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Der ohne Segel Masten Kahn

Die alte Dame saß wie so oft an ihrem PC neben dem Kachelofen. Sonne und Regen gaben sich die  Hand, ein richtiges Aprilwetter und das Ende Dezember. Im Radio kamen Nachrichten, zwei junge Männer im Schlauchboot wahrscheinlich ertrunken. Lebensgefährte verletzt Freundin tödlich nach Messerattacke bla- bla- bla-. Immer das Selbe. Mit dem Tod wollte sie sowieso nichts zu tun haben. Nachdem sie vor knapp zwei Jahren diesem gerade so entronnen war. Lange lag sie im Koma und diese schrecklichen Träume liefen ihr immer noch ab und zu nach. Sie schrieb Märchen und Gedichte, nicht vom Feinsten, doch in ihrem Bücherforum wurden sie gelesen. Manchmal sogar für gut befunden, worüber sie sich sehr freute. Somit schaffte sie ihre eigene kleine heile Welt und ihre Gehirnzellen wurden zusätzlich aktiviert. Apropos Gehirnzellen, ein bisschen Sauerstoff wäre nicht schlecht dachte sie und ließ ihren PC runterfahren. Schwang sich in ihre Ausgehuniform und ging an den nahe gelegenen Fluss. Es waren kaum Menschen unterwegs, das Wasser trat über die Ufer, was die Schwäne und Enten ihr näher brachte. Sie glaubte ihren Augen nicht trauen zu können, nicht weit von ihr stand ein alter Kahn mit ohne Segel Masten.  Es schifferten im Sommer viele Sportboote und auch kleinere Jachten über den Fluss, doch so etwas hatte sie noch nicht hier gesehen. Es sah aus wie ein Geisterschiff aus einem schlechten Film entflohen. Einmal Augenwisch, Gedanken wie, "deine Fantasie geht mit dir durch", schossen ihr durch den Kopf. Noch ein paar Metern da hatte sie ihr Ziel erreicht und konnte sich von dessen Echtheit überzeugen. Sie klopfte mit ihrer knöchrigen Faust die Seitenwände ab, stellte fest das dieses Uraltschiff noch sehr stabil war. Auf der Seite hing eine Strickleiter die sie zu gerne erklimmen wollte.  Sie merkte das ihre Schuhe schon fast im aufgeweichten Boden stecken blieben und meinte zu sich:" Marlene, so wie du jetzt aussiehst kannst du nicht nach Hause gehen. In einer Stunde ist es dunkel so lange kannst du noch ein wenig hier herumschnüffeln." Ungeahnte Vitalität wurde auf einmal in ihr Wach. Flink wie ein Wiesel erklomm sie die Leiter und schon spürte Marlene das Deck unter ihren matschigen Schuhen. Es war wohl die einzige freie Fläche bevor sie dieses herrenlose Schiff betreten hatte. Ansonsten wimmelte es von Leeren Flaschen, Dosen und anderen diversen Abfällen, die reinste Müllkippe. Kopfschüttelnd zog sie ihren Mantel aus und legte ihn über die Reling. Krempelte die Ärmel ihres grauen Wollpullovers hoch, schnappte sich eine leere Bierkiste und fing an das Chaos zu beseitigen.  Ihr Tatendrang kannte keine Grenzen, so das sie die Dunkelheit erst bemerkte, als sie ihre Hand kaum noch vor ihren Augen sehen konnte. Schade, es nutzte nichts, weitermachen hatte keinen Sinn. Der Weg bis zur Kajüte war fast frei, zu gerne hätte sie gewusst was sich dahinter verbirgt. Morgen, gleich nach dem Kaffee würde sie mit Plastiksäcken beladen ihr Werk fortführen. Nach einer unruhigen Nacht, stand Marlene viel zu früh auf. Es war noch stockdunkel da waren schon die Tüten gepackt samt Gummistiefel. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis es endlich hell wurde. Die alte Dame machte sich voll innerer Spannung auf den Weg. Doch was sie erwartete das hätte sie sich nicht träumen lassen. Eine riesige Menschentraube stand dort, weiträumig um den Kahn war mit einem weiß - rotem Band eine Absperrung errichtet worden. Polizisten belagerten das gestrandete Ding und taten sich sehr wichtig.  Die uniformierten Wichtigtuer drängten die Vorwitznasen zurück und meinten es gäbe dort nichts zu sehen. Die Enttäuschung war Marlene förmlich ins Gesicht geschrieben, sie hätte gern gesagt das sie ja schließlich die Entdeckerin war. Schon den Weg geebnet hatte, nein, warum sollte sie, schmollend ging die alte Dame nach Hause. Endlich war mal etwas los in ihrer kleinen Stadt, Pustekuchen, nicht die kleinste Sensation gönnte man der Menschheit. Zu Hause angekommen ließ Marlene den PC hochfahren, der geliebte Alltag hat mich wieder dachte sie noch, bis die neuesten Nachrichten kamen. Gestrandetes Geisterschiff an der Mosel, Blutspuren und DNA sichergestellt. Wer kann Auskünfte geben? Verbrechen nicht auszuschließen. Es durchfuhr sie wie ein Blitzschlag, ich, nein ich melde mich nicht. Nachher nehmen die mich fest und ich komm unschuldig hinter Gitter. Nicht mit mir, nicht mit Marlene Krummnickel. Unter ihrem Namen hatte sie doch schon genug gelitten, den dann noch in der Zeitung lesen. Ganz Deutschland würde sich vor lachen biegen und ihr vielleicht den Tod wünschen. Warum musste ich auf dieses blöde Schiff gehen, dachte sie und ging unruhig in der Stube hin und her.  Auf keinen Fall würde sie sich zu erkennen geben, freiwillig, niemals. Punkt 12 RTL, der Klatsch Sender wusste bestimmt schon etwas mehr, es ging ihr ein wenig gegen den Strich. Eigentlich mochte Marlene diese unseriösen Privatsender mit ihrer vielen Werbung überhaupt nicht. Wenn da die Neugier nicht so groß wäre, was soll es sie schaute ja nur die Nachrichten. Es sah sie doch niemand. Sie setzte sich in ihr Wohnzimmer und schaltete den alten Fernseher an. Da war es doch schon, - Altes Segelschiff an der Mosel gestrandet - die Augen von Frau Krummnickel hingen förmlich an den rot bemalten Lippen der netten Ansagerin. " Bernkastel Kues: - Vor Bernkastel Kues in der Nähe der Anlegestelle Lieser wurde heute Morgen ein Schiff auf den Mosel Wiesen gesichtet. Wer kann Auskünfte geben, woher kam es, war es bemannt ? Die Polizei steht vor einem Rätsel, sie ist vor Ort. Sobald der Wasserpegel singt, wird es zu weiteren Ermittlungen in den Hafen in Kues geschleppt. - Es wurden schöne Bilder gezeigt, Polizei, die Nachbarschaft und viele Gesichter die Marlene nicht kannte. Gott sei Dank, sich selber konnte sie nicht entdecken, also war sie auch nie da gewesen. Doch wieso haben die gar nicht bemerkt das sie aufgeräumt hatte, das sollte doch eigentlich keiner übersehen können. Ignoranten, schienen in der heutigen Zeit normal. Der Fernseher wurde ausgeschaltet, Radio an, SWR 4 die spielten Deutsche Musik die auch jeder verstehen konnte.  Zum Ablenken nahm sie sich eine Gartenzeitschrift zur Hand. Blumen waren ihr großes Hobby, solche Illustrierten waren sehr interessant. "Im alten Schaukelstuhl werde ich mich ein wenig beruhigen," dachte Marlene. Bei dem Schlager "Flieg nicht so hoch mein kleiner Freund" flatterte der Lesestoff zu Boden. Frau Krummnickel schlief tief und fest, bis schnarchende Laute sie weckten. "Jetzt hat mich doch mein eigenes Schnarchen aufgeweckt", sagte sie laut und schüttelte ihr Haupt. Ging in die Küche, stellte die Kaffeemaschine an und schaute auf die Uhr. Vierzehn Uhr Dreißig den ganzen Mittag verschlafen. Sie stellte sich ein Töpfchen mit Eintopf vom Vortag auf den Herd denn, etwas warmes braucht der Mensch. Nachdem sie diesen verspeist hatte trank sie gemütlich ihren Kaffee. Es regnete ohne unter lass. Sicher würden die Behörden das Schiff nicht so schnell bergen können. So schnell das Abenteuer für Marlene begann, solch ein abruptes Ende sollte es wohl auch haben. Sichtlich enttäuscht widmete sie sich ihrer Hausarbeit. Es ging ihr alles viel zu schnell von der Hand während dessen ihre Gedanken sich an dem blöden Strandgut festhielten. Abendnachrichten, ja die wollte sie sich noch anschauen und dann ein gutes Buch lesen. Für ihr Forum hatte sie heute nicht den Nerv.  Frau Krummnickel schaltete punkt Achtzehn Uhr den Fernseher an. Nachrichten im Ersten, der sonst so seriöse Nachrichtensprecher lachte, er brachte vor lauter Lachen keinen zusammenhängenden Satz zustande. Nach mehrmaligen Entschuldigungen setzte er seine ernste Mimik ein und begann erneut:" Heute, in den frühen Morgenstunden fand man in der Nähe von Bernkastel Kues einen gestrandeten, herrenlose Segel Kahn ohne Segelmasten. Jugendliche Tüftler steckten viel Arbeit und Energie in dieses für Karneval gedachte Kunstwerk. Nach einer ausgiebigen Einweihungsfeier verließen sie dieses. Durch die ausgiebigen Regenfälle wurde es von dem heimischen Grundstück in die Mosel getrieben und in der Nähe von Bernkastel Kues wieder an Land gespült." Durch die Freiwillige Feuerwehr gesichert wird es sobald die Wetterbedingungen es erlauben an seinen alten Standort zurück gebracht." "Gott sei Dank," entfuhr es der alten Dame und ihr Leben war wieder in Ordnung.

 

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Texte: @Miethel
Bildmaterialien: 123.rf.com
Tag der Veröffentlichung: 20.05.2013

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