Dr. J. C. und die gefälschte Sardinenmarinade
Reinhard Nolte
„Meine Güte, Jay Cee, wer tut so etwas?“ fragte der Commandante Guevara. Dr. C. verzog das Gesicht und betrachtete angewidert die olfaktorische Beleidigung, die in Form zweier kleiner Fische auf einer durchweichten Zeitung vor ihm auf dem Tisch lag. Außerdem mochte er es nicht, Jay Cee genannt zu werden. Dem jungen Polizei Offizier, der verzweifelt und ratlos mit ihm am Tisch saß, sah er es allerdings nach.
„Jorge ist der Einzige, der das Rezept dieser Marinade kennt und er wird es irgendwann seinem ältesten Sohn anvertrauen. „Das da,“ und er wies auf die stinkenden Fische auf dem Tisch, „ist jedenfalls eine plumpe Fälschung! Jorges Marinade ist berühmt, weit über die Grenzen der Region hinaus, sogar weit über die Grenzen Spaniens hinaus! Jorge wird unglaubwürdig, sein Geschäft wird pleite gehen. Diese Fälschung ist eine Katastrophe!“
„Beruhige dich, Ernesto, ich werd mal die Ohren offen halten, mir wird schon etwas einfallen, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.“ murmelte Dr. C. und klopfte dem Polizisten auf die Schulter. Der Commandante leerte sein Weinglas und verließ leicht schwankend das Haus des Doktors durch die offen stehende Terrassentür.
Nachdenklich kratzte Dr. C. sich mit dem Daumennagel über das Kinn, es gab ein schabendes Geräusch. Das Labor des Professor Fuentes fiel ihm ein. Der Professor war dem Doc noch einen Gefallen schuldig und so verpackte Doc C. die übel riechenden Ursachen der Verwirrung des Commandante Guevara und schickte sie an das Labor von Prof. Fuentes. Damit, so glaubte er, sei die Sache für ihn wohl erledigt.
Genau zehn Tage später fand Dr. C. eine E-Mail als Carbon Copy in seiner Mail Box, der eigentliche Empfänger war der Commandante Ernesto Guevara, Absender der Mail war das Labor Fuentes, unterzeichnet vom Mitarbeiter des Professors, A. Contador. Fuentes und sein Mitarbeiter hatten herausgefunden, dass es sich bei den Fischen mitnichten um Sardinen handelte, sondern um Weser-Stinte. Anhand der Schadstoffbelastung und des Gehalts an Kalisalzen in der Haut der Fische, war es Fuentes gelungen, den Stromkilometer, in dem die Stinte gefangen worden waren, exakt zu lokalisieren: Zwischen der Sielwall Fähre und der Wilhelm Kaisen Brücke in der Stadt Bremen. Die Analyse der Marinade allerdings stellte das Labor Fuentes vor ungeahnte Schwierigkeiten, woran auch der überwältigende Gestank der Mixtur mitschuldig war. Da der Commandante der vorgesehene Empfänger dieses Berichts war, konnte Doc C. sich ausrechnen, dass sein Freund Ernesto den Vorgang sofort aktenkundig und damit offiziell gemacht hatte. Die Sache war nicht erledigt!
Dr. J. C. hatte inzwischen, wie versprochen, Augen und Ohren offen gehalten und hatte erfahren, dass ein LKW mit deutschem Kennzeichen einige Male im Hafen gesehen worden war. Unauffällig und diskret hatte der Doktor weitergeforscht. Es hatte ihn ein paar Gläser Wein und einige Brandies gekostet, den Namen der Spedition und die Anfangsbuchstaben des Nummernschildes, HB, herauszufinden. Eine immer breiter werdende Spur wies auf die alte Hansestadt an der Weser. Nachdenklich rieb sich der Doc mit dem Daumennagel über das Kinn, es gab ein schabendes Geräusch.
Die WHO in Genf hatte schon vor geraumer Zeit Dr. J. C. um Mitarbeit bei einem ihrer Projekte gebeten und Dr. C. hat mit Freuden zugesagt. Ein Hotelzimmer war bereits gebucht, wobei der Doc peinlich genau darauf bestanden hatte, dass das Bad des Hotelzimmers nicht mit einer Badewanne, sondern nur mit einer Duschkabine ausgestattet war. Um ganz sicher zu gehen, hatte Doc auch noch eine rutschfeste Duschmatte aus Gummi mit Saugnäpfen besorgt; er wollte unbedingt vermeiden, das Schicksal eines gewissen Lokalpolitikers aus Schleswig Holstein zu erleiden, und auch dem Unfalltod jenes charismatischen APO-Führers im dänischen Exil, gedachte er ein Schnippchen zu schlagen. Bis zu seiner geplanten Ankunft in Genf waren noch einige Tage Zeit, und obwohl Bremen nicht gerade auf dem Weg lag, beschloss Doc C. einen kleinen Umweg zu machen und der Stadt an der Weser einen Besuch abzustatten.
Ein Taxi brachte den Doc vom Flughafen zum Hansator, dem Eingangstor zum Freihafen, hinter dessen hoher Umzäunung zolltechnisch das Ausland begann, allerdings wirklich nur, was den Zoll betraf. In unmittelbarer Nähe des Hansatores befand sich die Spedition, der des Doktors Interesse galt. Ein schlanker junger Mann hatte gerade seinen LKW auf dem Gelände der Spedition abgestellt und war im Büro verschwunden. Doc C. wartete und seine Geduld wurde nicht allzu lange auf die Probe gestellt. Der junge Mann, auf dem Blechschild hinter der Windschutzscheibe seines Fahrzeugs stand der Name Sven, verließ schon bald wieder das Büro und auch das Firmengelände. Er trug eine modische sehr enge Lederjacke und helle Jeans. Der Doc folgte ihm unauffällig bis zu einer schmalen, etwas heruntergekommen aussehenden Kneipe. J. C. rieb sich nachdenklich mit dem Daumennagel über das Kinn, es gab ein schabendes Geräusch. Er betrat den Gastraum wenige Augenblicke nach dem jungen Mann und suchte sich einen Platz in dessen Nähe.
„Hey, Sven, du hascha ne Djacke an, die pascha nu gaanich!“, rief ein etwas älterer Typ dem Jungen zu. Dass er meinte: „Hallo, Sven, du hast ja eine Jacke an, die dir überhaupt nicht passt.“, erschloss sich dem unauffällig lauschenden Doc zunächst nicht, zu ungewohnt war das lokale Idiom. Sven fluchte laut vor sich hin und Doc C. erfuhr nach und nach, dass ein gewisser Henry mal wieder dem jungen Mann eine Tour vor der Nase weggeschnappt hatte, auf die er, Sven, schon seit längerer Zeit scharf gewesen war: Eine Tour nach Spanien. Der ältere Typ, der anders als Sven eine alte, ziemlich abgewetzte Lederjacke trug, fragte plötzlich:
„Weisste was komisch is? Immer, wenn Henry diese Tour nach Spanien macht, dann geht er vorher zum Barbier.“
„Was soll daran komisch sein, wenn er sich rasieren lässt?“ entgegnete Sven, „Außer natürlich, dass der Barbier irgendwie ne komische Figur ist.“
„Ich hab mal gesehen,“ fuhr der ältere Typ fort, „wie er da wieder rausgekommen is, also Henry mein ich, da hat er zwei runde Container weggeschleppt. Ich schätz mal, jeder so ungefähr dreißig Liter; die hat er dann vom Hof geschleppt und auf seiner Ladefläche verstaut. Ich glaub der hat private Kundschaft. Der zieht irgendwie son krummes Ding ab.“
„Vielleicht sollte ich Henry mal so richtig eine reinhaun, der wird mir schon erzählen, was er nebenbei noch so zu laufen hat.“ überlegte Sven laut.
„Leg dich man bloß nich mit den Leuten vom Handwerkerhof an, mit denen is nich gut Kirschen essen!“ gab der ältere Typ zu bedenken.
„Is mir egal, wenn der Arsch versucht, mich zu bescheißen, oder wenn der mir noch mal die Tour vermasselt, polier ich ihm so die Fresse, dass er sich wochenlang nich mehr rasieren lassen muss!“ knurrte Sven und trank sein Bier aus. Er zahlte und verließ die Kneipe. Einen Augenblick lang überlegte Dr. C., ob er ihm folgen sollte, blieb dann aber an der Theke stehen, denn er hatte auf dem Tresen einen Flyer liegen sehen: Besuchen Sie den historischen Handwerkerhof. Handwerker und Künstler zeigen ihr Geschick in historischen Werkstätten auf dem Gelände einer ehemaligen Möbeltischlerei. Schauen Sie ihnen über die Schulter!
Doktor J. C. beschloss, dem Handwerkerhof einen Besuch abzustatten. Er zahlte seine Zeche und nahm den Flyer mit. Ein kleiner Stadtplan-Ausschnitt half ihm, sich zu orientieren und schon eine viertel Stunde später stand er vor einer Hofeinfahrt zwischen zwei alten Häusern mit Jugendstilfassaden. Die Einfahrt war schmal, eher für Pferdefuhrwerke als für Lastwagen geplant und gebaut.
Der Doc rieb sich nachdenklich mit dem Daumennagel über das Kinn, es gab ein schabendes Geräusch.
Zögernd durchschritt J. C. die tunnelartige Einfahrt und blickte sich um. Der Innenhof war fast quadratisch. An den drei Seiten, die er von seinem Standort aus sehen konnte, waren größere und kleinere Werkstätten und Läden untergebracht. Es gab Maler und Bildhauer, einen Töpfer und eine Holzschnitzerwerkstatt, an den Seiten links und rechts von ihm sah er eine Bäckerei, einen Kolonialwarenhandel mit exotischen Gewürzen, aber auch Bohnen und getrockneten Erbsen und Linsen, einen Sattler, einen Buchbinder und einen Schuhmacher. Vergebens suchte er nach einem Friseur. Beinahe wäre unverrichteter Dinge wieder umgekehrt, aber nachdem er zwei Schritte weit in den Innenhof gegangen war, sah er an seiner Rechten Seite das silberne Rasierbecken, oval und mit der typischen Einbuchtung für den Hals, über einer Tür mit geätzter Fensterscheibe hängen, daneben ein verstaubtes Schaufenster mit vergilbten Reklamebildern für Pomaden und Shampoos, die längst nicht mehr im Handel waren. Über der Tür ein Emailschild auf dem in Jugendstilbuchstaben das Wort Barbier-Stube zu lesen war.
Doc C. gab sich einen Ruck und öffnete die Tür, über ihm bimmelte eine kleine Glocke. Eine überwältigende Flut von Düften brach über ihn herein. Aus unsichtbaren Lautsprechern klang leise und unaufdringlich Cool Jazz, das Saxophon von Ernie Watts glaubte er herauszuhören. Der Laden war lang und schmal. An der rechten Wand Regale aus dunklem Holz mit Messingbeschlägen, gefüllt mit Dosen, Fläschchen, Flakons und Utensilien, die sicherlich für einen Friseursalon der vierziger oder fünfziger Jahre typisch gewesen sein mochten, deren Verwendungszweck dem Doc aber schleierhaft waren. Im hinteren Teil des Salons stand ein einzelner Barbierstuhl mit Kopfstütze, Fußraste und breiten Armlehnen, darin, mehr liegend als sitzend, eingehüllt in einen gestreiften Frisierumhang ein älterer Herr, das Gesicht dick eingeschäumt. Der Barbier rasierte schweigend und mit routiniert wirkenden Bewegungen.
And der linken Wand standen aufgereiht vier Stühle für wartende Kunden. Auf einem dieser Stühle saß eine Frau in Jeans und weißer Bluse, deren dunkelblondes Haar ziemlich kurz geschnitten war, und las in einer uralten Zeitschrift, die sorgsam zwischen Buchdeckel eingebunden war. Auf einem niedrigen Tischchen zwischen den Stühlen lagen weitere ebenso sorgsam gebundene Exemplare, wohl das Werk des Buchbinders von der anderen Hofseite. Gerade als J. C. nach einer dieser Zeitschriften greifen wollte, beugte sich die Frau zu ihm und raunte: „ Toller Laden, finden Sie nicht?“ J. C. nickte, ihm war, gleichsam schwebend über all den Düften um ihn herum, die Ahnung eines Geruchs in die Nase gestiegen, der ihm vage bekannt vorkam.
„Wissen Sie,“ fuhr die Kurzgeschorene unerbittlich fort und senkte ihre Stimme um eine weitere Nuance, „eigentlich ist er gar kein Friseur, er hat früher mal irgendwas studiert und hat dann Jahre lang einen ganz anderen Job gehabt, ich glaube er war Ingenieur oder so was. Er betreibt diesen Laden als Museum, man zahlt hier nicht für die Dienstleistung, man zahlt Eintritt. Auf diese Art hat er keinen Ärger mit der Handwerkskammer; es gibt sogar Jahreskarten zu kaufen.“
Doc C. hatte nur mit einem Ohr zugehört, dieser merkwürdige Geruch beschäftigte ihn und noch etwas bereitete ihm zunehmend Ungemach: Das Bier das er in der Fernfahrerkneipe getrunken hatte, drängte hinaus. Bier so wusste er, kann man eigentlich nicht kaufen, sondern nur leihen. Er beugte sich nun seinerseits zu der kurz geschorenen Frau:
„Wo sind denn hier die Facilities?“ fragte er. Die Frau sah ihn verständnislos an und strubbelte sich über den Kopf, dann erhellte sich ihr Gesicht und sie deutete auf einen Vorhang im Hintergrund des Ladens:
„Die Treppe runter und immer dem Geruch nach.“ grinste sie.
Doc erhob sich und fand hinter dem Vorhang eine spärlich beleuchtete Treppe. Der für den Salon völlig unpassende Geruch war hier deutlicher zu riechen und mit jeder Stufe, die Doc hinab stieg, verstärkte er sich. Der Gang am Fuß der Treppe war etwas besser beleuchtet. Die Düfte des Salons waren hier sehr schwach, dafür stank es umso heftiger. Kurz bevor der Gang scharf nach links abknickte, fand Doc C. eine Tür auf der LOCUS stand. Ein Akademikerklo, dachte er, fand aber hinter der Tür eine ganz normale Toilette. Erst, als er das WC verließ, wurde ihm klar, woher er diesen Gestank (nicht den der Toilette) kannte: Die Marinade, die seinem Freund Ernesto so viel Kopfzerbrechen bereitet hatte, und deren Herkunft aufzuspüren, er eigentlich an die Weser gereist war, hatte so gestunken. Doc folgte dem abknickenden Gang und stieß nach ein paar Metern auf eine Luftschutztür, die oben und unten mit jeweils einem Hebel, in der Mitte mit einem Verriegelungsrad gesichert war. Die Quelle des inzwischen heftigen Gestanks schien hinter dieser Tür zu liegen.
Vorsichtig versuchte Doc C. zunächst das Rad zu drehen, dann einen der Hebel zu bewegen, aber nichts rührte sich und unverrichteter Dinge trat J. C. den Rückweg an.
Das erste, was ihm ins Auge fiel, als er wieder den Salon betrat, war ein dicker, leuchtend kupferfarbener Zopf, der seiner Besitzerin lang über den Rücken hing. Die schlanke, nicht mehr ganz junge Frau stand neben dem Friseurstuhl, auf dem inzwischen die Kurzgeschorene Platz genommen hatte, und gab dem Barbier genaue Anweisungen. Dieser hantierte präzise mit einer laut brummenden Haarschneidemaschine und J. C. staunte, wie kurz ein Damenhaarschnitt werden konnte, ohne dabei unweiblich auszusehen. Als der Barbier sein Werk vollendet hatte, umarmten die beiden Frauen einander und küssten sich leidenschaftlich. Immer wieder streichelte die rot bezopfte ihrer Freundin über den Kopf. Schließlich verließen sie Hand in Hand den Laden und mit einer Bewegung, die jedem Einweiser auf einer Autofähre zur Ehre gereicht hätte, deutete der Barbier auf den nunmehr vakanten Stuhl. Zögernd nahm Doktor C. Platz. Er war sich mit einem Mal nicht mehr sicher, ob er es wagen sollte seinen Hals dem Rasiermesser eines Mannes anzuvertrauen, der seine Kellerräume für möglicherweise kriminelle Machenschaften zur Verfügung stellte.
Eine Viertelstunde später verließ J. C. dezent nach einem herben After Shave duftend die Barbierstube. Nachdenklich rieb er sich mit dem Daumennagel über das Kinn, kein Geräusch war zu hören. Auf dem Weg zum Flughafen, wo er seine Reise nach Genf fortzusetzen gedachte, rief Doc C. seinen spanischen Freund, den Commandante Guevara an und teilte ihm das Ergebnis seiner Beobachtungen mit.
Der junge spanische Polizeioffizier war zunächst hocherfreut über diese Informationen, musste dann aber einsehen, dass er in Spanien nur wenig damit anfangen konnte. Trotzdem schrieb er erst einmal einen detaillierten Bericht. Vor ein paar Jahren hatte er einen französischen Touristen kennengelernt, der so wie er, Polizist war. Der Commissaire Renaud war für EUROPOL tätig. Schon dessen Großvater war Polizist gewesen und hatte während des Krieges als Capitain in Casablanca Dienst getan, wo er eine lang anhaltende, wunderbare Freundschaft mit einem amerikanischen Barbesitzer gepflegt hatte. Per Fax schickte Guevara nun also seinen Bericht an den Commissaire Renaud.
Renaud schüttelte nur verständnislos den Kopf: Was sollte dieser Blödsinn mit angeblich gefälschter Sardinenmarinade? Außerdem wäre das ein Problem der Deutschen, wenn es denn überhaupt ein Problem war. Während eines Austauschprogramms war der Commissaire Renaud einmal für einen Monat beim BKA in Wiesbaden gewesen. Dort war er von Kriminalrat Norden, der es überhaupt nicht mochte, wenn wegen seiner ostfriesischen Herkunft, Witze mit seinem Namen gemacht wurden, betreut worden. Am Ende des Lehrgangs waren die beiden Polizisten ins benachbarte Mainz gefahren und hatten dort eine ausgedehnte Sauftour durch die Altstadt unternommen. Kriminalrat Norden erinnerte sich noch sehr deutlich an diese Sauftour und auch an die heftigen Kopfschmerzen am nächsten Morgen. Genau wie sein französischer Kollege konnte er sich keinen Reim auf diesen Bericht aus Spanien machen. Er fand, die Polizei in Bremen solle sich doch gefälligst um ihren eigenen Scheiß kümmern und faxte kurzentschlossen den kompletten Papierkram an das dortige LKA.
Die blonde Büroangestellte beim LKA Bremen, Renate S. erwartete ein Fax von ihrem Lover, der beim Zoll beschäftigt war. Die private Benutzung dienstlicher Fax Geräte verstieß zwar gegen die Vorschriften, aber Renate S. nahm es damit nicht so genau. Sie zog die Blätter, die nicht für sie bestimmt waren aus dem Stacker des Geräts und überflog den Inhalt. Die Worte Weser, Fische und Flusskilometer stachen ihr ins Auge. Ärgerlich leitete sie den Vorgang an die Wasserschutzpolizei weiter.
Peter B. Holtzer besaß das Kapitänspatent auf "Große Fahrt", allerdings hatte er nie das Kommando über ein Schiff innegehabt, er war der ewige zweite Offizier geblieben. Frustriert hatte er der Handelsmarine den Rücken gekehrt und war als Seiteneinsteiger bei der Wasserschutzpolizei gelandet. Nach etlichen Lehrgängen war er zwar immer noch nicht Kapitän aber immerhin Hauptkommissar geworden und seine Dienstgradabzeichen entsprachen denen eines ersten Offiziers der Handelsmarine. Bei einem völlig übereilten Einsatz auf der Weser hatte er mit einem Polizeiboot die Sielwallfähre zwar nicht, wie manche Kollegen hinter vorgehaltener Hand behaupteten, versenkt, aber doch immerhin so stark beschädigt, dass er fortan nur noch im Innendienst eingesetzt wurde. Bei dieser Tätigkeit hatte es Peter B. Holtzer zu einer wahren Meisterschaft darin gebracht, nicht zuständig zu sein. Die Blätter, die sein Fax gerade ausspuckte überflog er nur kurz, legte sie in eine grüne Umlaufmappe und schickte sie per Botenpost an die für Wirtschaftskriminalität zuständige Dienststelle.
Typisch Holtzer, die faule Socke, dachte Hauptkommissar Eickel, der von einigen seiner Kollegen ob seiner Leibesfülle zärtlich Wanne genannt wurde, als er die grüne Mappe öffnete, die ihm der Innenbote gerade mürrisch auf den Schreibtisch geknallt hatte. Er staunte über den Weg, den dieser seltsame Bericht aus Spanien inzwischen zurückgelegt hatte. Nun gab es in seiner Dienststelle einen übereifrigen und karrieregeilen Jungkommissar. Tintenpisser nannte Eickel ihn insgeheim. Diesem jungen Kollegen beschloss Eickel, eine besondere Freude zu bereiten.
Das Projekt der WHO, an dem Doktor C. in Genf mitgearbeitete nahm mehr Zeit in Anspruch als eigentlich erwartet. So kam es, dass Doc C. erst nach Ablauf von sechs Wochen in seine spanische Wahlheimat zurückkehren konnte. Am Hafen hatte er einige frisch gefangene Makrelen gekauft, die er sich auf seinem erst kürzlich erworbenen neuen Küchenherd zuzubereiten gedachte. Erst in seiner Küche fiel ihm auf, dass das Zeitungspapier, in das die Fische eingewickelt gewesen waren, aus einem deutschen Boulevardblatt stammte. Vermutlich von Touristen eingeschleppt und irgendwo achtlos liegengelassen. Obwohl das Papier völlig durchnässt war, gelang es Doc C. eine Überschrift zu entziffern:
"Historische Barbierstube in Bremen nach SEK-Einsatz vollständig zerstört!" Nachdenklich strich J. C. mit dem Daumennagel über sein Kinn, es gab ein schabendes Geräusch.
Texte: Cover by Google
Tag der Veröffentlichung: 13.09.2010
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