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Prolog


The Walking Dead handelt von den Auswirkungen einer Zombie-Apokalypse und folgt dabei einer kleinen Gruppe von Überlebenden um den Sheriff Rick Grimes, die versucht eine Erklärung für die Katastrophe zu finden und sich auf die Suche nach einer dauerhaften und vor allem sicheren Bleibe macht. Die Serie spielt in der Metropolregion von Atlanta, im Südosten der Vereinigten Staaten. Im Laufe der Zeit wird die Gruppe zwangsläufig immer kleiner, da manche Mitglieder den Zombies, welche von dieser Gruppe Beißer oder Streuner („Walker“) genannt werden, zum Opfer fallen. Während ihre Situation immer aussichtsloser wird, ist die Gruppe zu fast allem bereit, um zu überleben. Die Suche nach einem sicheren Ort führt die Überlebenden durch von Beißern überrannte Städte, durch Wälder, Militäranlagen und geheime Forschungseinrichtungen. Überall, wo die Gruppe hingelangt, ist die Seuche bereits ausgebrochen und hat nahezu alle Menschen in Beißer verwandelt. Dennoch findet sie vereinzelt auch andere Gruppen von Menschen, die sich ebenfalls zusammengeschlossen haben und teils friedlich, teils feindselig gesonnen sind.
Nachdem ein Mädchen aus der Gruppe der Überlebenden verschwindet, setzt diese alles daran, es zu finden und findet bei der Familie Greene auf einer Farm Unterschlupf. In der Scheune hält die Familie Greene eine Gruppe Beißer, die vom Familienvater Hershel nur für krank gehalten werden. Als die Gruppe dies herausfindet, tötet sie die Beißer und entdeckt dort auch das verschwundene und mittlerweile infizierte Mädchen, Sophia, das von Rick getötet wird. Die Gruppe muss sich nicht nur gegen Massen von Zombies wehren, sie hat auch mit Problemen und Spannungen einzelner Gruppenmitglieder untereinander zu kämpfen. Am Ende der zweiten Staffel wird die Farm von Beißern überrannt und die Gruppe inklusive der Familie Greene muss sich ein neues Versteck suchen, wobei am Schluss der letzten Folge ein festungsähnlicher Gefängniskomplex gezeigt wird.

Kapitel Eins.- Überleben


Mit meiner aller letzten Kraft zwang ich meine Beine nach vorn zu gehen. Schritt für Schritt. Bloß nicht stolpern. Ich musste sie finden. Ich musste ihn finden. Er war alles, wofür ich die letzten zwei Wochen kämpfte. Ich sagte mir selbst, dass aufgeben nichts bringen würde. Er würde dann für immer in dieser Welt zwischen Walkern und Einzelgängern leben.
Rick sagte immer „zusammen leben, alleine sterben“, doch so ganz stimmte es nicht. Ich habe durchgehalten und würde es auch weiterhin versuchen. Aber nicht ohne ihn. Letztendlich war es nicht vollkommen egal wo wir in der Nahrungskette standen. Die menschliche Rasse stand nämlich ganz oben. Walker bissen Menschen, die sich zu weiteren Walker vermehrten. Diese fraßen hauptsächlich Tiere oder noch lebende Menschen, die unachtsam waren.
Hershel glaubte an Adam und Eva, die zu zweit die ganze Menschheit erschufen und davon redete er ständig als wir bei ihnen auf der Farm lebten. Es war unerträglich. Hershel war nämlich der einzige der am Ende irgendwann eine gute heile Welt sah.
Ich fiel zu Boden. Hinter mir bemerkte ich krächzten und stöhnen. ‚Walker!‘, schoss es mir durch den Kopf und nahm mein Messer aus der zerrissenen Gürteltasche. Meine Beine bewegten sich wie von selbst. Ruckartig stand ich auf und drehte mich zu dem Walker. Unter der vermoderten Haut konnte man feine Züge eines damals wunderschönen Gesichts erkennen. An ihrem Körper hingen Hautfetzen und abgestandenes, geronnenes Blut war zu sehen. Ein hellblaues Nachthemd bedeckte Teile ihres verstümmelten Körpers. Mit einem Krächzten wollte sie mein zartes, blutüberströmtes Fleisch zwischen ihren Zähnen fühlen. Ohne mich. Ihr ausgeleierter Kiefer kam mir sehr nahe, doch ich rammte ihr Daryls Messer in den Kopf. Schnell zog ich es aus ihrem Schädel heraus und ihr schlaffer, schon tot gewesener Körper fiel auf den Waldboden. Nach dem Tod sollte man eigentlich nicht mehr existieren, doch aus einem bisher unerklärlichen Grund erwachten Tote wieder zum Leben.
Ich steckte das Messer wieder zurück in die Gürteltasche und ging voran. Dieser elende Kampf hörte nicht auf. Nach dem jetzigen Stand konnte ich noch nicht mal aufzählen wie viele von den widerwärtigen Kreaturen ich schon tötete, doch es reichte aus um zu Überleben.
Nach einer Weile erkannte ich die blassen Umrisse eines Maschendrahtzauns. Ich lag richtig mit der Vermutung, dass das Gefängnis nördlich lag. Ich hatte es fast geschafft. Wenn ich Glück habe dann erkannte mich einer der Wachposten und half mir an den Walker vorbeizukommen ohne zu viel Aufsehen zu erregen. Aber es war unmöglich. Mit dem ersten Schritt, den ich auf die Wiese setzte rochen sie mich. Sofort schossen deren Köpfe in meine Richtung. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich nahm das Messer in die Hand und rannte los. Ungefähr 20 Walker setzten sich in Bewegung um mein Fleisch zu kosten. „Rick!“, schrie ich mit voller Kraft. „Glenn!“ Dem ersten Walker stach ich das Messer in den Kopf und entfernte es wieder. „Rick! Öffnet das Tor!“, rief ich erneut und trat einen Mann von mir weg. Endlich erkannte ich Umrisse von Personen, die in Richtung erstes Tor liefen. Gleichzeitig nahm ich weitere Bewegungen am Waldesrand wahr. Eine braunhaarige Frau stürzte sich auf meine Kehle, doch ich rammte ihr das Messer in den Kiefer, um über den Gaumen in ihr Hirn zu gelangen. Schnell stieß ich den toten Körper von mir weg und rannte zum Tor. Irgendwie gelang es mir noch drei Walker zu töten, bis ich langsam merkte das ich keine großen Chancen mehr haben würde. Es wurden nämlich immer mehr. Ich wich langsam zurück anstatt anzugreifen, weil die Gefahr bestand, wenn ich dabei war einen zu töten, könnte ein anderer mich beißen.
Wie aus dem nichts hörte ich Maggie hinter mir schreien. Sie klopfte laut gegen den Drahtzaun und lief von mir weg. Sie schaffte es, denn der Großteil folgte dem Lärm. Mehrere Meter vor mir humpelten zwei Walker auf mich zu. Sie störte der Lärm nicht. Das viele Blut, dass ich am Körper hatte lockte sie an. „Halt durch Grace!“, hörte ich Ricks Stimme hinter mir aufgeregt sagen.
Mit schnellen Schritten ging ich auf den Mann zu. Ohne mit der Wimper zu zucken und mit voller Kraft stach ich ihm in den Kopf. Gerade als ich das Messer entfernen wollte, packten starke Hände meine Schulter. ‚Er würde mich beißen‘, schoss es mir durch den Kopf, doch plötzlich verschwand der starke Griff wieder.
Mit Mühe zog ich das Messer heraus und blickte zur Seite. Dem Walker, der meine Schulter gepackte hatte, steckte ein Pfeil im Kopf. Einer von Daryl’s Pfeilen. „Grace! Nun komm schon.“, schrie Rick und öffnete das Tor, damit ich durchkam. Ich zwang meine Beine auf die andere Seite des Zauns zu rennen, um in Sicherheit zu sein. Der Albtraum war zu ende. Ich war endlich bei meiner Familie angekommen. Nach zwei langen Wochen voller Schmerz und Qualen, die ich nicht mal annähernd definieren konnte, fühlte ich mich sicher. Sicher genug um ausatmen zu können.

Kapitel Zwei.- Sicherheit



„Glenn, hilf mir.“, bat Rick ihn. Ich konnte nicht beschreiben, was in den danach folgenden Momenten passierte. Ich beobachtete Rick und Glenn abwesend, wie sie versuchten die Ketten um das Tor zu befestigen. Ich erblickte die Gefängnishäftlinge wie sie Eisenstangen in die Köpfe, der am Zaun lauernden Walker stachen. Ich sah Maggie und Beth, wie sie die Walker wegtrieben. Doch irgendwas stimmte bei mir nicht.
Jede Faser in meinem Körper schrie, als ich endgültig wusste, dass ich in Sicherheit war. Mit einem Male war alles um mich herum verschwommen und meine Beine knickten ein. Alles in meinem Körper blockierte und ich konnte nichts daran ändern. Ich sah Umrisse und bemerkte Aufregung, doch mein Gehirn nahm nichts mehr auf. Jemand trug mich und legte mich auf etwas Weiches.
Ganz langsam kehrten meine Gefühle zurück und ich bekam wieder etwas mit. Die Umrisse bekamen Namen und Erinnerungen an die vergangene Zeit fraßen mich auf. Die aufgeregten Stimmen kamen mir mit einem Male wieder bekannt vor.
„Wurde sie gebissen?“, fragte Maggie hektisch.
„Ihre Augen sind offen. Ist sie verletzt?“, fragte einer der Häftlinge.
„Was ist mit ihr?“ Ich hörte jemanden der angerannt kam und nach meiner Hand griff. „Rick, bitte sag mir nicht, dass sie gebissen wurde.“, Daryl war außer Atem und ich spürte seine warme Hand auf meiner Stirn. „Sie hat zu viel Blut verloren und seit Tagen nichts mehr gegessen. Dazu kommen zahlreiche Verletzungen, die ihr mit einem scharfen Gegenstand zugefügt wurden.“, fing er an alles aufzuzählen. „Nein!“, wollte ich ihm sagen. Er solle aufhören. Alles in mir wollte Daryl schützen. „Rick, bring mich zu Hershel- alleine.“, brachte ich fast lautlos hervor und er verstand.
„Grace..“, flüsterte Daryl, doch ich strich ihm sanft über die Lippen. Rick nahm mich sanft auf den Arm und brachte mich in den bewohnten Block des Gefängnisses. Glenn half ihm die zwei Gittertüren zu öffnen und hinter ihm wieder zu verschließen.
Ich bemerkte erst jetzt, dass Rick in keiner guten Verfassung war und er sich ausruhen musste. Nach Loris Tod wusste niemand recht, in welchem Ausmaß er trauert, doch er konnte es nicht überwinden. Ich verstand ihn sehr gut. Wenn Daryl nicht mehr da wäre, dann würde ich nicht mehr weiterwissen, denn er ist mein einziger Grund zum Leben.
„Hershel.“, rief Rick und legte mich in den ersten Zellblock auf die Matratze. Mir fehlte einfach die Kraft um mich bewegen zu können. Krücken näherten sich. „Was ist passiert?“, fragte er und setzte sich zu mir. „Sie kam aus dem Wald und rief nach uns.“, erklärte Rick ihm schnell. Hershel nickte und blickte mich an. „Grace, kannst du mich hören?“, fragte mich der Tierarzt. Ich hauchte ein leises ‚Ja‘ und meine Sicht verschwamm. Hershel zog mir mein Top aus und begutachtete meinen geschundenen Körper. „Sie wurde nicht gebissen.“, fügte Rick hinzu und schaute zu dem Arzt. „Schon mal ein Anfang.. Grace, kannst du uns erzählen, was passiert ist?“, fragte er und nahm eine Mullbinde aus der Tasche neben ihm. Diese Zelle hatten wir für Lori und Hershel eingerichtet, als Lori das Kind hier entbinden sollte. Hershel gebrauchte sie aber auch schon mal, nämlich als er von einem Walker in den Unterschenkel gebissen wurde und Rick ihm sein Bein knie abwärts entfernen musste.
„Merle hat Maggie, Glenn und mich mitgenommen, als wir Babynahrung besorgen sollten. Er besaß eine Waffe. Südlich von hier liegt eine Stadt. Drumherum sind Mauern und sie haben Munition. Viel Munition. Und Essen.“, ich zuckte zusammen, als Hershel mir die Wunden reinigte und versorgte.
„Ich habe zu ihnen gesagt, dass ich ihnen alles sagen würde, was ich wusste, wenn sie Glenn und Maggie freiließen.“ Die Erinnerungen an die Zeit in Woodbury erdrückten mich.
„Als sie die beiden freiließen, versprach ich zu reden, doch ich tat es nicht und sie folterten mich.“, brachte ich hervor. Hershel drehte mich auf die Seite um sich meinen Rücken anzusehen. Scham und Verlegenheit kam über mich, als sie die Brandwunden betrachteten. Hershel legte mich vorsichtig wieder auf den Rücken. Ich musste versuchen mich nicht zu viel zu bewegen, denn dann sparte ich Kraft mit der ich reden konnte. „Rick, holst du bitte Maggie? Sie muss mir helfen.“, Hershels Stimme klang bedrückt. Rick stand auf und ich vernahm das Klicken von Stahl. Seine Schritte entfernten sich schnell und wir waren allein.
„Werde ich wieder gesund?“, fragte ich den Arzt leise. Dieser seufzte. „Körperlich wirst du gesund werden, aber ich weiß nicht, wie es mit deiner seelischen Lage sein wird.“, murmelte er und blickte mich mit seinen grünen Augen an. „Es wird alles wieder gut werden.“, antwortete ich und schaute zur Decke. Es war vielleicht eine Lüge, aber diese Lüge hielt mich aufrecht. Ich wusste, dass Daryl mich nicht anders kannte und deswegen musste ich durchhalten. Ich hatte es bis hier hin geschafft und alles nur damit ich sehen kann wie mein Leben in viele Einzelteile zerbrach.
Anfangs als die Menschen sich in blutrünstige, fleischfressende Kreaturen verwandelten wusste niemand genau, was das zu bedeuten hatte. Zu dem Zeitpunkt sah ich viele Leute sterben. Niemand wusste wie sich das Virus verhält, wie es übertragen wird oder wie es gestoppt werden kann. Und als man herausfand wie man die Walker töten konnte, da sammelten sich Menschenmassen um sie zu eliminieren. Sie gewannen am Ende, doch eine Person in der gesamten Gruppe verheimlichte den Biss und verwandelte sich. Diesmal jedoch brach es erneut aus, doch kaum jemand überlebte es. Soweit die Forscher es uns vor dem gesamten Zusammensturz jeglicher Normalität berichten konnten, waren alle fünf Kontinente davon betroffen.
Damals besaß die Welt 7 Milliarden Einwohner. Vor einem Jahr waren es nur noch geschätzte 2 Milliarden und zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht nur noch 10 Millionen.

Kapitel Drei.- Wahrheit



Jemand berührte leicht meinen Arm und ich wachte langsam auf. Plötzlich war ich hellwach und griff nach der Berührung. Ich rammte dem Arm, den ich gefasst bekam meine Fingernägel in die Haut und drückte immer fester zu. „Grace, ich bin es!“ Erschrocken blinzelte ich ein paar Mal und erkannte Maggie, die eine volle Mullbinde in der Hand hielt. Blut floss leicht ihren Arm herunter. „Es.. Es tut mir schrecklich leid.“, nuschelte ich leise und schlang meinen Arme um meinen Körper. Ich bemerkte, dass Hershel mir einen Verband um den Bauch und die Schultern gelegt hatte.
Ich war so weggetreten gewesen, dass ich selbst das nicht mehr mitbekommen habe. Ich hoffte, dass Daryl mich nicht so gesehen hatte. Ich setzte mich auf und schaute zu Maggie, die die Mullbinde gerade in die Ecke legt. „Haben sie euch etwas angetan?“, fragte ich sie und sie erstarrte. Dann drehte sie sich zu mir um und nahm auf dem Stuhl neben dem Bett platz.
„Ich hatte ihnen gesagt, dass sie euch in Ruhe lassen sollten.“, fing ich an, doch sie unterbrach mich. „Nein, nein. Sie haben uns nichts angetan, wirklich nicht. Aber-..“, Maggie stockte und drehte sich um. Hershel kam gerade auf seinen Krücken in die Zelle gehumpelt. Schweigend schaute er mich an. „Maggie kannst du Grace bitte ein Oberteil von dir geben?“, fragte er seine Tochter. Maggie stand auf und berührte sanft mein Bein, als sie ging.
„Gestern, als du Bewusstlos warst hast du etwas von einer Person namens ‚Merle‘ gesagt. Rick erzählte mir daraufhin, dass er Daryls tot geglaubter Bruder war.“, fing er an, doch ich schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid Hershel, dass ich euch Ärger eingebrockt habe, doch egal was ich gestern über Merle gesagt habe ist falsch. Er ist ein guter Mann.“, log ich. Daryl durfte nie erfahren, dass sein Bruder so ein mieses Schwein ist. Hershel sah mich schweigend an. Ich wusste, dass er mir nicht glaubte, doch der musste es wenigstens versuchen.
Maggie kam herein und gab mir ein graues Top von ihr. „Danke.“, murmelte ich und zog das zerfetzte Oberteil aus. Meine Hose war noch einigermaßen in Ordnung, obwohl viele Schnitte darauf zu erkennen waren. Das Jeansblau hatte sich in ein verwaschenes Blutrot verwickelt, doch das konnte ich im Moment nicht ändern.
„Ich werde jetzt Daryl aufsuchen. Wisst ihr wo er ist?“, fragte ich die beiden und stand langsam auf. Ich stand etwas wackelig auf den Beinen, doch ich stand. „Es wäre mir lieber, wenn du noch etwas liegen bleiben würdest, Grace!“, meinte Hershel mit strenger Stimme. Maggie seufzte. „Ich denke, Daryl wird auf der Wiese vor dem Wachturm sitzen. Dort saß er in den letzten zwei Wochen sehr oft.“ Ich bedankte mich erneut, dass er mich wieder zusammengeflickt hat und ging aus der Zelle heraus. Carl saß zusammen mit Beth am Tisch und fütterte das Baby. Beth sah mich und in ihren Augen sammelte sich Mitgefühl. Carl betrachtete mich und sein Griff um seine Waffe wurde fester. Ich lächelte ihnen leicht zu und verließ den Block und machte mich auf den Weg nach draußen ins Freie. In dem Aufenthaltsraum von dem aus man ins Freie kam hing ein zerbrochener Spiegel. Ich blieb wie versteinert davor stehen. Mein Anblick war schrecklich. Mein Gesicht war vollkommen weiß und überall waren Blutspritzer zu sehen. An meinen Armen waren Brandmale und riesige Schnittwunden. Das Blut kam durch den Verband an meinem Bauch und meine Oberschenkel waren aufgeschnitten. „Das haben die Männer aber gut hinbekommen.“, nuschelte ich leise und erschrak. Ich drehte mich leicht zur Ausgangstür und blickte auf meinen blutunterlaufenen Rücken. Sie hatten meinen Rücken mit einem heißen Hufeisen bearbeitet und mich mit dem Messer unzählige Male geschnitten. Ich wusste, dass ich verletzt war, aber nicht in dem Ausmaß.
„Wer hat das gut hinbekommen?“, fragte mich Rick und ich drehte mich ruckartig herum. Ich hatte nicht bemerkt, dass er an einem der großen Tische saß. Sonst war ich immer so wachsam gewesen und jetzt aufeinmal nicht mehr. Es war so, als hätte sich ein Schalter umgelegt und ich wurde plötzlich unvorsichtig. „Niemand.“, antwortete ich und vergaß die verletzte und blutverschmierte Frau im Spiegel. „Du hättest noch liegen bleiben sollen.“, meinte er und schaute auf das frische Blut an meinem Bauch. „Du machst die Walker hier verrückt.“ Er zeigt schlaff auf das Schild mit der Aufschrift ‚Block D‘. Der einzige Block um den sie sich noch nicht gekümmert hatten.
„Entschuldige.“, nuschelte ich und ging zur Tür. „Du musst ihm alles erzählen.“, rief mir Rick hinterher und ich drückte die Tür auf. Seine Worte ließen mich innerlich zusammenzucken.
Geblendet vom Sonnenlicht ging ich vorsichtig die Treppen herunter und lief zur Wiese. Aus dem Augenwinkel sah ich Glenn, der mich beunruhigt musterte.
Langsam ging ich zur Wiese hin und sah Daryl, wie er im Gras saß- seinen Bogen neben ihm. „Daryl.“, flüsterte ich und sein Kopf schnellte in meine Richtung. Seine wunderschönen blauen Augen schauten mich besorgt an. Er stand auf und schlang seine Arme um meinen Körper, dabei berührte er meinen Rücken und ich zuckte zusammen. Seine Muskeln waren bis ins letzte Detail angespannt und behutsam lockerte er seinen Griff wieder. „Es tut mir so leid, was dir angetan wurde.“, flüsterte er in meine Haare hinein. Mein Griff wurde fester. „Ich liebe dich.“, flüsterte ich. Ich war ihm so nahe, dass ich selbst seinen Herzschlag vernahm. Es hatte sich gelohnt durchzuhalten.
„Grace, ich bringe dich wieder rein. Du blutest.“, meinte er beunruhigt. „Lass uns bitte hier draußen bleiben. Nur noch für einen Moment.“, flehte ich ihn und nahm seine blutige Hand. Vorsichtig setzte ich mich in das weiche Gras und schaute ihn an. In meinem Kopf überlegte ich mir, wie ich ihm etwas erzählen konnte ohne ihn zu verletzten.
„Rick meinte, du hast die ganze Zeit als du Bewusstlos warst gesagt, dass du mir mit der Wahrheit nicht schaden möchtest.“, flüsterte Daryl leise. Es war die Wahrheit und ich konnte ihn nicht belügen. Genau das wollte Rick, dass ich ihm alles erzählen sollte. Er lockte mich in eine Falle in dem er Anfing Daryl die Wahrheit zu sagen, von dem was ich nicht wollte. Ich wollte nämlich nicht ihm die Wahrheit sagen, doch jetzt hatte ich keine Wahl mehr.
Daryl strich liebevoll über meine Wange. „Grace, bitte.“, hauchte er und küsste mich sanft. Es dauerte eine Weile, bis ich die richtigen Worte fand, doch sie klangen egal wie sie formuliert waren falsch. „Dein Bruder Merle ist am Leben.“

Kapitel Vier.- Entkommen



Daryls Augen verhärteten sich. Er schaute mich verwirrt an und lies meine Hände los, mit denen er kurze Zeit davor noch gespielt hatte. „Was?“, fragte er entsetzt. Unsicher, wie viel ich ihm von der Wahrheit erzählen sollte, fing ich an. „Glenn und Maggie haben dir nichts davon erzählt, weil sie es nicht durften. Ich habe es ihnen verboten.“, antwortete ich mit zitternder Stimme.
„Als wir aus dem Auto stiegen und Glenn die Türen zum Laden aufbrach sahen wir wie jemand eine Waffe auf uns richtete. Dann erkannte ich denjenigen wieder und er lachte. Merle ließ sofort seine Waffe fallen und fragte nach dir. Natürlich haben wir ihm erzählt, dass du noch am Leben bist, doch er glaubte uns nicht. Es war nicht seine Schuld, aber er konnte uns nicht vertrauen und meinte es wäre eine schreckliche Lüge, die wir ihm auftischen wollten. Ab da an merkte ich, dass die Situation außer Kontrolle lief.“, ich schaute auf das Gras neben uns. Ich musste ihm die Wahrheit erzählen.
„Er hielt Maggie eine Waffe an den Kopf und wir hatten keine andere Wahl.“
Ich stoppte und versuchte die Erinnerungen daran zu verdrängen, doch es klappte nicht richtig. Eine Träne rollte über meine Wange und Daryl wischte sie sanft weg. „Erzähl mir mehr.“, hauchte er leise und klang traurig. Sein Bruder war am Leben. Und genau dieser verschollene große Bruder kidnappte Menschen, die er mochte und liebte.
„Merle zeigte Glenn den Weg zu einer Stadt, die Woodbury heißt. Ein Mann, den die Leute dort nur mit Governor ansprachen, begrüßte uns herzlich vor den anderen. Später steckten sie uns in einen Keller und legten uns Stahlketten an. Walker waren neben uns festgekettet. Maggie und Glenn mussten mir versprechen, dass wenn sie hier raus sind, dass es niemand erfährt. Sie mussten einfach denken, dass es mir dort gut gehen würde und sie durften auf keinen Fall nach mir suchen.“, ich schluckte schwer.
Daryls Augenfarbe hatte sich von einem wunderschönen, funkelnden Hellblau in ein dunkleres Blau verwandelt. Jeder seiner Muskeln war bis ins letzte Detail angespannt. Die Wahrheit über das was in Woodbury geschah zerfraß mich. Meine Stimme war normal laut, doch sie hallte wie ein Echo über den ganzen Hof. Aus dem Augenwinkel sah ich einen Schatten und machte mich auf alles bereit, doch es war nur Rick, der mit seinem Sohn zu Glenn auf den Turm stieg. Sie würden die Wahrheit auch hören, denn kein Ton war zu hören, nur dieses widerliche Krächzten und Stöhnen, der Walker an den Zäunen.
„ Ich hatte keine andere Wahl. Von Anfang an nicht. Entweder sie oder ich.“, fuhr ich fort. „Ich habe mit dem Governor einen Kompromiss gemacht. Ich würde ihnen alles erzählen, aber nur wenn sie Glenn und Maggie ohne einen Kratzer gehen ließen. Sie bekamen ein Funkgerät, dass sie wenn sie frei und in Sicherheit waren wegschmeißen sollten.“, ich stockte und blinzelte mehrere Male, damit die Erinnerungen, die ich vor meinen Augen sah, verschwanden.
Daryl griff vorsichtig nach meiner Hand und ich erwachte. Nun kam der schwere Teil von der Wahrheit. Ich musste ihm erzählen, was sie mit mir gemacht hatten.
Hinter mir hörte ich Schritte und ich wusste, dass es alle gerne wissen wollten. Ich drehte mich leicht um und sah Hershel, der mit Maggie aus unserem Block kam. Wenn ich es jetzt erzählte, dann würden sie keine Fragen mehr stellen. Niemand würde mich mehr mit diesem Zeug belästigen. Ich klammerte mich an Daryls Hände und er nahm mich in seine Arme. Wir schauten auf den Wald. Niemand sagte ein Ton. Es fiel mir leichter zu sprechen, wenn ich Daryls Gesicht nicht sehen musste, aber er war da. Er hielt mich in seinen Armen und beschützte mich vor allem was kommen würde.
„Ungefähr einen Tag nachdem Maggie und Glenn laufen gelassen wurden, kamen zwei Männer und brachten mich in einen Raum. Dort ketteten meine Arme und Beine an einen Stuhl und riefen den Governor. Er fragte mich, wo unser Lager sei, wie viele Waffen wir hatten oder ob wir genügend essen besaßen. Genau in diesem Moment spielte ich mit Glenn und Maggies Leben. Ich hätte sie wahrscheinlich durch mein Schweigen umgebracht. Ich hoffte einfach nur, dass sie wirklich in Sicherheit waren und schwieg.“, sanft strich Daryl mir über meine aufgeschnittenen und verbrannten Arme.
„Sie haben mich mehrere Stunden täglich gefoltert. Als sie begriffen, dass das nichts brachte schnitten sie tiefer. Ich habe immer noch geschwiegen. Nach 8 Tagen in denen ich Merle sagte, du seist am Leben.. war seine Geduld am Ende. Ich schrie ihn an, dass ich dich liebte und dass er mir glauben sollte, doch das tat er nicht.“, Daryls starker Druck um mein Handgelenk riss mich aus der Trance.
„Es lag nicht an ihm. Er hielt mich für eine Lügnerin, verstehst du? Es war meine Schuld. Es war klar, dass er mir nicht glauben würde, dass du es mit den anderen durch den Winter geschafft hast. Außerdem waren wir alleine unterwegs, wir hätten für Außenstehende wie auf einer Durchreise ausgesehen. Er ist dein großer Bruder, der dich so sehr liebte, dass er selbst mir nicht glaubte. Er hätte es erst eingesehen, wenn du vor ihm gestanden hättest. Sei nicht wütend auf ihn. Sei froh, dass er lebt.“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Es war nicht ganz die Wahrheit gewesen. Daryl kämpfte innerlich, dass konnte ich ihm ansehen.
„Vertrau mir.“, flüsterte ich und schaute ihm abwesend in die Augen. Sein Blick glitt über meinen Körper. „Wer hat das getan?“, fragte er leise und seine Stimme bebte. „Männer, die es nicht verdient haben, dass man ihnen zu viel Aufmerksamkeit schenkt.“ Es war die Wahrheit. Wir hatten keine Chance, wenn wir sie angreifen würden, nur damit Daryl sich an ihnen für meine Wunden rächen konnte. Wir würden gegen die Männer mit den schweren Waffen verlieren ohne, dass wir die Chance dafür bekommen würden, nur in die Nähe des Governors zu kommen.
Daryls Augen blieben an meinem Oberteil hängen. „Haben sie-?“, er brach ab und berührte meine Wunde an der Rippe. Ich blickte zu seiner Hand, die mit frischem Blut verschmiert war. „Haben sie dich angefasst?“, seine Stimme war weniger als ein Flüstern. „Nein, nein haben sie nicht.“, antwortete ich genauso leise. Ich bemerkte, dass sich jemand uns näherte.
„Wie hast du es geschafft zu fliehen?“, fragte Rick, der mit langsamen Schritten auf uns zukam. Seine Miene war hart. „Wie bitte?“ Ich verstand zwar seine Frage, doch mein Gehirn realisierte es nicht. Ich wusste nicht warum, aber Rick zweifelte. Meine Augen schweiften zu seinem Messer, was er umklammert hielt. „Wie hast du geschafft zu fliehen?“, schrie er mich an. Glenn stand von seinem Wachposten auf und lief die Treppen herunter.
Ohne wirklich zu wissen, was ich tat stand ich auf. „Glaub mir, dass willst du nicht wissen.“, sagte ich leise und schaute in seine Augen. Daryl stand neben mir. Genauso wie ich, sah er Rick’s Hand an seiner Gürteltasche. Rick kam mir so nahe, dass ich seinen aufgeregten Atem auf meiner Haut spüren konnte. „Wie hast du es geschafft zu fliehen?“, fragte er mich erneut. „Ich musste..“, ich stockte, dann sah ich zu Daryl, der angespannt neben mir stand. Jeden Moment bereit einzugreifen.
Dann merkte ich nur noch, dass meine Beine den Kontakt zum Boden verloren hatten und ich mit dem Rücken auf das Gras knallte. Ich rutschte noch wenige Meter, bis ich endgültig zum Stehen kam. Mein ganzer Körper brannte wie Feuer und ich krümmte mich leicht. Tränen schossen mir in die Augen und ich blinzelte sie schnell weg. Daryl verpasste Rick einen heftigen Fausthieb und Rick ging in die Knie. Ich sah wie Glenn dazwischen ging um Daryl von Rick wegzudrücken.
„Ich musste kämpfen. Gegen alles was mir in eine große Lagerhalle gebracht wurde. Ich musste es bekämpfen und vernichten.“, schrie ich und Rick erstarrte. „Sie hatten meine Füße mit Ketten befestigt und mir ein harmloses, stumpfes Messer in die Hand gedrückt. Meist waren es nur Walker, die ich auf bestialische Weise ermorden musste. Doch dann war es ein Junge. Er war gerade mal 15 Jahre alt. Er hatte gegen das oberste Gesetz verstoßen und hat die Mauern verlassen. Er sagte mir, dass der Governor seinen Eltern berichtete, dass er über die Mauer gesprungen sei und dann von einem Walker getötet wurde. Merle wollte, dass ich sie zuerst alle kampfunfähig machte und später langsam umbrachte. Jeder der in diese Halle geschickt wurde musste erst brutal verletzt und dann gefoltert werden. So waren die Regeln. Nur so durfte ich freigelassen werden.“ Meine Stimme wurde gegen Ende leise.
Nun wusste jeder, dass ich ein Monster war. Sie konnten sich vorstellen, dass ich alles was in meiner Macht stehende getan hatte, nur um zu überleben. Daryl half mir langsam wieder auf die Beine. Die meisten verkrusteten Schnitte, sind durch den Fall aufgeplatzt und bluteten. Rick sah mich an. „Ich musste kämpfen, Rick und ich wünschte, ich hätte es nicht getan.“, meinte ich leise zu ihm und ging langsam an ihm vorbei. Glenn ging hinter Daryl her, der Anstalten machte Rick noch einen Fausthieb zu verpassen. Gedankenverloren nahm ich seine Hand. Ich würde ab heute Abstand zu Carl, dem Baby und Rick halten. Ich würde in nächster Zeit Abstand von allen halten. „Ich werde in Block B ziehen.“, nuschelte ich leise. Nach wenigen Schritten, bemerkte ich, wie meine Beine wackelig wurden und der Boden unter meinen Füßen verschwand. In diesem Moment wünschte ich mir, ich wüsste, wer mich auffing oder ob mich jemand aufgefangen hatte, aber ich wusste gar nichts mehr. Mein Körper fiel in eine unendliche Schwärze, die sich schwer auf meinen Körper legte und mir das Atmen verbot.
‚Ich hätte liegen bleiben sollen‘, war mein letzter Gedanke, bis die Schwärze meinen Verstand verschlang.

Kapitel Fünf.- Freiheit



Ich wusste nicht mehr, wie lange mich die Schwärze umhüllte, doch als ich nach langer Zeit die Augen öffnete, erkannte ich erst nichts. Das Licht war so hell, dass ich glaubte ich sei im Himmel. Ich blinzelte mehrere Male und Umrisse waren zu erkennen. Ich war nicht im Himmel. Ich war in derselben Zelle, in der ich nach meiner Ankunft gebracht wurde.
Erschrocken fuhr ich hoch, als ich mich daran erinnerte, was passierte. „Daryl.“, versuchte ich zu sagen, doch es kam nur ein Flüstern heraus. Mein Hals war ganz rau und mein Magen meldete sich lauthals. „Dad, sie ist wach.“, hörte ich eine helle Stimme sagen. Ich schaute zu Maggie, die in der Tür stand und leicht lächelte. Mir kam es so vor, als ob ich diese Situation schon öfters erlebt hatte, doch ich erinnerte mich nicht daran.
Hershel kam auf seinen Krücken in den Raum und schaute mich fragend an. „Du bist wach, oder?“, fragte er mich und ich blickte verwirrt drein. „Natürlich.“, flüsterte ich und setzte mich ins Bett. Maggie blieb in der Tür stehen. Hershel setzte sich auf den Stuhl, der etwas weiter von meinem Bett entfernt stand. Mit einem Male wurde mir kalt ums Herz. Ich schaute erneut zu Maggie und erstarrte. An ihrem Arm war eine lange Kratzspur.
„War ich das?“, stotterte ich und Maggie schaute weg. „Es tut mir so leid.“, meinte ich und stand auf. Maggie wich reflexartig zurück. Verwirrt und gleichzeitig verletzt schaute ich zu Boden. Im selben Moment näherten sich Schritte und Glenn stand neben Maggie.
Niemand sagte ein Ton. Mein ganzer Körper schmerzte, doch ich ging langsam zur Tür. Ich musste einfach hier raus. Glenn stellte sich vor Maggie, doch ich beachtete die beiden nicht. Beth saß mit dem Baby auf dem Arm neben dem Tisch. Genauso langsam ging ich zum Tisch und nahm mir ein trockenes Brot und eine Plastikflasche mit Wasser. Beth umklammerte das Baby, als würde ich es ihr jeder Zeit aus der Hand reißen. „Ich weiß nicht, was ich getan habe. Ich kann mich nicht mehr erinnern, aber es tut mir leid.“, sagte ich in normaler Lautstärke und verließ den Zellenblock. Genau genommen, wollte ich nicht mehr zurück- denn egal was ich getan hatte, sie fürchteten sich vor mir. Im Aufenthaltsraum saßen die zwei Häftlinge und sahen mich an. Erst als ich flüchtig an dem Spiegel vorbei ging, blieb ich stehen und bemerkte, dass ich andere Sachen trug. Maggie hatte mir ihre dunkelgraue Jeanshose und ihr schwarzes Top angezogen. Auf meinen Wunden waren Krusten zu sehen und ich wunderte mich, wie lange ich Bewusstlos war. Die beiden Männer betrachteten mich. „Wie lange war ich weg?“, fragte ich die beiden und schaute meinen Rücken an. Er sah immer noch fürchterlich aus. ‚Warum bekam ich kein großes T-Shirt, was alle Narben verdecken würde? ‘, fragte ich mich leise. Daryl würde es bestimmt ein wenig besser gehen, wenn er nicht die ganze Zeit auf meine Wunden schauen musste. „Vier Tage.“, antwortete mir der dunkelhäutige Mann und nahm seinen Blick nicht von mir. Dankend nickte ich ihm zu und ging ins Freie.
Als ich die Außentür aufdrückte sah ich niemanden. Selbst auf dem Wachposten war niemand. Eine riesige Wolkendecke bedeckte, den sonst so blauen Himmel. Die Walker drückten sich immer noch gierig gegen die Zäune. Unsicher betrat ich den Hof und sah mich um. Rick und Daryl waren nicht zu sehen. Die Laute der Walker wurden lauter. Dieses Krächzten, als ob sie etwas sagen wollten. Am Anfang bekam ich Gänsehaut, doch ich gewöhnte mich dran. Auf Hershels Farm war es die vielen Monate so ruhig gewesen, dass man sich sogar vorstellte Vögel zu hören, obwohl sie in der Gegend nicht mehr existierten. Es war alles bis zu dem Zeitpunkt friedlich, bis eine riesige Horde Walker die Farm überrannte und viele von uns tötete.
Erneut rissen mich die Geräusche am Zaun zurück in die Gegenwart. Mittlerweile hatte sich die Horde am Zaun deutlich vergrößert, vielleicht auch aus dem Grund, dass die Walker meiner Blutspur folgten, die ich vor drei Tagen zurücklegte.
Entschlossen schnappte ich mir eine Eisenstange, dessen Ende spitz war und lief in Richtung Zaun. Ich war schon auf halbem Weg, als ich leise Stimmen vernahm. „Sie hat uns angegriffen. Es ist zu gefährlich sie in die Nähe von Carl und dem Baby zu lassen.“ Es war Ricks aufgeregte Stimme. „Bist du jetzt total verrückt? Sie hat dort zwei Wochen die Hölle durchleben müssen, nur weil sie schwieg. Sie rettete Glenn und Maggie das Leben! Verdammt noch mal zählt das denn gar nicht?“, erklang Daryls wütende Stimme. Die beiden standen auf der Wiese vor dem zweiten Wachturm. Daryl hatte sich seine Armbrust auf den Rücken geschnallt und schlug wütend neben Ricks Kopf in die Wand. Ich wollte mich nicht verstecken und gleichzeitig auch nicht erkannt werden. Langsam ging ich den ersten Maschendrahtzaun entlang. Um mehr verstehen zu können, lehnte ich mich gegen die Betonwand des Turms. Keiner von beiden sah mich.
„Rick, hör mir ganz genau zu. Sie sagte selbst, dass sie den Block verlassen werde und ich werde ihr folgen. Egal, ob es ein andere Block ist, oder ob du sie hier nicht mehr haben möchtest. Ich werde ihr Folgen und wenn es sein muss auch außerhalb dieses Zauns. Aber dann würdest du zwei gute Kämpfer verlieren, die entweder deiner Familie schaden könnten, oder die deine Familie beschützen würden - egal was du sagst. Ich werde sie nicht noch einmal verlieren.“ Daryl wurde leiser und verstummte zum Schluss.
Als ob ihnen jemand gesagt hätte, dass ich da stehen würde schauten sie mich an. Ich erstarrte. Das hatte ich nicht wirklich getan. Unter Daryls linkem Auge ragte eine lange, tiefe Kratzspur.
„Es tut mir so leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“, hauchte ich. Rick lachte sarkastisch. Daryl warf ihm einen wütenden Blick zu und bewegte sich mit langsamen Schritten in meine Richtung. „Halb so schlimm.“, meinte er und berührte meine Hand. Als ich nicht reagierte, zog er mich in seine Arme.
„Was willst du mit der Eisenstange?“, fragte er und küsste mein Haar. „Walker töten.“, gab ich leise zu und schmiegte mich an seine Brust. Ich hörte wie Rick einen großen Bogen um uns machte und zurück zum Hof ging. „Sie hassen mich.“, flüsterte ich und beobachtete Daryls Herzschlag. Er strich mir sanft über den Rücken und obwohl es schmerzte genoss ich die Berührung.
„Du hast dich verändert- zu Recht und daran müssen sie sich erst einmal gewöhnen.“, antwortete er und atmete in meine Haare. „Ich wünschte, ich könnte wieder dieselbe Person sein, die vor einer halben Ewigkeit in das Auto von Maggie und Glenn gestiegen ist.“, murmelte ich und umfasste ihn mit beiden Händen. „Dann hätte ich Maggie und dich nie verletzten können und müsste nicht damit rechnen, dass mich alle für ein Monster halten.“

Kapitel Sechs.- Leben


„Na los, wir müssen ein paar Walker töten.“, meinte ich und grinste leicht. Daryl schob mich leicht von sich weg und beäugte mich. „Geht es dir gut?“, fragte er mich beunruhigt. „Jetzt komm schon.“, meckerte ich und wich seiner Frage aus. Ich umklammerte die Eisenstange und zog Daryl hinter mir zum ersten Tor. Geschickt öffnete ich das Schloss und ging hindurch.
„Was habt ihr vor?“, fragte Rick und kam angelaufen. Ohne ihn zu beachten, schloss ich das Tor und ging zum Außenzaun. „Daryl!“, rief Rick. Mit einem leichten Lächeln blickte ich zu meinem Partner. Die Walker drängten sich gierig an den Zaun und griffen durch die winzigen Löcher. Mit voller Wucht rammte ich die Eisenstange durch die Vierecke- direkt zwischen die Augen einer damaligen jungen Frau. Ich schaute zu Daryl. Er nahm das Messer, das ich eine Zeit lang besessen hatte und drückte es einem weiteren Walker in die Stirn.
Die Untoten sammelten sich vor dem Zaun an dem wir standen und drückten dagegen. Wenn die meisten Infizierten unfähig gemacht wurden, mussten wir die Leichen auf einen Haufen packen und verbrennen. Als ich dem dritten Walker die Eisenstange in den Kopf schlug und herausziehen wollte, verlor ich die Stange. Aus Reflex wollte ich danach greifen, doch schnell zog ich meine Hand zurück, als die Walker danach greifen wollten. Die Stange steckte noch immer in dem Kopf des Beißers. „Verdammt.“, fluchte ich und schüttelte den Kopf. „Nimm den.“, meinte Daryl und reichte mir einen Pfeil seiner Armbrust. „Danke.“, nuschelte ich. Der Pfeil ließ sich schwerer rausziehen, doch hatte die gleiche Wirkung wie die Stange.
Meine Gedanken schweiften zu dem Moment in dem ich zu Maggie und Glenn ins Auto stieg. Ich hatte Daryl einen Abschiedskuss gegeben. Wir wiederholten unser Ritual immer wenn wir uns trennten, denn niemand wusste, ob derjenige jemals wieder kommen würde.
„Grace, sie sind tot. Du kannst den Pfeil loslassen.“, hörte ich jemanden sagen. Ganz langsam nahm ich die Stille um mich herum wahr. Verwirrt schaute ich zu Daryl, der mit einer erhobenen Hand vor mir stand und mir den Pfeil abnehmen wollte. Als ob ich mich verbrannt hätte, ließ ich ihn fallen und schaute ihn mit erschrockenen Augen an. Hinter dem Zaun erblickte ich die toten Leichen.
„Wir müssen sie verbrennen.“, nuschelte ich und wollte an Daryl vorbeigehen, doch er hielt mich am Arm fest. „Dir geht es nicht gut.“, stellte Daryl fest und ich lächelte. Schnell wollte ich ihm diesen Gedanken austreiben, doch ich versagte. „Lass mir einfach nur Zeit.“, versuchte ich mich zu verteidigen. Ich hielt inne und schaute ihm ins Gesicht. Sanft strich ich ihm über den Kratzer und küsste seine Wange. Daryl hielt mein Gesicht fest und küsste mich leidenschaftlich. Ich lächelte leicht und wandte mich kurze Zeit später wieder den Leichen zu. Schnell entfernte ich den Draht, der die Öffnung zusammenhielt und schlüpfte hindurch.
Die toten Walker wogen kaum etwas, trotzdem schmerzte mein Rücken als ich ihn anspannte. Ich weiß nicht, wie Daryl es bemerkte, aber er schubste mich leicht zur Seite. Als er die meisten Leichen auf einem Haufen hatte, drehte er sich zu mir um. „Ich werde eben Benzin holen.“, sagte er und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich konnte ihm anmerken, dass er es für unangenehm empfand mich hinter dem Zaun alleine zu lassen, doch er hatte keine Wahl. Ich war zwar verletzt, aber immerhin eine gute Kämpferin. Als Daryl im Gebäude verschwand, hörte ich ein allzu bekanntes Geräusch. Ohne nachzudenken, drehte ich mich um und suchte den toten Körper in dem die Eisenstange steckte. Der Walker, der aus dem Wald kam, humpelte auf mich zu. „Verdammt, wo ist diese Stange?“, fluchte ich und wühlte in den toten Körpern herum.
Als der Walker nur noch wenige Meter von mir entfernt war, vergaß ich das Messer und machte mich bereit. Ich ging ihm ein wenig entgegen, da er nicht so nah an die Öffnung kommen durfte. Mit voller Kraft trat ich gegen das Knie. Er krächzte, als er zu Boden fiel. Sein Knochen ragte aus seiner Wade heraus. Sein Kopf suchte vergeblich das zarte Fleisch an meinen Beinen, doch ich trat fest zu. Sein Kopf drehte sich unnormal zur Seite, doch seine Arme griffen erneut nach mir.
Mit den Augen suchte ich nach der Stange in dem Haufen, doch sie war nirgends zu sehen. Der Walker zog sich mit seinen schlaffen, abgemagerten Armen über die Wiese in meine Richtung. Mit jeder Sekunde wurde ich nervöser. Ich hatte in den vergangenen 14 Monaten noch nie einen Walker ohne einen scharfen Gegenstand getötet und wusste bis jetzt auch nicht, wie ich es anstellen sollte.
Ungeduldig schaute ich zum Hof und erkannte wie Daryl mit einem Kanister in der Hand aus der Tür kam. Ich hoffte, er sah meine Notlage. ‚Ab sofort, trage ich egal wo ich hingehe ein Messer an dieser verfluchten Gürteltasche. ‘, schwor ich mir und machte einen Schritt rückwärts.
Daryl war schon beim ersten Tor angelangt und rannte über die Wiese. Ich trat dem Walker erneut gegen den Kopf und sah wie das schwarze Blut an seiner Kehle lief. Hinter mir hörte ich, wie Daryl seine Armbrust spannte und schoss. Der Pfeil traf den Walker direkt in den Kopf.
„Verfluchte, Viecher!“, schnaufte ich und drehte mich zu Daryl um. Dieser lachte leicht. „Und du hattest nicht daran gedacht auf die andere Seite des Zauns zu kommen und das Loch schnell zu verschließen?“, fragte er mich ein wenig verwirrt. Ich grinste. „Eigentlich hatte ich gehofft, ich würde die Stange wiederfinden.“, gab ich nur zu, zog den Pfeil heraus und reichte ihn Daryl.
Nach kurzer Zeit brannte der Haufen und ich verspannte den Draht in der Öffnung, damit sie geschlossen blieb. „Fast gestorben, aber mal wieder haben wir die Situation super gemeistert.“, grinste ich und versuchte ein wenig zu Scherzen. Daryl lachte kurz und verstummte. „Ich muss mit dir reden.“, sagte er ernst und lief neben mir her. Langsam machten wir uns auf zum nächsten Tor. „Schieß los.“, murmelte ich und wurde unsicher. Daryl schaute auf das Gras.
„Als du Bewusstlos warst-.“, er stockte und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Als du Bewusstlos warst, hast du um dich geschlagen. Daher haben wir die Kratzer. Maggie wollte dir etwas Frisches anziehen, doch du hast geschrien sie soll aufhören.“ Mit einem Male erstarrte ich. Meine Füße bewegten sich nicht weiter und ich stockte.
„Deine Augen waren geöffnet und du schautest mich an. Du meintest, wie sehr du mich hassen würdest und dann sagtest du Merle.“ Mein ganzer Körper wehrte sich gegen die Erinnerungen, die Daryls Worte in mir weckten. Sanft hob er mein Kinn und zwang mich somit in seine Augen zu schauen.
„Du sagtest zu mir, ich solle ihm verzeihen. Ich solle ihm verzeihen, was er dir zugefügt hat. Welche Schmerzen du wegen ihm erleiden musstest. Aber ich könnte ihm nie verzeihen, wenn er dich angefasst hätte.“

Kapitel Sieben.- Beseitigung



Mit einem Lächeln versuchte ich der Frage zu entgehen. Irgendwann im Traum, würde ich ihnen alles erzählen. Unsicher nahm ich seine Hand. Behutsam legte ich sie an die Stelle wo mein Herz schlug. „Ich hoffe, du spürst wie mein Herz schlägt, denn du warst der, der es am Leben hielt.“, nuschelte ich und sah ihm in die Augen. Daryl bewegte sich nicht.
„Mir geht es gut, verstehst du? Genau jetzt.“, gab ich leise zu und blickte zum Zaun. Zwei neue Walker bewegten sich auf den brennenden Haufen zu. „Daryl!“, schrie Glenn vom Hof aus und winkte uns zu. Daryl schwieg, ging über die Wiese und öffnete geschickt das erste Tor. „Es ist nichts passiert, verstanden?“, rief ich ihm hinter her und blieb weiterhin stehen. Glenn hatte nach Daryl gerufen und ignorierte mich. Ohne darauf zu achten, ob ich erwünscht war, lief ich Daryl hinterher.
„Wir müssen sie heute vernichten. Langsam versprechen die Türen-...“, Rick stoppte und lies sein Blick nicht von mir. Jeder aus unserer Gruppe schaute mich an. Ich blickte zu Boden und drehte mich um. Gerade als ich gehen wollte, stoppte Glenn mich. „Grace! Warte.“, fing er an und sah zu Maggie. „Rick, wir können das nicht mehr.“, nuschelte Maggie entschuldigend. Verwirrt drehte ich mich um.
„Es war unsere Schuld. Wir dürfen sie nicht ausschließen, nur weil wir denken, dass es das Beste für die Gruppe wäre. Als Merle uns am zweiten Tag aus dem Keller holte und an den Tisch fesselte, wussten wir nicht was wir sagen sollten. Er fragte uns nach Daryl und warum wir behaupteten, dass er noch am Leben sei. Ohne nachzudenken erwähnten wir die Beziehung zwischen dir und Daryl.“, Glenn stockte. „Es tut uns so leid.“, Maggies Stimme klang traurig. Mein ganzer Körper war erstarrt. Ich bemerkte, wie Daryl seine Armbrust fest umklammert hielt. „Deswegen haben sie euch gehen lassen? Weil sie wussten, dass ihr sie nicht weiterbringen würdet.“, stellte ich leise fest und atmete ruckartig aus. Rick sah zwischen Maggie und Glenn hin und her. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich hatte gehofft, ich würde sie nicht verletzten indem ich schwieg. Ich bat alles in mir um Hilfe, dass sie in Sicherheit waren, doch im Nachhinein brachte es nichts. Sie hatten mich verraten. Ich verdrängte die Gedanken und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
„Ist schon in Ordnung.“, nuschelte ich leise und stellte mich hinter Daryl. Rick schüttelte leicht den Kopf. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Glenn Maggie in seine Arme schloss. Die beiden bereuten es, das erkannte ich. Von hinten griff ich in Daryls Gürteltasche und zog sein Messer heraus. Als ich meinen Kopf leicht gegen seinen Rücken lehnte, spürte ich wie angespannt er war.
Rick atmete heftig aus. „Carl, du bleibst mit Hershel, Beth und dem Baby in unserem bewohnten Block und schließt die Tür ab.“, befahl er. „Maggie, bleibst du bei Carl?“ Maggie schüttelte den Kopf und ergriff Glenns Hand. „Bist du bereit, Grace? Können wir uns auf dich verlassen?“ Ich nickte leicht. Unsicher nahm Rick seine Waffe und reichte sie mir. „Ich habe ein Messer.“, antwortete ich schlicht und stellte mich neben Daryl. Ich bemerkte, wie Carl Beth seine kleine Schwester reichte und in seine Gürteltasche packte. „Nimm die, ich habe Moms.“, meinte er und gab mir seinen Revolver. Rick schaute hilfesuchend durch das Fenster und versuchte den Blicken der anderen auszuweichen. Carl war stärker als sein Vater. Er erschoss seine Mutter und blieb stark. In dieser Hinsicht bestand eine Ähnlichkeit.
Dankend nahm ich die Waffe entgegen. Daryl ergriff meine Hand und drückte sie leicht. „In 10 Minuten, werden wir den Block säubern.“, murmelte Rick und verließ den Raum. Carl suchte den passenden Schlüssel für den Zellenblock aus seiner Tasche heraus.
Sanft zog Daryl meinen Kopf zu sich und schaute mir in die Augen. „Meinst du, du schaffst es?“, fragte er mich. Ich versuchte leicht zu lächeln, doch ich versagte. „Wir schaffen das.“, gab ich zu und ergriff seine zweite Hand. Sanft stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn leidenschaftlich. Unser Ritual, denn in diesem Block waren die meisten Walker.
„Passt auf euch auf.“, meinte Rick und öffnete die Tür. Sofort sprang sie auf und ausgehungerte Walker stürmten uns entgegen. Es waren gerade mal 5, die die kleine Truppe schnell erledigte. Daryl und Rick bildeten die Spitze und sicherten die Räume. Danach kamen Maggie und Oscar. Zum Schluss kamen Glenn, Axel und ich. Das Gefährlichste war, dass das Gefängnis mehrere Gänge hatte- wie ein Labyrinth. Walker konnten von allen Seiten kommen und bevor man sich versehen konnte, war man tot.
„Walker von rechts!“, rief Glenn und ich handelte sofort. Flink rammte ich ihm das Messer zwischen die Augen und er fiel sofort in sich zusammen. Es war ein erleichterndes Gefühl, wenn man wusste, dass es ein Infizierter weniger gab. Nebenbei hörte ich, dass mehrere Bogen abgeschossen wurden. Immer wieder spannte Daryl den Boden neu. „Zurück!“, schrie er plötzlich und ich rannte rückwärts. Wir durften nicht denselben Weg zurück nehmen, denn die Gefahr bestand, dass die Walker sich in verschiedene Richtungen aufteilten und wir sie in die sauberen Blöcke jagten.
„Verflucht, es werden immer mehr!“, rief Rick und drängte uns schneller rückwärts zu gehen. Es war gar nicht so einfach, denn die Beißer kamen aus den Räumen und aus den vielen Gängen auf uns zu. Geschickt tötete ich die Walker und leuchtete mit der Taschenlampe in die Räume. Wenn ich sah, dass sich ein oder mehrere Walker in dem Raum befanden riss ich die Tür auf und Axel oder Glenn erledigten sie anschließend. Gerade als ich die Gruppe um die Ecke führen wollte, kamen drei Untote auf mich zu gerannt. Ich trat einen Walker heftig von mir weg und versenkte das Messer in den Kopf einer jungen Wärterin. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Axel sich den zweiten Walker vorknöpfte. Ich versuchte mich nicht ablenken zu lassen, doch ich sah wie ein Beißer Daryl mit dem Rücken an die Wand drückte und seine Zähne in seinem Hals versenken wollte. Genau in diesem Moment realisierte mein Verstand, dass der Walker vor mir nicht einfach zu töten war. Er sah aus wie ein Mann von der Sicherheitsabteilung, denn er trug eine verrottete, kugelsichere Weste und einen Helm, der den größten Teil seines Kopfes bedeckte. Der Walker war trotz seines ausgehungerten Körper ziemlich groß und ich versuchte den Helmschutz hochzureißen, doch ich wurde nach hinten gedrückt. Auf einmal stolperte ich über die Leiche der Wärterin und fiel zu Boden- der untote Körper des Sicherheitsbeamten auf mir. Mein Körper schmerzte und ich versuchte meine Hände gegen seine Kehle zu stützten, damit er mir nicht zu nahe kam- vergebens. Mein Messer lag ungefähr einen halben Meter hinter mir und es war unmöglich in irgendeiner Weise dranzukommen. Ich nahm eine Hand von seiner Kehle und suchte die Waffe, die in meinem Gürtel steckte, doch ich kam nicht dran. Wild versuchte der Walker mit seinen Händen mein Gesicht zu erreichen, doch diese waren so verunstaltet, dass sich nur noch ein kleiner Teil davon bewegen konnte.
Alle Möglichkeiten waren ausgeschlossen. Ich hatte kein Messer mehr und an meine Waffe kam ich nicht dran. Ich versuchte den Körper von mir runter zu drücken, doch durch die Sicherheitsbekleidung war er zu schwer. Ich schaute hilfesuchend hinter mich, doch jeder musste schwer kämpfen um mit dieser Horde von Beißern fertigzuwerden. Ich versuchte meine ganze Kraft aufzubringen um mich befreien zu können, doch ich schaffte es nicht. Der Walker über mir spuckte gierig schwarzes Blut. Ich streckte meine Hand aus um mich an das Messer ran tasten zu können, doch es war zu weit weg. Wenn niemand den Walker von mir runterzog, war ich so gut wie tot.

Kapitel Acht.- Verpflichtung


Etwas verzweifelt hörte ich wie weitere Walker den Gang entlang schritten. Ihr Krächzen hörte man immer bevor man sie sah. Mit einem heftigen Ruck wurde der Walker von mir runtergezogen und flog nach hinten. Erleichtert atmete ich aus. Rick reichte mir seine Hand und zog mich hoch. Endlich wurde der Boden unter meinen Füßen wieder fester. Rick riss das Visier brutal hoch und rammte sein Messer in das Auge des Beißers.
„Danke.“, hauchte ich leise und hob das Messer auf. Glenn erstach den letzten Walker und sah zu Rick. Jeder sah Rick an. Diese kleine Horde hatten wir ohne Verluste überstanden. Das Krächzen der Walker aus dem Gang wurde lauter. Rick und Daryl bildeten erneut die Spitze und wir gingen schnell und geschickt weiter. Schnell wischte ich mir das schwarze Blut von der Wange und meinem Hals und umklammerte mein Messer. So etwas durfte mir nicht noch einmal passieren.
Wir gingen ein kleines Stück, doch Rick stoppte. „Woher kommen die Laute?“, fragte er laut und schaute sich um. Es waren so viele Geräusche, dass man dachte es könnte die Horde sein, die unsere Farm überrannte. Daryl drehte sich um. Verzweifelt suchten wir nach den Untoten. „Hier!“, schrie Oscar. Im selben Moment rief Glenn das Gleiche. „Sie kommen von überall!“, rief Axel und griff an. Es ging alles so rasend schnell. Ich versuchte die meisten zu töten, doch es waren zu viele. Als ich mich umdrehte um nach den anderen zu suchen, waren es nur noch Glenn, Axel und Maggie, die kämpften. Wir hatten keine Chance. Hinter mir versperrten mehrere Walker den Weg und ich ergriff die Flucht, das Messer immer erhoben um die Infizierten schnell zu töten. Ich ging dreimal nach rechts und zweimal nach links. Suchend blickte ich mich in den Räumen um, musste aber feststellen, dass sich Walker in ihnen befanden. Von vorne kam eine Gruppe von 5 Walkern auf mich zu, ich flüchtete in den nächsten Raum und verschloss die Tür. Es war dunkel und ich konnte die Hand vor Augen nicht erkennen. Doch irgendwas in mir sagte, dass es sicher war, denn es war still. Totenstill.
Ganz langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Die krächzenden Geräusche von draußen wurden schwächer. Ich erkannte leichte Umrisse eines Bettes und eines Waschbeckens. Meine Hände zitterten, als ich vorsichtig die Tür zum Gang öffnete. Ich musste sie suchen gehen. Leise schlich ich durch die Gänge und achtete darauf, dass ich keiner Horde über den Weg lief. Immer nur ein oder zwei Walker gleichzeitig. Ich hatte keine Taschenlampe mehr und machte die Situation um einiges schwieriger.
Ich lief durch die dunklen Gänge und tötete einen Walker nach dem anderen. „Rick!“, sagte ich leise. Ein Gefängniswärter drehte sich um und humpelte auf mich zu. Geschickt rammte ich ihm das Messer zwischen die Augen und konzentrierte mich. Als ich um die Ecke nach rechts ging, entdeckte ich mehrere Walker auf einem Fleck kauernd. Die Münder voll mit menschlichem Fleisch. Mein Herz fing an zu rasen. Ein Walker stand auf und ging blutverschmiert auf mich zu. Ich erkannte, den Gefängnisoverall und die dunkle Haut des Toten. Es war Oscar. Wütend stach ich den Walker zu Boden. Die anderen bewegten sich nicht von der Leiche weg und aßen weiter. Schnell rammte ich ihnen das Messer in den Kopf. Er war immer ein anständiger Kerl gewesen und hatte es nicht verdient so von uns zu gehen. Letzten Endes würden sie sich nach dem Tod alle verwandeln, deswegen stach ich der Leiche das Messer in den Kopf, sodass die Verwandlung nicht stattfinden konnte.
Ohne zurück zu schauen ging ich weiter. Immer wieder kamen Walker aus den Räumen und wollten sich auf mich stürzen, doch ich ließ es nicht zu. Nach kurzer Zeit wunderte ich mich, warum mein Rücken so angenehm warm war, denn in dem Gebäude war es eiskalt. Ungewollt strich ich über meinen Rücken und bemerkte die warme Flüssigkeit an meinen Händen. Mit jedem Schritt den ich machte, lockte ich die übrigen Walker an.
„Glenn! Daryl!“, rief ich nach kurzer Zeit, doch erneut bekam ich keine Antwort. „Ist irgendjemand hier?“ Vorsichtig schlich ich weiter durch die Gänge und plötzlich öffnete sich eine Zellentür. Ich wollte gerade zustechen, als Glenn beruhigend die Hände hob und mich hereinzerrte.
Schnell schloss er die Tür hinter mir und erneut war ich in einer totalen Dunkelheit gefangen. Jemand umarmte mich hektisch. „Du hast es geschafft.“, nuschelte Maggie und drückte mich. Das Adrenalin was in meinem Blutkreislauf war, verringerte die Schmerzen, die sich durch meine Gliedmaßen schlichen. „Seit nur ihr hier?“, fragte ich, steckte mein Messer weg und sah mich aufgeregt in der Dunkelheit um. Niemand antwortete. Ich stieß Maggie sanft von mir und nahm mein Messer erneut in die Hand. „Ich muss da wieder raus. Ich muss ihn suchen.“, murmelte ich, doch Glenn stellte sich mir in den Weg. Er seufzte. „Du kannst dort nicht raus. Du lockst sie an.“
Mein Körper erstarrte. „Du verstehst es nicht. Oscar hat es nicht geschafft und bis jetzt habe ich noch keinen gesehen.“, meinte ich und stockte. „Du hast Maggie hier. Du weißt, dass sie am Leben ist. Ich weiß das nicht. Ich weiß auch nicht, ob Carl und die kleine Judith ihren Vater im selben Monat verloren haben, wie ihre Mutter.“ Glenn lies den Kopf sinken. Er wusste, was diese Situation zu bedeuten hatte. Im Keller auf Woodbury wusste er es auch. Maggie war die ganze Zeit bei ihm und er war sich bewusst, dass er sie festhalten konnte. Er wusste, dass sie atmete. Daryl wusste es nicht.
„Warte.“, sagte Maggie. „Wir müssen versuchen, dass du nicht zum Köder wirst. Glenn gib mir dein Shirt.“ Glenn tat, was seine Freundin ihm sagte. Vorsichtig zog Maggie mir mein Oberteil aus und drückte es auf die Wunden. Genauso leicht rieb sie es mir über die Arme und wischte das restliche Blut somit weg. „Hier.“, Maggie reichte mir das Shirt. Ich zog es mir über. „Danke.“, meinte ich leise und legte meine Hand auf den Türknopf. „Ihr bleibt hier drin, wir werden euch holen, wenn es einigermaßen sicher ist. Wenn wir in spätestens 2 Stunden nicht zurück sind, dann versucht hier schnellstmöglich rauszukommen, denn genau dann werden die Walker beschäftigt sein.“
Ich atmete einmal tief ein und öffnete die Tür. Sofort schloss ich sie hinter mir und klopfte leicht gegen das Stahl. Es sollte so viel heißen wie ‚viel Glück‘, denn sie brauchten es.
Ich umklammerte mein Messer so fest, dass es beinahe schmerzte. Ich musste sie finden. Axel, Rick und Daryl waren hier irgendwo in diesem Gebäude. Genauso wie Dutzend weitere Walker, die sich nach menschlichem Fleisch sehnten.

Kapitel Neun.- Umziehen


Ich versuchte so viele Walker zu töten, wie ich konnte, doch nach einiger Zeit tat ich es einfach nur noch ohne jegliche Emotionen. Unbewusst rammte ich das Messer in deren Köpfe und zog es erst heraus, wenn deren Körper schlaff in sich zusammen fielen. „Daryl!“, rief ich ihn. Meine Stimme war normal laut, doch sie lockte immer wieder neue Walker an.
„Rick!“ Sie mussten mich hören. Mit Vorsicht öffnete ich jeden einzelnen Raum um mir einen Überblick zu verschaffen. Wenn er sicher war, schloss ich ihn und somit erkannte ich, wenn ein Gang geschlossene Türen hatte, dass ich dort noch nicht gewesen war. „Daryl!“, rief ich erneut und tötete einen Häftling. Ich suchte schon eine Weile, doch ich entdeckte immer wieder neue Gänge und weitere Walker. „Verdammt.“, fluchte ich und bemerkte wie sich mehrere Zelltüren öffneten. Hektisch verließ ich den Gang und folgte einem langen Flur. „Rick!“, meine Stimme zitterte.
„Grace!“, ertönte Ricks Stimme und eine Zellentür schwang offen. Im selben Moment sah ich wie eine kleine Gruppe Walker um die Ecke kam. Schnell lief ich zu Rick und schloss die Tür. Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. „Wo sind Glenn und Maggie?“, fragte Rick mich. „In Sicherheit.“, nuschelte ich und sah mich im Raum um. Da ich nur Umrisse erkannte, wusste ich nicht ob es ein toter Walker war oder jemand von uns.
„Und Oscar?“, fragte dieser jemand und stand auf. Ich atmete schwer aus. „Er hat es nicht geschafft.“, gab ich leise zu und starrte zu der anderen unbekannten Person im Raum, die an der gegenüberliegenden Wand lehnte. Langsam ging ich auf sie zu und konnte feine Umrisse erkennen. „Ich habe dich gesucht.“, hauchte ich und umarmte Daryl kurz.
„Das sollst du doch nicht.“, flüsterte er und klang bedrückt. Ich lächelte leicht. „Mir egal.“, erwiderte ich trotzig und lehnte mich gegen die kalte Wand. Mein heißer Rücken brannte an der Steinwand. Daryl strich leicht über meine Schulter und zupfte an dem viel zu großen Oberteil herum. Sanft nahm er seine Hand in meine und sah zu Rick.
„Wie sieht dein Plan aus um hier rauszukommen?“, fragte er ihn und umfasste seine Armbrust. Rick atmete ein. „Ich habe keinen.“, gab er zu und schlug die Hände gegen seine Schläfen. Axel stand auf und schnappte sich seine Eisenstange. „Wir gehen in die Offensive.“, meinte er kurz und stellte sich vor die Tür. „Viel Spaß, Leute.“, waren seine letzten Worte, dann öffnete er die Tür und rannte raus. Es war eine Selbstmordmission. Ich umfasste mein Messer und folgte Daryl und Rick nach draußen.
Und dann tat ich das gleiche, was ich den ganzen Tag gemacht hatte. Ich tötete, wenn auch nicht ganz unschuldige, damalige Menschen und versuchte nicht getötet zu werden.
Erschöpft verließen wir den gesäuberten Block und legten unsere Waffen auf den Tisch. Keiner sagte ein Wort. Selbst Carl, der sonst so neugierig war, hielt den Mund, denn er wusste, dass wir nicht vollständig waren. Jeder von uns wusste, dass wir einen Kameraden und ein Teil dieser Gruppe verloren hatten. Oscar war nicht lange ein Teil davon, doch er gehörte dazu- genauso wie Axel.
Leise verließ ich den Raum und ging in meine alte Zelle. ‚Es hätte auch Daryl sein können‘, schoss mir unaufhaltsam in den Kopf und brannte sich in meinen Verstand ein. „Wir können froh sein, dass wir keine weiteren Verluste erlitten haben.“, hörte ich Rick leise sagen und ich drehte mich zur Tür um. Unbewusst krallte ich meine Nägel in meine Handflächen und schaute zu Boden. „Ich hatte noch kein einziges Wort mit Oscar gewechselt.“, gab ich zu und griff nach meiner Tasche. Die wenigen Wechselsachen dort drin waren es nicht wert ausgepackt zu werden. Rick schwieg, dann schnappte ich mir meine Tasche und machte mich auf den Weg in einen anderen Block.
„Grace, du kannst hier bleiben.“, meinte Rick und wollte mich aufhalten. Als wir in den letzten Stunden ums Überleben gekämpft hatten, hatte ich Rick mehrere Male das Leben gerettet und er mir. Vielleicht dachte er, er sei mir etwas schuldig, doch dem war nicht so. „Ich bin immer noch eine Gefahr, vielleicht nicht wenn ich wach bin.“, meine Stimme versagte und ich schaute zu Daryl. Mein Versuch zu Lächeln versagte und damit auch die Chance ihm zu signalisieren, dass alles gut war..
„Warte am Tor.“, gab mir Daryl zu verstehen und holte seine Sachen. Von dem Moment an, an dem ich ihm gestattete bei mir zu bleiben, brachte ich ihn in Gefahr. Mein Verstand wehrte sich dagegen, doch das Gefühl ihn erneut zu verlieren, war schlimmer. Er wusste, worauf er sich einließ und er tat es trotzdem. Ich hatte nichts anderes von ihm erwartet, denn ich kannte ihn zu gut und genau dafür liebte ich ihn so sehr. Das Gefühl nicht mehr alleine sein zu müssen, überwältigte mich. Es verführte mich zu denken, dass alles gut werden wird, doch im Nachhinein war das alles ein riesen Fehler.
Mit einer flinken Bewegung warf ich den Rucksack auf eine staubige Matratze. Daryl tat dasselbe. Zum Glück hatten wir jeden Block bis auf den heutigen schon vor langer Zeit gereinigt und die Leichen auf dem Hof verbrannt, sonst wäre es hinter den steinigen Mauern unbewohnbar geworden. Gedankenverloren schaute ich mir die Wände der Zelle an. Zwischen dem vielen Blut sah man Striche, als ob jemand die Tage gezählt hatte. Mittlerweile konnten wir auch nur erahnen welchen Monat wir hatten.
„Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte Daryl mich und seufzte. Er hatte seine Tasche neben meiner auf die Matratze gestellt und musterte mich von hinten. „Natürlich.“, gab ich leise zu und drehte mich zu ihm um. Sanft packte er meine Hüfte und zog mich an sich heran.
Ich drückte mein Kinn sanft an seine Schulter und spürte wie er vorsichtig seine Arme um mich schlang. In dem Moment bemerkte ich, wie alle unterdrückten Gefühle aufeinmal hochkamen und ich fing an zu weinen. Ich bin während der gesamten Zeit nie so schwach und verletzt gewesen. Daryl sagte kein Wort und hielt mich einfach nur in seinen Armen. Das Gefühl beschützt zu werden und endlich in Sicherheit zu sein, ließ meine imaginäre Mauer, die ich um meine Gefühle und meine Erinnerungen herum gebaut hatte einstürzen. Daryl konnte nicht wissen, was ich durchmachte und ich konnte es ihm nicht erzählen, das stand fest. Er würde sich nur noch mehr Sorgen um mich machen, als er es überhaupt schon tat.
Meine Atmung wurde langsamer und mein Körper beruhigte sich nach kurzer Zeit wieder. „Tut mir leid.“, murmelte ich verweint und wischte mir die Tränen weg. Daryl betrachtete mich mit seiner ruhig, aber zugleich angespannten Art. „Schon in Ordnung.“, hauchte er sanft und strich mir über die Wange. Ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie Daryl mich gerade sah.
Meine Haut war dreckig und blutverschmiert. Meine Augen rot geschwollen. Das große T-Shirt fiel mir an einer Seite über die Schulter und zum Vorschein kamen Schnitte und Brandwunden. „Ich muss erbärmlich aussehen.“, meinte ich und verfluchte mich gleichzeitig. Ich hatte laut gedacht und Daryl schüttelte den Kopf.
„Du bist wunderschön.“, flüsterte er und küsste mich. Grinsend stieß ich ihn von mir weg. „Jetzt lass uns nicht sentimental werden oder gleich anfangen zu Lügen.“, Daryl lachte leicht. Er wusste, es habe keinen Sinn sich mit mir anzulegen. „Verdammt, ich liebe dich.“, grinste er und wollte mich aufs Bett schmeißen, als plötzlich Schritte erklangen.

Kapitel Zehn.- Schuld


„Wir brauchen euch draußen.“, rief Maggie und war schon wieder verschwunden. Ich seufzte und hoffte, dass meine Augen einigermaßen normal aussahen. „Sofort.“, hörte man von ihr und die Tür fiel zurück ins Schloss. Mit schnellen Schritten folgte ich Daryl nach draußen. Er hielt seine Armbrust fest umklammert und ich schnappte mir mein Messer aus der Gürteltasche.
Draußen trat die Dämmerung ein und der Himmel verdunkelte sich. Wir gingen die Stufen herunter und niemand war zu sehen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Magen breit und meine Hände fingen an zu zittern.
Der Wachposten sah verlassen aus. Nur mit Mühe erkannte man, einige Gestalten, die sich aus dem Wald aus zu uns bewegten. Walker, die dem Geruch von Blut folgten. „Daryl!“, rief Rick vom Zaun aus. Die Gruppe stand mit erhobenen Waffen vor dem Zaun und visierte etwas-jemanden.
„Ich möchte niemandem etwas antun.“, hörte ich eine zuerst unbekannte Stimme sagen. Ahnungslos drückte ich Axel zur Seite und stellte mich neben Rick. Mit einem Male- als ob mir jemand mit der Faust ins Gesicht schlug- fiel ich nach hinten und suchte hilflos mein Messer, was ich vor Schreck fallen gelassen hatte. „Grace.“, begrüßte die dunkelhäutige Frau mich und lächelte. Meine Augen waren vor Schreck aufgerissen und ich umklammerte das Messer. In diesem Moment war mir egal, dass ich die scharfe Klinge umfasste oder Daryl- die Armbrust angelegt und zum Schießen bereit- zwischen mir und der Frau hin und her schaute. Mein ganzer Verstand realisierte, dass sie mich gefunden hatte und der unterdrückte Hass in mir aufstieg wie ein loderndes Feuer.
„Michonne.“, brachte ich fast lautlos hervor. Mein ganzer Körper hasste diese Frau abgrundtief und das nur wegen einer Sache.
„Du.. Du kennst sie?“, meinte Rick mit Verachtung. Maggie kniete sich neben mich und legte ihre Finger sanft um meine blutende Hand, die das Messer umklammerte. Michonne war gefährlich, doch im Moment hilflos in mitten von Walkern. Ohne Nachzudenken öffnete ich das erste Tor und lief zum Außenzaun. „Lass mich rein, kleine Grace, lass mich rein.“, spottete sie und lächelte höhnisch.
„Warum bist du wiedergekommen?“, schrie ich sie an und schlug gegen den Zaun. Uns trennten diese kleinen Vierecke, doch das würde sie nicht davon abhalten mich mit einem Male zu töten. Ich würde noch nicht mal mitbekommen, dass sie eines ihrer Schwerter in die Hand nahm, doch wenn sie mich hätte tot sehen wollen, wäre ich es schon längst.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du es bis hier hin schaffen würdest.“, schrie ich sie an und knallte erneut gegen den Zaun. „Grace, komm zurück.“, murmelte Glenn und umfasste meinen Arm. Maggie und er hatten Michonne nicht mehr kennen gelernt, denn sie kam kurz nachdem die beiden entkommen sind. „Wie zum Teufel hast du mich gefunden?“, ich konnte nicht beschreiben, warum ich aufeinmal so unfassbar sauer war, doch ich fühlte mich in ihrer Gegenwart verletzbar. „Du sagtest zu mir, dass ihr einen Ort gefunden habt, wo ihr sicher wart und dann musste ich nur nachdenken.“, ihre Stimme klang bedrohlich.
„Ich habe dir nie etwas freiwillig erzählt.“, verteidigte ich mich. Rick trat näher an den Zaun heran. Jegliche Waffen waren immer noch auf Michonne gerichtet, doch das störte sie nicht. Drei Walker kamen von der Wiese auf sie zu und sie zögerte nicht, als sie sich blitzschnell ihre Waffen nahm und sie köpfte. Rick war erschrocken über ihre Schnelligkeit, das sah man ihm an.
„Jetzt lass mich schon rein.“, murmelte sie und ich sah, wie sie sich hilflos an ihr Bein packte. Sie wurde angeschossen. „Oder soll ich allen von deinen Spielchen erzählen, die du mit diesem Typen getrieben hast. Einer hier ist bestimmt sein Bruder. Wie hieß er noch gleich?“, fragte sie sich und lächelte giftig. Ricks dunkle Augen beobachteten mich ganz genau. „Wenn du einen von uns verletzt, Michonne, dann schwöre ich dir, ich jage dich bis ans Ende der Welt.“, drohte ich und nickte zu Rick. Er zögerte einen Moment, stimmte mir jedoch zu.
Mit zitternden Händen öffnete ich den Draht, der durch das Loch gefädelt wurde und Michonne konnte eintreten. Ich schaute Rick warnend an, dass er die Waffe bloß nicht runternehmen sollte. Schnell blickte ich zu Daryl der neben Glenn stand. Kurz schielte er zu mir herüber, doch dann beachtete er mich nicht weiter. Meine Hände zitterten so sehr, dass Maggie mir helfen musste den Draht durch die Vierecke zu ziehen. „Dankeschön.“, nuschelte ich leise und sie lächelte leicht.
„Daryl- ja genau so hieß der Bruder.“, meinte Michonne siegessicher. Daryl schaute mich an und ich merkte, dass er verletzt war. Ich hatte ihm nicht die ganze Wahrheit erzählt und das kränkte ihn.
„Du bist also der kleine Bruder. Schön dich kennen zu lernen.“, Michonnes klang erfreut, dass sie mich weiterhin verletzen konnte. Daryl schaute sie an und schüttelte leicht den Kopf. „Hast du mich nicht vorgestellt, Grace?“, fragte sie mich und klang erschrocken. „Nach alledem, was wir zusammen durchgemacht haben, hast du nichts von mir erzählt?“, mein Blick trübte sich leicht, als die Erinnerungen an die Zeit wieder hochkamen. Sie war dagewesen und hatte dabei zugesehen, wie ich weinte. Wie mein ganzer Körper in sich zusammenfiel und ich unzähligen Schmerzen ausgesetzt war. Doch sie war nur eine Marionette in diesem Spiel gewesen. Letztendlich wollte sie einfach nur Informationen über unsere Gruppe, die sie dem Governor erzählen konnte. Sie hatte mich ausgenutzt und ich dachte wirklich, sie wäre dort unten aus demselben Grund wie ich.
„Ich habe dir vertraut! Doch du hast mich einfach nur ausgenutzt. Du hast in schrecklichen Momenten die Situation genutzt und mich Sachen über die Gruppe gefragt. Dir hab ich es zu verdanken, dass sie mit mir gespielt haben, als wäre ich eine Puppe. Du hast meine Wunden verbunden und ich dachte, ich könnte dir vertrauen. Wie sehr ich mir wünsche, ich hätte es früher gewusst.. dann hätte ich dich nämlich mit bloßen Händen getötet.“, schrie ich sie an und trat gefährlich nahe an sie heran. „Ich soll dir von Merle ausrichten, dass er dich gerne wieder haben möchte. Du hast ihn so glücklich gemacht.“, waren ihre einzigen Worte, die mein Herz erstarren ließen.
Etwas verzweifelt schaute ich zu Daryl herüber, der auf den Boden starrte. Unsicher senke er seine Waffe. Michonne folgte meinem Blick. „Wusstest du etwa nicht, dass deine Freundin eine Hure ist?“, fragte sie ihn und Daryl richtete wieder seine Waffe auf sie. Ich wusste einfach nicht, was ich noch sagen sollte, doch Michonne war mal wieder schneller. „Sie hat sich die zwei Wochen wirklich gut geschlagen. Das muss ich ihr lassen. Aber trotzdem hat ihr niemand geglaubt. Was meinst du, wie dieses Miststück jedes Mal geschrien und gebettelt hat? Schrecklicher Lärm muss ich sagen, doch den Governor störte das eher weniger- ganz im Gegenteil.“ Bevor sie noch mehr erzählen konnte, riss ich mein Messer aus meiner Gürteltasche und drückte es ihr gegen den Hals. Als ob ich es nicht schon geahnt hätte spürte ich eine spitze Klinge an meinem Rücken.
Rick zischte leicht und hob vorsichtig die Hände. „Grace, lass die Waffe fallen.“, murmelte Daryl leise. „Nenne mir einen Grund warum ich dich nicht auf der Stelle töten sollte.“, murmelte ich leise und drückte fester zu. Ich spürte, wie die Klinge stärker an meine Wirbelsäure drückte. „Wenn du mir die Kehle aufschneidest, werde ich dir die Fähigkeit zum Laufen nehmen.“, lächelte sie und mein Griff wurde schwächer. Ich musste nachgeben. Sollte ich ihr das Messer in die Kehle rammen, dann hätte sie die paar Sekunden- die sie noch leben würde- Zeit, um mir das Messer soweit es geht in den Rücken zu rammen.
„Nehmt verdammt noch mal die Waffen runter.“, rief Rick. In dem Moment, indem ich meine Waffe runter nahm, kam ich mir hilflos vor. Ich sah in Michonnes Augen und musste an die Zeit in Woodbury denken. Sie hatte mir geholfen und ich vertraute ihr, doch alles war gelogen. Die ganze Zeit in dem Keller war die Hölle gewesen und sie ließ mich einfach nicht los. Wahrscheinlich würde ich sie nie ganz vergessen können, doch ich musste es wenigstens versuchen.
„Dein Name ist Michonne.“, meinte Rick und versuchte ruhig zu bleiben. „Ich werde jetzt meine Waffe auf die Wiese legen und dann möchte ich alles nochmal unbewaffnet beginnen. Meinst du wir kriegen das hin, Michonne?“, fragte er sie und legte vorsichtig seine Waffe auf das Gras. Michonne lachte leicht und tat es ihm gleich. Geschickt zuckte sie ihre zwei Schwerter und legte sie zu ihrem Messer. Daryl nahm seine Waffe herunter, ließ sie jedoch nicht los. Er wich meinem Blick aus. Schuldgefühle gruben sich einen Weg in meinen Verstand, doch ich unterdrückte sie. Ich hätte es ihm nie sagen können, doch nun hatte Michonne den Anfang gemacht und ich muss ihm das Ende erzählen.

Kapitel Elf.- Erinnerungen


„Wir haben hier jemanden der sich deine Wunde anschauen könnte.“, meinte Rick leise und zeigte auf ihr Bein. Michonne schüttelte den Kopf. Mit zitternden Knien ließ ich Michonne alleine und ging langsam nach hinten. Ich wollte mich neben Daryl stellen und seine Nähe neben mir spüren, doch Michonne beobachtete mich auf Schritt und Tritt.
„Die kleine Grace kann sich mein Bein anschauen. Die Tage im Keller haben uns zusammengeschliffen, nicht wahr?“, fragte sie mich. Mein ganzer Körper erstarrte und meine Beine fingen erneut an zu zittern. „Fahr zur Hölle.“, presste ich leise hervor und der Boden unter meinen Füßen bewegte sich. Ich durfte nicht zusammenklappen. Es würde meine Schwäche zeigen. „Daryl, halt sie fest.“, flüsterte Maggie. Sie wusste, wie ich mich fühlte. Sie sah es mir an.
Daryl legte seine Hand unter meinen Arm. „Carl, hol ihr Wasser.“, befahl Rick höflich, ließ Michonne jedoch nicht aus den Augen. Lächelnd schaute ich zu Daryl und versuchte mein Schwindelgefühl zu bändigen. Ich zwang meinen Körper still zu stehen und einen klaren Verstand zu bekommen. „Hat sich das Rattengift also schön eingenistet, meine Liebe?“, fragte Michonne und schaute entsetzt. Ihre Schauspielkünste waren grotesk. „Was?“, zischten Glenn und Rick gleichzeitig.
„Nein, Michonne. Das hat es nie.“, gab ich leise zu und schüttelte den Kopf. Eine kleine Fehlentscheidung, denn ich kippte zur Seite. Daryls Griff verstärkte sich und er hielt mich fest. Es tat weh, doch ich ließ mir nichts anmerken. „ Sie lügt.“, versicherte ich Rick. Hinter uns näherten sich Schritte und Carl reichte mir eine Wasserflasche. Dankend nahm ich sie entgegen und öffnete sie behutsam. Mit vier Zügen lehrte ich den viertel Liter und sofort fühlte sich alles klarer an. Der Boden wurde fester und endlich konnte ich wieder normal denken.
„Dehydrierung- kennst du ja, kleine Grace.“, Michonne saß inzwischen im Schneidersitz auf den Boden. Ich schielte zu Daryls Armbrust hinüber und malte mir aus, wie ich ihm seine Waffe entreißen würde und auf Michonnes Kopf visierte. Mit einem Lächeln würde ich abdrücken und dann wäre es vorbei. Das ist das Einzige, was ich mir in dem Moment wünschte, doch Daryl schwenkte sie zur Seite, als ob er schon etwas ahnte. „Nenn mich nicht kleine Grace, Michonne. Dazu hast du kein Recht.“, nuschelte ich und stellte mich aufrecht hin. „Rick, wir müssen reden.“, bat ich ihn und entfernte mich. Daryl blieb bei Michonne und hielt seine Waffe auf sie gerichtet. Rick nickte.
„Wir können ihr nicht vertrauen. Was, wenn sie rausspaziert und dem Governor berichtet wie viele Leute wir sind oder welche Waffen wir besitzen. Wir wissen noch nicht mal, ob Woodbury weiß, wo wir leben.“, erklärte ich ihm. „Und was möchtest du dagegen unternehmen? Sie einfach eiskalt töten?“, fragte Rick sarkastisch, doch ich wiedersprach ihm nicht. „Du-..“, er stockte. „Glaubst du nicht, dass sie uns in irgendeiner Weise unterstützten könnte?“ Leise seufzte ich. „Tust du es?“, konterte ich und umklammerte mein Messer. Rick schüttelte enttäuscht den Kopf. Ich verstand und stellte mich wieder neben Daryl. Er schaute mich beunruhigt an. „Wenn ich nicht wiederkomme, dann werden sie wissen, dass ihr mich getötet habt. Es wäre euer Untergang.“, meinte Michonne und lächelte. Ihr Lächeln wirkte gestellt und ihre Hände zitterten leicht. Sie machte sich was vor. Niemand würde sie vermissen.
„Carl, gehst du bitte mit Hershel rein und kümmert euch um Beth und Judith?“, meinte Maggie und schob den kleinen zu ihren Vater. Carl wollte auch schon bei Randalls Hinrichtung auf der Farm dabei sein. Er hatte es noch nicht gelernt, dass es nicht richtig ist. Wäre die Welt jetzt anders, dann hätte Carl niemanden umgebracht. Denn Lori wäre noch am Leben und die drei hätten eine kleine Familie in der Nähe von Atlanta. Hershel würde mit seiner Familie auf der Farm leben und Daryl würde mit seinem Bruder auf dem Motorrad durch Amerika fahren. Axel würde seine Freiheitsstrafe zusammen absitzen und Michonne wäre irgendwo auf der Welt- nur nicht hier. Und ich würde täglich in einem Büro sitzen und ein Unternehmen leiten. Mein größter Wunsch wäre es Kinder zu bekommen und eine vernünftige Ehe zu führen. Aber wir waren nicht in einer anderen Welt. In der Realität mussten wir um unser Überleben kämpfen und versuchen jeden Tag zu überstehen. Wir mussten uns Sorgen machen, was wir als nächstes aßen und welcher Ort in Zukunft am Sichersten wäre. Damals hatte er Freunde in der Schule und wartete auf seinen ersten Kuss. Nun musste er Walker töten, nur um nicht getötet zu werden und genau damit wächst er auf. Es könnten sozusagen auch seine Freunde sein, die sich als fleischfressende Kreaturen auf ihn stürzen. Für die kleine Judith würde es kein großartiges Problem darstellen, denn die kleine würde sozusagen damit aufwachsen.
„Es wäre ein Fehler mich zu töten.“, Michonnes Worte rissen mich aus meinen Gedanken. Rick beobachtete mich und wartete auf meine Reaktion. Ich atmete laut aus. „Kleine Grace, du kannst mich nicht töten, denn dann würden unsere Erinnerungen nur bei dir hängen bleiben. Dann muss ich mich nämlich nicht mehr an den verkohlten Geruch erinnern, der kurz nach deinen Schreien folgte. Und deine Hilferufe würden mir nicht im Schlaf kommen. Das wäre ein Geschenk.“, sagte Michonne. Meine Hände fingen an zu zittern, als ich ihren Unterton bemerkte. Er klang ehrlich.
„Grace, du weißt nicht, ob sie lügt.“, gab Glenn zu und schaute sie verbittert an. „Kleine Grace, ich lüge nicht. Ich schwöre. Ich kann euch helfen und ein Teil eurer Gruppe sein ohne eine Bedrohung darzustellen.“, flehte sie und stand auf. Ihre Waffen lagen zu weit weg, um sie ergreifen zu können. Daryl schaute erneut zwischen mir und Michonne hin und her.
„Fahr zur Hölle.“, schrie ich sie an und nahm mein Messer aus meiner Gürteltasche.

Kapitel Zwölf.- Vernachlässigung


„Stopp!", rief Maggie und ich erstarrte in der Bewegung. Mein ganzer Körper zitterte und es wirkte so, als ob er sich mit Mühe darauf einstellen konnte, dass er jemanden unbewaffneten umbringen musste. "Du kannst sie nicht einfach töten. So eiskalt bist du nicht, Grace. Ich kenne dich gut genug.", flüsterte Maggie und ging langsam auf mich zu. Ich sollte ihr mein Messer geben. "Du kennst mich schon lange nicht mehr so gut, wie du denkst.", meinte ich und meine leblosen Augen schauten Michonne an. Sie wirkte betrübt. Vielleicht hatte es damit etwas zu tun, dass wir sie umbringen wollten. "Gee.", hauchte sie und ich erstarrte in der Bewegung. Sie hatte mich damals auf der Farm immer so genannt. Es war mein Spitzname. Amy erfand ihn und im Laufe der Zeit nannte mich jeder so. Durch die Situation, in der wir seit dem Verlust der Farm steckten, vergaß man die Kleinigkeiten.
Vorsichtig reichte ich ihr das Messer. "Danke.", flüsterte sie lautlos und mein Blick haftete immer noch bei Michonne. "Kleine Grace, ich wusste du bringst es nicht übers Herz.", ich ballte meine Hand zur Faust. "Schnauze!", zischte Daryl und trat auf sie zu. "Wir bringen sie so lange in Block D, die Zellen dort besitzen noch nicht den geeigneten Komfort.", Rick nickte. Mein Körper war wie erstarrt. Erst jetzt bemerkte ich, wie viel Abstand ich von Maggie hatte. Damals waren wir richtig gute Freunde gewesen, doch das hatte sich alles geändert. Es tat weh zu sehen, wie sie mit sich selbst kämpfte. Ihr sonst so aufgeschlossener Charakter hatte sich komplett verschlossen. Irgendwas stimmte nicht. "Sei vorsichtig.", flüsterte ich Daryl zu. Ich würde sie nicht begleiten, davon hatte ich erst mal genug. Ich brauchte nur ein oder zwei kurze Stunden für mich. In denen ich mich waschen und umziehen konnte. Außerdem musste ich unbedingt mit Maggie sprechen. Daryl nickte. Axel nahm Michonnes Waffen und folgte Glenn, Rick und Daryl. Sie würden Michonne in eine dunkle Zelle verfrachten und bloß darauf achten, dass sie nicht fliehen konnte. Immer wenn ich Michonne sah kamen schreckliche Erinnerungen in mir hoch und ich bekam leichte Kopfschmerzen. Der Schmerz erinnerte mich an die Zeit in Woodbury, die ich mit ihr verbracht habe.
Als ich meine Augen öffnete standen nur Maggie und ich noch auf der Wiese. „Mag.“, fing ich an und Maggie hob die Hand. „Nicht. Versuch die Situation nicht schön zu reden.“ Meine Sicht trübte sich leicht. „Du weißt, dass ich so nicht bin. Aber was zum Teufel ist mir dir passiert, Mag?“, ich näherte mich ihr vorsichtig. Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen und ich erstarrte. Nun begriff ich, dass das alles meine Schuld war. „Das ist passiert.“, antwortete sie mit tränenerstickter Stimme. Leicht berührte sie meinen Arm. „Es war unsere Schuld. All das. Du hast Michonne nur das unsere Dummheit kennengelernt. Es tut mir so schrecklich Leid. Ich wünschte, ich könnte es ändern, sodass ich dort geblieben wäre.“ Sie schluchzte. Sanft nahm ich sie in den Arm. Ihr Körper zitterte und bebte. „Ich wusste nicht, dass du so sehr darunter leidest.“ , flüsterte ich und Tränen stiegen mir in die Augen. Sie rang nach Luft, schaffte es aber nicht mit dem Weinen aufzuhören. Behutsam nahm ich ihr Gesicht in meine Hände und wischte leicht ihre Tränen weg. „Hör mir ganz genau zu Margaret! Es ist auf keinen Fall deine Schuld. Du hast nichts damit zu tun. Du sagtest nur die Wahrheit, die sie Früher oder Später von selbst rausgefunden hätten.“, versuchte ich ihr gut zuzureden. „Verstanden?“, fragte ich sie leise und meine Stimme klang hart.
Ich hatte in der letzten Zeit wirklich viel durchmachen müssen, doch ich vergaß komplett meine Gruppe. Meine Familie. Von dem Moment an, an dem mir Maggie schwor sich nicht die Schuld für etwas zu geben, wo sie eigentlich nicht dran beteiligt war, erfasste mich der Gedanke, dass ich mich um meine Familie kümmern musste. Es gab nicht mehr viele von uns. Die Gruppe würde es nicht überleben, wenn noch weitere Menschen zu Schaden kommen würden. Auf keinen Fall durfte ich erneut vergessen, dass wir alle eine schwere Zeit durchstehen mussten und wir Menschen brauchten denen wir Erinnerungen und Gedanken mitteilen mussten. Man konnte sich kein Leben lang ein Grab in die hinterste Ecke des Gehirns schaufeln und alle losen Erinnerungen, die man noch besaß, dort reinpacken. Ehrlich gesagt, war es einfach unmöglich, solche Sachen einfach zu vergessen, man musste versuchen damit zu leben. Irgendwann im Leben würde es diesen einen Zeitpunkt geben in dem selbst die dunkelste Wahrheit ans Licht kommen musste, doch meistens zerfraß sie die Menschen von innen. Es durfte einfach nicht noch einmal passieren. Vielleicht würde ich eines Tages dazu bereit sein, um die alten, schmerzhaften Erinnerungen begraben zu können.
Maggie nickte leicht und ich schlang erneut meine Arme um ihren zierlichen Körper. Viele Dinge werden sich in der Zukunft verändern müssen, um überleben zu können - ebenso wie die Menschen.

Kapitel Dreizehn.- Verlust


Ordentlich säuberte ich meine Sachen und wrang sie zum hundertsten Mal aus. Sie würden nie wieder ganz sauber sein, aber wenigstens war das meiste Blut darauf nicht mehr zu sehen. Zum Glück war Glenn’s T-Shirt einigermaßen tragbar. Meine Hose jedoch war abgesehen von den vielen Rissen vollkommen zerstört. Das getrocknete Blut würde dort nie wieder rausgehen. Es war meine einzige Hose, die ich besaß. Vielleicht gab mir ein Walker freiwillig seine, doch das bezweifelte ich. Nachher würde ich Daryl fragen, ob er mir ein T-Shirt geben könnte, weil die Tops in nächster Zeit viel zu sehr an die Zeit in Woodbury erinnerte. Zwar waren meine Arme total geschunden, doch sie würden heilen, doch Narben würden ewig bleiben, also brandmarkte der Governor mich dadurch.
Ich nahm den verrosteten Eimer und kippte ihn in den Fluss. Zwei Walker musste ich erledigen, doch das war nicht ganz schlimm gewesen. Schnell zog ich mir wieder meine nasse Jeanshose an und legte mir das T-Shirt über den Arm. In der linken Hand trug ich den Eimer und in der rechten Hand mein Messer. Meine Handfläche brannte als ich mir das kalte Wasser an der Hose abwischte. Die Wunde musste gereinigt werden. ‚Später‘, war mein einziger Gedanke. Ich trug nichts bis auf meine Schuhe, die Jeanshose und den BH. Erneut schaute ich auf meinen flachen, zerschundenen Bauch. Ich hasste es, wie ich aussah. Geschickt schlüpfte ich auf die sichere Seite des Zauns und fädelte den Draht wieder durch den Maschendrahtzaun.
Als ich mich umdrehte und zum Hof gehen wollte erkannte ich Daryl der vor dem Wachturm auf der Wiese saß und mich anschaute. Er hatte mich die ganze Zeit über beobachtet. Ich öffnete das zweite Tor zum Hof und schloss wieder hinter mir. Eigentlich wollte ich mich in seine Richtung bewegen, doch er schaute verträumt in den Wald und das hieß, dass er noch Antworten wollte. Mit schnellen Schritten ging ich in unseren Block und legte das nasse T-Shirt auf das Geländer der Treppe. Hinter den Mauern war es totenstill. Ohne Daryl zu fragen öffnete ich seine Tasche und suchte ein Oberteil von ihm heraus. Schnell zog ich es mir über und erstarrte. Wie versteinert schaute ich auf Armband, was ich dort fand.
„Schon gefunden, was du gesucht hast?“, fragte Daryl mich plötzlich. Erschrocken drehte ich mich zur Zellentür um und schaute ihn mit offenen Augen an. „Du warst es.“, meinte ich nur und hielt das Armband hoch. „Du hast mich gefunden.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Kurz nachdem sich die meisten in Walker verwandelten und es nur wenige Überlebende gab, schloss ich mich einem kleinen Mädchen an. Sie hieß Emily und war 12 Jahre alt. Die Kleine flehte mich an ihr zu helfen und ihre Familie zu suchen. Sie wohnten in der Meridonastreet. Damals konnte ich nur erahnen, wie ich die Walker töten konnte. Wir machten uns auf den Weg und als wir vor dem Haus standen hörten wir plötzlich Krächzen. Von der Straße aus kamen circa 20 Walker auf uns zu.
Ich sagte zu Emily, sie sollte sich verstecken und ich half ihr auf den nächsten Baum zu klettern. Doch es waren einfach zu viele. Und plötzlich vielen die meisten um wie Fliegen. Ein Auto näherte sich und plötzlich wurde alles schwarz. Ich sah nur noch einen Walker über mir und dann wachte ich im Camp in den Bergen auf. „Shane sagte, er habe mich in das Auto gezerrt. Emily habe er nicht gesehen. Daryl, wir waren mehrere Tage zusammen in Atlanta. Wir haben nach ihrer Familie gesucht.“, meinte ich und die Erinnerung daran tat weh. „Du warst es. Hast du sie gesehen?“, fragte ich ihn. Natürlich wusste ich, dass sie tot war. Sie konnte die letzten Monate nicht alleine überlebt haben. Daryl schaute auf den Boden. „Man konnte ihr nicht mehr helfen. Ein Walker hatte ihren Fuß erwischt und runtergezogen.“, flüsterte er und schaute mir in die Augen. Wenigstens musste sie nicht leiden. „Ich hätte ihr so gerne geholfen ihre Familie zu finden.“, nuschelte ich und setzte mich auf die Matratze. „Das war mein Armband gewesen. Meine Schwester hat es mir geschenkt.“, gab ich zu und hielt es zwischen den Fingern. Tränen liefen über meine Wange. Daryl setzte sich neben mich und sagte kein Wort. Er wusste, dass eine bloße Anwesenheit die Situation weniger schwer machte.
„Möchtest du deinen Bruder wiedersehen?“, fragte ich ihn nach langem Schweigen. Wir schauten uns tief in die Augen und ich bemerkte den Schimmer, als ich das erwähnte. „Er hat nach dir gesucht.“, flüsterte ich. „Das sagte er mir, als er mich auf die andere Seite der Mauer brachte. Er reichte mir dein Messer, was sie mir anfangs weggenommen hatten. Er schaute lange darauf.“, nuschelte ich und bemerkte wie er sich anspannte.
„Es ist zu gefährlich.“, waren Daryls einzige Worte. „Wir können es versuchen.“, meinte ich und ich hatte eine Idee. „Sie können mir ja nicht erneut was antun. Das wäre doch langweilig.“ Ich lachte und schaute auf mein Armband. „Wenn ich wüsste, dass sie noch am Leben ist, dann würde ich alles versuchen um sie wiederzusehen.“ Daryl seufzte. Seine Augen waren leer. „Ich habe Angst um dich, Grace. Jedes Mal wenn du dich umdrehst und weggehst. Wenn du nicht da bist, wo ich dich sehen kann. Ich kann das nicht noch einmal durchmachen.“, nuschelte er und umklammerte meine Hand fester. Eine Träne floss seine Wange herunter. „Ich habe einfach Angst um dich. Ich darf dich nicht noch einmal verlieren.“ Ich lächelte leicht und strich ihm die Träne weg.
„Wirst du nicht, versprochen."

Kapitel Vierzehn.- Besorgung


„Nun steh schon auf. Wir wollten Judith neue Sachen besorgen.“ Jemand rüttelte an meiner Schulter herum und ich gähnte. „Carl, ich bin die ganze Nacht wach gewesen.“, erwiderte ich verschlafen. „Das ist mir egal. Wir müssen meiner kleinen Schwester neue Sachen besorgen. Du hast es mir versprochen, Grace.“, ich öffnete leicht die Augen und in dem Moment fiel es mir wieder ein. „Carl, du darfst nicht in diesen Block. Verschwinde sofort.“ Mittlerweile sind 19 Tage vergangen in denen sich kaum etwas verändert hatte. Daryl wollte Merle nicht wiedersehen und ich akzeptierte es. Es fiel mir ziemlich schwer, doch im Grunde war es seine Entscheidung gewesen. Ich machte mir immer noch Vorwürfe wegen alle dem, was passierte. Albträume verfolgten mich jede Nacht aufs Neue. Mir blieb einfach keine andere Wahl mehr. Ich schlug und schrie. Vor zwei Tagen wachte ich auf und hielt Daryl mein Messer an die Kehle. Es war das Schlimmste, was ich je getan hatte. Sofort hatte ich meine Sachen gepackt und bin rausgerannt. In den zuletzt gesäuberten Block. Nun ist es schon so weit gekommen, dass ich Angst vor mir selbst hatte und ich hasste mich dafür.
„Rick und Daryl sind gerade dabei die restlichen Walker zu töten, die durch das Tor gekommen sind.“, gab Carl leise zu und schaute mich gespannt an. „Was? Wo sind sie reingekommen? Wann?“, schrie ich und sprang auf. Mir wurde leicht schwindelig. Ich schlüpfte in meine Schuhe und nahm mir mein Messer und die Waffe. „Kurz nachdem du verschwunden bist.“, antwortete er. „Verdammt.“, fluchte ich. Ich ließ Carl alleine zurück und lief den Gang entlang. Schnell rannte ich die Treppen hoch und durch die ehemalige Cafeteria nach draußen. In dem Moment in dem ich die Außentür aufstieß kam mir Rick entgegen. „Was ist passiert?“, fragte ich ihn leicht außer Atem. Er schnaufte und wischte sich das restliche Blut von den Händen. Wortlos ging er an mir vorbei und holte das Benzin aus der Ecke. „Ich mach das schon.“, sagte ich und nahm ihm den Kanister aus seiner Hand. Lautlos ging ich zum ersten Tor und öffnete es. Sofort verschloss ich es hinter mir und ging zu Daryl, der mich ansah. „Alles in Ordnung?“, fragte ich ihn leise und schüttete das Benzin über die leblosen Körper. Als ich keine Antwort bekam blickte ich ihn an. Er nickte leicht. Seit dem Vorfall, wo ich ihn fast getötet hätte hatten wir kein Wort miteinander gesprochen. Ich schämte mich einfach zu sehr.
Mit zitternden Händen stellte ich den Kanister zur Seite und im gleichen Moment zündete Daryl den Haufen an. Mit gesenktem Kopf lief Daryl an mir vorbei zum Tor. „Es tut mir leid.“, entschuldigte ich mich leise und Daryl stoppte. „Ich wusste ganz genau, was für ein Risiko es war und ich wollte es so, Grace. Es ist nicht schlimm.“, gab er zu und drehte sich zu mir um. „Ich kann mit allem zurechtkommen, Grace. Nur nicht mit einer Lüge.“ Mein ganzer Körper erstarrte und ich schaute in die Flammen.
Meine Beine wurden weich. „Was.. was genau meinst du?“, stotterte ich und mit einem Male wurde es mir klar. Ich bin ihm nicht aus dem Weg gegangen, sondern er mir. Plötzlich wurde mir eiskalt. Er musste es von mir erfahren haben, während ich schlief. Daryl konnte mir nicht in die Augen schauen. „Nein.. Daryl.“, hauchte ich leise und stellte mich vor ihn. Zitternd nahm ich seine Hände in meine. „Ich hab es dir nicht gesagt, weil ich dich nicht verletzten wollte.“, nuschelte ich und er verzog das Gesicht. Ich wusste, dass es irgendwann rauskam, aber doch nicht nach einem Monat. „Es tut mir leid, dass ich im Schlaf geredet habe. Es tut mir so leid, dass du die Wahrheit erfahren hast.“, nuschelte ich und Tränen stiegen mir in die Augen. Daryl atmete schwer aus. „Ich würde sie so gerne töten.“, hauchte er und umklammerte seine Armbrust. Ich bemerkte, dass Daryl seine Hand zu einer Faust geballt hatte. Er umklammerte meine Hand so fest, dass es wehtat. Es schmerzte ihn leiden zu sehen. Ich hatte ihn verletzt und machte alles nur noch schlimmer
Er ließ meine Hand sofort los, als er bemerkte, dass ich zitterte. Ich wollte gerade zurückgehen, als mich Daryl am Arm packte. Sein Griff war hart und er zog mich zurück.
„Warum hast du mir nichts erzählt?“, fragte er mich. Perplex schaute ich ihn an. „Was soll ich denn erzählen, Daryl? Schon gewusst, ich wurde vergewaltigt, geschlagen und gefoltert.“, meinte ich direkt und bereute meine Worte schon wieder. Daryl schaute mich an. Ich konnte seinen Blick nicht definieren. „Es.. es tut mir leid-.“, wollte ich erklären, doch jemand unterbrach uns.
„Grace, komm schon. Wir müssen los.“, rief Carl plötzlich und ich erschrak. „Ich bin sofort bei dir.“, antwortete ich und schaute noch kurz zu Daryl, bevor ich mich in Carl’s Richtung bewegte „Was sagt dein Vater zu unserer Idee?“, wollte ich wissen und an Carl’s Grinsen wusste ich die Antwort schon.
Mit schnellen Schritten ging ich zu dem Jungen hin und schaute ihn an. „Was habt ihr vor?“, fragte Daryl und stand aufeinmal hinter mir. „Judith brauch neue Sachen. Begleitest du uns?“, lächelnd packte Carl an seine Gürteltasche.
„Daryl hat noch andere Sachen zu tun. Lassen wir es dabei.“, meinte ich schnell und ging zum Haupttor. Momentan befanden sich keine weiteren Walker in der Nähe und es ließ sich problemlos öffnen. Kurz nachdem ich durchgegangen war, schloss ich es sofort wieder. Carl schaute mich verdutzt an. „Was machst du?“, motzte er. Ich seufzte. „Du hast es deinem Vater gar nicht erzählt und ich werde nicht dein Leben aufs Spiel setzten.“, antwortete ich ruhig. „Eine Tagesstädte ist hier gleich in der Nähe und von dort bringe ich dir Sachen mit, doch ich werde nicht dafür verantwortlich sein, wenn dir etwas zustößt. Es tut mir leid, Kleiner.“ Schnell setzte ich mich in das Auto, was davor parkte und drehte die Zündung. Es war das Auto mit dem Maggie, Glenn und ich damals Vorräte holen wollten. „Du bleibst dort!“, hörte ich Daryl sagen und aufeinmal ging meine Beifahrertür auf. „Was zur Hölle machst du?“, keifte ich ihn an und erstarrte zugleich. „Ich lass dich nicht alleine fahren.“, meinte Daryl schlicht. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich zögerte kurz, ergriff jedoch Daryls Hand, die auf der Mittelkonsole lag.
Damals bestand der Alltag darin, Essen zu kochen oder zur Arbeit zu fahren. Nun jedoch bestand der Alltag im Großen und Ganzen darin, zu überleben. Einen einzigen Tag ohne Komplikationen zu überstehen, war schon ein guter Tag. Und in diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als das die Routine wieder eintraf. Sodass man am Vorabend wusste, ob es in 24 Stunden immer noch so sein würde. Irgendwann würde es wieder so sein. Vielleicht nicht in diesem Leben, aber im nächsten.

Geschickt legte ich den Gang ein und fuhr los. Im Rückspiegel sah ich, wie Carl hinter dem Zaun stand und uns hinterher schaute. Es war das Beste für ihn, denn niemand wusste, was dort los war. Natürlich bestand auch die Gefahr, dass wir nicht zurückkehrten, doch Carl würde verstehen, warum. Er würde wissen, weshalb wir es getan hatten und er würde uns dankbar sein. Wenn wir es nicht schaffen sollten, würde er wenigstens wissen, dass wir es versucht haben.
Daryl zeigte nach zwei Meilen, dass wir rechts weiterfahren mussten. Er kannte den Weg, da er schon einmal zusammen mit Maggie dort gewesen war. „Wie sieht es dort aus?“, fragte ich ihn lautlos und erstarrte, als mehrere Walker auf die Straße humpelten. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen als ich auf das Gaspedal drückte und sie überfuhr. Daryl krallte seine Hände in die Mittelkonsole, als er meine Fahrweise bemerkte. „Traurig.“, hauchte er und schaute mich von der Seite an. „Hast du schon einmal ein infiziertes Kind gesehen?“ Ich blinzelte mehrere Male. Geschickt lenkte ich das Auto nach rechts. „Viele, du?“, antwortete ich mit langem Zögern. „Zu viele.“, Daryl ergriff vorsichtig meine Hand. „Egal was gleich passieren wird. Wir bleiben zusammen, verstanden?“, verwirrt schaute ich ihn kurz an, richtete meine Aufmerksamkeit jedoch wieder auf die Straße. „Natürlich.“, sagte ich schlicht. Innerlich schrie ich, dass ich nie wieder ein totes Kind sehen wollte. Mein Körper wehrte sich gegen die Erinnerungen, die mir plötzlich wieder hoch kamen.
„Einmal, kurz nachdem wir in den Alpen angekommen waren und wir uns auf den Weg zur Autobahn machten, sah ich einen kleinen Jungen. Zuerst dachte ich es sei Carl, da er von hinten gleich aussah, doch ich irrte mich. Dem kleinen fehlte der halbe Kiefer und als er mich ansah realisierte ich, dass er mich tot sehen wollte. Natürlich wollte er das. Sie wollten es immer, doch ich war mit der Situation überfordert, dass er noch ein kleiner Junge war.“, erzählte ich leise. Im Auto herrschte Stille. „Ich konnte ihn damals nicht umbringen.“, gab ich zu und meine Hand fing leicht an zu Zittern. „Aber das war damals.“, nuschelte ich fast lautlos und blinzelte zu Daryl. Er stimmte mir zu.
Die letzten Minuten während der Fahrt herrschte Schweigen. Es tat gut einfach nur zu wissen, dass der andere für einen da ist. Ich hoffte einfach nur, dass wir keine Waffen benutzen mussten. Vielleicht würde es dort einigermaßen ruhig sein, doch irgendwie bezweifelte ich es. Zumindest hatten Daryl und Maggie keine Walker beim letzten Mal gesichtet.
Vorsichtig parkte ich das Auto vor dem Eingang der Tagesstätte. Kein Walker war in Sicht. Daryl wollte gerade die Tür auf machen, als ich seinen Kopf zurückzog und ihn küsste. Sanft erwiderte er meinen Kuss und grinste. „Ich liebe dich.“, gab ich zu und nahm das Messer aus meiner Gürteltasche. „Ich liebe dich auch.“, hauchte er und öffnete vorsichtig seine Tür. Ich tat es ihm gleich. Aufmerksam ging ich zum Eingang und sah mich mehrere Male um. „Es scheint niemand hier zu sein.“, antwortete Daryl, der mir folgte. Die Vordertür stand einen kleinen Spalt offen. Lautlos öffnete ich sie, doch im selben Moment bemerkte ich, dass es ein Fehler war. Ein Walker kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Der Mann, der auf mich zuraste, war zum Zeitpunkt seines Todes um die Dreißig Jahre alt. Ein Krächzen kam aus deinem Rachen und Blut floss gierig aus seinem Mund. Aus Reflex rammte ich ihm das Messer zwischen seine Augen, doch seine gierigen Finger griffen immer noch nach mir. Sein toter Körper erschlaffte erst, als Daryl ihm einen Pfeil ins Gehirn schoss.
Schnell zog ich beide Waffen wieder heraus und gab Daryl seinen Pfeil wieder. „Danke.“, sagte ich atemlos und umklammerte mein Messer. Mit vorsichtigen Schritten ging ich in das Haus und sah mich um. Bis jetzt war niemand zu sehen, doch das dachten wir auch beim ersten Mal. Mein Körper bebte vor Adrenalin und meine Hände zitterten extrem. Im Laufe der letzten Wochen war mein ganzer Körper so sehr angespannt gewesen, dass sie mittlerweile immer zitterten.
In Angriffshaltung öffnete ich vorsichtig die Türen der kleinen Tagesstätte und hielt mein Messer gespannt neben meinem Kopf. Als ich die letzte Tür des Flures vorsichtig öffnete und feststellte das sich auch hier niemand drin befand, entspannte ich meinen Körper leicht. Mit schnellen Schritten ging ich in den Spielraum und schnappte mir den Rucksack, der in der Ecke lag. Danach begab ich mich in die Küche und durchsuchte die Schränke nach Essbarem. Ich brach ruckartig ab, als ich plötzlich ein leises Stöhnen hörte. Es kam vom Flur. Prompt nahm ich mein Messer aus der Gürteltasche und folgte dem Geräusch. Daryl, der dasselbe tat, kam auf mich zu. Ich zeigte ihm lautlos den Raum aus dem das Stöhnen kam. Wir hatten einen Raum übersehen. Er lag auf meiner Hälfte des Flures und es hätte auf keinen Fall passieren dürfen. Wegen mir hätte Daryl etwas zustoßen können und das konnte ich mir einfach nicht verzeihen.
Geschickt öffnete ich die Tür und wartete darauf, dass Daryl den tötenden Schuss abfeuerte, doch er blieb aus. Ungeduldig schaute ich zu ihm und er war wie erstarrt. Leblos stand ich hinter der Tür und atmete nicht. Daryl stand einfach nur da.

Kapitel Fünfzehn.- Wiedersehen

 „ Daryl, was ist dort?“, fragte ich lautlos. „Daryl!“, als er schwieg, öffnete ich die Tür weiter, sodass ich reinschauen konnte. Dort saß ein Mensch. Kein Untoter, sondern ein atmender Mensch. „Ich brauche Hilfe.“, hauchte er und drückte seine Hand auf den Bauch. Daryl wollte dem jungen Mann helfen, der hilflos unter dem geöffneten Fenster saß, doch ich hielt ihn zurück. Aus irgendeinem Grund kam er mir bekannt vor. „Vielleicht wurde er gebissen.“, nuschelte ich und der Junge erstarrte. Er saß aus wie ein Schuljunge, der beim Abschreiben erwischt wurde. „Nein, ich wurde nicht gebissen.“, nuschelte er und hielt seine Hand kurz hoch. „Angeschossen.“, gab er leise zu und stöhnte erneut vor Schmerzen auf. „Ich wurde nur angeschossen.“, wiederholte er. Daryl ging an mir vorbei und ich blieb einfach wie erstarrt da stehen. „Daryl! Lass es gut sein.“, wollte ich sagen, doch es blieb mir im Hals stecken. „Wie ist dein Name?“, fragte er freundlich und schob seine Hand beiseite. Ohne medizinische Behandlung würde er nicht überleben. Ich trat näher an die beiden heran. Daryl drückte das alte T-Shirt auf die Wunde des Jungen. „Jeremy.“, nuschelte er und schaute mich an. „Wie ist dir das passiert, Jeremy?“, fragte ich ihn. Er blinzelte mehrere Male heftig. Ich hockte mich neben Daryl und schaute ihm in die Augen. Er konnte sich wohl schlecht selbst angeschossen haben. „Hier in der Nähe gibt es eine Stadt. Sie ist nicht befallen. Dort bin ich geflohen. Ich wurde von zwei Männern gejagt und verwundet. Sie suchen mich immer noch.“, antwortete er und ich stolperte entsetzt nach hinten. „Woodbury?“, fragte ich fast lautlos. Jeremy nickte schwer. Daryl sah mich mit aufgerissenen Augen an. „Die Stadt ist gefährlich.“, meinte Jeremy erschöpft und seine Atmung wurde schwächer. Daryl’s Blick klebte an mir, doch dann konzentrierte er sich auf den verwundeten Mann. „Jeremy, bleib bei mir.“, versuchte Daryl ihn am Leben zu halten. „Du hast es schon so weit gebracht, du darfst jetzt nicht sterben!“, Daryls Stimme brach. Jeremy lächelte einmal kurz, doch er machte seinen letzten Atemzug und verstummte. Seine geöffneten Augen verloren langsam die Farbe. Mit einem Male war alles Leben, was in diesem Jungen gesteckt hatte verschwunden. „Jeremy. Wach auf. Hör mir zu, du musst wach bleiben.“, Daryl hatte alles versucht, doch er würde nicht mehr wiederkommen. Nur noch als Untoter. Daryl hielt inne und senkte den Kopf. „Verdammt!“, fluchte er und schaute mich an. Ich strich ihm sanft über die Schulter. „Daryl, sie suchen nach ihm. Wir müssen weg.“, versuchte ich ihn zum Gehen zu überreden, doch er stand nicht auf. „Er wird sich verwandelt.“, stellte er leise fest und nahm seine Armbrust, die neben ihm lag. Geschickt zielte er zwischen die Augen. „Du musst das nicht machen, lass mich.“, flüsterte ich, doch Daryl legte den Daumen auf den Abzug und drückte ab. Schweigend stand er auf und schaute mich an. „Er ist ebenfalls geflohen.“, meinte er. Ich nickte. Als Daryl den Pfeil aus Jeremy’s Stirn ziehen wollte, erstarrte ich. „Was ist los?“, fragte er und seine beunruhigten Augen musterten mich. Im gleichen Moment bemerkte er die Schritte. Schnell lud er seine Armbrust nach und ich nahm mir vorsichtig mein Messer. „Wir müssen hier weg.“, nuschelte er.„Jeremy? Komm wieder zu uns. Wir können dir helfen.“, rief jemand aus dem Wald. Mein ganzer Körper erstarrte. Ich kannte diesen Mann, der nach dem Jungen rief. Nun wurde mir klar, wieso ich so ein ungutes Gefühl bei dieser Sache gehabt hatte. „Wir haben keine Zeit mehr.“, flüsterte ich und nahm seine Hand. Leise rannten wir in den Spielraum. Schnell öffnete ich den Wandschrank, den ich entdeckt hatte und schubste ihn dort rein. „Meine Waffe liegt in der Küche.“, gab ich ihm zu verstehen. Daryl wollte mich aufhalten. „Ich liebe dich.“, gab ich leise zu und schloss die Tür. Geschickt verriegelte ich sie. „Grace! Lass mich raus!“, wollte Daryl sich wehren und schlug gegen die Tür, stockte jedoch. „Sei vorsichtig.“, hörte ich nur noch und verließ schnell den Raum. Lautlos rannte ich in die Küche und schnappte mir meine Waffe und den Rucksack. Plötzlich hörte ich, wie die Haustür aufflog. „Jeremy, du kannst dich vor uns nicht verstecken. Mick geh nach links und ich werde mich dort mal umsehen.“, meinte ein Mann und seine Schritte kamen näher. Wie vom Blitz getroffen, rannte ich in den Nebenraum und verstecke mich hinter der Tür des Badezimmers. „Jeremy.“, sang jemand und die Schritte kamen immer näher. „Mick, er ist hier. Tod.“, weitere Schritte näherten sich. Mein Herz raste wie wild. „Er hat eine Kopfwunde.“, stellte die andere Person – Mick- fest. „Irgendjemand ist hier.“, gab der Mann beunruhigt zu. „Hallo?“, rief Mick im selben Moment. Wir hatten keine Chance zu entfliehen. „Geh du dort drüben nachschauen!“, befahl der Mann mit der rauen Stimme und plötzlichen gingen die Schritte von mir weg. Sie würden Daryl finden. Mein Herz raste als ich den ersten Schritt in die Offensive machte. Die beiden Männer öffneten jeden Raum, der an den Flur grenzte und durchsuchten ihn flüchtig. Vorsichtig ging ich aus der Küche heraus auf den Flur. „Nicht schießen.“, sagte ich mit sanfter Stimme und hielt meine Waffe in der Luft, genauso wie mein Messer. Blitzschnell richteten die Männer ihre M16-Gewähre gegen mich. „Lass deine Waffen fallen!“, schrie der ältere. Langsam tat ich was er von mir verlangte und legte das Messer und die Waffe auf den Boden. Wie in Zeitlupe öffnete ich meinen Gürtel und legte ihn dazu. „Ich bin unbewaffnet.“, sagte ich schnell und meine Hände erzitterten. Ich erkannte die beiden Männer wieder und ekelte mich. „Grace, richtig?“, fragte Mick und lächelte. Ich nickte leicht und erzitterte. „Du hast also überlebt, wie schön dich zu sehen.“, er machte mehrere Schritte auf mich zu und spielte an meinem Oberteil. Schnell schubste ich seine Hand weg. Mit einem Male holte Mick aus und schlug mir mit voller Wucht ins Gesicht, sodass ich in die Knie ging. „Mick! Lass das.“, meinte der Mann und zog seinen Kumpel zurück. „Damals warst du williger.“ Ich schaute auf das Blut, das an meinen Fingern klebte und spürte wie ein Rinnsal meine Wange herunterfloss. „Sag mal, kleine Grace. Bist du alleine?“, fragte der ältere Mann und schaute sich fragend um. Ich nickte stumm. Mick rümpfte die Nase. „Du kannst nicht alleine hier draußen überleben. Das ist unmöglich. Außerdem bist du verletzt gewesen.“, er grinste. Plötzlich ertönte ein Geräusch. Ich erstarrte. Es kam aus dem Spielzimmer. „Mick, schau nach was das ist. Zögere nicht zu schießen!“, meinte er zu seinem Kumpel und schaute mich an. „Wenn du mich angelogen hast, kleine Grace, dann wird es nicht gut enden.“, mein Körper erstarrte. Ich bemerkte, wie mein Herz anfing zu rasen. Plötzlich ertönte ein Schuss. Alles in mir gefror und ich hielt die Luft an. „Steh auf!“, schrie Mick Daryl an und stolperte in den Flur. Daryl hielt sich schmerzerfüllt die Schulter. Blut floss über seine Finger und tropfte auf den Boden. Er versuchte sich loszureißen- stoppte jedoch als der Mann vor mir seine Waffe gegen mich richtete.„Na sieh mal einer an.“, ertönte seine Stimme und er lachte. „Darf ich vorstellen, dass ist Mick und ich bin Dan. Wer bist du?“, die Stimme des älteren Mannes senkte sich leicht. Er versuchte freundlich zu wirken, wollte jedoch unbedingt die Wahrheit wissen. Als Daryl ihn ignorierte riss er seinen Kopf herum und schaute ihm direkt in die Augen. „Wer bist du?“, zischte Dan und schnaufte. Daryl schwieg weiterhin. Dan drückte seine Finger tief in die klaffende Wunde. Daryl stöhnte vor Schmerzen auf und biss die Zähne zusammen. Ich wusste, dass Daryl kein Wort sagen würde. „Daryl- Daryl Dixon.“, antwortete ich und Dan schaute mich erschrocken an. Lächelnd wischte er sich das Blut von der Hand und lies von Daryl ab. „Ich dachte, ich wäre dein Liebling, aber anscheinend hast du schon jemanden gefunden.“, meinte Dan traurig und hielt mein Kinn fest. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Daryl sich gegen den Griff von Mick wehrte, doch er konnte sich nicht befreien. Mick hielt seine Arme hinter den Rücken verschränkt. Hasserfüllt schaute ich meinen Peiniger an. „Wer hat sich eigentlich um unseren Jeremy so rührend gekümmert und ihm die Kopfwunde verpasst?“, fragte er und schaute mir tief in die Augen. Bevor Daryl etwas sagen konnte, antwortete ich ihm. „Ich war’s!“ Erneut spürte ich wie seine Hand schmerzhaft gegen meine Wange prallte. Diesmal brauchte ich ein paar Sekunden um mich zu sammeln. Ich kannte die Art von Schmerz und hielt ihm stand. „Ich wollte ihn töten.“, meinte Dan betrübt und gleichzeitig voller Zorn. „Fass sie noch einmal an und du bist tot!“, schrie Daryl wütend und wollte auf ihn losgehen. Aufeinmal hörte man ein lautes Knacken und Daryl ging in die Knie. „Nein!“, schrie ich und stand auf. Ohne zu überlegen öffnete sich mein Mund und das Gefühl Daryl unbedingt beschützen zu müssen war stärker denn je. „Tut ihm nichts. Ich mache alles, was ihr wollt.“, sagte ich und meine Hände zitterten. Lautlos starrte mich Dan an. Er war locker 2 Köpfe größer als ich. „Hast du so viel Angst, dass wir deinem Liebsten etwas antun könnten?“, fragte Mick lachend und verstärkte seinen Griff. Daryl schüttelte den Kopf. Ich schaute ihm tief in die Augen und lächelte leicht. Ich wollte ihm sagen, dass alles gut wird und er sich nicht Sorgen brauchte. „Stoppt erst die Blutung!“, nuschelte ich und schaute auf Daryls Schulter. Es sah nach einem glatten Durchschuss aus. Es blutete ziemlich stark. Dan sah mich schief an. „Du bist nicht in der Lage um Forderungen zu stellen.“, antwortete er wütend und stieß mich nach hinten, sodass ich stolperte. „Wo lebt ihr?“ Ich lächelte leicht. Wahrscheinlich würde ich es nicht schaffen ihn zu täuschen, doch ich versuchte es. „Hier, wo sonst?“, war meine Gegenfrage. „Du weißt, dass ich dir kein Wort glaube.“, Dan kam mehrere Schritte auf mich zu und ich wich verängstigt zurück. Mit einem Male riss er meine Schulter herum und schob mich rückwärts in den Waschbereich. „Grace! Verdammt.. Lass sie gehen. Ihr Bastarde!“, schrie Daryl aus dem Flur, doch Dan schloss langsam die Tür hinter sich. Wie erstarrt wich ich zurück und versuchte nach irgendetwas zu greifen, doch dort war nichts. Neben mir waren nur die Marmorwaschbecken und ein großer Spiegel. Die Toilettentüren waren weit aufgerissen. In diesem Moment gab es nichts, dass sich zur Selbstverteidigung eignete. Ich war verloren.

Kapitel Sechzehn.- Verleumdung

 Dan kam immer weiter auf mich zu, doch ich ging verzweifelt zurück. Seine Finger griffen gierig nach meinem T-Shirt und ich konnte mich nicht wehren. Mein ganzer Körper ekelte sich vor ihm. Er berührte meinen Bauch und schob seine Hand unter mein Oberteil. Angeekelt strich ich sie weg. „Lass uns ein wenig Spaß haben, während du mir die Wahrheit erzählst.“, meinte er und lächelte höhnisch. Ich erschrak, als mein Rücken gegen die kalte Wand gedrückt wurde. „Halt still!“, schrie Mick aus dem Flur. Mir wurde klar, dass ich etwas unternehmen musste. Die beiden durften die Wahrheit nicht erfahren und ich wusste, dass Daryl ihnen alles erzählen würde, wenn es um mein Leben ginge. Diesmal ließ ich Dan’s Griff unter mein Oberteil zu. Sein stinkender Körper drückte sich an meinen und er küsste meinen Hals. Meine Hände zitterten so sehr, dass es mir schwer fiel den Plan in die Tat umzusetzen, doch ich schaffte es. Mit voller Wucht schmetterte ich seinen Kopf gegen den riesigen Spiegel und Dan fiel zu Boden. Es gab einen lauten Knall, als sein Körper zu Boden fiel. Ich hatte es endlich geschafft. Eine kleine Blutlache bildete sich neben seinem Kopf. Er hatte das Bewusstsein verloren. „Dan!“, schrie Mick aus dem Flur. Mit zitternden Knien stolperte ich zur Tür und öffnete sie. Mit erhobenen Händen ging ich zurück in den Flur und blieb kurz vor den beiden stehen. Mick richtete seine Waffe auf mich. „Was hast du getan?“, fragte er mich und seine Stimme bebte. Der Mann schaute geschockt auf meine Hände und wurde noch wütender. Erst jetzt bemerkte ich, dass Scherben sich tief in meine Handflächen und in meine Knöchel bohrten. Ich hatte ganz vergessen, dass ich selbst gegen den Spiegel schlug, als ich Dan dagegen schmettert. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog ich die größeren Splitter aus meiner Hand heraus, sodass ich sie besser bewegen konnte. Als ich Mick anschaute wurde mir alles klar. Er würde mich töten, da ich anders gehandelt habe und Dan überwältigte. Daryl schaute mich mit aufgerissenen Augen an. Lächelnd versicherte ich ihm, dass alles in Ordnung war. Danach schloss ich die Augen und versuchte nicht daran zu denken, was passieren würde. Ich hatte all die Monate überlebt, nur um hier zu sterben. Ich habe die Untoten überlebt und würde nun von einem Menschen umgebracht werden. Jeder der in der heutigen Zeit um sein Überleben kämpfte, hatte es einfach nicht verdient so zu sterben. Aufeinmal hörte ich den Schuss, der sich aus seiner Waffe löste und wartete auf den brennenden Schmerz der sich in mir breitmachen musste, doch er kam nicht. Unsicher öffnete ich die Augen und bemerkte das Stöhnen des jungen Mannes, als er schmerzverzerrt auf dem Boden lag. Daryl hatte ihm den Ellenbogen in die Weichteile geschlagen, sodass er in die Knie ging. Seine Waffe fiel vor ihm auf den Boden. Aus Reflex schnappte ich mir die Waffe und hielt sie auf den am Boden liegenden Mann. Daryl stand schmerzverzerrt auf und hielt sich seine blutende Schulter. Mir wurde bewusst, dass ihm der Blutverlust bald zu schaffen machen würde. „Drück etwas auf deine Wunde.“, nuschelte ich und schaute ihn an. „Geht es dir gut?“ Unsicher schaute er mich an und nickte jedoch, ließ seinen Blick jedoch nicht von mir. Ich bemerkte, dass mein T-Shirt zerrissen war und man meinen zerschundenen Körper sehen konnte. „Mir geht es gut.“, meinte ich schnell und schaute zu Mick. Ich versuchte einfach Daryls Blick zu ignorieren. „Was haben wir euch nur getan? Konntet ihr es nicht einfach dabei belassen und uns einfach in Ruhe lassen?“, fauchte ich und atmete tief ein. Aus dem Wald hörte man Krächzen und Stöhnen. „Wir müssen los, Grace.“, sagte Daryl und schaute auf Mick. Ich nickte. „Na los, steh auf!“, schrie ich ihn an. Mick stand mit wackeligen Beinen auf und ich schubste ihn in den Waschraum. Ich konnte ihn einfach nicht erschießen, doch einsperren auf jeden Fall. Schnell drückte ich Daryl die Waffe in die Hand und rannte ins Nebenzimmer. Dort nahm ich mir einen Stuhl und stellte ihn unter den Türgriff des Waschraums. Das Badezimmer besaß keine Fenster und der einzige Weg heraus, wäre durch den mit Beißern übersäten Flur. „Wir lassen einfach die Tür auf und Jeremy’s Leiche wird Walker anziehen. Sie sind unbewaffnet und ihr einziger Weg wäre nach draußen oder sie verhungern.“, erklärte ich meinen Plan und Daryl stimmte dem zu. Von draußen kamen immer mehr Geräusche und ich tippte Daryl an, dass er hinter mir laufen sollte. Er war verwundet und schaffte es kaum sich auf den Beinen zu halten. Ich musste ihn beschützen. Geschickt nahm ich mein Messer aus meiner Gürteltasche und öffnete die Tür. Drei Beißer sammelten sich im Vorgarten des Hauses. „Bleib hier.“, sagte ich und lief nach draußen. Zuerst kümmerte ich mich um den Walker, der neben dem Auto her humpelte und rammte ihm mein Messer zwischen die Augen. Im selben Moment bemerkte ich einen Beißer, der aus dem Wald aus auf mich zu rannte. Geschickt duckte ich mich und trat mit voller Wucht gegen sein Knie, sodass er zu Boden fiel. Wie bei jedem anderen Infizierten tötete ich diesen mit einem Messer das den restlichen Teil, des noch lebenden Hirns ausschaltete. Dasselbe tat ich auch bei der Frau, die in Daryls Richtung humpelte. Schnell rannte ich zu Daryl ins Auto und half ihm mit Mühe und Not ins Auto.Aus dem Augenwinkel nahm ich weitere Beißer war, die aus dem Wald aus auf uns zu kamen und ich beeilte mich noch mehr. Unbewusst riss ich die Fahrertür auf und setzte mich schnell ins Auto. Daraufhin drehte ich am Zündschlüssel, der im Auto steckte und startete es. „Halt, wir brauchen den Rucksack.“, nuschelte ich und verschloss Daryls Beifahrertür, als ich mich zu ihm herüberlehnte. „Nein, du kannst dort nicht raus. Wir müssen los.“, antwortete Daryl streng, doch ich schüttelte den Kopf. „Ich habe es Carl versprochen!“, meinte ich nur kurz und öffnete die Fahrertür. So schnell es nur ging rannte ich in das Gebäude rein und sofort in Richtung Küche. Der Rucksack lag dort, wo ich ihn fallen ließ, als wir Jeremy entdeckten. Blitzschnell versuchte ich die restlichen Dosen aus den Schränken in die Tasche zu schmeißen, dazu kamen noch mehrere Trinkflaschen, Windeln und eine Hand voll Schnuller, die auf dem Spieltisch lagen. Gerade als ich den Raum verlassen wollte, entdeckte ich die Kommode, die in einem leeren Abstellzimmer neben der Küche stand. Geschickt riss ich die Schänke auf und nahm mir alle Strampelanzüge, Oberteile, Socken, kleine Schuhe und Hosen heraus. Der Rucksack quoll fast über, als ich ihn oben zu band und auf die Schulter hievte. Auf die Schnelle die Tasche aus dem Gebäude zu holen dauerte nicht mehr als 30 Sekunden, doch anscheinend reichte es einigen Beißern um näher zu kommen. Seufzend griff ich nach meinem Messer und zog somit die Aufmerksamkeit der zwei Walker auf mich, die wild am Auto lauerten. „Komm du Streuner!“, sagte ich und lächelte leicht, als er sich mit schnellen Schritten auf den Weg zu mir machte. Dieses Mal ging es einfach als davor, die zwei harmlos aussehenden Walker zu überwältigen, doch man durfte sie nie unterschätzen. Mit einem Biss konnten sie dein Leben in wenigen Stunden oder sogar Tagen beenden. Sie waren wie Gift und obwohl jeder sich nach dem Tod aus einem unerklärlichen Grund in einen Beißer verwandelte, versuchte man alles um weiter als Mensch leben zu können. Mit einem lauten Knall schloss ich die Fahrertür und schmiss den Rucksack auf die Rückbank. Daryl schaute mich mit müden Augen an. „Zeig mal her.“, nuschelte ich und lehnte mich zu ihm herüber. Obwohl Daryl seine Hand auf die Wunde drückte, blutete es stark. Ich suchte irgendetwas, womit ich die Blutung stillen konnte, doch ein Strampelanzug von Judith war wohl keine gute Idee. „Hier nimm dein Shirt und drück es drauf.“, nuschelte ich und zog mir das Oberteil aus. Es war auf keinen Fall gewollt, doch Daryl konnte seinen Arm nicht bewegen und ich wollte ihm keine unnötigen Schmerzen zufügen. Vorsichtig drückte ich das T-Shirt auf die Wunde, und Daryl verzog schmerzhaft das Gesicht. „Deine Schulter ist ausgekugelt. Hoffentlich hat die Kugel keinen Nerv beschädigt.“, stellte ich fest und man hörte sofort heraus, dass ich mir Sorgen machte. Er hätte bei dieser leichtsinnigen Aktion sterben können. Mit Leichtigkeit setzte ich das Auto in Bewegung und ignorierte die Beißer, die aus dem Wald auf uns zu gelaufen kamen. Jeremy würde seinen Job erledigen und sie in das Gebäude locken. Ich fuhr ein kurzes Stück rückwärts und schaltete anschließend in den Vorwärtsgang. Mit durchdrehenden Reifen erhöhte ich die Geschwindigkeit schnell und nahm den Fuß erst wieder vom Gas, als wir die Hauptstraße erreicht hatten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Daryl schmerzhaft das Gesicht verzerrte und nach draußen schaute. „Es tut mir alles so leid.“, gab ich zu und seufzte. „Wenn wir uns unauffälliger Verhalten hätten oder wir kurzfristig geflüchtet wären, wäre das alles nicht passiert.“ Der Mann, der neben mir auf dem Beifahrersitz saß, erzitterte kurz und blickte mich schließlich an. Eine Gänsehaut überkam mich und mein Körper verkrampfte sich schlagartig. Dieser Blick erschütterte mich. Nicht oft erlaubte Daryl mir ihn zu lesen und sein Verhalten zu analysieren, doch in diesem Moment schaute ich in seine Augen und konnte all den Schmerz, die Verzweiflung und die Angst spüren, welche ihn in diesem Moment begleiteten. Sein Gesicht war eine Art Spiegel in den ich hineinschaute und es war genau der Spiegel, der mich meine eigenen Gefühle mit einem Male spüren ließ- als wären sie davor nicht dort gewesen. Angst und Schmerz machten sich in diesem Moment in mir breit. Ich hatte dort drin so viel Angst gehabt, so viele Erinnerungen kamen hoch, die ich versuchte zu verdrängen, deren ich nun kläglich ausgesetzt war. Mein Blick war starr auf die Straße gerichtet, doch meine Sicht verschwamm. Ich durfte nicht weinen. Weinen war ein Zeichen von Schwäche, doch ich hatte keinen Mut mehr. Schmerzhaft machte sich in mir die Erkenntnis breit, dass ich nichts hätte tun können. Daryl wurde angeschossen und ich hatte keine Chance gehabt, irgendetwas zu tun. Dan hätte mich misshandelt, wenn nicht sogar schlimmeres, doch auch da wäre ich vollkommen hilflos gewesen. Daryl hätte meine Schreie gehört und sich selbst in den Tod gestürzt. Vollkommen schutzlos- ohne jegliche Waffen, ohne Energie, hätten die beiden Männer uns dort liegen lassen können. Bis schließlich Streuner kämen und - „Grace! Halt an. Stopp sofort den Wagen!“, hörte ich Daryls leise Stimme flüstern, das nach und nach immer lauter wurde. Ich merkte plötzlich, dass ich mich nicht mehr auf die Straße konzentriert hatte und mit dem rechten Vorderrad auf dem Seitenstreifen fuhr. Daryl schüttelte meine Schulter und ich drückte einfach nur mit dem Fuß auf die Bremse. Ich konnte nicht mehr klar denken und mich auf das Fahren konzentrieren war somit nicht mehr möglich. Als das Auto mit quietschenden Reifen letzten Endes zum Stehen kam, bemerkte ich die Tränen, die meine Wange runterflossen und nicht aufhörten.„Grace..“, fing Daryl an und strich mit seiner Hand über meine Wange. Er sollte dies nicht tun müssen. Mein Grund warum ich überhaupt noch auf dieser Welt war, war verletzt und sollte umgehend zu Hershel gebracht werden, doch ich war unfähig weiter zu fahren. Bei seiner zarten Berührung fing mein ganzer Körper an zu beben und ich hatte keine Möglichkeit es zu unterdrücken. Vorsichtig löste ich meine zitternden Hände vom Lenkrad und umfasste Daryls blutverschmierte Hand. „Alles ist gut.“, schluchzte ich und drückte seine Hand zurück auf seine Wunde. Mehrere Schluchzer erschütterten meinen Körper und Tränen rannen über meine Wange. Daryl wusste, dass er nichts machen konnte und schaute nach draußen. Ich dankte ihm dafür, denn er würde alles sehr wahrscheinlich schlimmer machen. Es dauerte einen Moment bis ich mich wieder gefasst hatte, doch ich schaffte es mühselig. Schnell wischte ich mir die letzten Tränen aus dem Gesicht und versuchte mich zu beruhigen. Meine Sicht wurde wieder klarer, denn ich hatte mich ausgeweint. Daryl schaute mich beunruhigt von der Seite aus an. Gerade als er etwas sagen wollte, unterbrach ich ihn. „Wir müssen jetzt erst einmal zu Hershel.", sagte ich mit zitternder Stimme und legte den Gang ein.

Kapitel Siebzehn.- Geschehnisse

 Als Maggie uns das untere Tor aufhielt, fuhr ich direkt bis vor den Hof. Glenn, der uns verwundert anschaute, wusste das etwas nicht stimmte, denn die Autos blieben meist auf der Wiese vor den Wachposten stehen und nicht direkt auf den Hof. Schnell drehte ich den Zündschlüssel im Schloss und machte die Tür auf. „Warte, ich helfe dir.“, meinte ich als Daryl Anstalten machte sich abzuschnallen und die Tür aufzudrücken. Als Glenn mich sah, wie ich nur mit BH gekleidet aus dem Auto ausstieg und Blut an meinen Händen klebte, wurde er hektisch und kam die Treppen runter auf uns zu. Meine Hand schmerzte bei jeder Bewegung, doch diesmal ging es nicht um mich. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Maggie zu uns hochgelaufen kam und Carl mich musterte. Der kleine Junge stand am zweiten Tor, durch das wir gefahren sind und hatte die Augen aufgerissen. Alles was er sehen konnte als er mich ansah, war der blutverschmierte Verband um meinen Bauch, meine blutbefleckte Schulter und meine blutenden Hände, dazu kamen noch meine tränenunterlaufenden Augen. Sozusagen nur Blut und mich. Mit schnellen Schritten ging ich um das Auto herum und sah wie Daryl die Beifahrertür schon aufgemacht hatte. „Wieso wundert es mich nicht, dass du nicht warten kannst?“, fragte ich ihn. Geschickt half ich Daryl aus dem Auto auszusteigen, doch jede Bewegung seiner Schulter schmerzte. „Ich brauche keine Hilfe.“, sagte Daryl missmutig und knickte kurz mit den Beinen weg. Mein Griff um ihn herum wurde stärker. „Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich.“, meinte ich leise und wir gingen Glenn entgegen, der auf uns zu gerannt kam. „Und was soll ich mir um dich machen?“, flüsterte Daryl leise. Mein Gehirn musste diese Worte mehrmals verarbeiten, bis ich sie verstand. Daryl hatte viel Blut verloren und war schwächer als sonst. Ich brauchte Glenn’s Hilfe um ihn die Treppen hoch zu Hershel zu tragen. Die ganze Zeit über bereute ich es überhaupt mit ihm gefahren zu sein. Es war alles meine Schuld gewesen. „Daryl! Was zur Hölle ist passiert?“, rief Rick als er uns sah. Maggie schloss hinter uns die Tür. Es fühlte sich in dem Moment an, als würde jemand hinter mir stehen und meinen Hals zu drücken. Meine Luft wurde immer weniger und ich drohte innerlich zusammenzubrechen, doch ich musste es schaffen. Meine Wange drückte gegen Daryls gesunde Schulter und ich bemerkte den Schmerz, der sich meine Gesichtshälfte herunterzog. „Wir müssen ihn erst einmal zu Hershel bringen.“, meine Stimme zitterte. Rick, der aus dem Block auf uns zukam, drückte mich zu Seite und nahm meinen Platz neben Daryl ein. Dieser war nur noch halb bei Bewusstsein und musste sich daran hindern einzuschlafen. Lautlos folgte ich ihnen. „Grace!“, rief Maggie, die hinter uns hergelaufen kam. Ich stoppte kurz, machte jedoch Anstalten weiterzulaufen. Ich durfte Daryl jetzt nicht alleine lassen. „Was ist passiert?“, fragte Mag vorsichtig und strich mir über die Wange. Als sie die Hand wegzog, bemerkte ich das Blut an ihren Händen. Unsicher tastete ich nach der Quelle des Blutes und spürte den Schmerz, der sich in meinem Gesicht breitmachte, als ich länger auf die Wunden drückte. „Sie schlugen mich.“, nuschelte ich und Maggie konnte mir nicht ganz folgen. „Sie haben versucht mich anzufassen. Daryl wollte mich die ganze Zeit über nur beschützen. Er wollte mich nur beschützen“, wiederholte ich abwesend. Mag’s Augen schauten mich fassungslos an. „Ich will das nicht noch einmal durchmachen müssen.“, meinte ich leise und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Für einen kurzen Moment vergaß ich alles um mich herum und versuchte einfach nur mit meinem inneren Chaos fertig zu werden, doch das war zwecklos. Wenn ich jetzt zur Ruhe kommen würde, würde ich zusammenbrechen, denn alles woran ich jetzt noch hing war Daryl. Mein Verstand stand ganz nah an einer Klippe, eine weitere Katastrophe und er würde hinunterspringen. Alles, was ich jetzt wollte, war der Moment im Auto vor der Tagesstätte, als ich Daryl küsste und die Welt für einen kurzen Moment in Ordnung schien. Kurz bevor wir die Tür geöffnet hatten und um unser Leben betteln mussten. Vielleicht wollte Maggie noch etwas sagen, doch ich hörte nicht mehr zu. Als Rick aufgeregt nach Hershel rief, kam ich wieder zu mir und ich folgte dem Tumult. Daryl wurde in die Zelle gebracht, in der ich vor weniger als zwei Wochen noch unterkam. Die Zelle besaß ein Bett und daneben lagen alle medizinischen Utensilien, die wir im ganzen Gefängnis finden konnten. Glenn und Rick legten Daryl vorsichtig auf das aufgewühlte Bett und ließen Hershel neben ihm auf dem Stuhl Platz nehmen. Maggie nahm ihrem Vater die Krücken aus der Hand und reichte ihm den Arztkoffer. Beth kam zusammen mit Judith auf dem Arm herbei und stellte sich neben mich. Unsicher betrachtete die junge Frau erst Daryl dann mich. Vorsichtig legte sie mir eine Hand auf die Schulter. „Es wird alles wieder gut.“, flüsterte sie und lächelte aufmunternd. Ihre Augen musterten mich. Zuerst war es Fassungslosigkeit- genauso wie bei Maggie- die sich auf ihrem Gesicht breitmachte, doch wenig später bestand es nur noch aus Mitleid. Ich nickte dankend, jedoch war ich überrascht über ihre Reaktion mir gegenüber. Seit ich aus Woodbury zurückkam, war sie eher misstrauisch und mied Kontakt mit mir. „Grace!“, schrie Rick, der sich vor mir hingestellt hat und zog vorsichtig meinen Kopf hoch. „Grace, geht es dir gut?“, fragte er und nahm vorsichtig meine Hände. Als er sie drehte, um sich meine Handflächen anzuschauen, zog ich sie weg. „Mir geht es gut.“, antwortete ich und Rick starrte mich perplex an. Ich schaute an meinem Körper herunter und bemerkte, dass ich Daryl’s Blut an mir hatte. „Es ist nicht meins.“, gab ich zu, doch Rick schüttelte den Kopf. Er zog meine Hände hoch und frisches Blut tropfte auf den Boden. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich viele Blutspritzer auf dem Boden befanden. Ich erlaubte Rick meine Hände umzudrehen und meine Unterarme zu betrachten. Nicht nur mein Handrücken war mit Scherben und Schnitten übersehen, sondern auch meine Handfläche und mein Unterarm. Tiefe Schnitte zeichneten sich darin ab. Vorsichtig zog ich ein etwas größeres Stück aus meinem Handgelenk. „Ich habe, als ich mich wehrte, gegen den Spiegel geschlagen- zusammen mit Dan’s Kopf. Es tat nicht weh, nur ein wenig Blut.“, meinte ich und ich war eindeutig neben der Spur. Mein Körper wollte sich nicht mehr so bewegen wie ich es wollte und ich knickte ein. Meine Knie zitterten so stark, dass ich keine Möglichkeit fand, mich auf den Beinen zu halten. Es geschah alles zu schnell. Als meine Knie hart auf den Betonboden knallten, blieb ich einfach sitzen und betrachtete Daryl. Meine Finger klammerten sich an die Scherbe. Rick konnte mich nicht einfach an den Armen wieder hoch ziehen, denn sie waren vollkommen zerschnitten. Aus Angst mir weh zu tun, tat er es nicht. Er kniete sich vor mich und schaute mir in die Augen. Ich wünschte, er würde weggehen, so dass ich weiter zu Daryl blicken konnte.„Rick, frag sie, was passiert ist.“, hörte ich Glenn sagen, der in der Ecke stand und sein Gewehr umklammert hielt. Auch er konnte es nicht mitansehen, wie sein Freund dort auf diesem Bett lag. Als Rick gerade etwas sagen wollte, fing ich an zu erzählen. Es war die ganze Geschichte, die mittels weniger Worte gesprochen wurde. Ich versuchte kein Detail auszulassen und mich einfach nur auf die Wirklichkeit zu konzentrieren. Hauptsächlich darauf, was wichtig war. „Die Kugel hat keinen Nerv getroffen, leider war es auch kein Durchschuss.“, stellte Hershel fest und verpasste Daryl eine Ohrfeige. „Du musst wach bleiben, hast du mich verstanden?“, Daryl öffnete die Augen und schaute an die Decke. Sein Gesicht war kreidebleich. Immer wieder fielen seine Augenlieder zu, die er müde wieder aufriss. „Maggie, gib mir die Klemme.“, verlangte Hershel. Maggie war der Schock ins Gesicht geschrieben. „Seine Schulter ist ausgekugelt.“, ergänzte ich den Tierarzt. Meine Stimme zitterte. „Zuerst müssen wir die Kugel entfernen.“, Hershel sah zu Glenn und Rick. Schnell stand ich auf und ich musste mich an dem Türrahmen festhalten, um nicht um zu fallen. Glenn sah mich mit großen Augen an, als ich an ihm vorbeiging und mich an Daryls Kopfende kniete. Jede Bewegung meines Körpers tat weh. Jetzt, wo ich kaum noch Adrenalin spürte machte es die Situation um einiges schwerer. „Aber Dad, wir müssen ihn betäuben!“, sagte Maggie fassungslos. Hershel seufzte. „Womit denn, Mag? Sollen wir ihn bewusstlos schlagen?“, war Hershels Gegenfrage. Selbst der alte Mann kam nicht damit klar, dass Daryl verwundet wurde, denn Sarkasmus war nie seine Schwäche gewesen. Rick hielt Daryl an den Armen fest und Glenn schnappte sich seine Beine. Mit blutenden Händen strich ich Daryl zärtlich über die Wange. Seine glasigen Augen schauten mich an und er wusste genau, dass die nächsten Minuten nicht zu seinen schönsten gehörten. Vorsichtig, doch mit der Geschicklichkeit eines Arztes spreizte Hershel die Schusswunde und führte die Kornzange ein. Daryls Körper erstarrte mit einem Male und seine wunderschönen blauen Augen wurden schmerzhaft aufgerissen. Ein Schrei durchbrach die Stille und sein Körper wandte sich unter den Schmerzen. Der Arzt jedoch musste, um die Kugel zufassen kriegen tiefer in die Wunde eindringen. In diesem Moment wusste ich genau, dass ich diese Schreie nie wieder aus meinem Gedächtnis löschen konnte, denn sie brannten sich in mein Gehirn, als wären sie schon immer dort gewesen und würden auch immer dort bleiben.

Kapitel Achtzehn.- Verarbeitung

 Schmerzhaft zog ich eine weitere Scherbe aus meinem Unterarm heraus und legte sie auf die Fensterbank zu den anderen. Durch die vergitterten Fenster erkannte man die letzten Sonnenstrahlen, die den Himmel erhellten. Ich zischte leicht, als die Schmerzen zu groß wurden und ließ vorsichtig nach. Erneut zog ich eine ovale Scherbe heraus. Plötzlich fing mein Handgelenk an zu bluten und rann meine Hand herunter auf den Boden. Zaghaft drückte ich meine Hand auf die blutende Stelle und fluchte leise. Bedacht strich ich meine Hand an Beth’s geliehenem Top ab und versuchte das nächste Stück heraus, welches sich in meine Hand schnitt. Das klirrende Geräusch von zersplittertem Glas erklang, als ich ausversehen eine weitere auf den Boden fallen ließ. „Scheiße.“, zischte ich und bückte mich, um diese aufzuheben. „Grace?“, fragte Hershel unsicher und humpelte auf mich zu. „Alles in Ordnung.“, gab ich ihm zu verstehen und wandte mich ab. Ich würde das alleine schaffen. „Ich brauche keine Hilfe.“, versicherte ich ihm, doch er lehnte seine Krücken gegen die Wand und ergriff meine Hände. Aus Reflex wollte ich die Arme wegziehen, doch ich riss mich zusammen. „Es muss auf jeden Fall genäht werden.“, meinte Hershel schmunzelnd. „Folge mir.“ Lautlos ging ich dem alten Mann mit den Krücken hinter her, der sich den Arztkoffer aus Daryl’s Zelle holte und dann zu Beth und Judith an den Tisch ging. „Schatz, gehst du bitte mit Judith kurz an die frische Luft?“, fragte der Arzt seine Tochter. Beth nickte und lächelte mir zu. Als Hershel sich hingesetzt hatte und die Krücken auf dem Fußboden neben ihm lagen, deutete er auf mich, dass ich mich setzten sollte. „Geht es Daryl gut?“, fragte ich leise und schaute hilflos auf seine Zellentür. Der Mann mir gegenüber nickte leicht und atmete tief ein. „Wenn er keine Infektion bekommt, dann wird alles wieder gut werden.“ Ich lächelte leicht und der Griff um meinen Hals herum wurde sanfter. „Wahrscheinlich wacht er morgen wieder auf, zwar wird er noch einige Schmerzen haben, doch auf jeden Fall besteht dann die Chance auf eine Besserung.“, versuchte der Tierarzt mich aufzumuntern und lächelte. Sein Lächeln wirkte beruhigend auf mich und langsam versuchte ich mich zu entspannen. „Nun komm, lass mich dir helfen.“, meinte Hershel und griff nach seiner Klammer und dem Verband. ‚Es würde alles wieder gut werden‘, war das erste, was mir nach diesem langen Tag durch den Kopf schoss. „Ich danke dir- für alles.“, hauchte ich leise, doch Hershel kümmerte sich um meine Schnitte und entfernte die restlichen Scherben vorsichtig. Er antwortete nicht darauf, doch ich bildete mir ein, ein leichtes Funkeln in seinen dunkelblauen Augen erkennen zu können. Mit leisen Schritten verabschiedete ich mich von Hershel und dankte ihm erneut. Der Arzt hatte mir die tiefsten Schnitte geschickt zunähen können und um die anderen wickelte er einfach einen Verband. Meine Arme fingen leicht an zu brennen, doch ich ignorierte es. Lautlos öffnete ich die Tür zu Daryls Zelle und ging herein. Normalerweise hätte Daryl diese kleine Bewegung sofort mitbekommen, doch er schlief einfach weiter. Seine Brust hebte und senkte sich gleichmäßig. Vorsichtig nahm ich mir den Stuhl auf dem Hershel gesessen hatte und schob ihn mir so nah es ging an das Federbett. Unsicher schaute ich Daryl an und sofort schossen mir seine schmerzerfüllten Schreie ins Gedächtnis. „Es tut mir alles so leid.“, nuschelte ich und eine Träne floss über meine Wange. Ohne ihn großartig zu bewegen nahm ich seine Hand in meine und lehnte mich gegen die Stange des Bettes. Es war als wäre er eine vollkommen andere Person. Hilflos und Verletzbar zugleich. Nachdenklich schaute ich in sein bleiches Gesicht und auf seine Hand in meinen Händen. Der ganze Tag wirkte, als wäre er ein Traum gewesen aus dem ich jetzt erst richtig aufwachen würde. Es war mein Fehler gewesen, dass ich überhaupt auf die Idee kam mich außerhalb des Zaunes frei zu bewegen, doch diesmal konnte ich es nicht ändern. Es hätte auch gut sein können, dass ich jetzt auf dieser Trage lägen würde und alleine in diesem Raum, auf die Decke starren würde. Er hätte beinah dabei getötet werden können und ich wäre nun alleine. Für immer und ewig in dieser Welt voller Chaos, Zerstörung und Tod.Ich zuckte zusammen, als sich plötzlich die Zellentür öffnete und Rick zusammen mit Glenn und Carl herein kam. Unsicher schauten mich die Männer an, gingen jedoch rüber zu Hershel, der an dem großen Tisch saß. Carl blieb kurz vor mir stehen und betrat den Raum lautlos. Beth ging zusammen mit der schlafenden Judith zu ihrem Vater. Der Junge, der mir gegenüber stand, lehnte sich gegen die Tür, an der ich mich vorhin krampfhaft festhalten musste und lächelte leicht.„Grace.“, fing er leise an und seufzte. „Es tut mir leid, dass euch das passiert ist." Ich wollte ihn unterbrechen, doch er hob die Hand. „Ich habe auf der Rückbank eures Autos den Rucksack entdeckt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dir dafür danke. Jetzt kann Judith endlich Babysachen tragen.", Carls Lächeln wischte alle Sorgen für einen kurzen Moment weg. Ich erwiderte sein Lächeln vorsichtig. „In ein paar Wochen können wir erneut schauen, ob wir Spielsachen oder weitere Windeln bekommen.", nuschelte ich abwesend und blickte zu Daryl. Carl wusste, dass ich es ernst meinte und ich alles für Judith tun würde.Das kleine Mädchen hatte eine Chance bekommen zu leben und diese Chance sollten wir auch wahrhaben, denn in einer Welt voller Beißer würde sie niemals alleine überleben können. Sie brauchte Hilfe und sie muss von Anfang an lernen, wie es ist in einer gefährlichen Welt aufzuwachsen und sie muss versuchen zu überleben. Sie wird früh lernen müssen, was Verlust und Schmerz in der heutigen Welt bedeuten. Auch ihr großer Bruder musste es lernen, doch er konnte sich noch zu gut an die Zeit erinnern, in der er in die Schule ging und sich mit seinen Freunden traf. Es musste schwer für Carl gewesen sein, als ihm klar wurde, dass es diese Welt nicht mehr geben würde. Der Junge verließ lautlos den Raum und die anderen verstummten am Tisch. „Geht es ihr gut?", hörte ich Maggie leise flüstern. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie sie reingekommen ist. Ich fragte mich, ob sie schon die ganze Zeit hier gewesen ist und sich in ihrer Zelle befand. „Ihr wird es wieder gut gehen.", antwortete Carl genauso leise. Im Block war es so still, dass man sogar die Streuner vor den Zäunen krächzen hören konnte. Ich war erstaunt, dass sie die Antwort des Jungen einfach so hinnahmen. „Gibst du mir sie bitte?", fragte Rick anscheinend Beth, denn man hörte das Schmatzen eines Babys. Rick hatte sich weiterentwickelt, denn anfangs gab er Judith die Schuld an Loris Tod und nun wollte er ein angemessener Vater sein. Bestimmt war Carl glücklich über das Verhalten seines Vaters, denn endlich konnte er wieder sehen, wie seine kleine, zerbrochene Familie wieder atmete.Lautlos stand ich auf und legte vorsichtig Daryls Hand neben seinen Körper. Er schlief immer noch, jedoch war er nicht mehr so bleich wie vorhin. Ich ging in den Aufenthaltsraum, ganz vorsichtig ohne niemanden zu erschrecken. „Rick, ich wollte dich fragen, ob ich die Nacht hier bei Daryl verbringen kann?", fragte ich ihn leise und kam mir fehl am Platz vor. Vor ein paar Wochen hätte ich ihn so etwas nie fragen müssen, denn er vertraute mir damals blind. Nicht nur, weil ich mich um Carl sorgte und die Gruppe beschützen wollte, sondern auch weil er mich mochte. Auf der Farm waren Daryl und ich Rick eine große Hilfe gewesen. Rick sah von seiner Tochter hoch. "Natürlich.", antwortete er und widmete seine Aufmerksamkeit seiner Tochter. Mit versteinerter Miene sah ich zu Glenn und nickte ihm zu. Er verstand, ließ Maggies Hand vorsichtig los und folgte mir in den B Block, indem Daryl und ich lebten. Schnell ging ich in die Schlafzelle und packte meine alten Sachen, die Maggie mir auf das Bett gelegt hatte, in die Tasche und strich das restliche Blut, welches am Messer klebte, an meinem dreckigen, zerrissenen Shirt ab. Ich griff in Daryls Tasche und holte seine Wasserflasche heraus. Er hatte sie anscheinend heute Morgen aufgefüllt, denn sie war voll. Danach wühlte ich noch in meiner Tasche herum und fand meine alte Trinkflasche, diese war im Gegensatz zu Daryls leer. „Warum sollte ich dir folgen?", fragte Glenn unsicher und lehnte sich gegen den Türrahmen. Ich nahm das Messer vom Bett und steckte es in meine Gürteltasche hinein. „Ich wollte dich nicht vor den anderen fragen.", meinte ich leise und schaute ihn an. "Würdest du die Zellentür abschließen, wenn ich später bei Daryl bin?" seine Augen weiteten sich und er blickte nervös drein. „Wa-.. Warum sollte ich das machen?“, stotterte er und stellte sich aufrecht hin. Ich nahm mir Daryls Wasserflasche unter den Arm und griff nach einem anderen Shirt für ihn. „Ich möchte Rick einfach nicht enttäuschen. Du weißt selbst, dass ich mir nicht traue, wenn ich schlafe.“, flüsterte ich. Glenn schüttelte den Kopf. „Wir vertrauen dir aber, Grace! Du musst dir keine Sorgen machen.“, erwiderte der Koreaner genauso leise. Langsam verlor ich dir Geduld. „Hör mir mal ganz genau zu. Ich habe Maggies Oberarm zerkratzt und Daryl die Narbe auf der Wange verpasst und ihn dabei im Schlaf fast umgebracht.“, sagte ich wütend und schnaufte. „Du hast Rick letztens nicht reden hören. Vielleicht scheint es jetzt, als ob alles gut wäre und jeder mir vertraut, aber es ist nicht so. Ich möchte einfach keine Gefahr für Judith oder Carl darstellen. Außerdem bin ich mir sicher, dass ich Daryl nie etwas antun kann- vor einer Woche war ich anders, doch versteh mich bitte. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn irgendetwas passiert.“, rechtfertigte ich mich. Ich würde alles für Daryl tun, schließlich habe ich mit den Geschehnissen der vergangenen Woche abgeschlossen. Ich war mir nicht sicher, ob ich es irgendwann schaffen würde, doch mit jedem Tag ging es mir besser. „Was passiert, wenn Carl in der Zelle neben mir steht und ich schlafe. Du kennst meine Reaktion, wenn ich mich im Schlaf erschrecke. Ich würde seinen Hals zu drücken und erst aufwachen, wenn er auf dem Boden liegt, denn dann wäre alles schon vorbei.“, fügte ich hinzu. Glenn kniff seine Augen zu. Er verstand meine jetzige Situation endlich. „Nun komm.“, nuschelte ich und ging an ihm vorbei. Plötzlich zog er mich am Arm zurück und ich zuckte zusammen. Der Schmerz zog bis in die Schulter. „Du musst versuchen dir selbst wieder zu vertrauen. Jeder weiß, dass du viel durchgemacht hast, doch das kann nicht so weiter gehen. Wir lieben dich und du gehörst zur Familie auch nach der Zeit in Woodbury.“, meinte Glenn leise und lächelte leicht. „Ich danke dir.“, murmelte ich und entzog mich ihm. Ich musste so schnell es ging wieder zu Daryl. Er brauchte mich, auch wenn er es mir nicht gesagt hat, aber das redete ich mir nur ein. In Wirklichkeit brauchte ich ihn am Meisten.

Kapitel Neunzehn.- Entscheidung

 Geschickt öffnete ich die Gittertür und trat in den bewohnten Block ein. Köpfe schossen in unsere Richtung und Gesichtszüge entspannten sich. In der letzten Zeit war unsere Gruppe nie wirklich getrennt gewesen. Glenn schloss vorsichtig hinter mir die Tür und ging mit schnellen Schritten an mir vorbei zu Maggie. Ich schaute zu Hershel, doch dieser wirkte weniger angespannt und erschöpft, wie noch vor ein paar Minuten. Anscheinend hatte sich nichts geändert.Vorsichtig legte ich meine leere Trinkflasche auf die Treppenstufen.„Es tut mir leid, dass ich das Gefängnis ohne Erlaubnis verlassen habe und Daryl in Gefahr brachte.“, nuschelte ich und schaute beschämt zu Boden. Ich wusste nicht genau, warum ich mich entschuldigte, doch irgendetwas in mir drin sagte mir, dass es wichtig war. Schließlich habe ich gegen jede Zustimmung jemanden in Gefahr gebracht und die Tore für einen kurzen Moment geöffnet. „Dir muss rein gar nichts leidtun, Grace.“, antwortete Beth leise. Es schien, als ob niemand die richtigen Worte fand, außer sie. „Du hast jedes Recht das Gefängnis zu verlassen. Du musst deine eigenen Erfahrungen machen, aber für Carl gilt das nicht.“, bestimmte sie und schaute den Jungen an, dessen Augen sich weiteten. Beth war nicht älter als 17, doch sie hörte sich Erwachsen an, als hätte sie schon zu viel erlebt. Mittlerweile war sie für Carl und Judith ein Fels in der Brandung, denn sie widmete ihre ganze Zeit dem Baby und half Carl bei allen Problemen. Rick wusste, dass er auf sie zählen konnte und sie würde die Kinder nie im Stich lassen. Vielleicht würde sie irgendwann einen Mutterersatz für Judith darstellen, denn jedes Kind brauchte eine Mutter. Carl hatte wundervolle Jahre mit Lori erlebt, doch nun war es auch Zeit für ihn erwachsen zu werden. Meine Schwester und ich hatten die Ehre mit einer wundervollen Familie aufzuwachsen, die uns liebte und für uns alles tat. Doch meine liebevolle Familie war tot. Nun war ich es, die sich mit letzter Kraft an das Leben klammern musste und bin schon vielen Möglichkeiten entgangen zu sterben. Im Gegensatz zu mir hatte Daryl eine schreckliche Kindheit gehabt und wahrscheinlich war das jetzige Leben sogar besser für ihn als damals. Die Narben auf seinem Rücken verrieten, dass er stark misshandelt wurde, wenn sein Vater trank. Er schämte sich, wenn er sein Oberteil auszog oder ich ihn am Rücken berührte. Er sprach nie wirklich über seine Mutter, doch das einzige, was er mir vor Monaten mal erzählte war, dass sie während eines Feuers in seinem Haus starb. Ich konnte als ich ihn kennenlernte nicht verstehen warum er Menschen, die nett zu ihm waren oder ihm etwas bedeuteten wegstieß, doch mittlerweile verstand ich, dass er einfach nicht mehr verletzt werden wollte. „Ist alles in Ordnung, Gee?“, fragte Maggie mich vorsichtig und stand plötzlich vor mir. Ich erschrak heftig. Maggie wich vorsichtig zurück. „Es tut mir leid, ich habe dich nicht kommen sehen.“, meinte ich abwesend und drehte mich abrupt um. Daryl Trinkflasche zitterte in meiner Hand. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie Rick mich besorgt musterte. Ich spürte einen harten Griff an meiner Schulter, der mich zurückzog. „Mir geht es gut.“, zischte ich und befreite mich aus Maggies hartem Griff. Entschuldigend drehte ich mich wieder um und ging zu Daryls Zelle.Es schien, als wären all die Ereignisse unwirklich und gleichzeitig schmerzhafter als sonst. Ich kann nicht verleugnen, dass ich mit der letzten Zeit eine Art Blockade um mich herum geschaffen habe, die nur wenige Leute durchdringen konnten, doch nun wirkte sie sich auf meinen ganzen Charakter aus. Qualvoll wurde mir bewusst, dass ich durch mein Verhalten meiner Familie keine Chance mehr gab, sich mir zu nähern. Vielleicht kam es daher, dass ich schon zu oft verletzt wurde und ich mir selbst eingestanden habe, dass wenn man keine Familie hat das Leben einfacher wäre, doch das war es nicht. Natürlich gab es Situationen in denen es hilfreich gewesen wäre, doch ich könnte mir auf keinen Fall vorstellen, dass ich hier alleine Überleben würde. Ich würde nicht mit der Erkenntnis leben können, dass meine Familie, die mich herzlich zu sich aufnahm, nicht mehr existierte. „Gute Nacht.", hauchte ich leise und schlich mich lautlos in Daryls Zelle. Wie versteinert blieb ich vor der schlafenden Person stehen. Jede Faser meines Körpers brannte. „Ich wünschte, mich hätte es erwischt.", flüsterte ich leise. Vorsichtig setzte ich mich auf den Stuhl, auf dem ich vorhin gesessen hatte und ergriff Daryls Hand. Ein dunkler Schauer lief meinen Rücken herunter und ließ meinen Körper erzittern. „Sie hätten mich lieber erschießen sollen. Dann wäre dir niemals etwas zugestoßen. Es ist alles meine Schuld.", nuschelte ich und Tränen füllten meine Augen. Widerwillig ließ ich die Schluchzer zu, die meinen Körper erschütterten. Mein ganzer Verstand arbeitete nicht mehr und ich war mir bewusst, dass es die anderen mitbekamen. Es war als würde mein Körper nicht mehr mir gehören und hatte seinen eigenen Willen entwickelt. Ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen und ich wusste wiederum auch, dass ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Die letzten Stunden waren einfach zu viel gewesen. Beinahe hatte ich Daryl verloren und den gleichen Alptraum nocheinmal miterlebt. Mick und Dan hätten alles dafür getan um mich Leiden zu sehen und im Nachhinein haben sie es auch geschafft. Keine Bewegung von ihnen blieb ohne Folgen. Tränen rannen weiterhin über meine Wange und fielen auf das blutbefleckte Top. Mit einem Male war alles um mich herum verschwommen. Mit letzter Kraft versuchte ich die Augen aufzuhalten, doch sie fielen immer wieder zu. Mein Kopf fiel unachtsam neben Daryl auf die Matratze und meine Gedanken schweiften ab. Selbst als ich über Glenn nachdachte und mich fragte, ob er meine Bitte befolgte, konnte ich mich einfach nicht mehr konzentrieren. Daryls Atem ging gleichmäßig und ich passte mich seinem an. Langsam verschwanden die Geräusche um uns herum und ich verlor das Gefühl in meinen Gliedmaßen. Fast friedlich fiel ich in einen traumlosen, jedoch unruhigen Schlaf.Eine leichte Bewegung riss mich aus meinem Schlaf. Erschrocken öffnete ich die Augen und musste mich zuerst sammeln. Gerade als mein Körper in den Selbstverteidigungsmodus stellen wollte, spürte ich eine sanfte Hand in meinem Haar und ich schaute hoch. Daryl betrachtete mich mit seinen müden Augen. Ich lächelte leicht und setzte mich aufrecht hin. Alles in mir schrie, dass ich mich endlich entspannen konnte, da es Daryl endlich besser ging, doch ich wollte es noch nicht. „Du bist wach.", hauchte ich leise und griff nach seiner gesunden Hand, die mich durch sanfte Bewegungen geweckt hatte. Der Mann, der mir gegenüber lag, schwieg. Seine blanke Brust war mit kleinen Narben bedeckt, die sich hauptsächlich auf seinem Rücken abzeichneten. Hershel hatte Daryls Verletzte Schulter eingerenkt und um die Schusswunde fachmännisch in einen Verband angelegt. Vorsichtig lehnte ich mich zu ihm herüber und küsste ihn zärtlich. Ich hatte beinahe vergessen, wie gut er schmeckte. Daryl erwiderte den Kuss zärtlich und strich mir über die Wange. Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit, doch ich wollte mich nicht von ihm trennen. Seine rehbraunen Augen waren geschlossen und er genoss den Moment einfach. Uns war bewusst, dass wir, wenn die Situation anders geendet hätte, nicht mehr zusammen zurückgekommen wären oder im schlimmsten Fall gar nicht. Ungern beendete ich unseren Kuss, doch ich befürchtete, dass ich mich nie wieder von ihm losreißen könnte, wenn er noch schöner werden würde. „Wie geht es dir?", fragte ich ihn, da er keine Anstalten machte etwas zu sagen. Daryl sah mich mit großen Augen an. „Gut.“, hauchte er und seine Stimme war rau. Ich schüttelte leicht den Kopf. Natürlich. Er würde nicht zu geben, dass er Schmerzen hatte, doch es war ausgeschlossen, dass er keine hatte. „Ich hatte solche Angst um dich.“, nuschelte ich leise und ließ seine Hand los. Vorsichtig legte ich meine kalte Handfläche auf seine Stirn und fühlte, ob sie warm war. „Ich werde gleich Hershel holen, aber die Hauptsache ist jetzt erst mal, dass du bei Bewusstsein bist.“, gab ich zu und lächelte leicht. Daryl jedoch schaute auf meine Arme, die in einen Verband eingewickelt waren. Ich erstarrte. „Du weißt nicht mehr, was geschehen ist, oder?“, meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Daryl machte Anstalten sich aufrecht hinzusetzen, doch ich drückte ihn sanft wieder herunter. Er stöhnte vor Schmerzen auf und schüttelte den Kopf. „Wir sind ins Auto gestiegen und ab da an ist alles verschwommen. Du hast geweint.“, murmelte Daryl und nahm meine Hand vorsichtig in seine. Ich lächelte leicht und wollte ihm versichern, dass alles gut war, doch anscheinend glaubte er mir nicht. Unsicher betrachtete er meine Hände, an denen mein verkrustetes Blut klebte. „Deine Schulter ist ausgekugelt worden, doch Hershel hat es gut wiederhinbekommen. Die Kugel-.“, fing ich an und Daryl verzog das Gesicht. „Er musste sie rausschneiden.“ Mein Körper erzitterte kurz. Daryl konnte sich nur allzu gut an die Schmerzen, des gestrigen Abends erinnern, doch er versuchte es nicht zu zeigen. „Die Wunde hätte sich infizieren können, doch du bist bei Bewusstsein und das ist ein gutes Zeichen.“, erklärte ich ihm und ein Lächeln spiegelte sich auf meinen Lippen wieder. Daryls Finger tasteten vorsichtig an meinem Arm hoch. „Ich habe Dan’s Kopf nicht losgelassen, als ich ihn gegen die Scheibe schlug.“, grinste ich. Ein unbekanntes, jedoch wohltuendes Gefühl machte sich in mir breit. Ich habe den Mann, den ich liebte und für immer mit ihm zusammen bleiben wollte, das Leben gerettet und genau diese Sache machte mich Stolz. „Daraufhin haben wir die beiden im Waschraum eingesperrt und ich habe dich ins Auto gebracht.“, meinte ich und zog meine Hände weg. Meine Arme brannten wie verrückt. Ich vermutete, dass die Schnitte gesäubert werden mussten. „Ich erinnere mich.“, flüsterte Daryl mit rauer Stimme. Ich griff neben meinen Stuhl und öffnete vorsichtig Daryls Trinkflasche. „Trink.“, befahl ich und hielt sie ihm an den Mund. Daryl war es nicht gewohnt Hilfe von anderen anzunehmen, noch nicht mal von mir. Sein ganzes Leben musste er für sich selbst Sorgen und hatte niemanden der ihm helfen konnte. „Ich brauche keine Hilfe.“, murrte er, als ich die Flasche absetzte und zudrehte. „Genau dasselbe hast du gestern Abend auch gesagt.“, lachte ich und lehnte mich müde gegen die Stande des Bettes. Langsam wurde mir bewusst, dass es jetzt nur noch besser werden konnte. „Versprich mir eines.“, fing Daryl an und hielt sich schmerzhaft die Schulter. „Sag bitte nie wieder jemandem, dass du alles für ihn machen wirst, wenn es um mich geht.“ Ich erstarrte. Genau das konnte ich ihm nicht versprechen, denn ich würde alles für Daryl tun. Er war der einzige Grund, warum ich überhaupt noch in dieser Welt lebte. Nichts und niemand würde mich davon abhalten können, alles zu tun um ihm zu Helfen. „Nein.“, antwortete ich kalt und schloss die Augen. Der Mann auf der Liege seufzte. Vielleicht wusste er es, dass es keine Chance gab mich umzustimmen, aber vielleicht auch nicht. Wir wurden unterbrochen, als plötzlich die Zellentür aufging und Hershel auf seinen Krücken herein kam. „Guten Morgen.“, begrüßte der alte Mann uns. Sofort stand ich auf und bat ihm meinen Stuhl an, der direkt vor Daryls Bett stand. Lautlos lehnte ich mich gegen die Wand und schaute die beiden Männer an. „Wie geht es dir?“, fragte der Tierarzt Daryl, welcher vorsichtig die Augen zusammenkniff. „Gut.“, antwortete Daryl ausdruckslos und starrte an die Decke. Hershel drehte sich zu mir um und nickte. Zuerst verstand ich nicht, doch er deutete auf die Tür. Unsicher verließ ich den Raum und schaute Daryl ein letztes Mal noch an. Dachte Hershel wirklich, dass Daryl ihn anlügen würde, wenn ich im Raum wäre? Langsam überkam mich ein mulmiges Gefühl. Was, wenn Daryl keine Schwäche zeigen wollte? Vielleicht log er, weil er mir keine Sorgen bereiten wollte. Es war fast unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen, doch als ich die Tür zum Hof öffnete, herrschte in meinem Kopf sofortige Stille .Quietschend schloss sich die Außentür hinter mir und ich erblickte Carl, der mit seinem Gewähr auf dem Wachturm stand.

Kapitel Zwanzig.- Heilung

 Ich bewegte mich, wie ein Roboter, der jede Bewegung vorgegeben bekam. Schnell ging ich um die Ecke und spürte Carls stechende Blicke im Nacken. Geschickt nahm ich den vollen Eimer, der unter der Regenrinne stand und ging zu den Bänken. Bedacht setzte ich mich an den letzten Tisch, welcher im Schatten der Außenmauer stand und stellte den Eimer neben mir auf die Bank. Hoffentlich konnte man das Wasser noch benutzen, denn es hatte eine Ewigkeit nicht mehr geregnet. Vorsichtig öffnete ich die Verbände, den mir der Tierarzt gestern Abend angebracht hatte und bestrich die Wunden mit dem kalten Wasser. Die pralle Sonne hatte es nicht geschafft das Wasser zu erhitzen. So gut es ging kühlte ich meine glühenden Arme ab, doch sie brannten wie Feuer. Ich wollte es zuerst nicht wahrhaben, doch die Schnitte hatten sich entzündet und ich brauchte Paracetamol, welches die Entzündung mindern sollte. Plötzlich fühlte sich die ganze Situation wie ein Déjà-vu an. T-Dog litt damals auf dem Highway, kurz bevor wir die Greene Farm erreichten, an einer schwerwiegenden Infektion die durch einen Schnitt an seinem Arm hervorgerufen wurde. Er hätte sterben können, doch Daryl besaß verschiedene Dosen Medikamente, die seinem Bruder gehörtem. Er hatte mit einem Griff in seine Plastiktüte einem Freund das Leben geschenkt und bis zu seinem Tod hatte T-Dog immer zu Daryl aufgeschaut. Er war damals der einzige, der die Ruhe behielt als alle in Panik gerieten. Viele dachten, dass Daryl durch seine ruppige Art und Weise einen schlechten Charakter hat, wie sein Bruder und ihm alles egal war, doch als zu dem Zeitpunkt auch noch Sophia verschwand, wussten viele, dass er einen wunderbaren Charakter hat. Sein einziges Problem war, dass er zu viel Angst hatte verletzt zu werden, denn Merle verschwand von jetzt auf gleich und er war das einzige gewesen, was Daryl noch hatte. Naja, fast. Er hatte mich gehabt, doch damals war es noch nicht viel Wert. Der Schmerz, der meine Arme zum Brennen brachte, riss mich aus meinen Gedanken. Erneut säuberte ich sie vorsichtig und rieb das kühle Wasser leicht in die nässenden Schnitte. „Grace.“, erschrocken fuhr ich hoch und schaute zu Carl, der sein Gewehr über die Schulter geschmissen hatte. Mit zitternden Händen deutete ich auf die Bank, die vor mir am Tisch stand und zeigte ihm, dass er sich setzten konnte. „Kann ich dir irgendwie weiterhelfen?“, fragte ich den Jungen leise und schloss unsicher die Augen. Schnell blinzelte ich die Tränen weg, die sich in ihnen sammelten. Carl atmete tief durch und legte das Gewehr auf den Tisch. Manchmal vergaß man regelrecht, dass er noch ein Kind war. „Geht es Daryl gut?“, fragte er leise. Ich zuckte zusammen. Dachte er etwa er wäre tot? „Nur weil ich hier draußen bin heißt es nicht, dass er tot ist, Carl.“, beantwortete ich seine unausgesprochene Frage und seine Augen blitzen leicht. Er lächelte, doch sofort erlosch es wieder. Meine Hände zitterten, als ich zum dritten Mal das eiskalte Wasser über die offenen Stellen schüttete. Neugierig achtete Carl auf meine Gesten. „Musst du nicht wache halten?“, fragte ich ihn und schaute in seine eisblauen, leblosen Augen. Ich hatte Kinder immer bewundert, warum sie so viel Lebensfreude hatten, doch die Antwort war, dass sie das richtige Leben noch nicht kennenlernten und in ihrem eigenen kleinen Paradies lebten. Bei Carl war es jedoch anders. Natürlich war er kein normales Kind, welches Comics las und sich mit Freunden traf, doch er war noch ein Kind. Heutzutage machte es ihm nichts mehr aus auf Beißer zu schießen, denn sie töteten viele Freunde von ihm. Seine ganze Familie sozusagen, wenn er Großeltern, Tanten oder Onkel hatte. Unsere Gruppe hatte damals einfach nur Glück. „Axel hat mich abgelöst.“, antwortete er mir und schaute mir weiterhin zu. „Die Verletzung sieht nicht gut aus, soll ich Hershel holen?“, seine blauen Augen weiteten sich leicht als ich zusammenzuckte und sofort verneinte. „Er ist gerade bei Daryl.“, mit dieser Antwort musste er sich zufrieden geben. Vorsichtig drückte ich den mit Blut verschmierten Arm an mein Oberteil und tupfte ihn somit ab. Es blutete wieder ziemlich stark. Diesmal zog das Brennen bis in meinen Oberarm hinein. Das Wasser im Eimer hatte sich mittlerweile rot verfärbt. „Waren es Scherben, die du gestern auf die Fensterbank gelegt hast?“, fragte Carl. Lautlos nickte ich. „Ich weiß, du wirst mir jetzt wahrscheinlich nicht glauben, aber du darfst Schwäche zeigen, Gee.“, murmelte er und legte seine Hand vorsichtig auf meine. Er wirkte erwachsen. „Nur weil Daryl eine Schusswunde hat heißt es nicht, dass deine Schnitte nicht schlimm wären.“ Verwirrt schaute ich ihn an und zog meine Hand vorsichtig weg. Carl schüttelte leicht den Kopf. „Mom hätte es geschafft dich zu überzeugen. Sie mochte dich, weißt du? Obwohl du genauso abweisend warst wie Daryl, hat sie deinen Charakter gemocht.“, flüsterte Carl und schaute abwesend auf den Boden. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Ich wollte gerade etwas erwidern, da stand Carl plötzlich auf und schnappte sein Gewehr. „Mir geht’s gut, Gee.“, sagte er noch schnell und benutze erneut meinen Spitznamen. Ich konnte einfach nicht fassen wie stark er war. Niemand konnte mehr behaupten er sei noch ein Kind gewesen. Aus dem mulmigen Gefühl wurde plötzlich ein schlechtes. Meine Umgebung fing an in sich zu verschwimmen. Ich konnte nicht verstehen, wieso es aufeinmal so komisch wurde. Die ganze Zeit war ich in Ordnung gewesen. Mit einer schnellen Bewegung wollte ich aufstehen und Carl hinterher gehen, doch sie war zu schnell gewesen und ich schmiss den Eimer auf den Boden. „Verdammt.“, fluchte ich und sah wie Carl sich fragend umdrehte. Meine Beine fingen an zu zittern und ich hielt mich unbewusst an dem hölzernen Tisch fest. Unsicher wollte ich wieder rein gehen und mich hinlegen, doch ich schaffte keinen einzelnen Schritt ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Hilflos taumelte ich zur Wand und griff nach irgendetwas woran ich mich festhalten konnte, doch dort war nichts. „Carl, Hilfe.“, murmelte ich leise und war mir nicht sicher, ob er es verstand. Plötzlich fühlte sich der Boden unter mir mehr als schwindelig an und ich knickte zusammen. Mein unkontrollierbarer Körper sank hilflos gegen die Wand. Ich spürte für einen kurzen Moment, wie meine Arme explodierten, doch es geschah nichts. „Axel, wir brauchen Hilfe.“, schrie Carl aufgebracht und ich hörte, wie sich Schritte näherten. Alles um mich herum verschwamm zu einer dunklen Masse und meine Sicht wurde vollkommen verdeckt. Trotzdem nahm ich jedes einzelne Geräusch war, welches sich in meiner Umgebung befand. Ich hörte weitere Schritte, die sich den anderen schnell näherten. Eine aufgeregte und gleichzeitig verwirrte Stimme. Axels. Aufeinmal waren selbst die Geräusche verschwunden und ich war in einer endlosen Schwärze, die keine Geräusche zuließ. Panik überkam mich, doch aus irgendeinem Grund durfte ich mich nicht wehren. Warum kam das alles so plötzlich? Was hatte ich verbrochen? Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, doch ich vernahm Stimmen, die mit jeder Sekunde lauter wurden. „Leg sie in die Zelle!“, meinte jemand. Sie war ruhig, doch angespannt. Sehr wahrscheinlich Hershel. „Was zur Hölle ist passiert?“, schrie eine andere Person aufgebracht. Sofort dahinter vernahm ich eine Frauenstimme. „Leg dich zurück, Hershel macht das.“, befahl sie barsch. „Grace!“, schrie sie erneut. Es war Daryls Stimme gewesen, welche aufgebracht klang. „Daryl, wenn du dich nicht auf der Stelle wieder hinlegst, dann werde ich Ricks Revolver nehmen und dir in beide Beine schießen!“, meinte die andere Stimme ruhig. Es war Maggie. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich wahrscheinlich gelacht, doch auch darüber hatte ich keine Wahl. „Was ist los?“, fragte ein Mann leise. Es klang fast nach Rick, doch ich war mir nicht sicher. Mein Atem stoppte. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Ich wollte atmen, doch ich konnte nicht. „Ich weiß es nicht.“, es war Hershel, der in diesem Moment vollkommen überfordert klang. Verzweifelt versuchte ich Luft zu holen. Die tausend Zentner, die auf meiner Brust lagen, verhinderten es. „Sie atmet nicht.“, erklang eine leise Stimme. Ich wunderte mich, warum alle leiser wurden. Die Geräusche in dem Block verringerten sich. Jemand pustete Luft in meine Lungen, doch ich nahm sie nicht auf. Sie half mir nicht, den Klotz von meiner Brust zu bekommen. Er war immer noch dort und ließ mich erschaudern. Ängstlich versuchte ich Luft zu holen und würgte gleichzeitig. „Nein!“, anscheinend rief es jemand, doch ich nahm es als leises Flüstern wahr. Die Welt um mich herum war mit einem Male verschwunden und dieses verzweifelte Flüstern dröhnte in meinen Ohren. Diese ganze Situation fühlte sich real an. Unerträglich real, bis zu dem Zeitpunkt an dem sie nicht mehr dort war. An dem nirgendwo auch nur noch ein kleines Etwas war.

Kapitel Einundzwanzig

 Es war alles für einen kurzen Moment ruhig. Meine Gedanken verstummten endlich und es fing an verträglich zu werden, doch aufeinmal spürte ich wie der Zentner schmerzhaft von meiner Brust verschwand. Mit einem Male konnte ich einatmen und  meine Hände verkrampften sich. Der Schmerz in meiner Brust war unerträglich und ich wollte die wundervolle Stille wieder, doch es wurde unruhig. Als wenn jemand den Schalter umgelegt hatte und ich plötzlich wieder mit beiden Beinen in der Realität stand.  Ich vermisste diese friedliche Umgebung im Nichts, in der ich mich wiedergefunden hatte. „Sie ist wieder da.“, hörte ich Hershel sagen. Ich hätte ihn nicht für jemanden gehalten, der aus der Fassung war, doch Hershel war nicht er selbst. Seine sonst so beruhigende Stimme war verzerrt und rau zugleich. Allerdings konnte ich mich nicht lange an diesem Gedanken festhalten, denn immer noch zog sich der Schmerz durch meinen Körper, doch diesmal durch jede einzelne Faser. Es war als würde ich in einem Feuer stehen, was sich schleichend in jede einzelne Zelle fraß. Mein Brustkorb hob und senkte sich, doch der Schmerz wurde immer schlimmer. Normalerweise hätte ich zu dem Zeitpunkt nicht geschrien, doch mir blieb keine Wahl. Es tat mehr weh und schlimmer alles was ich mir vorstellen konnte. „Grace, hör mir zu. Du darfst dich jetzt nicht bewegen. Hershel wird dir helfen. Gee.“, flüsterte jemand in mein Ohr, doch ich konnte einfach nicht zu hören. Es brannte heftiger als je zuvor. „Gee, ich bin für dich da. Bleib einfach still.“, Maggies Stimme war angespannt. Jemand strich mir über die Stirn und versuchte mit allen Mitteln mich zu beruhigen, doch es funktionierte nicht. Der Schmerz war einfach zu groß. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib und hoffte es wurde helfen. Alles in  mir drehte sich nur noch um dieses Brennen und ich wünschte, ich wäre wieder in der verlassenen, ruhigen Welt in der ich noch vor ein paar Sekunden war.Unsicher öffnete ich die Augen. War der Schmerz etwa verschwunden? Warum so plötzlich? Meine Sicht war verschwommen, doch ich erkannte die alte, modrige Decke des Gefängnisses. Es war totenstill. War ich etwa tot? Gerade als ich mich aufrecht hinsetzen wollte, zuckte ich heftig zusammen. Der Schmerz war mit einem male wieder da. Mein Atem ging schneller als wenn ich einen Marathon laufen würde. Ich hatte mich all die Wochen nicht dem Schmerz gestellt und ihn einfach zugelassen. Damals hatte ich gekämpft, auch wenn es schwer war und jetzt würde ich dasselbe tun. Mit einem heftigen Ruck setzte ich mich hin und versuchte ruhig zu atmen. Was machte ich in Maggies Zelle? Abwesend schaute ich mich um und erkannte die blutigen Verbände in der Ecke und den Wassereimer neben dem Bett. Meine Hände zitterten stark als ich sie betrachtete. Hershel hatte sie wieder neu verbunden, sodass sie weniger  brannten.  Abrupt erinnerte ich mich an die letzten Stunden bevor ich in dieser wunderschönen entspannten Welt gelandet bin. Es wirkte alles wie ein Traum. Unter meinem blutbefleckten Top konnte ich einen neuen Verband erkennen, der  sich um meinen Brustbereich wickelte. Der ältere Verband an meinem Bauch war seit dem Zusammenstoß mit Mick und Dan ab gewesen. Mit zittrigen Beinen stellte ich mich hin und hielt mich etwas verzweifelt am Bettgestell fest. Meine Brust schmerzte, doch ich verdrängte das Gefühl einfach. Warum schmerzte nur meine Brust und nicht mein ganzer Körper wie beim letzten Mal? Was ist passiert? Schwankend ging ich zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Es war kein Geräusch zu hören. Mich überkam Panik und ich ging so vorsichtig wie es ging in die Zelle in der Daryl verletzt gelegen hatte. Mein Herz erstarrte, als ich in die leere Zelle vor mir starrte. Bei jedem Atemzug brannte meine Brust mehr, jedoch es war erträglich.Mit schnellen Schritten ging ich durch die Cafeteria und hielt mich erneut vorsichtig an der Wand fest. Nichts ahnend stieß ich die schwere Stahltür nach draußen auf und wurde sofort von der Sonne geblendet. Das Krächzen der Beißer war von weitem zu hören. Panik machte sich in mir breit. Waren sie ohne mich weitergezogen oder war ich tot? Es dauerte seine Zeit bis meine Augen sich allmählich an Helligkeit gewöhnten. Vorsichtig ging ich die Treppenstufen herunter und taumelte auf die Umrisse einer Person zu, die auf der Wiese vor dem Wachturm zu finden war. Ich erkannte blonde lange Haare, die im Wind wehten. Was machte Beth hier alleine? Wartete sie auf mich? „Beth?“, rief ich sie und meinte Stimme klang rau. Die Person vor mir stand auf und drehte sich um. Ich lächelte leicht, doch mein Lächeln verstummte. Ich konnte Beth’s Gesicht nicht erkennen, denn die Sonne blendete zu stark. „Beth?“, fragte ich etwas leiser und hob den Arm um die Sonne von meinen Augen abzuschirmen. Aufeinmal erkannte ich das mit Sternen bedeckte Oberteil und die wunderschönen langen Haare. „Amy.“, hauchte ich und schaute in ihre eisblauen Augen, die Andrea’s so ähnelten. Ich zuckte zusammen und plötzlich wusste ich wieder wo ich war. Ich lag auf der Matratze. Verzweifelt riss ich die Augen auf und schaute in Ricks Augen. Mein Körper tat weh, zwar brannte er nicht mehr so stark wie vorher, doch es schmerzte immer noch.  Rick schaute mich mit weitaufgerissenen Augen an. Niemand anderes befand sich im Raum. Der Ex-Polizist hatte den Finger auf seiner Waffe, die sich in seiner  Gürteltasche befand. „Amy.“, nuschelte ich verwirrt und schaute mich um. „Wo ist sie?“, fragte ich verzweifelt und wollte mich hinsetzen. Rick hob unsicher eine Augenbraue und schaute mich mit schockierten Augen an. „Grace, Amy ist tot. Sie starb in Andreas Armen.“, antwortete Rick und seine Stimme klang verzerrt. Ich schnaufte und schloss kurz die Augen. Ich brauchte ein paar Minuten um mich wieder zu sammeln. Mein Verstand sagte mir, dass Amy dort auf der Wiese war. Sie wartetet auf mich, doch wiederum fiel mir wieder ein wie sie starb. Ich hatte von ihr geträumt und der ganze Traum wirkte so real. Ich konnte mich an jede Sekunde erinnern, die ich dort verbrachte. Ich wusste, wie es dort roch und wie jedes kleinste Detail aussah. Unwirklich öffnete ich wieder die Augen und sah zu Rick. Das erste das mir auffiel waren meine schmerzhaft brennenden Arme. Diesmal war meine  jetzige Situation Wirklichkeit. Ich lag in der Zelle in der Hershel um mein Überleben gekämpft hatte und die Schmerzen gegen Ende zu stark wurden. Ich bin nicht aufgewacht und habe Amy gesehen. Es war alles nur ein Traum gewesen.„Rick.“, hauchte ich und spürte ein schmerzhaftes Stechen in der Brust. „Was ist passiert?“, meine Stimme klang raus. Der Cop nahm vorsichtig die Hand von der Waffe und betrachtete mich. „Du lebst.“, murmelte er und lächelte verzweifelt. „Du hattest eine schwere Infektion. Es ist ein Wunder, dass Hershel dich wieder zurück ins Leben holen konnte, denn eine Scherbe hat sich in deine Arterie in deinem Arm gebohrt und weitere verletzt. Du wärst beinahe verblutet. Du warst für ein paar Minuten tot.“, erklärte er mir leise und schaute zu Boden. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Ich wusste, dass ich wieder zurück in dieses friedliche und idyllische Nichts wollte. „Und warum schmerzte mein Körper so stark?“, fragte ich ihn und hustete leise. Vorsichtig setzte ich mich auf und drückte die Hand vorsichtig auf meine pochende Brust. Ein weiterer Verband blitzte unter meinem Oberteil auf. „Hershel hatte keine Wahl. Er musste die zersplitterte Scherbe irgendwie aus deinem Arm bekommen. Dazu kam noch die Infektion, die sich beinahe bis zu deinem Herzen ausbreitete.“, seine Stimme wurde leiser. Die ganze Situation wirkte unwirklich, denn bis vor ein paar Minuten habe ich noch bei Carl auf der Bank gesessen und mit einem Male war ich beinahe tot. Meine Hände verkrampften sich. „Hershel hat dir bei der Reanimation  die oberen Rippen verstaucht. Aber sie verheilen wieder, keine Sorge.“, beantwortete Rick mir meine unausgesprochene Frage. Ich nickte leicht. „Woher hattet ihr die Medikamente?“, fragte ich ihn erneut. Meine Stimme zitterte. Rick lachte leicht und schaute mich mit großen Augen an. Vorsichtig setzte ich meine Füße auf den Boden. Eigentlich war mir die ganze Situation ausgesprochen peinlich, doch was konnte man schon ändern, wenn man plötzlich zusammenbricht? „Ich muss zu Daryl.“, hauchte ich leise und stand auf. Meine Beine waren so weich, dass ich nicht aufrecht stehen konnte. Rick legte seine Hand an meine Taille und hielt mich vorsichtig fest. „Du brauchst Bettruhe.“, weigerte er sich und wollte mich vorsichtig zurückdrücken. Mit der Zeit musste Rick doch eigentlich wissen, dass ich so etwas wie Bettruhe nicht kannte.  „Ich muss zu ihm.“, erklärte ich leise und machte einen Schritt vorwärts. Es dauerte bis meine Beine das machen wollten, was ich ihnen befahl. Ich taumelte an der Wand geradeaus aus der Zelle heraus. Aus dem Augenwinkel sah ich Beth, die Judith gerade in ihr Bett legte. Innerlich korrigierte ich mich. Zu dem Karton mit der weichen kleinen Matratze konnte man nicht Bett sagen, eher unbequeme Notlösung einer Wiege. Als Beth in meine Richtung schaute erinnerte ich mich an die Person mit den langen blonden Haaren auf der Wiese. Ich hatte Beth mit Amy verwechselt, denn sie sahen sich von hinten zu ähnlich. Vorsichtig ging ich ein Stück weiter und schaute erwartungsvoll in Daryls Zelle. Sie war leer. Mein Herz setzte für mehrere Schläge aus. Mir stockte der Atem. Er war verletzt. Daryl konnte nicht einfach aufstehen und durch die Gegend laufen. Er brauchte mehr Ruhe als ich. „Grace? Du warst mehrere Tage nicht bei Bewusstsein. Ihm geht es gut.“, beruhigte mich Beth, die auf mich zugelaufen kam. Ihre Augen funkelten und die junge Frau nahm mich begeistert in den Arm. Ich war mit der Situation überfordert gewesen. Beth konnte mich nicht leiden. Nein, sie hatte regelrecht Angst vor mir, doch es schien vollkommen anders zu sein. „Schön, dass du wieder bei uns bist.“, meinte sie leise und lockerte ihren Griff. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich Rick sah, der mit leisen Schritten zu seiner Tochter ging. Er hatte Beth gefragt, ob sie sich um mich kümmern konnte, damit er bei Judith sein konnte. Es war unbeschreiblich, was sich in der letzten Zeit hier verändert hatte. Mit letzter Kraft half mir Beth die wenigen Treppenstufen unversehrt zu überstehen und führte mich auf den Hof. Mein Körper war von der Anstrengung der letzten Minuten erschöpft und langsam fing er an die restlichen Kraftreserven zu verbrauchen, doch ich wollte es so. Denn ich wollte allen zeigen, dass es mir wieder besser ging, da mein Zusammenbruch plötzlich kam. Ich wollte Daryl zeigen, dass ab jetzt an nur noch alles besser werden kann. Lächelnd schaute ich zu Hershel und Maggie, die auf den Treppenstufen des A Blockes saßen. Die beiden erwiderten mein Lächeln herzlich und man sah ihnen an, dass ihnen ein Stein vom Herzen fiel. Auf dem ersten Wachturm erkannte ich Axel und Glenn, die lässig ihre Gewehre über der Schulter hingen hatten.  Suchend schaute ich mich nach Daryl um, doch ich erkannte ihn nicht. „Du musst wissen, dass wir ihn von deinem Bett wegprügeln mussten. Sofort nachdem es dir schlechter ging wollte er zu dir, doch Maggie hielt ihn mit allen Möglichkeiten- die es gab- zurück.“, murmelte Beth freundlich. Ich schaute sie mit großen Augen an. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Beth hatte ihre Arme vorsichtig um meine Schultern geschwungen und hielt mich so aufrecht. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Maggie etwas zu ihrem Vater flüsterte und lächelte. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte auf unsere Haut. „Daryl.“, flüsterte ich leise, als ich den Mann auf der Wiese entdeckte. Es war fast genauso wie vor ein paar Wochen nach meiner Rückkehr aus Woodbury. Er saß immer noch auf demselben Platz und seine Waffe lag exakt dort, wo sie immer lag- nämlich neben ihm. Doch diesmal stand seine Chopper nur wenige Meter von ihm entfernt, die Seitentaschen vollgepackt. Es dauerte einen kurzen Augenblick bis ich schließlich meine Beine vorwärts bewegen konnte. Jede Faser meines Körpers wollte zu dem Mann, der vor mir auf der Wiese saß, doch der andere Teil wiederum wollte schlafen und sich endlich entspannen. Der halbe Hof trennte mich von Daryl und ich hatte nicht erwartet, dass diese kurze Strecke so anstrengend sein kann. Beth half mir vorsichtig weiter zu gehen, doch meine Kraft verringerte sich. Meine Beine zitterten stark. „Daryl.“, rief Beth. Unsicher hob Daryl die Faust, doch ich konnte keine bestimmte Geste erkennen. Anscheinend wollte er in Ruhe gelassen werden. Ich grinste. „Daryl, beweg sofort deinen Hintern hier hin.“, rief ich ihm zu und lächelte. Ich wusste nicht genau was in diesen darauffolgenden Momenten geschah, doch das Endergebnis war, dass ich in seinen Armen lag. Er druckte mich so fest an sich, dass mir die Luft zum Atmen wegblieb und ich zuckte zusammen. Mein Körper kribbelte durch die kraftkostenden Bewegungen. Die Rippen meines Brustkorbes brannten bei jedem Atemzug, doch es war mir egal. In diesem Moment war ich einfach nur noch glücklich.Unsicher belastete ich meine Beine weniger als sonst. Ich musste genau aufpassen und durfte keine hektischen Bewegungen mehr machen. Meine Hände zitterten vor Schmerzen und es schien als wäre mein Unterbewusstsein immer noch nicht ganz bei ihm.  „Ich habe dich vermisst.“, murmelte Daryl in meine Haare und ich lächelte. Ich spürte seinen warmen Atem an meinem Hals und entspannte mich. Es war als würde ich nun endlich zurück in meiner Familie sein. Ohne jeglichen bitteren Beigeschmack, der in den letzten Wochen in der Luft lag.

-Ende-

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 17.12.2012

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