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Geheimnis eines Sommers

„Hat dich jemand gesehen?“ flüsterte er zärtlich und nahm mich gierig in seine Arme. Voller Leidenschaft drückte er mich an sich. Ich konnte sein Herz spüren, es schlug ganz aufgeregt.

„Wo denkst du hin? Ich bin doch nicht so blöd und lasse mich erwischen, wenn ich mich in dein Zimmer schleiche“, antwortete ich erregt. Seine Hände waren längst dabei, meinen Körper zu streicheln. Mein spärlicher Aufzug in Form eines sexy, kurzen Pyjamas aus angenehmen Satin machte ihm das leicht. Definitiv brachte ihn diese Sünde in Schwarz um den Verstand. Seine Lippen küssten meinen Hals entlang nach oben um zum begehrten Ziel zu gelangen. Meinem Mund. Er küsste einfach wunderbar und ich erschauerte jedes mal aufs Neue, wenn seine Zunge in meine Mundhöhle eindrang und dort mit meiner spielte. Binnen Sekunden reagierten auch meine anderen Lippen auf sein Zungenspiel, seine Nähe, seinen einzigartig männlichen Geruch, den er verströmte und öffneten ihre Pforten fast automatisch für ihn. Meine kleinen, festen Brüste waren wie geschaffen für ihn, denn sie passten genau in seine starken Hände. Niemand kannte ihn so wie ich und niemand ahnte von uns. Das machte es nur noch aufregender für mich. Dass er diese Exkursion nach Griechenland beim Lehrkörper durchboxen würde, hätte ich niemals gedacht. Aber er wollte uns Abitur-Enten, wie ich uns immer liebevoll nannte, die Antike nicht nur in Worten näherbringen, sondern uns hautnah erleben lassen. Davon waren nicht alle begeistert, aber das war mir ziemlich egal, denn ich hatte nur eines im Sinn: Ihm endlich näherkommen. Sommer, Sonne, Griechenland und Rafael. Was wollte man mehr? Bereits im Unterricht bekam ich stets mehr Aufmerksamkeit als meine Mitschüler. Den anderen war das nicht wirklich aufgefallen und das war auch gut so. Rafael war es immer wichtig, dass niemand etwas mitbekam von uns. Nicht mal ansatzweise ahnen sollte es jemand. Ohnehin wäre wohl niemand überhaupt auf die Idee gekommen, da mich die meisten auf unserem Gymnasium für unscheinbar hielten. Ganz im Gegenteil zu Rafael, der offenbar mehr in mir sah als meine männlichen Mitschüler. 

„Du bist so sexy...du machst mich ganz verrückt...“ flüsterte er, während er mir das samtschwarze Oberteil meines Pyjamas über den Kopf zog. Seine dunklen Augen musterten lüstern meine Brüste und allein dieser Blick ließ meine Knospen hart werden. Den ganzen Tag mussten wir uns beherrschen. Wir waren auf einer langen Wanderung gewesen und Rafael hatte uns wahnsinnig viel gezeigt und erzählt. Auch von der Sage, wie Europa zu seinem Namen gekommen war, berichtete er. Hintergrund war eine Liebesgeschichte. Angeblich verwandelte sich der Gott Zeus in einen Stier, um die Königstochter Europa, in der ich sich verliebt hatte, zu entführen. Tatsächlich aber legte die Zeit der griechischen Antike viele Grundsteine unserer heutigen europäischen Kultur. Das war wirklich sehr spannend und überhaupt nicht langweilig. Aber auch eine ausgiebige Pause am Meer mit leckerem Eis war uns Abi-Enten gegönnt. Unser Lehrer hatte sich in eine kleine, versteckte Bucht zurückgezogen, um ein wenig Ruhe zu tanken. Doch ich war ihm frecherweise gefolgt, ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen. 

„Bist du verrückt? Wenn uns jemand sieht, sind wir beide geliefert!“ raunte er mich barsch an, als er mich entdeckte hatte. Doch mein trauriger Blick stimmte ihn sofort gnädig und er zog mich in seine starken Arme. Lächelnd hatte ich mich an seine Schulter gelehnt. Meine Finger strichen zärtlich über seine muskulöse, beharrte Brust. Augenblicklich war es in meinem Bikinihöschen feucht geworden und auch Rafaels gutes Stück drückte begehrlich gegen seine Badeshorts. An diesem wunderbar warmen Sonnentag wurden Rafael und ich fast erwischt von einer Mitschülerin. Glücklicherweise konnte ich mich schnell genug verstecken und Rafael sich ein Handtuch um die Hüften schwingen und somit seine verräterische Beule verbergen. Miriam hatte sich den Fuß verletzt und lautstark nach unserem Geschichtslehrer gerufen, was uns ein wenig Zeit verschafft hatte. Mein Herz hatte wie ein Presslufthammer gewummert. Einerseits aus Angst und andererseits vor Aufregung. Diese Griechenlandfahrt war wie ein nicht enden wollendes Abenteuer für mich. Und nun war ich endlich mit ihm allein in seinem Zimmer und stand mit einem schwarzen Nichts vor ihm. Und ich wusste, an diesem Abend würde ich zum ersten Mal mit ihm schlafen. Das hatten wir beide so sehr herbeigesehnt. Und genau so kam es: Wir verbrachten eine unbeschreiblich schöne Nacht miteinander, die ich nie vergessen werde. Am liebsten wäre ich mit Rafael für immer in Griechenland geblieben. Doch dass dies nicht möglich war, wurde mir nur wenige Wochen später schmerzlich vor Augen geführt. Ich war noch so jung und glaubte, dass die Geschichte mit Rafael ewig halten würde. Wie naiv von mir, war er doch in einem völlig anderen Lebensabschnitt als ich. Er wollte eine Familie gründen und ein Haus bauen, eben eine Familie gründen. Davon war ich damals noch meilenweit entfernt. Aber mein Geschichtslehrer hatte eine Frau kennengelernt, die nicht wesentlich jünger war als er und sich Hals über Kopf in sie verliebt. Doch er war zumindest fair und brachte mir mit liebevollen Worten bei, dass wir beide uns nicht mehr treffen können. Es tat weh, ja, es zerriss mir sogar fast das Herz, aber ich beschloss, fair zu bleiben. Er war schließlich auch ehrlich zu mir gewesen und ich glaubte ihm, dass er mich nicht vorsätzlich hatte verletzen wollen. Nicht nur deshalb habe ich unser erotisches Geheimnis bis heute in meinem Tagebuch und auch in meinem Herzen bewahrt. Mit dem Erwerb meines Abiturs endete nicht nur die Schule für mich, sondern auch die Ära Rafael Rautenberg. 

 

***

 

Ich klappte mein Tagebuch zu und schaute gespannt in die Runde. Mit weit aufgerissenen Augen und Mündern vor Erstaunen blickten meine Freundinnen mich an.

„Du und der Rautenberg?“ fragte Ruth ungläubig.

„Ich kann es nicht fassen, dass du uns deine Liaison mit unserem damaligen Geschichtslehrer all die Jahre verheimlicht hast!“ rief Anne aufgebracht.

„Du hast den berüchtigten RR geknackt?“ Auch meine beste Freundin Sabine schaute mich fassungslos an. „Unseren leisen, zwar gutaussehenden, aber stets in sich gekehrten Geschichtslehrer mit der Affinität zur Antike? Ich glaube es einfach nicht!“

So hatte ich mir das vorgestellt. Genau so! Drei Augenpaare, die mich fassungslos und ungläubig anstarrten und ich genoss das so sehr. War ich doch zu unserer Schulzeit eher eine unauffällige, ja fast graue Maus, die bei den Jungs nicht so beliebt war wie Sabine und Anne. Dafür war ich klug und ein Ass in Deutsch und Geschichte. Letzteres mehr, um Rafael Rautenberg imponieren zu können. Aber davon hatten meine drei Schulfreundinnen früher ganz gern hin und wieder profitiert.

„Ist das denn auch wirklich wahr?“ vernahm ich endlich die erste skeptische Stimme. Auch darauf hatte ich mich vorbereitet, weil mir schon lange vor diesem Treffen klar war, dass Ruth oder Anne Zweifel hegen würden. Sabine als meine beste Freundin glaubte mir.

„Das ist ja der Hammer, Sonja! Ich werde dir allerdings niemals verzeihen, dass du diese pikante Story fast dreißig Jahre unter Verschluss gehalten hast. Insbesondere mir gegenüber als deiner besten Freundin.“ Sie schien tatsächlich ein wenig verletzt zu sein.

Ich seufzte tief. „Er hat mir das Versprechen abgenommen, niemals und unter keinen Umständen mit irgendjemandem darüber zu reden.“

„Und warum ausgerechnet jetzt?“ fragte Ruth. Die Enttäuschung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Oder war es Empörung? Das war aber letztendlich auch egal. 

„Leider musste ich erfahren, dass Rafael vor einigen Monaten verstorben ist nach langer Krankheit.“

„Scheisse!“ entfuhr es Anne unwillkürlich.

„Das...das...tut mir so leid“, stammelte Sabine und kam auf mich zu um mich in die Arme zu nehmen.

„Ist schon okay, ihr seid wirklich lieb. Ich danke euch für euer Mitgefühl. Es geht mir gut und ich bin ja glücklich mit Rainer“, sagte ich zärtlich, denn meine Gedanken schweiften sofort zu meinem Mann, mit dem ich seit knapp zwanzig Jahren mehr als glücklich verheiratet war. Meine Freundinnen entspannten sich merklich und wir stießen mit unserem leichten Rotwein an, den wir immer an unserem Mädelsabend tranken. Einmal im Monat an einem Freitagabend trafen wir vier uns. Und zwar jedes mal im Wechsel zuhause bei der jeweiligen Freundin. Heute waren wir im Haus von Sabine, die vor zehn Jahren ihren Traummann getroffen und der sie vom Fleck weg geheiratet hatte. Danach waren sie in dieses große, umwerfende Anwesen gezogen, in dem wir gerade schon etwas vom Wein beschwipst zusammen saßen. Mich stimmte es immer wieder fröhlich, dass wir alle glücklich geworden sind. Jede auf ihre Art. Ruth hatte eine Frau geheiratet und zusammen mit ihr ein Kind adoptiert. Sie und Rabea hatten sich gegen Ruths streng katholische Familie durchgesetzt und lebten ihren Familientraum. Und auch Anne hatte vor einigen Jahren, lange nach einer bitteren Scheidung, einen guten Mann gefunden. Was Sabine, Ruth und mich sehr freute nach der schwierigen Zeit, die unsere Freundin meistern musste. Alles in Allem hatten wir vier ein gutes Leben. Nach meiner kleinen Liebschaft mit Rafael fing ich mit dem Schreiben an und machte dann später mein Hobby zum Beruf. Heute bin ich eine nicht unbekannte Autorin. An diesem Abend aber habe ich meinen Freundinnen zum ersten Mal eine autobiografische Geschichte vorgetragen.

Und auch zum letzten Mal.

Aber es fühlt sich herrlich befreiend an, dass das Geheimnis meines Sommers 1991 nun keines mehr ist.

 

ENDE

Impressum

Texte: Alle Rechte bei der Autorin, also mir ;-)
Cover: Freundliche Überlassung meines Sohnes Marcel W.
Tag der Veröffentlichung: 05.07.2021

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Beitrag zum Erotikwettbewerb Juni/Juli 2021

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