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Stille Wasser

 Erwin L., ein etwas verbitterter, wunderlicher und alter, aber noch rüstiger Rentner stand vor einem renommierten Reisebüro. Direkter gesagt, dem besten der ganzen Stadt. Hierher kamen nur die Reichen und Prominenten, um ihre Luxusurlaube zu buchen. Erwin bekam eine lächerlich geringe Rente, von der er sich einen Urlaub nicht leisten konnte, geschweige denn einen teuren. Nicht mal ein verlängertes Wochenende war davon drin, außer in seiner Lieblingskneipe, die nur einen Häuserblock von seiner kleinen Dachwohnung entfernt war. Die Wirtschaft, in der sich so manch lüsterne und abtrünnige Rentner trafen, war zu Erwins Lebensmittelpunkt geworden. Hier trank er zusammen mit anderen Herren seines Alters Bier und lechzte mit ihnen um die Wette nach dem üppigen Dekolletee der reifen, aber dennoch schönen Kellnerin. Maria war ebenfalls schon in die Jahre gekommen, hatte aber immer noch einen Heidenspaß daran, die Männer mit ihrem sehr großen Vorbau verrückt zu machen. Wenn sie das Bier servierte, beugte sie sich extra weit über den Tisch, um den Herren der Schöpfung etwas fürs Auge und die Fantasie zu bieten. Jedoch wollte sie nur spielen, noch nie hatte sie einen Kerl mit zu sich nach oben genommen in den letzten fünf Jahren, in denen sie hier bereits als Kellnerin angestellt war. Ihr Arbeitsweg betrug exakt 25 Stufen. Sie wohnte direkt über dem 'Bierkrug' und das hatte für sie nur Vorteile. Von ihrem Verdienst und dem ordentlich fließenden Trinkgeld konnte sie gut bis sehr gut leben. Die vorwiegend männlichen Gäste steckten ihr gern hier und da mal ein Scheinchen in ihr offenherziges Dekolletee. Dieses Zubrot wiederum steckte Maria brav in ihr großes, rosa Sparschwein, das in ihrer Vitrine im Wohnzimmer stand. Dass die Herren der Schöpfung besser schauen als denken und vor allem viel trinken konnten, hatte sie bisher gut leben lassen. Natürlich taten ihr dann und wann abends die Beine und Füße weh, aber sie hatte einen guten Chef, der ihr vernünftige Pausen und auch freie Tage gönnte. Alles in allem war sie zufrieden. Manchmal sehnte sie sich nach einem Partner, an den sie sich anlehnen oder gute Gespräche bei einem schönen Essen führen könnte. Mit dem sie die Welt bereisen und Tisch und Bett teilen könnte.

Marias 60. Geburtstag stand bevor und diesen wollte sie ganz groß im Bierkrug feiern und die Fetzen fliegen lassen. Mit allem Drum und Dran. Sie hatte sogar einen Aushang in und außen an der Wirtschaft gemacht. Denn sie wollte auf keinen Fall, dass der stille Erwin ihren Geburtstag vergessen oder übersehen könnte. Sie mochte ihn und seine schüchterne Art. Er war nicht wie die anderen Rentner, die sich fast täglich im Bierkrug einfanden. Erwin war ein stattlicher Mann mit Manieren und das gefiel Maria vom ersten Augenblick an. Sie mochte lieber die zurückhaltenden Herren. Das Geschäft und die erotische Spielerei war das eine, ihr Privatleben das andere. 

Seit dem Tod ihres Mannes vor rund zehn Jahren, hatte es kein Mann mehr näher an Maria geschafft, als bis zum Tisch eines Restaurants. Und obwohl sie sich danach sehnte, brachte sie es nicht übers Herz, Erwin anzusprechen. Eine Kontaktanzeige, die ihre beste Freundin Rita eingefädelt hatte, brachte auch keinen nennenswerten Erfolg. Entweder wollten die Interessenten nur das Eine, waren viel zu jung oder gar verheiratet. Davon hatte Maria ziemlich schnell die Nase voll und auch im Internet war sie nicht fündig geworden. Also ließ sie es irgendwann einfach sein und arrangierte sich mit ihrem Singledasein.

 Erwin, der ebenfalls seit einigen Jahren verwitwet war, seufzte tief und löste sich vom Anblick der Reiseplakate. Mit hängenden Schultern machte er sich auf den Weg in seine kleine Kneipe. Auch er hätte nichts gegen eine Partnerin einzuwenden, aber seine Ansprüche waren hoch. Sie durfte nicht älter als vierzig sein, von der Statur her eher schlank und ihr Haar müsste so lang sein, dass es im Winde wehen konnte. Er wollte sie einfach gerne anschauen können, wie diese Damen auf den DVD's, die sich in seinem Schrank stapelten. Sein Liebling war eindeutig die rassige Devota:

Lässig und leichtfüßig schlenderte sie am Strand entlang und trug dabei nur ein weißes Nichts, das mehr sehen als erahnen ließ. Er liebte ihren Anblick und wie sie mit ihren Zuschauern spielte. Wenn sie ihre Brüste streichelte und ihr erregtes Stöhnen aus seinen Lautsprechern kroch, wurde sein Ständer zwar nicht mehr so gewaltig wie noch vor ein paar Jahren, aber da war durchaus noch Leben in seiner Hose. Und so träumte er seit einiger Zeit von solch einer Schönheit an seiner Seite und blendete dabei völlig sein eigenes Alter und seine licht und grau gewordene Haarpracht aus. Insgeheim belächelte er sogar seine Rentnerkollegen aus der Kneipe, er selbst wäre nie auf die Idee gekommen, mit Maria zu flirten. Ohnehin war sie doch viel zu alt für ihn. Immerhin verirrten sich ab und zu einmal junge Menschen, darunter auch hübsche Frauen, in den Bierkrug und Erwin hatte wenigstens mal etwas Leckeres fürs Auge.

Auf den kommenden Freitagabend freute sich Maria besonders, denn heute würde ihre beste Freundin Rita, die zugleich auch die Patentante ihrer einzigen Tochter Melanie war, mit ihr zusammen in ihren Sechzigsten reinfeiern. Zwar hatte sie erst an ihrem eigentlichen Geburtstag frei, aber sie würde dennoch ein wenig feiern können, denn ihr Chef half beim Bedienen stets ordentlich mit. Sie hatte Rita schon viel zu lange nicht gesehen und wollte mit ihr ein paar Prosecco trinken und über die Männerwelt lästern. Wie es sich gehörte unter besten Freundinnen.

 Die Tage vergingen zügig und es war besagter Freitag. Maria war schon seit einigen Stunden bei ihrer Arbeit und schäkerte mit den Herren, als Erwin endlich den Laden betrat. Sofort hellte sich ihr Gesicht auf und ihre roten Wangen glühten noch mehr als ohnehin schon, obwohl es nicht so aussah, als hätte er ein Geburtstagsgeschenk für sie dabei. 'Vielleicht bekomme ich ja einen Kuss von ihm um Mitternacht' frohlockte sie innerlich. Herzlich lächelte sie den alten Rentner an, aber er nickte nur zurückhaltend. 

„Süß“, schoss es ihr schmunzelnd durch den Kopf. Er bekam davon nichts mit, denn er hatte sich bereits an einen kleinen Ecktisch gesetzt und seine Nase tief in die Speisekarte gesteckt. Er hatte ständig Hunger und war immer so mit sich selbst beschäftigt, dass er nicht mal gelesen hatte, dass Marias Geburtstag bevorstand.

Doch als kurz später die Tür langsam aufging, schaute er doch neugierig hoch. Ihm entglitten die Gesichtszüge, seine Augen wuchsen zu Golfbällen und er dachte, er wäre in einem Film. Eine absolute Schönheit war gerade im Begriff, die Türschwelle zu übertreten und er durfte dieser Premiere live beiwohnen. Jung, schlank und dunkelhaarig, genau wie er es mochte. Ein Windzug ging durch die Kneipe und ließ ihr weißes Sommerkleid und ihr schokoladenbraunes Haar wehen. Erwin dachte, er würde träumen.

Solch eine atemberaubende Schönheit hatte er im Bierkrug noch niemals gesehen. Für einen Moment setzte sein Atem aus und er starrte die junge Frau einfach nur an.

 In der nächsten Sekunde klirrte es laut und Erwin schaute verärgert zu Maria hinüber, der das Tablett aus den Händen geglitten war. Die Kellnerin hielt sich fassungslos eine Hand vor den Mund, doch ihre blauen Augen strahlten. Dann öffnete sie weit ihre Arme:

„Melli! Mel!“ rief sie und ihre Stimme klang ungewohnt hell. Die junge Frau rannte auf Maria zu, fiel ihr um den Hals und schluchzte voller Gefühl: „Mama! Liebe, liebe Mama!“

Jetzt kam auch Rita dazu und umarmte die beiden. „Da ist meine Überraschung ja mehr als gelungen“, flüsterte sie. Plötzlich war es ganz still um die drei, man hörte nur noch die Herzen von Mutter und Tochter voller Freude hüpfen. Marias Tochter lebte und studierte im Ausland und das bedeutete, dass die beiden sich nur ganz selten sahen. Das letzte Begegnung lag schon fast zwei Jahre zurück. Sie telefonierten zwar regelmäßig und sahen sich via Computer, aber ein reales Treffen war jedesmal ein absolutes Highlight.

Erwin dagegen befand sich noch immer in einer Art Schockstarre. 'Maria hat eine solch wunderschöne Tochter? Da muss sie aber sehr spät noch mal Mutter geworden sein.', dachte sich der rüstige Rentner.

Er konnte seine Augen einfach nicht von Melanie lassen, die noch immer in den Armen ihrer Mutter lag. Marias Chef indes bestellte einen Ersatz für seine Kellnerin und gab ihr für den Rest des Abends frei. Er kannte die Geschichte der beiden und wusste, dass Mutter und Tochter sich nur selten sahen.

Für Maria konnte es kein schöneres Geburtstagsgeschenk geben, als ihre Tochter wiederzusehen und gemeinsam mit ihr und ihrer besten Freundin reinzufeiern.

Dankbar küsste Maria Harry auf die Wange. Amüsiert stellte sie fest, dass ihr Chef leicht errötete. Auch Melanie schickte dem Herrn des Hauses einen Luftkuss hinter die Theke, um ihre Dankbarkeit auszudrücken. Nicht ohne Neid verfolgte Erwin die vertraute Szene, er hätte auch gern mal wieder einen Kuss bekommen. Nicht von Maria, aber auf Melanies Lippen hatte er schon große Lust.

Voll, weich, feucht und rot wie saftige Kirschen.

Nachdem Elvira, Marias Ersatz, eingetroffen war, machte es sich das weibliche Dreiergespann derweil an einem Tisch in Erwins Nähe gemütlich und bestellte direkt mehrere Flaschen Prosecco.

Der goldene Saft sprudelte nur so durch ihre Kehlen. Melanie blieben Erwins Blicke natürlich nicht verborgen und so amüsierte sie sich köstlich über den alten Mann. Wie auch ihre Mutter, spielte sie gern mit den Männern, aber im Gegensatz zur taffen Kellnerin war ihr das Alter der Herren dabei völlig egal. Sie schob ihr kurzes Sommerkleid noch etwas höher und schlug lasziv ihre gebräunten Beine übereinander. Sofort schoss Erwins Blick zwischen ihre straffen Schenkel. Amüsiert nahm Melanie die kleinen Schweißperlen auf seiner Stirn zur Kenntnis. Erwin hingegen bedeckte verwirrt mit der Speisekarte seinen Schoß, denn in seiner Hose hatte sich etwas geregt. Das Mädel war aber wirklich ein Leckerbissen für die Augen. Und das nicht nur für seine, fast alle der anwesenden Männer gierten nach ihr. Da konnte Maria einpacken. Obwohl sie mit den blonden Locken und den tiefblauen Augen tatsächlich ein bisschen aussah wie Marylin Monroe, stellte der Rentner fest und schloss sich somit der Aussage des Wirtes an. Auch die weiblichen Rundungen passten dazu.

Maria wusste, dass sie hier und da ein paar Pfund zu viel hatte, dennoch fühlte sie sich wohl, so wie sie war. Alles an ihr war echt, bis auf die Haarfarbe, da musste sie nachhelfen. Ansonsten wäre sie nicht mehr so dunkelhaarig wie ihre Tochter, sondern würde auf dem Kopf aussehen wie eine graue Maus. Und das wollte sie nicht, also ließ sie sich von Rita regelmäßig die Haare blond färben. Ihre beste Freundin war eine wahre Meisterin, was das betraf. Nicht umsonst besaß sie den besten Friseurladen der ganzen Stadt! Dort hatten sich die beiden Frauen kennen gelernt und dort begann ihre Freundschaft vor vielen Jahren. In Ritas Haarstudio gab es neben den neusten und angesagtesten Trends für Damenhaare auch regelmäßig Dessous-Partys mit viel Prosecco. Zudem bekam die Frauenwelt dort die besten Make-up Tipps und die waren heiß begehrt. Sogar Melanie ging zu ihr, wenn sie in der Stadt war, obwohl sie es wahrlich nicht nötig hatte. Denn sie war eine Naturschönheit.

Der Abend wurde feuchter und das nicht nur im Sinne von Alkohol. Auch andere Körperflüssigkeiten flossen. Bei manch einem Herren rann der Schweiß von der Stirn und das nicht nur, weil sommerliche Temperaturen herrschten. Der ein oder andere Lusttropfen benetzte sicher auch einige Feinripp hinter verschlossenen Hosen. Maria und Melanie legten es an diesem Abend aber auch sehr darauf an, dass den Herren mehr als heiß wurde. Die Kellnerin mit ihrem beträchtlichen Vorbau, den schönen, blauen Augen und dem roten Schmollmund. Ihre Tochter hielt mit ihrer natürlichen Schönheit und der Erotik, die sie ausstrahlte, die Männer auf Trab. Es machte beiden einfach großen Spaß und Eifersucht oder Missgunst gab es zwischen ihnen nicht. Auch wenn Maria nicht verborgen blieb, wie Erwin auf ihre Tochter reagierte und ihr das einen kleinen Stich versetzte. Die Endfünfzigerin war äußerst feinfühlig und wusste, dass Mel, wie sie ihre Tochter liebevoll nannte, an solch alten Herren null interessiert war.

„Ich fasse es nicht!“ rief Harry plötzlich und alle drehten sich zum Wirt, „wir haben gewonnen, Männer! Wir haben tatsächlich gewonnen!“

Seit 20 Jahren bildeten Erwin, Herbert, ein schlecht verheirateter Malermeister im Ruhestand, Harry und der seit 30 Jahren glücklich verheirate Egon eine Tippgemeinschaft.

 Bis auf einige kleinere Gewinne, die jedoch meist im Bierkrug flüssig gemacht wurden, kam nichts dabei herum. Daher reagierten die anderen Tippbrüder erst einmal gar nicht auf die Ansage des Wirtes.

 „Meine Herren, wir haben satte 500.000 Euro gewonnen“, frohlockte er stolz, ohne sein Gesicht aus dem Tablet zu nehmen. Denn darauf verfolgte er die Ziehung der Lottozahlen und die Gewinnquoten. Sofort hellten sich sämtliche Männergesichter auf.

„Wie viel, Harry, wie viel ist es für jeden?“ schoss Erwin von seinem Stuhl hoch.

„Bist du schon so blau, dass du nicht mehr rechnen kannst, Dummerle?“ fragte Maria amüsiert, aber dennoch sanft, „das macht genau 125.000 für jeden von euch!“

Erwin wurde blass und sank zurück auf seinen Stuhl. Ihm wurde schwindelig, doch dann hellte sich sein Gesicht auf. Die andern drei Gewinner lagen sich in den Armen und beglückwünschten sich gegenseitig. Erwin nahm all seinen Mut zusammen, schnappte sich eine Rose aus einer Vase und ging zu Marias Tisch rüber. Das Herz der Kellernin begann plötzlich schneller zu schlagen und sie fürchtete, Erwin könnte es hören. Doch als ihr bewusst wurde, dass nicht sie sein Ziel war, sondern ihre Tochter, hörte das aufgeregte Klopfen in ihrer Brust unwillkürlich auf und ihr wurde so flau, dass sie wieder zurück auf ihren Stuhl sank.

„Was ist mit dir?“ fragte ihr Chef besorgt, der die Szene beobachtet hatte.

Als er Tränen in ihren Augen schimmern sah, zog er sie hoch und legte schützend einen Arm um seine Lieblingskellnerin. Er hatte sie nach all den Jahren, in denen sie zu seiner besten Kraft wurde, mehr als gern gewonnen und war immer für sie da.

Ab und zu tranken sie zusammen einen Cappuccino und quatschten über Gott und die Welt. Aber zu mehr war es zwischen den beiden nie gekommen. Maria vertrat die Auffassung, dass ein gemeinsamer Arbeitsplatz für Beziehungen tabu sein sollte. Viel mehr als das schreckte sie aber der Altersunterschied ab, denn ihr Chef war zehn Jahre jünger als sie.

 Ihre beste Freundin Rita bekam von all dem nichts mit, denn sie war damit beschäftigt, sich über den am Boden knienden Erwin tot zu lachen. Der rüstige Rentner machte Mel tatsächlich gerade einen Heiratsantrag.

„Ich bin jetzt ein reicher Mann!“ versuchte er die junge Frau zu beeindrucken, „wir können die ganze Welt bereisen. Das wollte ich schon immer und du könntest mich begleiten, meine Schöne!“

 Melanie stimmte in Ritas Lachen mit ein und schüttelte ungläubig ihre dunkle, lange Haarpracht. Maria war zum ersten Mal nicht nur richtig böse auf ihre Tochter, sondern auch eifersüchtig. Die junge Frau hielt sich den Bauch und hörte gar nicht mehr auf, Erwin auszulachen. So hatte die blonde Kellnerin ihre Tochter nicht erzogen. Dass man sich über andere Menschen lustig machte, auch wenn sie sich selbst derart zum Narren machten, zeugte von fehlender Empathie und Maria war geschockt, weil sie ihre Mel so nicht kannte. Sie wusste nicht, was ihr mehr zusetzte: Dass Erwin offensichtlich null an ihr interessiert war oder das unterirdische Verhalten ihrer Tochter.

Auch ihre beste Freundin erkannte sie heute Abend nicht wieder. Lag das am Alkohol, der reichlich geflossen war? Harry hatte sie noch immer fest im Arm und zu ihrem eigenen Erstaunen kuschelte sie sich noch näher an ihn. Sie fühlte sich geborgen und beschützt und das kannte sie seit dem Tod ihres Mannes nicht mehr. Tatsächlich genoss sie es sogar sehr.

Doch der Zauber dieses Momentes war schnell vorbei, denn Mel legte noch eine Schippe drauf:

„Für ein Drittel deines Gewinnes verbringe ich eine Nacht mit dir!“ bot sie Erwin an, der noch immer auf Knien lag. Die Schmerzen, die ihn mit Sicherheit am nächsten Tag erwarten würden, die gönnte Maria ihm allerdings. Diesen Denkzettel hatte er verdient! Aber das musste er ja nicht wissen.

Sie hoffte, sich verhört zu haben, aber Melanie wiederholte für den ungläubigen Erwin das Gesagte nochmal.

Empört über das unmoralische Angebot ihrer Tochter schoss die Kellnerin wie von selbst nach vorn und gab Mel eine schallende Ohrfeige. Noch nie hatte sie diese Grenze überschritten in ihrer Erziehung, doch heute war es unumgänglich.

Sie wollte...musste ihre Tochter wachrütteln!

Mit einem Mal wurde es fast unerträglich still in der kleinen Kneipe. Alle Augen waren auf das Mutter-Tochter-Gespann gerichtet. Melanie rieb sich die gerötete Wange und sah ihre Mutter entsetzt an, ebenso wie Rita. Irgendwie schienen alle unter Schock zu stehen. Was hatte sie getan?

 Erwin kam endlich hoch und rieb sich die geschundenen Knie. Es war immer noch mucksmäuschenstill. Dann torkelte der Rentner auf Maria zu.

"Spinnst du, du alte Hexe?" Grob schubste er sie weg, aber ihr Chef fing sie gerade noch rechtzeitig auf.

„Du spinnst hier, du verrückter Vogel!“ schimpfte Harry, während er sich schützend vor seine Kellnerin stellte. So hatte ihn noch nie jemand im Bierkrug erlebt. Das war bislang auch nicht nötig, denn normalerweise ging es in der Kneipe friedlich zu. Was war das bloß für ein Abend?

Maria sagte kein Wort, lautlose Tränen rannen ihre Wangen herunter und tropften auf ihr Dekolletee. Was für ein scheiss Geburtstag! Konnte es noch schlimmer kommen?

Mit offenem Mund vor Erstaunen sah Erwin seinen wütenden Lottobruder an.

„Es ist wohl besser, wenn du jetzt gehst!" befahl Harry in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

„Lass uns zu dir gehen, Erwin", schlug Melanie vor und zog den verdutzten, alten Mann aus der Kneipe.

„Mel! Nein, tu das nicht! Melanie!" rief Maria und wollte ihre Tochter zurückhalten, doch Harry vereitelte ihren Versuch.

„Maria, lass gut sein. Deine Tochter ist alt genug, auch wenn es dir das Herz bricht. Sie entscheidet selbst, was sie tut."

Das war zu viel und die Kellnerin brauch in Tränen aus. Rita, die kein Wort gesagt hatte, bekam plötzlich eine ungesunde Farbe im Gesicht und kotzte dann vor ihre Füße. Da war wohl das ein oder andere Glas zu viel dabei. Auch Maria war mittlerweile übel geworden und sie entleerte sie sich ebenfalls. Ihr Chef ließ sie auch jetzt nicht los.

Das alles war ihr so unendlich peinlich und sie wollte nie wieder einen Fuß in den Bierkrug setzen.

"Am besten gehen alle heim, ich mache den Laden jetzt dicht", beschloss Harry, ohne seine Marylin aus den Augen zu lassen. Rita sah plötzlich traurig aus, machte aber auf dem Absatz kehrt und ging erhobenen Hauptes aus dem Bierkrug. Sie war zwar eine Dramaqueen, aber meist beruhigte sie sich schnell wieder. Was für ein verkorkster Abend und das trotz eines nicht unbeträchtlichen Lottogewinnes!

Die anderen Gäste verließen Kopfschüttelnd und fluchend die Wirtschaft und drohten damit, nie wieder zu kommen. Doch das war Harry im Moment herzlich egal!

"Nicht, dass du dich mit unseren 250.000 Euro aus dem Staub machst, alter Mann!" erinnerten die beiden Rentner, die um einiges älter waren als er, Harry an ihren Teil des Lottogewinns. Der Wirt lachte nur, schob sie raus und schloss dann seine kleine Kneipe von innen zu.

Gemeinsam reinigten Maria und Harry das Lokal, räumten auf und ließen sich dann erschöpft an einem Tisch nieder.

"Ich brauche jetzt dringend ein Bad", stellte die Kellnerin außer Atem fest und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

So weit ich weiß, hast du da oben keine Badewanne, Liebes“, stellte Harry süffisant fest, beugte sich nach vorn und strich zärtlich über ihren nackten Arm.

„Aber du darfst gerne meine in Anspruch nehmen, wenn du magst...“

Eine Gänsehaut berieselte Marias Körper. Ihre Schüchternheit war plötzlich wie weg geblasen, sie nahm ihren Chef bei der Hand und sah ihn mit einem verheißungsvollen Blick an:

„Ist in deiner Badewanne auch genug Platz für uns beide?“

Harry strahlte sie an und nickte. „Komm, ich zeige sie dir.“

Sie löschten das Licht im Bierkrug und begaben sich nach oben in die zweite Etage, die sich über 100 qm erstreckte und Harry viel Platz bot. Maria pfiff anerkennend, als er ihr sein Reich zeigte. Bisher war sie noch nie hier oben gewesen und staunte nicht schlecht. Ihren Cappuccino tranken die beiden  immer in ihrem Lieblingscafe am See. Daher war das eine echte Premiere nach fünf Jahren, in denen sie schon untereinander wohnten. Das Badezimmer jedenfalls war reinster Luxus und Maria ließ das Schaumbad ein, während Harry in der sündhaft, teuren Einbauküche ein paar kleine Häppchen für die beiden vorbereitete. Als er mit dem Tablett ins Bad kam, hatte Maria es sich längst in der Wanne gemütlich gemacht.

Er stellte die Häppchen auf die extra dafür vorgesehene Ablage, zündete eine Kerze an, sang Happy Birthday für seine Marylin und begann sich ebenfalls auszuziehen. Maria freute sich über sein kleines Ständchen, denn so ging ihr Sechzigster nicht völlig im Chaos unter. Jetzt aber schaute sie neugierig dabei zu, wie ihr Chef sich entkleidete und staunte nicht schlecht über seine Muskeln.

„Die hast du aber immer gut versteckt!“ lachte sie und zeigte anerkennend auf seine Arme und den Oberkörper.

„Ich würde eher sagen, du hast mich nie richtig angeschaut, Liebes“, gab er schlagfertig zurück und stieg zu ihr ins duftende Nass. Damit hatte er wohl Recht, aber dafür sah sie ihn jetzt eindringlich an. Seine behaarte Brust jagte ihr einen Schauer über den Rücken und auch die Art, wie er Liebes zu ihr sagte, gefiel ihr sehr.

„Jetzt hast du aber einen ungerechten Vorsprung, den du nun ausgleichen solltest. Ich will dich auch sehen, wie Gott dich schuf“, forderte er lüstern. Maria schoss die Röte ins Gesicht und ihr fiel wieder ein, dass sie zehn Jahre älter als Harry war. Zudem schlich Mel sich in ihre Gedanken und machte sie wieder traurig. Aber ihr war auch klar, dass sie nichts dagegen tun konnte und hoffte inständig auf ein Wunder...

„Du schämst dich doch nicht etwa, Liebes?“ Harry sah sie ungläubig an.

Seine Lieblingskellnerin räusperte sich und stand dann zaghaft auf. Der Badeschaum bedeckte das meiste ihres Körpers, also erhob sich ihr Chef ebenfalls und begann, mit einem weichen Schwamm den Schaum zu verreiben. Maria wurde schwindelig und sie glaubte, zu träumen. Das fühlte sich wunderbar an! Harry widmete sich insbesondere dem mächtigen Vorbau seiner Kellnerin. Es machte ihm einen Heidenspaß, ihre Brüste einzuschäumen und dann mit Wasser abzuspülen. Sein bestes Stück ragte längst in die Höhe und berührte Marias Bauch. Auch sie war sehr erregt und hätte wahnsinnig gern mit ihrem Chef geschlafen, aber mehr als diese zärtliche, aber gründliche Wascharie passierte nicht. Es knisterte gewaltig zwischen den beiden. Trotz allem ging Maria zum schlafen runter in ihre eigene Wohnung.

Am nächsten Morgen wurde sie unsanft aus ihren erotischen Träumen geklingelt. Jemand war an ihrer Tür und offenbar sehr ungeduldig. Verschlafen öffnete die Kellnerin und blickte in ein blasses und verheultes verheultes Gesicht. Obwohl sie noch sauer auf ihre Tochter war, nahm sie Mel liebevoll in die Arme und führte sie dann in ihre kleine Wohnung. Sofort sprudelte alles aus der 25jährigen heraus:

„Mama, ich habe etwas ganz Dummes getan und deswegen nun 35.000 Euro Schulden. Und als ich vom Lottogewinn hörte und Erwin mich so toll fand, da dachte ich...ich dachte, ich könnte das...“ schluchzte sie und hörte gar nicht mehr auf zu weinen. Maria nahm ihre Tochter noch fester in den Arm und streichelte ihr tröstend über das Haar.

„Ich dummes Huhn habe nur das Geld gesehen und eine Chance, diese unsäglichen Schulden schnell loszuwerden. Es tut mir so leid, so leid...ich liebe dich doch und wollte dich nicht enttäuschen oder verletzen..."

 Maria glaubte ihrer Tochter und war einfach froh, endlich eine Erklärung für das Verhalten vom Vorabend bekommen zu haben. Aber Erwin, den wollte sie nie mehr sehen. Auch wenn das Gefühl für ihn schlagartig erloschen und einer Zuneigung für ihren Chef gewichen war.

 Sie hatte ihn völlig falsch eingeschätzt. Offenbar war der Rentner ein stilles, aber tiefes Wasser. Jedoch nicht im positiven Sinne.

„Hast du mit Erwin...?“ fragte die Kellnerin tonlos. Die Vorstellung, dass ihre Tochter mit so einem alten Mann Sex für Geld haben könnte, ließ ihr Herz ganz schwe werden. Melanie schüttelte energisch ihren hübschen Kopf. „Oh Gott nein Mama, nein. Ich bin zwar mit zu ihm gegangen, aber als er begann, sich vor mir auszuziehen und von mir verlangte, für ihn zu tanzen, überkam mich Ekel. Auch vor mir selbst“.

Beschämt sah sie zu Boden. Maria atmete erleichtert auf. „Kein Geld der Welt ist es wert, sich für jemanden zu prostituieren, Liebling. Aber wo hast du dann die Nacht verbracht?“

„Ich habe Rita wach geklingelt und durfte bei ihr übernachten. Aber dafür musste ich ihr versprechen, gleich heute Morgen mit dir zu reden. Mama, sie schämt sich auch, genau wie ich. Der Abend war echt blöd. Können wir das nicht einfach vergessen und noch mal an dem Moment starten, an dem wir uns wieder gesehen haben?“

Dann zog sie ein kleines Päckchen aus ihrer Umhängetasche und gab es ihrer Mutter.

„Alles erdenklich Gute und Liebe von mir zu deinem runden Geburtstag, Mama!“

Strahlend nahm sie das Geschenk entgegen und zog die goldene Schleife ab.

Doch bevor sie es auspacken konnte, klingelte es erneut an der Tür. Mit einem:

„Was ist denn heute Morgen los?“ öffnete sie und stieß auf Harry, der mit einem Frühstückstablett vor ihrer Wohnung stand.

„Guten Morgen, meine Schöne“, sagte er liebevoll, „Frühstück gefällig?“

„Habe ich irgendwas verpasst, Mama?“ fragte Melanie verdutzt und schaute von einem zum anderen.

„Vielleicht“, antwortete die Kellnerin geheimnisvoll und schmiegte sich an ihren Chef. Bei einem gemeinsamen Frühstück sprachen sie über den Lottogewinn, über Mels Schulden und die Zukunft.

„Ich habe in den letzten fünf Jahren einiges angespart, das ich dir geben könnte, Mel“, schlug Maria vor, „aber es wird nicht ganz reichen.“

„Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ riefen ihre Tochter und Harry fast gleichzeitig.

„Ich werde dir die 35.000 Euro von meinem Anteil des Lottogewinns geben“, sagte der Wirt entschlossen, „du bist noch so jung und solltest dir mit so einem Scheiß nicht dein Leben versauen, Melanie. Glaube mir, ich weiß, wovon ich rede.“

Die beiden Frauen wollten protestieren, aber Harry ließ keine Widerrede zu.

„Ich tue das auch für deine Mutter“, sagte er und schaute Maria zärtlich an, „allerdings wirst du deiner Mutter hoch und heilig versprechen, dass du so einen Mist nie wieder machen wirst, hast du das verstanden?“ Harry konnte sehr überzeugend sein und das schätzte Maria schon immer an ihm.

Melanie nickte ehrfürchtig: „Ich liebe meine Mama und werde versuchen, euch nicht mehr zu enttäuschen. Das war mir eine Lehre, das könnt ihr mir glauben!“

 „Wo genau studierst du eigentlich?“ hakte er nach und biss herzhaft in sein Sandwich.

„In Frankreich!“ antwortete Melanie stolz und goss allen noch einen Kaffee ein.

„Dort ist es sehr schön, ich war schon oft in Nizza, meinem Lieblingsurlaubsort."

Den beiden Frauen dämmerte langsam, dass dieses legendäre Frühstück unvergesslich bleiben würde. Denn Harry hatte den perfekten Plan: Er spielte schon länger mit dem Gedanken, den Bierkrug zu verkaufen. Einen Interessenten hatte er bereits an der Hand. Ihm fehlte nur noch der letzte Tropfen sozusagen. Doch jetzt, mit Maria an seiner Seite, war er so weit und schlug vor, den Erlös aus dem Verkauf, seine Ersparnisse, den Anteil des Gewinns und Marias Erspartes zusammenzulegen für eine neue Existenz in Frankreich.

„Somit könntet ihr beide euch sehen, wann immer ihr wollt.“

Die beiden Frauen fielen Harry vor Glück um den Hals.

„Das ist genial!“ rief Melanie glücklich.

„Nein! Du bist genial, Harry!“ rief Maria verzückt. Heute, am ihrem sechzigsten Geburtstag würde sie endlich wieder nach zehn Jahren Sex haben. Und das war das zweitbeste Geschenk an diesem Tag. Sie war sicher, dass es heute passieren würde und all ihre Scheu und Bedenken fielen von ihr ab wie ein alter Mantel. Da war nur noch pure Leidenschaft und unbändige Freude. Melanie quartierte sich für den Rest des Wochenendes in Marias Wohnung ein, so hatten Harry und seine Marylin ein wenig Zweisamkeit, nachdem die drei zusammen mit Rita noch ordentlich den runden Geburtstag gefeiert hatten. Die Kellnerin würde ihre beste Freundin schmerzlich vermissen, das wurde ihr schnell klar.

Aber Harry hatte auch dafür eine Lösung: Dazu bedurfte es nur eines schönen Franzosen und der würde sich schon für die attraktive Rita finden lassen. Und mit ihren Fähigkeiten könnte sie auch in Frankreich einen Salon eröffnen.

 

ENDE

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Alle Rechte bei der Autorin!
Bildmaterialien: google.de
Tag der Veröffentlichung: 23.09.2018

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