Vorbereitungen zum Fest
Über Nacht hatte die Stadt ein weißes Kleid bekommen. Überall in und an den Häusern leuchtete die Weihnachtsdekoration und ließ den Schnee auf den Straßen und Bäumen
wie Kristalle glitzern.
Die Menschen der Kleinstadt hasteten durch die Straßen, alle fleißig bemüht, noch die letzten Geschenke und Besorgungen für das große Fest zu erledigen.
Es war der 24. Dezember.
Frau Unsoh lief mit zwei schweren Taschen in der rechten und linken Hand beladen
durch die Stadt. Sie hatte vieles mehr gekauft, als wohl auf ihrem Einkaufszettel stand.
Aber die Freude war so groß über den Anruf ihrer Tochter, die ihr kurzfristig mitteilte,
dass sie am Heiligabend mit Mann und den beiden Kindern bei ihr feiern möchten.
Das hatte sie spontan dazu verführt einen Teil ihrer kleine Rente in Leckereien umzusetzen, die sie sich sonst nie erlauben würde. Vor lauter Freude war sie im alten Jahr noch einmal so herrlich leichtsinnig gewesen.
Die Tochter und die Enkelkinder hatte sie nun schon fast eineinhalb Jahre nicht mehr gesehen und ihren Schwiegersohn sogar länger nicht.
Ach, würden sie doch etwas weniger weit entfernt wohnen, dachte sie bei sich.
Im vorigen Herbst hatten die Enkelsöhne die Masern gehabt und Frau Unsoh konnte
ihrer Tochter nur am Telefon alte Hausmittel-Ratschläge wie z.B. Wadenwickel machen, geben. Die Tochter hatte die Erfahrungen ihrer Mutter auch gern angenommen.
Sie hatte den beiden kranken Kindern ein Paket mit allerlei schönen und süßen Sachen, wie ein Buch für jeden und warme, selbstgestrickte Ringelsocken geschickt. Auch für die letzten Zeugniszensuren hatte sie jedem Kind eine Belohnung von Oma geschickt.
Mit einem tiefen Seufzer setzte sie sich mit ihren schweren Einkaufstaschen einen Augenblick auf die grüne Bank an der Straße, wenn doch nur nicht die Einsamkeit nach dem Tod ihres Mannes nicht so sehr an ihr noch nagen würde. Sie verließ sich auf den Spruch > die Zeit heilt alle Wunden < also wird es immer besser werden, tröstete sich.
Der Schwiegersohn hatte einen Führungs-Posten, der ihn voll beanspruchte und alleine
lassen konnte die Tochter ihren Mann auch nicht, um ihre Mutter ein paar
Tage zu besuchen, weil ihr Mann ja so „ungeschickt“ im Haushalt war.
Frau Unsoh dachte an den letzten Herbst zurück, als sie ihrer Tochter
angeboten hatte zu ihr zukommen, um den Haushalt zu machen, damit sie
mehr Zeit für ihre Masern-Kinder hatte.
Die Tochter war hocherfreut darüber gewesen und Frau Unsoh hatte noch am gleichen Abend ihre Koffer gepackt, um die Zugverbindung am nächsten Tag zu nehmen.
Doch der Schwiegersohn rief am nächsten Morgen früh an und sagte ihr, daß sie sich nicht bemühen möchte, seine Mutter wäre schon da, um seine Frau zu entlasten.
Sie strich mit der Hand über die Stirn, als würde sie die traurigen Gedanken wegschieben können. Sie hätte sich so gefreut endlich einmal helfen zu können auch einfach einmal gebraucht zu werden.
Da flog auch schon wieder ein Lächeln über ihr liebes Gesicht, denn sie dachte daran, wie die Tochter wohl staunen würde, wenn sie ihren Lieblingsbraten, einen großen, knusprigen Putenbraten auf den Tisch stellen würde .Für den Schwiegersohn, der so gern Apfelkuchen mit Vanille-Soße aß, hatte sie noch schnell einen leckeren Kuchen gebacken.
Und die Kleinen, die so gerne Marzipan aßen, wollte sie mit selbstgemachtem Marzipan und Naschsachen verwöhnen.
Sie packte voller neuer Lebens-Freude ihre beiden Einkaufstaschen an und ging langsam heimwärts.
Als sie ihre Wohnungstür aufschloß, freute sie sich, daß ihr eine gemütliche Wärme entgegenschlug. Nein dachte sie dann, lieber etwas weniger zu essen als frieren, das mochte sie nicht. Wie gut war es doch, daß sie die kleine Wohnung mit Zentralheizung gefunden hatte, denn bei ihrem Rheuma konnte sie die Kälte schlecht vertragen.
Sie schaute stolz auf ihren kleinen künstlichen Tannenbaum, den sie so kurz vor dem Weihnachtsfest zu einem Sonderpreis gekauft hatte.
Frau Unsoh hatte seit dem Tod ihres Mannes keinen Tannenbaum mehr zu Weihnachten gehabt, sie meinte immer es lohne sich nicht für sie alleine.
Nur aber kamen die Kinder und Enkelkinder und die konnten doch nicht Weihnachten ohne einen Tannenbaum bei ihr feiern.
Nachdem sie die Waren im Kühlschrank verstaut hatte, setzte sie die Brille auf
und fing an den Braten vorzubereiten und Kartoffeln zu schälen.
Bald zog eine herrlicher Weihnachtsbratengeruch von Pute und Rotkohl durch ihre Wohnung.
Frau Unsoh stand mit roten Bäckchen am Küchenherd und sang leise vor sich hin:
„Oh du fröhliche, oh du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit..............................“
Ach es war so herrlich endlich einmal wieder für andere zu kochen zu dürfen.
Bei dem Gedanken, wie sie den Nachtisch anrichten solle, klingelte das Telefon.
Eilig wischte sie ihre Hände am Schürzenzipfel ab und schlurfte zum Telefon.
Die Stimme ihrer Tochter rief „Mutti sei uns bitte nicht böse, wir können leider nicht kommen denn unsere Geschäftsfreunde haben uns morgen früh zum Brunch eingeladen
und da müssen wir leider hingehen, es ist für uns beruflich sehr wichtig.
Dein Geschenk muss ich Dir dann leider mit der Post schicken, ich hoffe doch Du
hast noch nicht allzu viel vorbereitet?!“
Frau Unsoh schluckte, holte einmal tief Luft und sagte leise:
“Aber nein, mein Kind, es ist alles in Ordnung, es geht ja leider nicht anders!“
Die Tochter betonte noch einmal wie wichtig diese Geschäftsfreunde für sie wären und verabschiedete sich mit tausend Wünschen für das Weihnachtsfest und vertröstete die Mutter auf ein baldiges Wiedersehen.
Als sie den Hörer auflegte, liefen ihr die Tränen über das liebe, alte Gesicht und ein Schluchzen stieg in ihr auf, der einem Schrei glich.
Da klingelte es an der Wohnungstür, hastig wischte sie sich mit den Fingern
über das Gesicht und öffnete vorsichtig die Wohnungstür.
Die kleine Nina von nebenan, stand an der Hand ihrer Mutter vor der Tür.
„Oma Unsoh, wir wollten Dich mal etwas fragen“.
Frau Unsoh schluckte die letzten Tränen herunter und sah ihre Nachbarin an.
Verlegen trat die junge, alleinerziehende Mutter von einem Bein auf das andere
und stotterte herum: „Es ist so, wir dachten weil Sie doch immer so alleine sind und wir auch, wollte ich sie fragen.......
Da nahm die kleine Nina schon die Hand von Frau Unsoh und brabbelte dazwischen mit ihrem hellen Stimmchen: „ Ach bitte, Oma Unsoh wollen wir bitte gemeinsam Weihnachten feiern.
In der älteren Frau stieg ein warmes Gefühl hoch, sie war nicht allein.
Mit einer übriggebliebenen, vorwitzigen Träne, die ihr über die Wange lief, bat sie beide mit einem Lächeln doch bei ihr zu Abend zu essen.
Sie brauchte nicht lange zu betteln, denn den beiden lief schon das Wasser im Mund zusammen, denn sie rochen den Bratenduft, der sich jetzt auch im Hausflur verteilte.
Als sie nun in Frau Unsoh`s Wohnung eintraten, das heißt Nina hüpfte fröhlich hinein, dachte sie noch etwas wehmütig, >das Leben kann soviel traurige Stunden bescheren, aber wenn sich eine Tür geschlossen hat, dann öffnet sich schon die nächste<.
Und dieses Licht der Hoffnung hält die Geburt Jesu, jedes Jahr wieder für uns bereit, und die Engel möchten uns helfen dieses auch annehmen zu können.
Tag der Veröffentlichung: 21.12.2010
Alle Rechte vorbehalten