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Unerwartete Höhenflüge...

Es ist bald wieder so weit! In ein paar Tagen ist Freitag und Tanzen ist angesagt. Zu meinem Leidwesen hat sich ein Schnupfen bei mir in eingeschlichen. Seit Wochen freue ich mich auf diesen Abend und nun bin ich verrotzt. Gut, es ist glücklicherweise nur ein leichter Infekt, sodass der Schnupfen schon fast vollständig abgeklungen ist und ich mich auch wieder fit fühle. Dennoch, seit Corona ist man irgendwie vorsichtiger in seinem Denken und Handeln geworden. Covid hat einiges verändert. 

Und nun sitze ich hier und überlege, ob ich trotzdem tanzen gehen soll. Ich will nichts riskieren. Da ich aber die starke Hoffnung hege, dass er, Mike, vielleicht auch anwesend sein wird, habe ich eine Idee. Er, der Eine, der mich immer meist heimlich und manchmal auch offensichtlich beobachtet. Mein Voyeur, mein Mister Blue-Eyes, mein stiller Beobachter. Wie ihr ja wisst, haben wir auch schon miteinander geredet und sogar zusammen getanzt und das war beim zweiten Mal ganz schön erotisch. Und sehr heiß...Aber auch aus dieser Situation ist Mike wortlos geflüchtet. Hat mich völlig verwirrt und aufgeheizt im Club stehenlassen. Mein vertäumter Rocktyp ist leider eher introvertiert und das macht alles kompliziert. Aber davon will ich nichts wissen! Ich könnte es mir auch leichter machen und mir sagen, dass er einfach ein Arschloch ist. Aber dann würde ich mich selbst belügen, denn ich glaube an eine andere Erklärung für sein Verhalten. Meine Gedanken wandern zu dem Abend, an dem er mir diese eine persönliche Vorstellung gegeben hat. Die Luftgitarre hat er nur für mich gespielt, dessen bin ich mir noch immer sicher. Wir hatten unsere Momente und dann kam Corona und unser bisheriges Leben wurde von heute auf morgen aus den Angeln gehoben.

Lockdown...Lichter aus...Leben aus...

Glücklicherweise ist es schon länger nicht mehr so. Aber nun zurück zu meiner Idee: Ich habe eine kleine unverfängliche Karte besorgt und ein paar kurze, aber prägnante Zeilen hineingeschrieben. Und natürlich meine Telefonnummer. Da ich mit Claudia zum Kaffee verabredet bin, habe ich das kleine Briefchen mitgenommen und ihr gegeben. Mit der Bitte, es Mike zu überreichen, wenn er im Club sein sollte. Und ihm zu sagen, dass ich leider aus gesundheitlichen Gründen verhindert bin. 

"Das mache ich doch gern für dich", versichert sie mir und grinst viel sagend. 

"Danke dir. Vielleicht bekommen Mike und ich ja doch noch mal ein Treffen außerhalb des Clubs hin", lächle ich hoffnungsvoll. Ich bin schon ziemlich traurig, dass ich nun ganze vier Wochen warten muss, bis ich selbst auch wieder in den Club gehen und das Tanzbein schwingen kann, aber ich wünsche meinen Freunden einen tollen Abend und mache es mir zuhause gemütlich.  

Es ist fast 22 Uhr, als mein Handy bellt. Gähnend schaue ich aufs Display. Eine Nachricht von Claudia lässt mich schlagartig hellwach werden: "Er ist hier! Mike ist hier, Süße!"

In Windeseile fällt meine Entscheidung und ich ziehe ich mich an. Im Badezimmer mache ich mich flink hübsch, indem ich meine Haare mache, meine schönen grünen Augen hervorhebe und Lippenstift auflege. Dass Frauen im Bad Ewigkeiten brauchen, stimmt nicht. In meinem Fall Gott sei Dank! Währenddessen tippel ich Claudia eine WhatsApp, dass sie mit der Karte noch warten soll. Eine knappe Dreiviertelstunde später stehe ich atemlos neben meiner Freundin, die sich ausschüttet vor Lachen, als sie mich erblickt. "Was ist los?" frage ich irritiert. Wortlos zieht sie mich in die nächstgelegenen Sanitäranlagen. Und dann sehe ich es auch: Meine Wimperntusche ist verschmiert und ich sehe aus wie ein Panda auf Drogen.

"Scheisse! Scheisse und nochmals Scheisse!" fluche ich, aber Claudia hat immer ihr "Notfall-Set" dabei und richtet mich so wieder her, dass ich noch viel besser aussehe als vorher. Aber wahrscheinlich liegt das auch an der Freude, Mike gleich zu sehen. Ich strahle offenbar aus allen Poren. Mein Puls rast in die Höhe, als ich wieder mit meiner Freundin zurück an den Tisch gehe. Ich brauche erstmal einen Mutmacher, gehe an die Bar und bestelle einen "CloudSeven". Unwillkürlich muss ich schmunzeln, weil ich daran denke, dass Mike mir diesen Cocktail damals empfohlen hat. 

"Ich nehme auch so einen", sagt eine männliche Stimme neben mir und zeigt auf mein Getränk. Mike!

"Hallo, du auch hier!" strahle ich ihn an und meine Wangen fühlen sich mit einem Mal ziemlich heiß an. Meine Hände werden feucht. Ich halte ihm eine zur Begrüßung hin.

"Lass dich umarmen", sagt er, kommt näher und prompt wummert in meiner Brust ein Presslufthammer. Ich hoffe einfach nur, dass er bei unserer überraschend intensiven Umarmung nicht spürt, wie aufgeregt ich bin. Viel zu schnell lässt er mich wieder frei. Ich hätte gerne noch viel länger an seiner männlichen Brust verweilt und dem schnellen Schlag seines Herzens gelauscht. Da kennt man sich seit Jahren und doch ist es gleichzeitig auch immer ein bisschen wie das erste Mal, wie die erste Begegnung. 

Doch heute Abend ist Mike anders. Die direkte Umarmung, das Lächeln, sein Herzklopfen und der warme Glanz in seinen Augen zeigen es mehr als deutlich. Aber ich bin vorsichtig, ich möchte sein mir zugewandtes Verhalten nicht überbewerten. Ein emotionaler Höhenflug meinerseits könnte mich tief fallen lassen und das möchte ich nicht mehr. Sein zärtlich geflüstertes: "Gehen wir tanzen?" lässt mich erschauern und als er einfach meine Hand nimmt, fühle ich mich dann doch einem Höhenflug nahe. Ich kann mich nicht dagegen wehren, weich wie Butter in seiner Nähe zu werden. Ein stummes Nicken muss als Antwort genügen und so lasse ich mich von Mike auf die ziemlich volle Tanzfläche entführen. Und obwohl gar kein langsamer Titel gespielt wird, nimmt er mich erneut in seine Arme und drückt mich fest an sich. Was für ein wunderbares Gefühl. Wie sehr ich das vermisst habe, spüre ich erst richtig in diesem Moment. Ich habe IHN vermisst! Corona hat uns voneinander getrennt, aber nicht voneinander entfremdet. Das habe ich nicht zu hoffen gewagt. "Ich bin heute extra allein hierher gekommen...", flüstert er in mein Ohr. Eine Gänsehaut kriecht über meinen erhitzten Körper. Das hatte ich mir schon so oft gewünscht, dass er mal ohne seinen eineiigen Zwillingskumpel im Club erscheint. Denn leider kleben die beiden ständig aneinander und das macht vieles schwierig. Aber heute ist er allein hier und alles fühlt sich so leicht an. Doch dann muss ich an Claudia denken. Meine beste Freundin, wegen der ich überhaupt erst hier bin. 

"Scheisse! Claudia!" entfährt es mir und ich sehe mich nach ihr um. Mike blickt mich verständnislos an, er denkt wahrscheinlich, auch ich sei allein her gekommen. Ich entdecke meine Freundin an einem der Tische nahe der Tanzfläche. Sie lächelt mich zufrieden an und nickt mir zu. Erleichterung macht sich in mir breit. Und sie steht auch nicht alleine dort, ein junger Mann hat sich zu ihr gesellt. Unwillkürlich kuschele ich mich zurück in Mikes starke Arme und lege meinen Kopf an seine Brust. Sauge seinen Geruch auf und möchte am liebsten in ihn hinein kriechen. Und ihn nie wieder loslassen. Leider löst er sich einige Minuten später von mir, schaut mich mit einem komischen Blick an, rauft sich die Haare, errötet und murmelt irgendetwas unverständliches. Aber damit nicht genug, er entfernt sich langsam von mir und verschwindet von der Tanzfläche. Entsetzt starre ich ihm hinterher. DAS kann nicht sein Ernst sein! DAS kann er doch nicht machen! DAS ist der härteste Fall nach einem Höhenflug, den ich je erlebt habe! Wie angewurzelt stehe ich dumm auf der Tanzfläche, auf der alle anderen um mich herum sich fröhlich zum Beat aus den großen Lautsprechern bewegen.

Die Musik rückt plötzlich in weite Ferne, genau wie die Menschen. Ich stehe da und fühle einfach nichts mehr. Mit einem Mal geht ein Ruck durch meinen starren Körper und ich sprinte Mike hinterher. Diesmal nicht! Diesmal lasse ich ihn nicht einfach entkommen! Diesmal wird er sich mir erklären müssen! Tatsächlich schaffe ich es, ihn am Ausgang einzuholen. Wieder rauft er sich die Haare, schaut mich mit einem Blick an, den ich noch nie bei ihm gesehen habe. Nervös nestelt er an seinem Shirt, nimmt dann meine Hand und führt mich nach draußen. Seine Nervosität schlägt auf mich über und ich blicke ihn abwartend an.

 "Ich darf mich nicht in dich verlieben...", ist alles, was er mühsam hervorbringt. Meine Augen verengen sich.

"Wieso nicht?" Langsam fühle ich mich wirklich verarscht. Spielt er doch nur ein mieses Spiel mit mir?

"Ich bin verheiratet...", kommt es nun kleinlaut über seine Lippen und Mike wagt es nicht, mich anzusehen. PENG! Ich knalle unsanft auf den Boden und fühle mich plötzlich, als hätte mir jemand in den Magen geschlagen. Alles in mir krampft sich zusammen, eine unangenehme Gänsehaut überzieht meinen plötzlich frierenden Körper und ich schlinge unwillkürlich meine Arme um mich selbst. Eine Träne löst sich und rollt gegen meinen Willen über meine linke Wange. Gequält schaut er mich an. "Nein, bitte nicht weinen, alles, aber bitte weine nicht..."

Eine unbeschreibliche Wut überfällt mich und ich gebe ihm eine schallende Ohrfeige. Ich bin ablolut gegen Gewalt, aber meine Hand fliegt fast automatisch in sein Gesicht. Erschreckt halte ich mir die Hand vor den Mund. Doch er sagt nur: "Das habe ich wohl verdient", und reibt sich die brennende Wange. Völlig unerwartet nimmt er erneut meine Hand und geht mir mir ein Stück. 

"Ich bin zwar verheiratet, aber es ist trotzdem nicht so, wie du vielleicht denkst. Ich spiele nicht mit dir. Du hast mich in dem Augenblick fasziniert, in dem ich dich zum ersten Mal im Club gesehen habe."

Ich bin still und lasse ihn einfach reden. Wer weiß, ob wir uns überhaupt noch einmal wiedersehen nach diesem Abend. 

"Ich liebe meine Frau schon sehr lange nicht mehr. Sie hat längst einen Anderen, aber das weiß niemand, nicht mal ihr Bruder." Das verstehe ich jetzt nicht und frage nach, inwieweit das relevant für ihn ist.

"Ihr Bruder ist mein Kumpel, mit dem ich immer in den Club komme", klärt er mich auf und jetzt wird mir einiges klar. Aus den losen Teilen in meinem Kopf wird nun ein vollständiges Puzzle. 

"Jetzt sag nicht, er spielt immer den Aufpasser bezüglich Frauen?" Er schüttelt den Kopf.

"Nein, das nicht direkt, aber er denkt, seine Schwester und ich führen eine gute Ehe. Weil keiner von uns beiden sich traut, ihm die Wahrheit zu sagen", sagt Mike resigniert. 

"Ihm ist natürlich nicht entgangen, dass du mir gefällst. Manches hat er ja auch selbst forciert, wie du ja gemerkt hast", erzählt er weiter und ich lausche gespannt, denn jetzt wird es interessant. 

"Chris ist derjenige, der Spielchen spielt, nicht ich." 

Das ergibt tatsächlich Sinn, denn ich habe all das ja selbst erlebt und durch die Hintergründe nun eine andere Sichtweise auf die Geschehenisse. Dennoch fühle ich mich verraten und verkauft von beiden. Vor allem, weil Mike nicht ehrlich zu mir war. Traurig blickt er mich an und nähert sich mir vorsichtig.

"Ich bin die ganze Zeit vor mir selbst weggelaufen. Und vor diesen intensiven Gefühlen für dich...", flüstert er nah an meinem Ohr. Und wieder werde ich zu Wachs in seiner Nähe. Was soll ich tun? Das Letzte, das ich will, ist mit einem vergebenen Mann zusammen sein. Das geht gegen meine Prinzipien. "Ich werde mit Anne sprechen. Sie liebt einen Anderen und ich...ich..."

Erwartungsvoll und mit rasendem Herzen sehe ich in seine blaue Augen.

"Ich will die Scheidung", sagt er so entschlossen, dass ich ihm glaube. Glauben will. Eine kleine Enttäuschung macht sich trotzdem in mir breit. Für einen kurzen Moment habe ich geglaubt, er würde sagen, dass er mich liebt. In Gedanken lache ich über mich selbst und meine Naivität. 

"Komm, ich will dir etwas zeigen!" ruft er plötzlich enthusiastisch und greift schon wieder nach meiner Hand. "Warte", sage ich atemlos, "ich muss Claudia Bescheid geben, damit sie sich keine Sorgen macht." Er lächelt verständnisvoll und wartet höflich, bis ich meiner Freundin geschrieben habe. Ich bin gerade heilfroh, dass Claudia nette Gesellschaft hat und gehe bereitwillig mit Mike durch einen langen Waldweg. Es dauert nicht lange und wir stehen vor der kleinen Kirmes, die für eine Woche in unserem Stadtteil gastiert. Mein Herz schlägt schneller und der wunderschöne Anblick des beleuchteten Riesenrads verschlägt mir schier den Atem. Bisher habe ich es leider zeitlich nicht geschafft, den kleinen Rummel zu besuchen. Claudia und ich wollten eigentlich morgen herkommen. Aber das können wir ja trotzdem noch machen. Mike holt zwei Chips für das runde Leuchtding, das mich einladend anstrahlt. Wir haben Glück, denn es ist die letzte Runde für den heutigen Abend. Mein Herz hüpft vor Freude, als wir uns eng aneinandergeschmiegt in einer Gondel niederlassen. Als sich das Riesenrad in Bewegung setzt, spüre ich sofort diese positive Aufregung in mir. Aber ich spüre noch etwas: eine langsam aufkeimende Erregung, die mich überkommt wie eine warme Dusche. Ich lege eine Hand auf seinen Oberschenkel neben mir. Er seufzt leise und ich lasse sie sanft über sein Bein wandern, in Richtung Schaft seiner Jeans. Noch niemals habe ich mich so weit vorgewagt bei ihm und hier kann er nicht einfach abhauen. Wir sitzen in einer Gondel in schwindelerregender Höhe und ich kann das für mich nutzen. Aber das wäre gemein, also ziehe ich meine Hand wieder zurück und lehne mich an seine Schulter. Doch nun wagt er einen Vorstoß und legt seine weichen Lippen auf meine. Ein elektrischer Stromstoß durchzuckt mich, jedenfalls fühlt es sich so an. Gierig öffne ich meinen Mund, um seine feuchte Zunge zu empfangen, doch er will erst noch das sanfte Lippenspiel fortführen. Das wundert mich nicht, denn Mike ist kein Draufgänger und nicht von der schnellen Truppe. Aber mir gefällt sein langsames Tempo. Vorsichtig erforscht er erst zärtlich meine warme Mundhöhle, bevor wir uns in einem leidenschaftlichen Kuss verlieren. Mike streichelt meinen Körper und berührt wie zufällig meine gespannte Brust. Und das erregt mich so sehr, dass ich mich beherrschen muss, nicht sofort seinen bestimmt längst harten Schwanz in meine Hand oder gar meinen Mund zu nehmen. So lange, so unglaublich lange musste ich auf diesen Augenblick warten. Ich habe fast nicht mehr daran geglaubt, Mike noch einmal so nah zu sein.

"Ich will mit dir schlafen", kommt es wie von selbst aus meinem Mund. Mit glänzenden Augen und unverkennbar erregt sieht er mich intensiv an. "Ich auch mit dir, aber nicht hier. Lass uns in ein Hotel gehen..."

Lächelnd und voller Vorfreude nicke ich.

"Aber jetzt genießen wir erst mal diesen geilen Höhenflug hier, bevor wir uns dem wirklichen in einem gemütlichen Hotelzimmer hingeben werden."

 

Impressum

Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Cover: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 05.08.2023

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mein Beitrag zum Erotik-Wettbewerb Juli/August 23

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