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Geheimnisse

Der Weg, den ich gerade lang ging, war so gar nicht geschaffen für meine High Heels. Denn leider musste ich meinen geliebten, alten Mustang unten auf dem öffentlichen Parkplatz zurück lassen und den Rest des Weges zu Fuß beschreiten. Es war schon ziemlich dunkel, sehr dunkel, um genau zu sein. Wie in einem düsteren Film ertönte plötzlich aus weiter Ferne das Bellen eines Hundes und bescherte mir eine Gänsehaut. Einen kurzen Moment dachte ich daran, einfach umzudrehen und geschwind zu meinem Mustang zurück zu eilen. Aber das konnte ich nicht tun. Dieses Treffen, oben auf der alten Berghütte, war mir viel zu wichtig. Deshalb trug ich auch diese für den Weg nach oben völlig unpassenden hohen Schuhe. Aber ich wollte nun mal sexy aussehen und da gehörten hohe Absätze einfach dazu. Ich war mittlerweile vierzig Jahre alt, konnte mich aber noch sehen lassen. Der Tanzsport, den man gemeinhin als Zumba bezeichnete und in den 90er Jahren erfunden wurde, hielt mich topfit. Diese Fitnessart kombiniert Aerobic mit lateinamerikanischen Tänzen und macht einfach großen Spaß. Jedenfalls verdankte ich der Stunde Zumba am Tag meine noch recht gute Figur. Nur noch ein paar Meter und ich hatte den rettenden Steinweg, der zur Eingangstür führte, endlich erreicht. Es war ein lauer Spätsommerabend und ich trug nur einen langen, schwarzen Mantel und glänzend rote High Heels. Als ich jedoch den mittelalterlichen, aus verziertem Messing bestehenden, Türknauf betätigte, begann ich unwillkürlich zu frösteln. Meine Hände wurden plötzlich feucht und zittrig. Aufregung machte sich in mir breit. Mir blieb fast das Herz stehen. Ein unglaublich durchdringendes Geräusch begleitete das Öffnen der schweren Holztür und jagte mir einen Schauer über den Rücken. Eine Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper, als ich in das Innere der abgelegenen Berghütte ging. Ein kleines Kaminzimmer mit gedämpftem Licht empfing mich. Zwei Ledersessel mit einem Couchtisch waren in der Mitte platziert.

„Sie sind spät, viel zu spät, um genau zu sein“, stellte eine dunkle, fast düstere Stimme maßregelnd fest. Wurden hier die Rollen vertauscht? Normalerweise sagte ich so etwas ähnliches zu meinen Schülern. Unbekümmert ließ ich mich auf den nächstbesten Sessel nieder und schaute meinem Gastgeber in die Augen.

„So ist das mit uns Frauen. Aber meistens lohnt sich das Warten doch, oder was meinen Sie?“ fragte ich ihn provokant und schlug dabei sehr langsam mein linkes Bein über das rechte. Seine smaragdgrünen Augen wanderten sofort zwischen meine Schenkel, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde.

„In der Regel lassen Frauen mich nicht warten. Zumindest nicht die guten“, stellte er klar. Offensichtlich wollte er spielen. Seine dominante Art gefiel mir. Aber dann sah er mich mit einem abschätzenden Blick an: „Und Ihr spärlich bis lächerlicher Aufzug hat sicherlich nicht viel Zeit in Anspruch genommen.“ Ich ignorierte dies, auch wenn es mir schwer fiel.

„Normalerweise laden mich Männer nicht zu einem solch düsteren Ort ein“, konterte ich, „schauen Sie sich nur meine Schuhe an.“ Ich hielt ihm meinen rechten Fuß entgegen und entblößte dabei meine nackte Scham. Auch diesmal schoss sein Blick sofort dorthin. Doch er blieb standhaft. „Stehen Sie auf!“ forderte er stattdessen und seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Ich kam dem nach und stellte mich direkt vor ihn, um diese smaragdgrünen Augen aus der Nähe betrachten zu können. Sein stechender Blick schien mich zu durchbohren. Langsam wurde ich unruhig. Was wollte er von mir? Worauf wartete er? Plötzlich packte er mich blitzschnell, setzte sich auf den Sessel, auf dem ich gerade noch saß und legte mich übers Knie. Ehe ich mich versah, hatte er meinen Mantel hochgeschoben und mir mit der flachen Hand einen festen Hieb auf meinen nackten Po gegeben. Das Geräusch, das dadurch entstand, erfüllte die gesamte Hütte. Ich wollte gerade protestieren, als ich plötzlich etwas Weiches an meinem Hinterteil spürte. War das eine Feder, mit der er da über meinen Hintern strich? Ich war mit einem Mal völlig durcheinander, nicht zuletzt aufgrund der Erregung, die sich in meinem Körper breit machte. Ein erneuter, noch festerer Hieb auf meine Pobacken unterbrach meine Gedanken. Ein Schmerzschrei entfuhr mir, was mein Peiniger mit einem zufriedenen Lachen quittierte.

Machte der sich etwa lustig über mich? Mit einem Satz befreite ich mich und sprang von seinem Schoß. Breit grinsend schaute er mich an. „Denken Sie nicht, dass Sie das verdient haben?“ Siegessicher grinste ich zurück: „Ich denke, dass ich eine ganze Menge verdient habe. Immerhin leiste ich gute Arbeit.“

Wieder lachte er und entblößte zwei Reihen weißer Zähne, die einen guten Kontrast zu seinem gebräunten Gesicht bildeten.

Warum sah dieser Kerl nur so verdammt gut aus?

„Mir würde da eine Menge einfallen, was Sie verdient hätten, meine Gute. Und über die Früchte Ihrer Arbeit ließe sich durchaus streiten.“ In seinem Blick lag Abschätzung und das vernahm ich auch am Klang seiner Stimme. Der hatte ja Nerven! Wo er mich doch eigens vor zwei Monaten engagiert hatte. 

„Sie sind also mit meiner Arbeit unzufrieden? Ganz im Gegensatz zu Ihrem Sohn, der jede einzelne Stunde mit mir genossen hat.“

Seine grünen Augen blitzten mich zornig an: „Wie kannst du es wagen, du kleine Schlampe...?“

Unbekümmert verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Ich erinnere mich nicht, Ihnen das Du angeboten zu haben. Oder glauben Sie, weil sie mir den Hintern versohlt haben, könnten Sie mich nun duzen?“

Er schoss auf mich zu und packte mich erneut, um mich übers Knie zu legen. Diesmal gab er mir direkt ein paar Hiebe hintereinander auf mein knackiges Hinterteil. Warum ließ ich mir eine derartige Behandlung gefallen? Normalerweise war es umgekehrt und ich sehr dominant in meinem Tun.

„Gefällt dir das, du Luder?“ unterbrach er erneut meine Gedanken.  Verdammt, es gefiel mir tatsächlich und zwar so gut, dass mein Höschen wohl mittlerweile feucht wäre, wenn ich denn eines anhätte. Ich war gleichzeitig erbost und erregt! Was glaubte der Kerl eigentlich? Die Tatsache, dass er der Vater einer meiner Nachhilfeschüler war, gab ihm noch lange nicht das Recht, mich so zu behandeln. Und überhaupt, ich hatte mir unser Treffen irgendwie anders vorgestellt. Zugegeben, mein Aufzug sollte ihn gnädig stimmen und ich wollte ihn verführen. Damit ich ihn im Notfall in der Hand hatte und ihn erpressen konnte. Das war nicht sehr nett, aber ich brauchte einen Plan B.

„Ich überlege ernsthaft, Sie anzuzeigen, Veronika.“

Jetzt blieb mir doch fast das Herz stehen. Konnte der etwa Gedanken lesen? Da habe ich mich ein einziges Mal gehen lassen und dann endete das gleich in einer Katastrophe. Sein Sohn war nicht weniger attraktiv als er selbst. Schon bei unserer ersten gemeinsamen Stunde war ich hin und weg, als Damian ein wenig schüchtern meine heiligen Hallen betreten hatte. In der Beziehung ähnelten sich Vater und Sohn kein Bisschen. Ich musste damals harte Geschütze auffahren, um Damian für ein erotisches Stelldichein zu gewinnen. Aber genau diese Schüchternheit, gepaart mit seiner Attraktivität, machte mich vom ersten Augenblick an scharf. Nie zuvor hatte ich so auf einen Schüler reagiert. Nie zuvor hatte ich diese Grenze überschritten. Und nie zuvor hatte ich solch ein merkwürdiges Treffen wie dieses hier. Leider musste ich zugeben, dass mich dieser Grobian in der Hand hatte. Denn wider meiner Prinzipien hatte ich eine Affäre mit seinem Sohn. Keine Ahnung, was mich da geritten hatte. Mein Verstand setzte quasi ab dem Zeitpunkt aus, ab dem Damian mein kleines Appartement betreten hatte. Sein Duft hüllte mein Zuhause komplett ein und seine ebenso grünen Augen wie die seines Vaters sahen mich schüchtern, aber neugierig an. Es war sofort um mich geschehen, obwohl er mit seinen zarten siebzehn Jahren mein Sohn hätte sein können. Aber zum Glück war er das ja nicht und wir konnten uns ganz unseren erotischen Gefühlen hingeben. Zu meinem Leidwesen entwickelte er aber bald tiefere Gefühle für mich und wollte immer mehr Zeit mit mir verbringen. Ich jedoch wollte eine rein sexuelle Beziehung mit ihm und er litt daraufhin unter Liebeskummer. Auf diese Weise erfuhr auch Damians Vater von uns, was mich in diese missliche Lage brachte, in der ich nun steckte. Robert war aus allen Wolken gefallen, als er hörte, dass sein Sohn Liebeskummer wegen einer 23 Jahre älteren Frau hatte. Er rief mich sofort an und beschimpfte mich aufs Übelste. Ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen und bestellte mich für den heutigen Abend in diese Hütte. Daher auch mein gewagter Aufzug, denn ich wusste: Männer können besser gucken als denken. Leider schien diese Begegnung irgendwie aus dem Ruder zu laufen. Bisher hatte ich nur mit Damians Vater telefoniert und war deshalb von Roberts Attraktivität überrascht worden. Warum sah er denn nur so verdammt heiß aus?

„Sie werden diese unsägliche Beziehung zu meinem Sohn unverzüglich beenden, Veronika!“ forderte er und unterbrach damit meine abstrusen Gedankengänge. Wenn das mal so einfach wäre, wie der werte Herr sich das vorstellte. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn provokant an.

„Und Sie meinen, das würde etwas ändern? Denken Sie wirklich, Damian kann seine Gefühle für mich einfach ausknipsen?“ Ich lachte bitter. „Dann sind Sie ein Träumer!“

Robert sagte nichts und kam stattdessen gefährlich nahe an mich heran. In seinen Augen lag ein Ausdruck, den ich noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Sein herber Duft kroch in meine Nase und drohte, mir die Sinne zu vernebeln. Was hatte dieser Kerl denn nur an sich, das mich derart um den Verstand brachte? Seine vollen Lippen waren jetzt so nah an meinem Mund, dass ich seinen Atem spürte. Wollte er mich etwa küssen? Hilfe! In was für einen Schlamassel hatte ich mich da gebracht?

Plötzlich wollte ich nur noch weg. Weg aus dieser stickigen Hütte! Weg von diesem halbseidenen Typen! Ich machte einen Schritt rückwärts und wollte an Robert vorbei zur rettenden Tür. Doch er griff meine Handgelenke, drückte meine Arme nach oben und mich gegen die Wand. Jetzt lag in seinen Augen pure Gier. Er wollte mich! Ich konnte es an seinem glasigen Blick erkennen. Grob und doch leidenschaftlich drückte er seine Lippen auf meine. Sein durchtrainierter Körper presste sich gegen mich und ich spürte seine Erregung mehr als deutlich. Was sollte ich jetzt machen? Mich ihm voll und ganz hingeben? Flüchten? Nein! Ich wollte ihn! Und ich wollte ihn auch irgendwie nicht! Ehe ich mich versah, fand ich mich in seinen starken Armen wieder und knutschte, als wäre dies mein letzter Kuss auf Erden. Kein Blatt passte mehr zwischen uns, so sehr pressten wir unsere heißen Körper aneinander. Seine Hände waren überall auf meiner Haut und ich konnte kaum mehr erwarten, mit ihm zu schlafen. 

Ich weiß nicht, wie oft wir uns geliebt haben. Aber wir verbrachten diese nicht enden wollende Nacht miteinander ohne eine Sekunde Schlaf. Erst im Morgengrauen verließen wir die Hütte und gingen gemeinsam den Weg runter zum Parkplatz, wo jeder in sein Auto stieg und nach Hause fuhr. 

Ich habe Robert und Damian niemals wieder gesehen. Aber ich werde diese Nacht und beide Männer wohl niemals vergessen.

 

ENDE

 

 

Impressum

Texte: Alle Rechte am Text bei der Autorin
Cover: google.de
Tag der Veröffentlichung: 06.09.2021

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mein Beitrag zum Erotikwettbewerb September 2021

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