine Maske abgenommen und sah in dem perfekt sitzenden Anzug und mit den ordentlich zurück gekämmten Haaren aus wie ein sehr junger blonder James Bond. Nein, nein, nein, nein, böse Gedanken! Raus aus meinem Kopf!
„Pokern, wonach sieht das denn aus?“ Oha, Mr. Bond schien gereizt zu sein.
„Willst du drüber reden?“, fragte ich probeweise, als ich mich neben ihn auf den Boden setzte.
„Mit dir?“
„Nur weil ich dich nicht mag, heißt es noch lange nicht, dass ich nicht zuhören kann.“
„Vergiss es“, antwortete er und verschränkte die Arme.
„War einen Versuch wert...“ Ein Knurren kam zurück. „Ach ja, wag es nicht mich noch einmal zu begrapschen. Das nächste mal spar ich mir sonst die Drohung.“
„Ich hab dich doch nur nach Waffen durchsucht.“
„Und mir auf den Hintern gehauen!“
„Erstens, es war ein Klaps und kein Schlag und zweitens war das als Kompliment zu sehen.“
„Ohh, ich fühle mich ja so geschmeichelt.“ Ich verdrehte die Augen und streckte meine Beine aus. Ein Fehler, denn schon hockte dieser Dreckskerl über mir und hatte mein Kinn mit einer Hand umfasst, sodass ich gezwungen war in anzusehen.
„Glaub mir Kleines, wenn du dein Cousin wärst, dann würde das ganz anders aussehen.“
„Ach, wäre ich dann schon tot?“
Sein Gesicht kam meinem näher.
„Worauf du dich verlassen kannst.“
Und bevor ich irgendetwas entgegnen konnte, lag sein Mund auf meinem! Oh, wie sich das anfühlte! Seine Lippen schienen Funken zu sprühen und er schmeckte so gut! In diesem Augenblick schien die Zeit einfach still zu stehen. Ich schloss die Augen und umfasste mit den Händen seine Arme...
Moment mal! Was tat ich da?! Entsetzt über mich selbst, grub ich meine Zähne so fest es ging in seine Unterlippe, stieß ihn von mir runter und rappelte mich auf.
„Du bist furchtbar!“, schrie ich, während ich meine Maske wieder aufsetzte. Er betastete seine Lippe und grinste mich dabei an.
„Dir schien es aber gefallen zu haben.“
Ich schnaubte und rauschte stocksauer zurück in den Ballsaal. Mein erster Kuss und dann noch von ihm! Nein, das zählte nicht. Durfte man das überhaupt Kuss nennen, wenn man den anderen gebissen hat? Bestimmt nicht. Wo war Domenico? Ich wollte nur noch nach Hause! Wie konnte dieses Arschloch es wagen mich zu küssen?!
Nach einigem Suchen fand ich ihn endlich mit Michael, Magdalena und Gino an einem Tisch sitzen.
„Sofia, wo warst du?“ Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und seufzte.
„Willst du nicht wissen... Können wir zurück Hause fahren?“
Domenico runzele die Stirn.
„Auf keinen Fall, in einer halben Stunde die Masken! Davor kann man doch nicht abhauen und außerdem ist der Ball dann eh vorbei. Liegt das etwa an deinem heißen Tänzchen mit Alexander?“
Oh wie gern hätte ich meinen Kopf auf die Tischplatte geschlagen. Wenn es nur das gewesen wäre!
„Gut, wenn wir nicht gehen suche ich jetzt Nicolaj!“
„Nicolaj Staraja?“, fragte Domenico plötzlich. Oh nein, das hieß nichts gutes, wenn mein Onkel seinen Namen kannte.
„Jah... Ist irgendwas mit ihm?“ Wenn es da oben irgendjemanden gibt, der Gebete erhört, was ich nach den letzten Wochen doch stark bezweifle, dann hätte ich jetzt alles getan, damit Nicolaj nicht auch zu dieser verkorksten Mafiageschichte gehörte!
„Oh nein... Ich hatte seinen Namen nur auf der Gästeliste gelesen... Deswegen hab ich gefragt.“ Lügner! Domenico hätte sich doch nie diesen Namen gemerkt, wenn er nicht irgendetwas zu bedeuten hätte!
An der Bar fand ich Nicolaj, der auf mich gewartet zu haben schien. Wie lang war ich überhaupt weg gewesen?
„Hey, tut mir leid es ist etwas... dazwischen gekommen.“ ...eine Zunge...
Wie von selbst fingen meine Lippen wieder an zu kribbeln.
„Kein Problem. Ist alles okay? Du wirkst... gestresst.“ Verrat dich nicht Sofia!
„Nein, es ist alles okay. Wollen wir nicht noch einmal tanzen? Oder vielleicht was trinken? Wenn wir schonmal hier an der Bar sind...“
„Tanzen wäre wunderbar, wenn wir nicht wieder unterbrochen werden.“
„Dafür würde ich wenn nötig mit Gewalt sorgen“, antwortete ich, sehr darauf bedacht, es scherzhaft klingen zu lassen. Ich musste mich unbedingt beruhigen!
Die nächste halbe Stunde flogen wir gemeinsam über die Tanzfläche und ich vergaß sogar für einen Moment den Zwischenfall mit Alexander. Es war wieder alles perfekt. Mal sehen wie lange... Nein, jetzt keine negativen Gedanken! Alles war gut. Plötzlich ertönte ein Gong und die Musik verstummte. Ein Mann trat auf eine Empore und klopfte gegen ein kleines Mikrofon.
„Es ist so weit! Es war ein wunderbarer Abend und ich möchte sie nun alle bitten, ihre Masken abzunehmen! Natürlich können wir Sie jetzt nicht einfach so gehen lassen und daher möchte ich die werten Damen bitten, ihre Maske mit dem nächsten Herren rechts von ihnen zu Tauschen!"
Nicolaj stand links von mir, also wandte ich mich von ihm ab um die Maske zu Tauschen. Ich hätte mir ja denken können, wer da plötzlich neben mir stand. Wie schaffte er das überhaupt?! Wurde der Kerl es denn nie Müde, mich zu nerven?
„Was macht die Lippe?“, fragte ich, als ich nach seiner Maske griff. Er hielt sie jedoch weiterhin fest und zog mich ein wenig zu sich heran.
„Sie tut weh. Möchtest du die Wunde küssen, damit es schnell besser wird?“
„Verzichte.“, damit ließ er die Maske los und nachdem ich ihn meine in die Hand gedrückt hatte, verschwand er. Zum Glück hatte Nicolaj nichts von der kleinen Unterhaltung mitbekommen.
Die Party war endlich vorbei, ich verabschiedete mich von Nora und Nicolaj und machte mich mit den anderen vier endlich auf den Weg nach draußen. Diese Nacht war lang genug gewesen.
Tag der Veröffentlichung: 09.11.2011
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