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Heißkalte Versprechen

„Ach komm schon, nur eine Tasse Kaffee.“

Mit seinen frechen, grasgrünen Augen strahlt er mich an.

Dennoch höre ich mich: „Nein, das geht mir a bisserl zu schnell“, sagen.

Nun verzieht er seine Mundwinkel und macht eine traurige Schnute.

Und schaut dabei so eindringlich, dass ich lachen muss. Doch ich schüttele meinen Kopf.

„So verlockend es auch sein mag, dich noch auf einen Kaffee mit nach oben zu nehmen...“

Jetzt strahlen seine geilen, grünen Augen wieder. Und es fällt mir zunehmend schwerer, mich gegen seine Anziehungskraft zu wehren, die er zweifellos auf mich ausübt.

„...so muss ich dennoch ablehnen. Das geht mir definitiv zu flott mit uns. Wir haben uns doch gerade erst kennen gelernt!“

„Noch nie etwas von 'Liebe auf den ersten Blick' gehört?“ greift mein Gegenüber nun in die Vollen.

Jetzt lache ich doch lauthals. Aber als seine Augen sich zu Schlitzen verengen, halte ich inne.

Das letzte, das ich will, ist ihn verletzen. Denn er gefällt mir schon wahnsinnig gut. Diese fast schwarzen Haare, die ihm wild vom Kopf abstehen und dazu diese geilgrünen Augen sind einfach der Hammer. Auch sein Body ist nicht zu verachten. Beim Tanzen vorhin im Club bekam ich schon mal einen Vorgeschmack davon, was sich unter dem Shirt und der Jeans verbirgt. Da das Motto für dieses Wochenende „Gewagtes Outfit“ lautet, bin ich ihm wohl unter anderem genau wegen meines Aufzugs aufgefallen. Denn das ist mehr als nur gewagt. Meine spärliche Kleidung ist nämlich nur aufgemalt. Und zwar von einem echt guten Bodypainter. Dass ich eigentlich nackt bin, hat ihm eventuell signalisiert, dass ich leicht zu haben sei. Wie einfach Menschen doch in die Irre zu führen sind. Nicht jeder leicht bekleidete Mensch steht automatisch jederzeit für Sex zur Verfügung. Schon gar nicht, wenn es um eine Mottoparty geht. Da wollen die meisten auffallen, herausstechen. Die Blicke auf sich ziehen und sich auch irgendwie ausleben. Da geht es vordergründig darum, mal eine sonst versteckte Seite von sich auszuleben. An meinem Gegenüber scheint das Motto aber total vorbei gegangen zu sein. Denn mit Jeans und Shirt wird er wohl auch im Alltag herumlaufen. Als könne er meine Gedanken lesen, sagt er plötzlich:

„Ich muss beruflich ständig im Seidenanzug durch die Welt latschen, also stellt mein heutiges Outfit schon eine gewagte Variante dar.“

„Wieso das?“ frage ich verwundert.

„Weil mein Chef mir wohl die Visage polieren würde, wenn er mich in diesem Aufzug sehen würde.“

 

Mit großen Augen schaue ich ihn an. „Was hast du denn für einen Chef? Scheint ein echtes Arschloch zu sein.“

Er kommt wieder näher. „Egal, ich will nicht über die Arbeit reden“, haucht er in mein Ohr.

Eine Gänsehaut berieselt mich und ich laufe Gefahr, einzuknicken und ihn doch auf einen kleinen Schwarzen mit zu mir zu nehmen.

„Gib dir einen Ruck und schenke mir noch ein wenig deiner Zeit und deines Kaffee's...“ säuselt er viel versprechend.

Ich bin unschlüssig und das spürt er natürlich sofort. Er setzt einen treuen Hundeblick auf.

„Du wirst es bestimmt nicht bereuen und ich weiß, dass du es auch willst“, schiebt er noch nach. Da hat er allerdings recht. Ich will ihn. Nur nicht unbedingt hier und jetzt. Das geht mir zu schnell.

„Wovor hast du Angst?“ fragt er nun, kommt viel zu nah, drückt mich unwillkürlich gegen die Hauswand und lässt einfach frech seine Lippen über meinen Hals fliegen. Was hat er vor? Ich schiebe ihn etwas von mir weg und ziehe den Kopf ein. Er lässt einen Seufzer verlauten.

„Du bist der absolute Hammer, wir haben uns auf Anhieb verstanden und ganz ordentlich geknutscht im Club. Was ist daran falsch, jetzt noch ein wenig Leidenschaft in deinem Bett zu teilen?“

Ja, was ist daran eigentlich falsch, außer dass es mir zu schnell geht?

Was gibt es märchenhafteres als mit so einem heißen, supersexy Kerl die schönste Nebensache der Welt zu praktizieren und morgens neben ihm aufzuwachen?

 

„Ich will dich aber auch näher kennen lernen, du hast Persönlichkeit. Nicht nur dein Hammerbody oder deine heißen Küsse sprechen mich an. DU bist es wert!“

Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet und erröte sogar etwas. Verlegen schaue ich zu Boden, doch er hebt zärtlich mein Kinn an und schaut mir tief in die Augen. Noch bin ich standhaft, denn wer sagt mir, dass das alles nicht nur falsche Versprechen sind, die mich willig machen sollen?

Schöne Worte haben eine enorme Macht.

Sie sind im Stande, unser Hirn völlig lahm zu legen. Und wenn uns der Mensch gefällt, wie mir dieser Typ, dann ist es noch einfacher, uns zu überlisten. Da regieren dann einzig und allein unsere Sinne. Die Augen verschlingen, die Nase saugt den Duft der Verführung ganz tief ein, der Mund trocknet aus vor Aufregung, im Gegensatz zum Lustzentrum, das aktiviert und somit feucht wird. Unser Körper kann ganz schön gemein sein, wenn er sich über unser Hirn hinweg setzt.

Aber wir machen es ihm auch nur zu gerne leicht. Und lassen uns manchmal Gott sei Dank von ihm überlisten. Ansonsten würden uns viele schöne Momente entgehen, denn nur mit dem Verstand lebt es sich meist einsam.

„Woran denkst du gerade?“ fragt mein Gegenüber und holt mich zurück in den Augenblick. Der Zeigefinger seiner linken Hand berührt die kleine Kuhle unter meinem Kehlkopf und das macht mich ganz verrückt. Woher weiß er, dass ich das so sehr mag? Zudem ist er Linkshänder, ich mag Linkshänder. Dann fährt sein Finger mittig weiter nach unten über meine Brust bis zum Bauchnabel. Ich erschaudere unwillkürlich und er grinst zufrieden.

„Ich habe doch gesagt, dass du es auch willst. Hör auf, dich künstlich dagegen aufzulehnen...“ flüstert er mir ins Ohr. Sein heißer Atem, der mich dabei streift, elektrisiert mich. Gegen meinen Willen schleicht sich ein leises Stöhnen durch meine staubtrockene Kehle in die Nacht. Erschreckt zucke ich zusammen.

„Hey, alles gut, das muss dir doch nicht peinlich sein. Lass es ruhig raus...“ fordert er mich auf.

Noch bin ich verhalten, aber als sein Finger in das Innere meines Nabels taucht, schießt mir unwillkürlich ein erotischer Gedanke in den Kopf: Seine Zunge schlürft prickelnden Champagner aus dem Loch meiner Körpermitte. Eine herrliche Vorstellung. So verlockend, dass ich nun doch laut aufstöhne. Das stachelt ihn natürlich an, genau dort weiter zu machen. Er geht in die Knie und - als könne er schon wieder meine Gedanken lesen - lässt seine Zunge tief in meinem Nabel verschwinden. Ich bin froh, dass der Bodypainter eine besondere Lebensmittelfarbe benutzt hat, die ungefähr 8 Stunden hält und nicht gesundheitsgefährdend ist. Diese Zeit ist fast abgelaufen und wenn wir uns jetzt vereinen würden, dann sähe mein Körper danach wohl aus wie ein verunglücktes Graffiti.

Der Gedanke wiederum lässt mich schmunzeln und in die Wirklichkeit zurück kehren. Und da taucht es wieder auf: Das Stoppschild in meinem Hirn. Und das große 'NEIN', das mittlerweile zu einem klitzekleinen 'nein' geschrumpft ist. Dennoch:

Dieser Moment hat schon etwas märchenhaftes und wird wohl ewig in meiner Erinnerung bleiben.

 

Meine Vagina scheint aber einen starken Willen zu haben. Sie pulsiert so mächtig, dass sie mit ihrem Strom alle anderen Körperteile durchfließt und auch mein Hirn lahm legt.

Ich bin noch immer nicht sicher, ob es richtig ist, seinen Versprechen zu glauben.

 

 Trotzdem greife ich nach seiner Hand und mit der anderen nach meinem Haustürschlüssel.

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Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Cover: google
Tag der Veröffentlichung: 05.04.2020

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