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Es scheint ein Tag wie jeder andere zu sein. Wieder einmal sind Ulf und ich auf dem Weg zu einer Talksendung. Dieses Mal geht es um das Thema 'Schutzengel - gibt es sie wirklich?'. Ulf ist als Experte als Talkgast für Parapsychologie eingeladen. Ich begleite ihn denn Ulf ist blind. Wir verlassen als erste den Flieger auf dem Flughafen Köln und werden mit einem Bus des Deutschen Roten Kreuzes zum Ankunftsterminal chauffiert. Ulf ist wie immer die Ruhe selbst, nur ich fühle mich überflutet von der Geschäftigkeit und dem bunten Treiben im Flughafen. Dennoch gelingt es mir Ulf wohlbehalten und sicher durch die Gänge, am Gepäckband vorbei, zur Ankunftshalle zu lotsen.
Dort angekommen erwartet uns schon ein Fahrer des Senders um uns zum Fernsehstudio nach Hürth zu bringen. Er wird uns auch nach der Aufzeichnung in unser Hotel bringen, und von dort aus am nächsten Tag wieder zum Flughafen.

Nachdem wir am Studio angekommen sind, werden wir in einen Gästeraum geleitet. Ich entdecke an den verschieden Türen im Flur Schilder auf denen die Themen der Talkshows vermerkt sind.
Wir betreten zusammen den Gästeraum in der die anderen Talkgäste schon sitzen. Zwei nach Ikea wirkende Sofas und einige Stühle, sowie ein Couchtisch und ein Bistrotisch auf dem auf einem Tablett kleine Häppchen in Form von Fingerfood hergerichtet sind sowie Getränke für uns Gäste. Natürlich befindet sich auch ein Monitor im Raum auf dem wir die laufenden Aufzeichnungen im Studio verfolgen können.

Zwischendurch schaut eine Maskenbildnerin herein und fischt sich vereinzelt die Gäste heraus um sie kameratauglich herzurichten. Zudem werden wir erinnert das Kleidung mit Streifen unerwünscht sei.
Ich werfe einen Blick auf Ulf und stelle erleichtert fest das er zumindest vom Kleidungsstil her 'kameratauglich' zu sein scheint.
Die Talkgäste wirken durchweg ein wenig nervös, einige von ihnen haben merkwürdig leicht schrille Stimmen, einige reden ohne Unterlass, andere wieder verlassen ständig für kurze Zeit den Raum, wieder andere sitzen still und ängstlich auf ihrem Stuhl oder auf dem Sofa, stumm und unsicher blickend. Ulf hingegen wirkt ganz entspannt. Er sitzt mit mir auf einem Sofa und hat seine gefalteten Hände ruhig im Schoß liegen. Hin und wieder beugt er sich zu mir hinüber um mich zu fragen ob er etwas für mich tun kann. Für mich tun? Was denn? Plötzlich löst er seine Hände und legt mir sacht seine Hand fast federleicht auf meinen Rücken. Ich spüre seine Wärme durch mich hindurchfliessen und werde merklich innerlich ruhiger.
Nachdem Ulf mittlerweile auch durch die Abteilung 'Maske' geschleust wurde kommt die Talkmasterin. Ich bin erstaunt wie zart sie wirkt im Vergleich bei den Fernsehübertragungen. Sie wirkt locker und fröhlich und spricht mit den einzelnen Talkgästen die Fragen durch. Für jeden Gast werden ca. 10 Minuten Sendezeit veranschlagt. Jedoch ist dies nicht der Garant dafür das diese auch gesendet werden. Ich schaue in die Runde und kann überblicken das jetzt schon mehr Gäste dort sitzen als Sendezeit. Es werden einige wohl letztlich nicht in der ausgestrahlten Sendung zu sehen sein. Ich denke aber gleichzeitig, den Ulf werden sie senden, denn der war recht kostenintensiv in seiner Gagenforderung.

Nach ungefähr 2 Stunden Wartezeit geht es nun los. Wir werden von einem Mitarbeiter durch einen langen Gang und einem Vorraum der Technik in das Fersehstudio geführt. Ich führe Ulf zu dem ihm zugewiesenen Platz und darf mich nun entscheiden, ob ich die Aufzeichnungszeit nun hinter der Bühne im Bereich der Technik oder im Publikum verbringen möchte. Ich entscheide mich für den Publikumsbereich und man weist mir einen Stuhl zu auf dem mein Name vermerkt ist. Es fühlt sich für mich etwas komisch an, einen Stuhl auf dem mein Name mit einem Zettel vermerkt ist hatte ich noch nie.
Das restliche Publikum scheint vollzählig und die Einlasstüren wurden inzwischen geschlossen.

Mittlerweile sitze ich höchst interessiert im Publikum und lausche gespannt den Geschichten und Berichten, den Antworten der gestellten Fragen der Talkgäste. Ulf wirkt weiterhin völlig entspannt und lässt hier und da seine Anmerkung einfliessen. Das Publikum wirkt interessiert und aufmerksam. Mittlerweile habe auch ich mich entspannt, ich sehe Ulf macht seine Sache wie immer souverän und scheint mit der auf ihn gerichteten Aufmerksamkeit gut umgehen zu können.
Selbstbewusst und versiert beantwortet er die ihm gestellten Fragen und wirft natürlich dabei auch neue Fragen auf. Unverhofft meldet sich der vom Sender eingeladene Kritiker unaufgefordert zu Wort. Mit einem Hauch von Empörung und einer Mischung aus Spott und Zynismus gibt er seine Statements zum Thema Engel ab. Die Talkmasterin versucht ihm Einhalt zu gebieten was ihr aber nicht zu gelingen scheint.

Ich weiß nicht wie es geschah, aber plötzlich verspüre ich ein heftiges Kribbeln welches sich in meinem gesamten Körper bis unter die Haarspitzen ausbreitet. Ich muss zugeben bis zu diesem Tag habe ich mich nicht wirklich intensiv mit dem Talkthema befasst gehabt. Insofern wäre mir nie von selbst eingefallen etwas in der Öffentlichkeit zu diesem Thema zu sagen. Mein pochender Herzschlag scheint von mir komplett Besitz zu ergreifen. Das Publikum wirkt leicht unruhig. Ich kann die Stimme des Kritikers plötzlich nicht mehr wahrnehmen. Irgendetwas scheint abgeschaltet in mir zu sein, zudem irgendwie ein undefinierbares Gefühl als wenn man in Watte oder in einem schallisolierten Raum wäre. Mit einem mal nehme ich innerlich eine hell klingende Stimme wahr, die mich eindringlich auffordert: "Nun Mama, nun sag' doch endlich was - tu's für mich!" Es ist nicht irgendeine Stimme, es ist die Stimme meiner vor ca. 6 Monaten verstorbenen Tochter Magali! Ich weiß garnicht was ich denn nun genau sagen soll..............und plötzlich geht alles wie von selbst. Ich spüre mich selbst nicht mehr, es fühlt sich wie eine Art körperlicher Taubheit oder wie ein Ent-rückt sein an.
Ich melde mich mit einem Handzeichen und sage etwas zum Thema. Der anschwellende Applaus des Publikums und der Talkgäste reisst mich wieder zurück in die Wirklichkeit. Der Kritiker sitzt still und stumm da, seine Augen schauen irgendwie unsicher. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an meine gesprochenen Worte erinnern. Ich versuche diese fieberhaft zu finden, bekomme keinen Zugriff auf diese. Plötzlich fühle ich einen Schmerz in meinem Ringfinger. Ich blicke auf ihn und erkenne fast mein gesamter Ringfinger ist gezeichnet mit einem Bluterguss und angeschwollen. Vorsichtig versuche ich den Ring vom Finger zu lösen, es geht nicht. Ich muß ihn in meiner Art Erstarrung so dermaßen gequetscht haben, aber ich habe es nicht gespürt.
Gleichzeitig nehme ich glockenhelles und reines Lachen in mir wahr. Es ist wieder Magali, sie lacht in einer sphärenhaften Fröhlichkeit aber sagt kein Wort mehr zu mir.

Nach der Sendung begegne ich dem Kritiker hinter den Kulissen. Er schaut mich sehr merkwürdig an, irgendwie unsicher und fragend. Er spricht mich nicht an und ich bin ehrlich gesagt auch froh darüber, dennoch spüre ich wie er mir eine ganze Weile hinterher blickt.
Noch Tage später fragen Zuschauer bei dem Sender an, wer denn diese Frau im Publikum gewesen wäre die über die Engel gesprochen hat? Der Sender fragt bei Ulf an ob sie die Kontakte weiterleiten können.
Ich wehre ab, denn was soll ich denn sagen? Ich weiß doch nicht was ich gesagt habe. Immer wenn ich Ulf danach frage was ich gesagt habe lächelt er mich nur an und sagt: "Warte es ab.....warte es ab, Zauberwesen....", zudem bin ich etwas scheu was den Kontakt mit der Öffentlichkeit betrifft.

Was ich nun genau in der Sendung gesagt habe, erfahre ich somit erst viele Wochen später als ich mir die Sendung zuhause auf dem Bildschirm ansehe. Als ich mich sprechen höre und mich dort im Fernseher sehe, kann ich kaum glauben, das ich es bin die dort spricht. Ich bin es auch nicht - es ist Magali die ihre Mutter als Sprachrohr verwandt hat.

Impressum

Texte: Cover Pastellmalerei von Renate M. Kaufmann
Tag der Veröffentlichung: 18.05.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Eine wahre Begebenheit...

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