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Mittsommer in Helsinki

 Völlig ausgelaugt und durstig steht Rico vor einem geschlossenen Lokal. Seit Stunden ist er schon unterwegs. Seine alleinige Wandertour hat ihn bis hierher geführt. Der schwere Rucksack geht zu Boden. Er streckt seine Schultern durch, die erleichtert aufzuatmen scheinen, nachdem die Last von  ihnen gefallen ist. Leise fluchend hämmert er gegen die schwere Holztür. Er hat das Gefühl, zu verdursten, sein eigener Vorrat ist aufgebraucht und er braucht dringend Nachschub. Aus lauter Verzweiflung ruft Rico laut in die Dunkelheit: "Hallo? Jemand da?" Und hämmert erneut gegen die Tür. 

"Was ist denn los?" hämmert eine Frauenstimme zurück, aber sehen kann Rico niemanden. "Ich habe schon geschlafen, morgen ist ein anstrengender Tag!" Dennoch ist Rico unglaublich erleichtert, denn sein Mund gleicht mittlerweile einer Wüste. "Es tut mir leid für die späte Störung, gute Frau. Aber ich bin seit Stunden unterwegs und habe kein Wasser mehr. Können Sie mir welches verkaufen?"

Er hört die Frau genervt knurren, aber dann sieht er, wie das Licht angeht und atmet erfreut auf. Es dauert einen Moment, bis er das Schloß der Tür hört und ihm eine rundliche, ältere Dame mit roten Haaren die Tür öffnet. "Kommen Sie herein und setzen Sie sich an einen Tisch. Ich bringe Ihnen eine Flasche Wasser und ein Glas."

"Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, junge Frau", sagt Rico zaghaft lächelnd. Er erwartet eine ordentliche Standpauke, denn offensichtlich hat er die Dame aus dem Bett gescheucht. Verschlafen lächelt sie den jungen Mann an und bringt ihm dann das wohltuende kühle Nass. Neugierig mustert sie ihn, er sieht sehr gepflegt aus. "Woher kommen Sie, junger Mann? Und was führt Sie nach Helsinki?" fragt sie ohne Umschweife. Er trinkt zwei Gläser Wasser hintereinander und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. "Ich habe Urlaub und wollte schon immer mal nach Helsinki und mir einige Sehenswürdigkeiten wie den Dom, die Uspenski Kathedrale und die Temppeliaukio-Felsenkirche ansehen."

"Zu Fuß?" fragt die Rothaarige erstaunt. Rico nickt, während er schon wieder ein Glas mit Wasser füllt und es sich schmecken lässt. "Und es hat sich gelohnt, ich war überwältigt. Am meisten jedoch hat mich die Felsenkirche beeindruckt. Der ideale Ort zum Heiraten." Sein Gesicht wirkt plötzlich traurig, doch die Wirtin will nicht indiskret sein und lächelt ihn deshalb nur aufmunternd an.

"Haben Sie ein Nachtlager?" fragt sie mit Blick auf seinen Rucksack. "Die Nächte können hier mitunter recht kalt werden." Er nickt. "Ich habe einen warmen Schlafsack dabei."

Aus unerfindlichen Gründen mag die Rothaarige den Fremden mit den treuen, dunkelbraunen Augen und dem schwarzen Haar, das er modern geschnitten trägt. "Sie können gern hier unterkommen, wir haben tatsächlich noch ein Zimmer frei." "Wieso tatsächlich?" fragt Rico verwundert. "Junger Mann, morgen ist Mittsommer und da geht es hier jedes Jahr rund. Und nur, weil ein Ehepaar abgesagt hat, ist noch eins unserer wenigen Zimmer frei", klärt sie den Unwissenden auf. "Leben Sie hinterm Mond?" Sie kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Jetzt bin ich neugierig geworden, erzählen Sie mir mehr von diesem Fest." Lächelnd reicht sie ihm die Hand und sagt: "Ich bin übrigens Mimi, die stolze Besitzerin dieser kleinen Pension." "Rico", stellt er sich ebenfalls vor und hat in der Sekunde die rundliche Frau mit dem roten Haar ins Herz geschlossen. Sie schenkt sich einen Rotwein ein und setzt sich zu Rico an den Tisch. "Mittsommer feiern wir hier zwar traditionell mit einem geschmückten Maibaum und später dem Freudenfeuer. Aber es wird auch gegrillt und im naheliegenden See geschwommen. Zudem werden Geschichten erzählt, Gedichte aufgesagt, Spiele veranstaltet, getanzt und getunken. Und einige der jungen Mädchen pflücken sieben verschiedene Blumen und legen sie in der Mittsommer - Nacht unter ihr Kopfkissen. Der Legende nach erscheint ihnen dann ihr Zukünftiger im Traum."

Ricos Augen leuchten auf. Er ist und bleibt ein unverbesserlicher Romantiker. "Das ist ein schöner Brauch. Überhaupt hört sich das alles richtig gut an. Und ich habe tatsächlich noch niemals Mittsommer gefeiert."

"Dann wird es Zeit", sagt Mimi und trinkt ihren Wein aus, "hiermit bist du herzlich eingeladen."

Müde schaut sie auf die Uhr über dem Thresen. "Aber jetzt muss ich schlafen, es wird ein anstregender Tag, denn es ist wirklich viel zu tun und vorzubereiten."

Jetzt hat Rico ein schlechtes Gewissen. "Entschuldige noch mal, Mimi, dass ich dich geweckt habe." Sie lächelt milde, geht in einen anderen Raum und kommt mit einem Zimmerschlüssel zurück. "Erster Stock, die letzte Tür auf der linken Seite. Nummer 10. Gute Nacht, Rico." Mimi gähnt herzhaft, räumt die Gläser und die Flaschen noch weg und löscht das Licht. Rico betritt neugierig sein Nachtlager und ist überrascht. Ein schön eingerichtetes Zimmer erwartet ihn. Zwar beschränkt auf das Nötigste, aber mit einem absolut bequemen Bett. Kaum, dass er liegt, ist er auch schon eingeschlafen. Doch bald beherrschen wilde Träume seine Nachtruhe. Ein Mädchen mit roten Haaren, das aussieht wie Pippi Langstrumpf, deutet ihm, dass er ihr zu einem Brunnen folgen soll. Sie schnalzt verführerisch mit ihren vollen, roten Lippen und zieht Rico magisch in den Bann. Er holt sie ein, hält sie fest und will gerade ihren kirschroten Mund küssen, als sich ein anderes Gesicht dazwischen schiebt: Kassandra, die Frau, mit der er drei Jahre verlobt war und die ihn wegen eines älteren, reichen Playboys verlassen hat. Die Trennung liegt zwar schon etwas zurück, aber ab und zu holen ihn die schmutzigen Erinnerungen noch ein. Von einem Tag auf den anderen verließ sie ihn. Einfach nur, weil sich eine bessere Gelgenheit bot. Sie hat ihn ausgewechselt wie eine kaputte Glühbirne. Schmerz fährt durch sein Herz. Aber nicht, weil er sie noch lieben würde, sondern weil er so enttäuscht über ihr Verhalten war und ist. Kassandra, eine überaus attraktive Blondine, die er in den drei Jahren niemals für sich allein hatte. Überall lauerten Verehrer, Bewunderer und sogar Stalker. Klar, sie ist sehr sexy und anziehend. Und dennoch gar nicht so erotisch, wie er gedacht hatte und leider auch wenig anschmiegsam. "Egal!" wischt Rico die Gedanken weg wie die Bettdecke und steigt nur ungern aus dem bequemen Schlafgemach, doch ein Blick auf die Uhr über dem Kamin zeigt, dass es bereits fast neun ist. Er hat sich gerade frischgemacht, als es kurz an der Tür klopft und jemand eintritt. Wie angewurzelt bleibt er stehen, denn plötzlich sieht er sie in voller Größe und Farbe in seinem Zimmer: Pippi Langstrumpf aus seinem Traum letzte Nacht. Mit aufgerissenen Augen starrt er sie ungläubig an. "Was ist los? Haben Sie einen Geist gesehen?" fragt das junge Mädchen mit den roten Zöpfen. "Mimi? Bist du das? Welches Jahr haben wir? Bin ich bei "Zurück in die Zukunft? Was ist hier los?"

"Immer langsam mit den jungen Pferden", sagt das Mädchen lachend, "ich bin Malena, die Tochter von Mimi."

Erleichtert stimmt er mit in ihr Lachen ein und stellt sich dann ebenfalls vor. "Ich weiß schon, wer du bist, Rico. Meine Ma hat mir beim Frühstück von eurem Date heute Nacht erzählt."

Er errötet leicht. "Date trifft es jetzt vielleicht nicht so ganz..." "Wie auch immer", lacht sie und lädt ihn zum Frühstück nach unten in die Stube ein. Rico lässt sich nicht zweimal bitten, denn er hat einen Bärenhunger. 

"Was hat dich nach Helsinki verschlagen, Mimi?" fragt er, als er an einem der Tische sitzt und den herrlich leckeren Kaffee schlürft. "Das ist meine Schuld", meldet sich eine männliche Stimme zu Wort. "Ich habe sie überredet, hier mit mir zu leben. Als gelernte Hotelkauffrau hat Mimi dann diese Pension übernommen und seitdem haben wir ausgesorgt." Ein älterer, aber durchaus attraktiver Mann legt den Arm um Mimi und sie kuschelt sich nur zu gern an ihn. Ein Stich fährt in sein Herz. Das hätte er auch gerne mit Kassandra gehabt, aber sie war einfach nicht die Richtige für ihn. Rico lächelt und stellt sich dem "Hausherrn" vor. "Ich weiß schon Bescheid", grinst er, "ich bin Torgan."

"Ein interessanter Name", stellt Rico fest, "ich freue mich sehr, euch alle kennenzulernen. Also ist das sozusagen ein kleines Familienunternehmen in Helsinki. Großartig!" schwärmt er. 

"So!" klatscht Mimi in die Hände, "wir Drei haben noch einiges zu tun. Das bedeutet, du hast ein paar Stunden Zeit für einen Ausflug. Gegen frühen Nachmittag geht es bei uns mit der Mittsommerfeier los." "Prima!" ruft Rico begeistert, "dann packe ich mir ein wenig Proviant in meinen Rucksack und mache mich auf den Weg, um die Ortschaft etwas zu erkunden."

Gutgelaunt macht er sich auf den Weg, bestaunt erneut die Natur und die Seen, die ihn auf seinem Weg begleiten. Rico hat beschlossen, noch einmal die Felsenkirche aufzusuchen, von deren Schönheit und Aura er am meisten beeindruckt gewesen war auf seiner Tour. Er saugt noch einmal alle Eindrücke auf, die sich ihm unterwegs bieten, bis er dann schlussendlich erneut im Inneren der Kirche steht. Ein einziger weiblicher Gast sitzt auf einer der schwarzen Bänke mit den roten Kissen als weiche Unterlage. "Malena?" ruft er überrascht, als er näherkommt und die roten Zöpfe erkennt. Die Akustik ist unglaublich beeindruckend, als Malenas Name scheinbar aus jedem kleinsten Winkel der Felsenkirche zu ihm zurückhallt. Das Mädchen aber reagiert überhaupt nicht, was Rico verwundert zur Kenntnis nimmt. Er geht vorsichtig zu ihr nach vorne und tippt ihr sanft auf die Schulter. Dennoch fährt sie erschreckt herum und sieht ihn mit großen Augen an. Sie scheint verwirrt zu sein. Und dann fällt ihm auf, dass es gar nicht Malena ist, obwohl sie ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Dieses Mächen hier hat viel mehr Sommersprossen. Und wegen der Ohrstöpsel hat sie ihn wohl auch nicht hören können. Er errötet leicht, woraufhin sie aus ihrer Schockstarre erwacht und ihn nun doch zaghaft anlächelt. Sie nimmt die Kopfhörer aus den Ohren. "Verzeihung, ich habe Sie verwechselt", erklärt Rico. Sie lacht nur, nimmt ihn plötzlich einfach an die Hand und sagt: "Komm mit, ich möchte dir was zeigen!" Auch ihre Stimme klingt ein wenig anders als die von Malena, weicher und dunkler. Er lässt sich bereitwillig von ihr mitziehen. "Ich bin übrigens Rico", stellt er sich vor, nachdem sie schon zum Du übergegangen ist. "Schöner Name, passt zu dir", findet sie. "Ich heiße Malu."

Es dauert eine Zeit, bis sie an einer schönen Grünfläche mit hohen Bäumen ankommen, auf dem ein kleiner Brunnen steht. Sofort denkt Rico an seinen Traum von heute Nacht. Ein Mädchen mit roten Haaren zieht ihn zu einem Brunnen. Was geht hier vor? denkt er unwillkürlich.

"Das ist mein Lieblingsort, hier war ich füher sehr oft mit meiner Schwester", erzählt Malu und ihre Augen bekommen einen nostalgischen Glanz. "Deine Schwester heißt nicht zufällig Malena?" fragt Rico unumwunden. Ihr Blick wird plötzlich düster, sie antwortet nicht und Rico bekommt das Gefühl, dass es besser ist, nicht weiter zu fragen. Stattdessen nimmt sie etwas Wasser aus dem Brunnen und spritzt es sich ins Gesicht. Es ist ungewohnt warm heute an Mittsommer. Rico schaut ihr fasziniert dabei zu, wie sie ihre geröteten Wangen mit dem kühlen Nass benetzt und auch den Hals einreibt. Ihr dünnes, weißes Top, das sie trägt, wird bei dieser Aktion ebenfalls feucht. Gegen seinen Willen schaut er auf ihre kleinen, festen Brüste, die sich nach und nach, ganz langsam abzeichnen unter dem leichten Stoff. Auf ihre zarten Knospen, die auch freudig auf die Abkühlung reagieren. Wie gebannt beobachtet er das Schauspiel, während sein bestes Stück längst auch involviert ist und sich in aller Härte gegen den Schaft seiner Jeans drängt. Er glaubt zu träumen, als Malu langsam auf ihn zukommt und ihre kirschroten Lippen auf seine drückt. Sie schmeckt unglaublich süß und nach mehr. Viel mehr. Ihre forsche Zunge fährt in seine Mundhöhle und verknotet sich mit seiner. Rico stöhnt auf, als Malu ihren Körper gegen seinen drückt und er somit ihre Brüste spüren kann. Sein Schwanz pocht hinter der Jeans und fleht förmlich um Freiheit. Malu lässt beim Küssen ihre Hände über Ricos muskulösen Oberkörper wandern. Ihr gefällt, was sie erfühlt, denn nun stöhnt auch sie verhalten zwischen den Küssen. Sie vergräbt ihre Hände in seinem dunklem Haar, küsst seinen Hals und fährt mit der Zunge über seine erhitzte Haut. Rico ist verwundert, die beiden haben sich immerhin gerade erst kennen gelernt. Normalerweise ist er nicht von der schnellen Truppe, doch Malu zieht ihn einfach magisch an und er kann sich dem nicht erwehren. Aber dann schaltet sich doch sein Verstand, beziehungsweise sein Gewissen, ein. "Du, es gibt da ein paar nette Menschen, die auf mich warten." Sie scheint enttäuscht, sagt aber kein Wort. "Ich habe die Drei quasi erst heute Morgen kennen gelernt und sie haben mich zum Mittsommerfest in ihrer kleinen Pension eingeladen und ich will ihnen ungern vor den Kopf stoßen." Nun wird Malu plötzlich hellhörig. "Klingt gut, ich könnte dich begleiten?" fragt sie zaghaft. Er hat gehofft, dass sie das sagen würde und lächelt sie erleichtert an. "Sehr sehr gerne, Malu!" Erneut nimmt sie ihn an die Hand und gemeinsam gehen sie zuück zum Gasthof von Mimi und Torgan. Als sie dort ankommen, herrscht schon reges Treiben auf der angrenzenden Grünfläche. Ein geschmückter Maibaum erstrahlt in hoher Größe. Einige Kinder mit Blumen im Haar tanzen um ihn herum und singen finnische Lieder. Ein wohliges Gefühl durchfährt Rico. Ein Gefühl, das er schon lange nicht mehr gespürt hat. Sanft drückt er Malus zarte Hand. "Komm, ich stelle dich den Besitzern vor." Bevor Malu etwas entgegnen kann, stehen sie schon im Restaurant vor den beiden. Ungläubig starrt Mimi auf das rothaarige Mädchen, ihr Gesicht ist plötzlich sehr blass geworden. Wortlos schenkt sie sich einen Schnaps ein und kippt ihn auf Ex. "Was machst du hier, Malu?" "Ihr kennt euch?" fragen Rico und Torgan fast synchron. Obwohl sich das bei dieser Ähnlichkeit zu Mimi und vor allem Malena eigentlich von selbst erklärt. Rico ärgert sich nun, dass er am Brunnen nicht doch noch mal nachgefragt hat wegen ihrer Schwester. Jetzt hat er den Salat, weil er sie hierher geschleppt hat. Gerade kommt Malena zur Tür herein und bleibt ebenfalls wie versteinert stehen. Zuerst starrt sie Malu einfach nur wortlos an. Doch dann geht ein Ruck durch ihren Körper, ihre grünen Augen, die genauso wie Smaragde leuchten wie die von Malu, füllen sich mit Tränen. Rico fragt sich, was er da angestellt hat und will etwas sagen, doch er weiß nicht, was. Niemand sagt etwas, man würde eine Stecknadel hören, so sehr gespannt ist die Atmosphäre. Malena wirft sich weinend in die Arme von Malu. "Mein Herzchen, mein Zwilling, du bist wirklich gekommen!" heult sie und Malu ist so überrascht und ergriffen, dass auch ihr das salzige Nass übers Gesicht läuft. "Wie ich dich vermisst habe, Schwesterherz", gesteht nun auch Malu und drückt sie so fest an sich, dass sie keine Luft mehr bekommt und sich befreien muss. "Was ist hier los, Mimi?" fragt Torgan. "Du hast Zwillingstöchter und mir kein Sterbenswort von Malu erzählt?" fragt er enttäuscht. "Das ist eine Familienangelegenheit, Torgan. Sei mir nicht böse, aber ich muss das erstmal mit meinen Töchtern besprechen. Ich verstehe es gerade selbst nicht."

"Nein Mama! Torgan ist wie ein Vater für mich und er soll bleiben. Er soll wissen, dass es meine Schuld war!" mischt sich Malena ein. Torgan schenkt sich und Rico jetzt auch einen Schnaps ein, den sie auf Ex runterspülen. Er brennt in der Kehle. "Ja, Mama, es war meine Schuld und nicht die von Malu", beginnt Malena zu erzählen. "Ich habe gelogen, weil ich Angst hatte, dass du mich verstoßen würdest. Deshalb habe ich es auf Malu geschoben." Man kann sehen, wie Mimi die Gesichtszüge entgleiten, sie ist noch blasser geworden und wirkt plötzlich zerbrechlich wie Porzellan. Torgan stützt sie und gibt ihr ebenfalls einen Schnaps. "Du hast was, Kind? Weißt du, was du da getan hast? Du hast mich um fast vier Jahre mit Malu gebracht!" Fassungslosigkeit beherrscht ihre Stimme und erschüttert das leere Restaurant. Malu sieht ihre Mutter an. "Ich habe dich so vermisst, Mama. Und heute konnte ich es nicht mehr aushalten. Habe mich auf den Weg hierher gemacht. In der Felsenkirche habe ich für uns gebetet...und dann stand da plötzlich Rico und ich war so verwirrt, weil ich ihn in meinem Traum gesehen habe und..." Malu hält inne und Rico stockt der Atem. So etwas gibt es doch gar nicht! denkt er, oder etwa doch? Er hatte doch auch von ihr geträumt letzte Nacht! Es läuft ihm eiskalt den Rücken hinunter, eine Gänsehaut kriecht in Zeitlupe über seinen gesamten Körper. Sie war ihm im Traum erschienen und nicht Malena. Glücklicherweise ist wenigstens von Kassandra weit und breit nichts zu sehen. Sie würde das Chaos perfekt machen. Aber vor allem fragt Rico sich, was vor vier Jahren geschehen ist. Malenas Gesicht sprüht nur so vor Schuldgefühlen und Scham. "Wie konntest du mir das antun, Malena?" fragt Mimi mit gebrochener Stimme und hält die weinende Malu im Arm. Rico und Torgan verstehen nur Bahnhof und kommen sich ziemlich überflüssig vor. "Ich habe mit meinem Stiefvater geschlafen und nicht Malu..." murmelt Malena kleinlaut und sieht nicht vom Boden auf zu den anderen. Entsetztes Schweigen breitet sich im immer noch leeren Restautant aus. Glücklicherweise sind alle anderen draußen bei der Mittommerfeier. "Er hat mich so sehr umgarnt, dass ich mich in ihn verliebt habe und als du früher von deinem Wellnesstag heimgekommen bist, hast du mich mit ihm erwischt und nicht Malu..." Sie bricht weinend ab und sackt in die Knie. "Du hast Malu immer liebergehabt als mich und ich dachte, wenn sie die Schuld auf sich nimmt, bist du nicht so böse..."

"Wie konntet ihr mich denn so hereinlegen, dass ich das gar nicht gemerkt habe?" fragt Mimi fassungslos. "Ach Mama, du warst so außer dir - verständlicherweise - dass du gar nicht richtig hingeschaut hast. Außerdem hast du mich nur von hinten gesehen und ich bin damals sofort in unser Zimmer gerannt..." erklärt Malena mit erstickter Stimme. Das alles geht ihr wirklich und wahrhaftig nah, fast kann sie einem leidtun. "Und dann ist unser perfider Plan entstanden", beendet Malu die Beichte ihrer Zwillingsschwester. "Den Rest kennst du ja, Mama. Du hast Malu sofort rausgeworfen und wahrscheinlich gelitten wie ein Hund. Aber Malu wollte sowieso weg und ihre Freiheit genießen. Aber ich wollte bei dir bleiben! Und dann hast du Torgan kennengelernt und warst endlich wieder glücklich..."

Zärtlich blickt Mimi ihren Mann an, der ihr lächelnd zuzwinkert. "Wir waren erst 20 Jahre jung, Mama", sagt Malu und löst sich aus der Umarmung, die sie in den letzten Jahren trotz ihrer Freiheit so vermisst hat.

"Ich habe vieles falsch gemacht damals, habe überreagiert, aber ich war so verletzt..." beichtet nun auch Mimi. "Ich hätte dich nie verstoßen dürfen, Kind, aber ich war so maßlos enttäuscht, dass du tatsächlich mit Frederick geschlafen haben sollst..."

"Mama, ich wäre sowieso gegangen, ich musste meinen unbändigen Durst nach Freiheit stillen. Aber ich wusste immer, dass meine Sehnsucht nach dir und Malena mich irgendwann heimführen würde", sagt Malu und zeigt auf ihr Herz. Dann liegen Mutter und Töchter sich in den Armen und weinen gemeinsam ein Bächlein voller Tränen. Malu löst sich als erste und geht lächelnd auf Rico zu. Wortlos nimmt sie seine Hand und zieht ihn mit sich nach draußen. Dort erwartet ihn buntes und wildes Treiben. Alle sehen fröhlich aus, feiern und tanzen. Einen Augenblick lang sehen die beiden dem Geschehen zu, dann zieht Malu Rico mit sich. Sie gehen zurück zur Wiese mit dem kleinen Brunnen. Dort lässt sich die rothaarige Schönheit nieder und zieht ihren Begleiter zu sich ins saftige Gras.

"Was hast du all die Jahre gemacht?" fragt Rico Malu zwischen zwei Küssen. "Zuerst bin ich eine Zeitlang bei einer Freundin untergekommen und habe meine Ausbildung beendet. Mir fehlte nur noch ein halbes Jahr bis zur Tontechnikerin. Dann bin ich mit anderen Freunden, einer Rockband, unterwegs gewesen. Wir sind mit ihrem Hippie-Bus überall hingefahren, wo wir Bock drauf hatten. So konnte ich einiges von der Welt sehen", schwärmt Malu. Rico lächelt sie versonnen an.

"Dagegen ist mein Leben als Bankmanager ja stinklangweilig."

Er küsst sie auf die Nase. "Und was hast du jetzt vor mit deinem Leben?"

Malu schaut ihm tief in die Augen. "Sesshaft werden, als Tontechnikerin arbeiten und genug verdienen. Einen guten Mann finden". Dabei sieht sie Rico vielsagend an. "Später auch heiraten und eine Familie gründen", schließt sie ihren Vortrag. Ricos Herz vollführt einen Freudentanz bei ihren Worten. All das, genau das, wünscht er sich schon seit einiger Zeit. Aber dass er ausgerechnet auf seiner Wandertour in Helsinki sein Glück finden würde, damit hat er nicht gerechnet. Voller Leidenschaft und Sehnsucht drückt er Malu an sich. Ihre Wärme strömt durch seinen ganzen Körper. Die Küsse, die sie austauschen, werden fordernder, gieriger. Ricos bestes Stück drängt erneut gegen den Schaft seiner Jeans. Am liebsten würde er auf der Stelle mit ihr schlafen. Solch eine Sehnsucht, sich mit einer Frau zu vereinen, hatte er bisher noch nie. Malu geht es nicht anders. Sie stöhnt vor Lust, die Leidenschaft hat sie gepackt. "Ich will dich spüren", flüstert sie erregt in sein Ohr. Das lässt Rico sich nicht zweimal sagen, entledigt sich seiner Jeans und seines Shirts. Malu sieht ihm dabei genussvoll zu und ihr gefällt, was sich ihr offenbart. Ihre Augen strahlen, während auch sie ihre Kleidung auszieht und sich ihm in einem weißen Bikini präsentiert. Sein Blick wird feurig, während Ricos Augen über Malus makellosen Körper wandern. Und als er in ihre wunderschönen, smaragdgrünen Augen schaut, weiß er: Das wird nicht nur der erste, intensive Mittsommer seines Lebens, sondern er wird vor allem unvergesslich bleiben. 

 

ENDE

 

 

 

 

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Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Cover: google
Tag der Veröffentlichung: 05.07.2023

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