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Eine Butterfahrt ist lustig, eine Butterfahrt ist schön...

Liesbeth und Annerose standen bereits aufgeregt am Busbahnhof, als dieser mit leichter Verspätung dann endlich eintraf. Sofort stürmte Liesbeth auf den Fahrer zu und sah ihn zornig an: "Unverschämtheit, warum seid ihr Fahrer nie pünktlich?" Der junge Mann schaute sie freundlich an. "Weil ich nicht der einzige Verkehrsteilnehmer auf den Straßen bin." Liesbeth wollte gerade etwas entgegnen, als von hinten jemand drängelte. "Komm, geh weiter, Muttchen. Sonst sind die besten Plätze weg!" "Was fällt Ihnen ein!" rief sie erbost und drehte sich um. "Und überhaupt bin ich nicht darauf erpicht, mit Fremden zu kuscheln, also halten Sie gefälligst Abstand!" Der ältere Herr schaute sie von oben bis unten an. "Nichts liegt mir ferner, Muttchen!" grinste er. "Hören Sie bitte auf, meine Freundin Muttchen zu nennen!", mischte sich nun auch Annerose ein. Dann nahm sie Liesbeth an die Hand und setzt sich mit ihr schön weit nach hinten ans Fenster. Sie hatten es sich gerade bequem gemacht, da hörten sie ein Geräusch und schauten sich um. Da hatte sich doch der vorlaute, ältere Mann eine Pfeife angesteckt. Mitten im Bus! "Machen Sie sofort den Luftverpester aus!" entfuhr es Liesbeth entrüstet. Der Mann lachte sie nur aus und rauchte genüsslich weiter. "Jetzt hören Sie doch endlich mal auf zu meckern!" mischte sich nun eine andere Dame ein. Sie hatte feuerrote Haare, trug ein elegantes Kleid und einen weißen Hut, der ihre Mähne richtiggehend leuchten ließ. Sie beugte sich lasziv zu dem Rauchenden herüber. "Lassen Sie sich nicht ärgern, ich mag den Duft, den Ihre Pfeife verbreitet. Vanille?" Sie strahlte ihn aus ihren grünen Augen an. "Oh, Sie haben ein feines Näschen", säuselte er und bot ihr den leeren Platz neben sich an. Sie nahm dankend an und gesellte sich zu ihm.

"Was habe ich dir immer gesagt, Lieschen? Solche Butterfahrten werden gern zum Anbandeln genutzt." "Ja", stimmte Liesbeth ihrer Freundin zu, "eine schamlose Person, diese rothaarige Hexe!" 

"Das habe ich gehört!" meldete sich der rauchende Herr und sah böse zu den Freundinnen rüber. "Komm mal wieder runter, Muttchen. Oder bist du gar eifersüchtig?" fragte er dann grinsend. Jetzt musste Liesbeth doch lachen. Und Annerose stimmte mit ein. Sie lachten, bis die Tränen über ihre Wangen liefen. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, köpfte Annerose eine Flasche Erdbeersekt und schenkte Liesbeth und sich ein Glas ein. Vergnügt prosteten sie dem Herrn zu. "Nehmen Sie augenblicklich diesen Billigfusel aus meinem Sichtfeld!" forderte die Rothaarige pikiert, "das ist ja eine Beleidiung für jeden Gaumen!" Liesbeth prustete erneut los, hatte schon bald glasige Augen, sie vertrug nicht viel Alkohol. Aber Annerose füllte sie ganz gerne ab, denn dann war ihre Freundin ein völlig anderer Mensch. Dann war sie liebenswürdig und liebenswert. Aber vor allem meckerte sie nicht mehr in diesem Zustand. Das war eine Wohltat. Ansonsten waren die beiden Damen im besten Alter und das, was man gemeinhin als lustige Witwen bezeichnen würde. Sie hatten sich vor einigen Jahren in einem Café kennen gelernt, in dem ein Autor eine Lesung abhielt, den sie beide sehr mochten. Schnell wurde eine innige Freundschaft aus diesem zufälligen Treffen. Annerose und Liesbeth verreisten sogar gemeinsam und auch dort meckerte Lieschen meist über den Zustand der Hotels oder dem Pool. Annerose musste zwar zugeben, dass ihre Freundin fast immer Recht hatte, dennoch war ihr selbst das unangenehm. Sie fand, dass ihrer Freundin ein bisschen mehr Gelassenheit gut täte. Aber hier, während der Fahrt mit dem Bus, war sie, was den unverschämten Herrn und die Rothaarige betraf, voll und ganz ihrer Meinung. Beide einfach unausstehlich und sie noch arrogant dazu. Sie beugte sich zur Rothaarigen rüber: "Was lässt Sie eigentlich glauben, Sie wären etwas Besseres als wir? Etwa ihre schlecht gefärbte, rote Mähne?" lachte sie unverhohlen. "Man sieht ja schon den grauen Ansatz."

Flink setzte die Dame wieder ihren weißen Hut auf, der wahrscheinlich nur dazu diente, um genau das zu verstecken. Das graue Haar, obwohl das doch ein völlig natürlicher Vorgang des Älterwerdens ist. Und er lässt sich auch nicht aufhalten. "Was fällt Ihnen ein!" herrschte sie Annerose an. Sie fühlte sich ertappt. Aber immerhin hatte die lustige Witwe es so leise gesagt, dass es niemand anderer mitbekam und die Rothaarige nicht bloßstellte. Annerose wollte ihr nur einen kleinen Denkzettel verpassen, den sie nach ihrer Meinung brauchte. Die rothaarige Dame hüstelte verlegen, entschuldigte sich kurz bei ihrem Sitznachbarn und ging zur Bordtoilette. Plötzlich schlich sich doch das schlechte Gewissen bei Annerose ein und sie wurde nachdenklich. "Es muss Ihnen nicht leid tun, Sie haben ja Recht", sagte der Rauchende unerwartet und lächelte sie freundlich an. Inzwischen hatte er seine Pfeife aber längst ausgemacht. Annerose war verwirrt, der konnte ja richtig nett sein. Und zu ihrer Überraschung vermisste sie den Duft von Vanille, das einzige Aroma, das sie bei Pfeifen mochte. 

Zum Erstaunen ihrer Sitznachbarin bot sie dem Herrn ein Glas Erdbeersekt an, das er sogar dankend annahm. Aber Lieschen war nach den zwei Gläsern, die sie intus hatte, ohnehin schon ziemlich beschwipst und von daher auch gutgelaunt. Sie war dem nicht mehr Rauchendem mittlerweile freundlich gesonnen. Die Rothaarige gesellte sich wieder zurück und musste nun den anderen Platz nehmen, da der Pfeifenliebhaber ihren gemopst hatte, um sich mit den lustigen Witwen unterhalten zu können. Aus einem frisch geschminkten Gesicht blickten zwei grüne Augen zornig, die veränderte Situation gefiel ihr gar nicht. Annerose hatte sich also unnötig Sorgen um die Dame gemacht und ihr schlechtes Gewissen war verflogen. "Sie wollten mir doch von ihrer Reise nach Ägypten erzählen", platzte sie heraus und störte das lustige Dreiergespann. Anneroses Augen wurden plötzlich ganz groß. "Ja, bitte erzählen Sie, da wollte ich immer mit meinem Mann hin. Leider war es uns nicht vergönnt." "So", sagte der Mitreisende und hielt ihr die Hand hin, "ich bin der Günni und dafür, dass wir uns endlich duzen." Annerose schlug ein und stellte sich und Liesbeth ebenfalls vor.  "Ich heiße Gabi", sagte die Rothaarige und fragte kleinlaut, ob sie auch ein Glas Sekt haben könnte. Lächelnd reichte Annerose ihr eines. "Gut, dass ich immer mehrere Gläser einpacke, weil ich damit rechne, dass Lieschen und ich nicht alleine trinken werden!" Die Vier stießen mit den Plastiksektflöten an und lachten. Und als Günni von seiner Reise nach Ägypten erzählte und dem tollen Urlaub dort, blickten ihn strahlende Augen neugierig und fasziniert an. Von nun an war er der Hahn im Korb und sonnte sich in dieser Position. Es würde also doch noch eine tolle Reise für alle werden. 

 

Ende

 

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Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 31.07.2023

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