Cover

Zur Einstimmung



Trauern ist ein wichtiger Lernprozess. Wir lernen etwas loszulassen und somit ist die Trauer auch ein notwendiger Lebensprozess. Unser Leben besteht aus einem Geben und Nehmen, aus Bekommen und Verlieren, aus Schaffen und Weitergeben, aus Halten und Loslassen.
Recht früh in unserem Leben machen wir die Erfahrung wie es ist zu Bekommen, zu Schaffen, zu Halten und verdrängen dabei die andere Seite der Medaille, das Weitergeben, das Verlieren, das Loslassen. Leider ist unsere heutige Gesellschaft auch wenig dazu angetan, ein Loslassen, ein Entgleiten, eine Trauer zu belohnen. Das zeigt schon, wie wir auf unser Leben vorbereitet wurden und wie ohnmächtig und hilflos uns der Umgang mit Leben und Tod, gerade mit dem Tod uns macht, obwohl wir wissen das der Tod zum Leben gehört.
Beides ist eine Einheit. Das Eine gibt es nicht ohne das Andere, kein Tag ohne Nacht, keine Freude ohne Trauer.

Trauern verläuft meist in Phasen und wellenförmig. Am Anfang kann die Trauer entweder der Totenstille oder einer Springflut gleichen. Interessant ist zu wissen, dass Trauern länger dauert als man glaubt.

Trauern ist IMMER

etwas INDIVIDUELLES

und kann sich auf sehr unterschiedliche Weise ausdrücken. Die Palette ist so vielfältig wie das Leben selbst, von getriebener Hektik und Aktivität bis zur völligen Apathie, auch euphorische Zustände können auftreten.
Die Dauer und das Ausmaß der Trauer ist abhängig von der Tiefe der verlorengegangenen Bindung sowie von vorherigen Verlusten im Leben d.h. ob ein vorheriger Verlust bearbeitet wurde oder nicht.

Natürlich spielt auch die Grundeinstellung des Einzelnen zum Thema Leben und Tod eine prägende Rolle und beeinflusst das Erleben der jeweiligen Trauer. Menschen für die der Tod ein Tabu ist, bekommen demzufolge schwerer Zugang zu ihrer Trauer. Somit kann unterdrückte Trauer auf lange Sicht krank machen.
Gefühle des sich schuldig Fühlens, Wut, Zorn, Anklagen gehören durchaus zum Trauerprozess und sind normal. Das kann natürlich aber auch Partnerschaften und Kontakte zur Umwelt belasten. Deshalb ein Tipp vorweg: Kränkungen bitte nicht persönlich nehmen und sich NICHT

wehren.

Als Hilfe zur Neuwerdung ist es von großer Bedeutung, das Trauernde immer wieder die Gelegenheit bekommen "ihre Geschichte" erzählen zu dürfen. Jedes Erzählen dürfen ist auch gleichzeitig ein Stück Verarbeitung. Schon deshalb ist es wichtig, dass Trauernde „alle ihre Gefühle“ ausdrücken dürfen, gerade im Hinblick auf negative Gefühle, die meist etwas Unverarbeitetes beinhalten können.


Trauernde sind für eine Weile sehr selbstbezogen und das ist auch normal, denn schließlich geht es ja um sie. Besonders schwierige Zeiten tauchen auch nach der akuten Phase auf d.h. wenn Termine anstehen wie Jährung des Verlustes, Geburtstage des Verstorbenen sowie natürlich auch Feiertage. Gerade zu diesen Zeiten kann eine Trauer nochmals ein heftiges Bild erzeugen. Oftmals zeigt sich gerade innerhalb dieser Anlässe inwieweit ein Verlust bis zu diesem Zeitpunkt be- oder verarbeitet wurde.

Der einzige wirksame Weg zur Neuwerdung ist letztlich „mitten durch die Trauer hindurch zu gehen“ und sich dieser Aufgabe zu stellen. Dies gilt nicht nur für Trauernde selbst sondern auch für alle die von der Trauer betroffen sind.

Und bei allem Tun und Handeln mit den Betroffenen sollten wir eines nicht vergessen:
Trauernde haben eine Begegnung mit dem Tod hinter sich.

Deshalb sollen die nachfolgenden Anregungen dazu dienen, möglicherweise eine komplettere Wahrnehmung bezüglich des Trauerns zu entwickeln.


Was sind die Aufgaben der Trauer / Was ist der Sinn der Trauer?




Das Schwierigste besteht wohl darin den Verlust für sich anzunehmen.
Der Weg dorthin führt über das Zulassen, das Erleben und Akzeptieren des Schmerzes und allen damit verbundenen Gefühlen die mit dem Verlust einher gehen.
Danach beginnt eine langsame Anpassung an ein Leben ohne den Verstorbenen sowie ein inneres Wachsen an der Trauer. Das Leben erfährt einen neuen Sinn durch die gemachte Trauererfahrung. In jeder Krise steckt auch gleichzeitig ein Neubeginn!
Dies alles bahnt den Weg zu einem Freiwerden für neue Bindungen und Kontakte etc.


Phase 1 – Der Schock


Dieser Zustand kann Stunden, Tage oder Wochen anhalten.
Er kann sich in ein „wie betäubt sein“ äußern. Benommenheit, Verzweiflung, Panik und heftige Gefühlsausbrüche sind beobachtbar. Der Trauernde macht eventuell den Anschein des Mechanischen Funktionierens d.h. wie ein Roboter.

Phase 2 – Die Frage nach dem Warum und die Zeit der Sehnsucht


Dieses Stadium kann eine Zeit von mehreren Monaten andauern. Prägnant in dieser Phase ist die Suche nach dem Warum und Fragen wie „Was hätte sein können, wenn….“. Es ist die Zeit des Aufbruchs der Gefühle. Ruhelosigkeit, Wut und Schuldgefühle sind keine Seltenheit.

Phase 3 – Desorientierung und Verwandlung


Dieser Verlauf zieht sich bis zum ersten Todestag (Jährung) hin, danach wird es erfahrungsgemäß weniger.
Verwirrung und Anzeichen einer Depression können bemerkbar sein. Auch unverarbeitete Gefühle wie Schuld, Wut können zum Thema werden. In dieser Zeit besteht eine erhöhte Erkrankungsneigung. Die Realität holt den Trauernden nun endgültig ein.

Phase 4 – Umwandlung / Erneuerung / Neuorientierung


Dies geschieht nach etwa 2 Jahren. Der Verlust wird allmählich in das Leben integriert.
Der Trauernde widmet sich neuen Aufgaben. Das Selbstvertrauen nimmt wieder zu und damit auch die Fähigkeit für neue Funktionen.


Aufgaben und Sinn der Trauer



- den Verlust annehmen
- Schmerz und alle anderen Gefühle zulassen, erleben und akzeptieren
- Langsame Anpassung an ein Leben ohne den Verstorbenen
- Dem Leben einen neuen Sinn geben durch die gemachte Erfahrung. Das bedeutet ein „an der Trauer wachsen“. In jeder Krise steckt auch gleichzeitig ein Neubeginn.
- Frei werden für neue Bindungen und Kontakte etc.


Was sollten wir möglichst NICHT tun




- Tatsachen herunterspielen oder Bagatellisieren
- Beschwichtigen wollen um den Schmerz zu lindern ist auch wenig hilfreich
- Bitte KEINE Worte wie z.B.“ Gott sei Dank“ oder „Besser jetzt als später“, „Es war wohl das Beste“ oder „Ich weiß, wie es Dir geht“ (außer man hat solche Erfahrungen selbst gemacht.)
- Ignorieren oder so Tun als ob nichts wäre
- Gefühle bewerten oder verurteilen
- Drängen, dass der Trauernde sich zusammenreissen soll
- Von der Realität abschirmen und Entscheidungen über den Kopf des Trauernden hinweg treffen.
- Persönliche Sachen des Verstorbenen eigenmächtig wegräumen sowie das Zimmer des Verstorbenen ausräumen
- Das Gespräch meiden


Was kann der Trauernde für sich selbst tun?




- Abschied von dem Verstorbenen nehmen.

Der letzte persönliche Augenblick ist sehr wichtig.

- WEINEN

, Tränen können Spannungen des Schmerzes lösen

- Zwiegespräche halten

, diese schaffen eine Verbindung zur eigenen Seele sowie zu der Seele des Verstorbenen

- Persönliches Abschiedsritual machen.

Trauerrituale sind eine Hilfe bei den Übergängen und fördern den Heilungsprozess, z.B. eine kleine Ecke mit einem Altar schaffen und diesen dekorieren (Bilder, Kerze, Blumen, persönlichen Gegenständen, Gedichte oder andere schöne Texte etc.)

- Tagebuch schreiben und / oder Briefe and den Verstorbenen schreiben

. Dies ermöglicht das Erledigen von Altlasten sowie Unverarbeitetem. Am besten die eigenen Gedanken niederschreiben und diese laut vorlesen.

- Direkte Ansprache an den Verstorbenen

d.h. Lautes Äußern der eigenen Gedanken und der eigenen Gefühlswelt.

- Den Tod zum Thema in der Öffentlichkeit machen

(z.B. Trauergruppe)

- Wut ausdrücken.

Unterdrückte Wut kann Schuldgefühle auslösen z.B. auf Kissen oder Matratze schlagen, Teig kneten, auf Karton trampeln bis Ruhe eintritt, Holzhacken etc.

- Erst die persönlichen Dinge des Verstorbenen wegräumen wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist und dieser Zeitpunkt ist ganz individuell.



- Symbolische Handlungen sind Seelentröster

wie z.B. Grabpflege oder Bäumchen/ Blumen pflanzen – hegen – pflegen, Trauerlieder singen oder summen, mit Pflanzen / Tieren sprechen, Kissen in den Arm nehmen und umhertragen / in den Dialog mit dem Verstorbenen treten sowie Fragen stellen, Malen / Gedichte schreiben / Musizieren

- Körperliche Bewegungen unterstützen den Fluss des Lebens

z.B. sich dehnen, räkeln, schütteln, federn u.ä.
Spaziergänge in der Natur. Sollte dies noch nicht möglich sein, kann ersatzweise auch ein Spaziergang durch Imagination visualisiert werden d.h. Ich stelle mir vor, ich gehe spazieren…..
Leichtes Arbeiten im Garten. Die Natur bringt Bewegung und gleichzeitig Heilkräft. Zudem kann sie bei der Wahrnehmung von Neuwerdung und Vergänglichkeit helfen.

- Tanz als Möglichkeit unsere Gefühlswelt auszudrücken.

Wo uns Worte fehlen oder Unaussprechliches uns leidend macht, kann uns das körperliche Ausdrücken unserer Gefühle helfen von z.B. Wut, Zorn, Schwere, Trauer, Sehnsucht, Kraft….

- Sich selber berühren.

Dies fördert die eigene Hinwendung zu uns selbst. Möglichkeiten hierfür können sein sich liebevoll zu waschen oder abzutrocknen sowie sich selbst streicheln. Wir können uns aber auch von einer liebevollen Vertrauensperson unserer Wahl in dieser Art und Weise berühren lassen.

- Phasen von Ruhe und Entspannung

z.B. sich gut einmummeln und in einem Liegestuhl, Schaukelstuhl oder in eine Hängematte legen. Dabei kann man noch harmonisierende Musik hören wie Leichte Klassik, Meditatives oder einfach auch nur die persönliche Lieblingsmusik. Hilfreich kann auch das Hören von besprochenen Kassetten oder CD’s sein in denen positive Gedanken formuliert werden. Diese Hilfsmittel sind in Buchhandlungen sowie über Buchversand zu bekommen. Auch hier können wir die Momente in angenehmer Gesellschaft miteinander verbringen.

- Ein wohltuendes Bad mit ätherischen Ölen nehmen

, bei Kerzenlicht und tragender Musik. Dies fördert das Wahrnehmen von körperlicher Leichtigkeit. Auch zu empfehlen sind Thermalbäder, Sauna, Fußbäder sowie warme und kühle Wechselbäder. Diese regen zudem das körpereigene Immunsystem an.

- Massagen / Fangopackungen verschreiben lassen

. Scheuen Sie sich bitte nicht vor einem Besuch bei Ihrem Hausarzt. Sie befinden sich in einer Ausnahmesituation und Ihr Hausarzt kann Sie dabei helfend unterstützen.

- Kleidung

– Wohltuend kann auch weiche kuschelige Kleidung sein. Diese sollte möglichst bequem sitzen. Atmungsaktive Naturfasern regulieren zudem den Wärmehaushalt des Körpers. Auch eine Wärmflasche im Bett spendet Wärme die in dieser schwierigen Zeit oft fehlt.

- Gezielte Wahrnehmung fördern

. Genaues Betrachten von z.B. einer Blume, eines Baumes, einer schönen Landschaft etc. kann helfen wieder weitsichtiger zu werden und damit den Tunnelblick zu mildern.


Anzeichen von ungesunder Trauer




Folgende Symptome können auf einen ungesunden Trauerprozess hinweisen:

- die Aufgaben der Trauer werden nicht bewältigt

- intensive Trauer über den Verlust , obwohl schon Jahre vergangen sind


- anhaltende Anschuldigungen, Groll, Partnerschaftsprobleme


- übermäßige Trauerreaktion auf ein vergleichbar geringfügigeres Ereignis

- Zimmer des Verstorbenen wird über lange Zeit nicht verändert


- anhaltende Feindseligkeit und / oder „hölzernes Verhalten“

- depressive Symptome nach ca. 2 Jahren


- Alltag kann auch nach 2 Jahren immer noch nicht bewältigt werden

- Anhaltende grobe Vernachlässigung sozialer Kontakte sowie Bindungen


- ein extrem niedriges Selbstwertgefühl welches anhält

- selbstzerstörerisches Verhalten z.B. Alkohol, Medikamentenmissbrauch, Drogen, Suizidandrohung, körperliche Selbstverletzungen


- konstante übermäßige Ängste bezüglich Krankheit und Tod


Alle hier aufgeführten Anzeichen können ein Hinweis dafür sein, dass keine Anpassung an eine neue Situation erfolgt ist und der Trauernde in seiner Trauer steckengeblieben ist.

In diesen Fällen ist therapeutische Hilfe ratsam !



Impressum

Texte: Pastellmalereien von Renate M. Kaufmann
Tag der Veröffentlichung: 12.05.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Anregungen für Trauernde sowie für Menschen die mit Trauernden in Beziehung stehen oder treten...

Nächste Seite
Seite 1 /