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Dream-Train-Man

Bittere Erkenntnis

 

Warum war ich nur so verdammt schüchtern? Und so unerträglich verklemmt? Ich war mittlerweile immerhin fast dreißig, denn mein achtundzwanzigster Geburtstag stand unmittelbar bevor. Meine letzte ernste Beziehung lag schon fast ein Jahr in der Vergangenheit und ich hatte sie beendet, weil Peer und ich uns irgendwann in andere Richtungen entwickelt hatten.

Er in Richtung einer attraktiven Blondine und ich in Richtung berufliche Weiterbildung. Das Singleleben war für mich - entgegen der kollektiven Meinung meines Freundeskreises - keine Qual, sondern eine gute Auszeit, um mir über einiges klar zu werden. Um wieder zu mir selbst zu finden. Allerdings fand ich auch etwas, nach dem ich gar nicht gesucht hatte: Eine kleine Sehnsucht nach fremder Haut, Wärme, Zärtlichkeit, gute Gespräche und Sex. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich das Alte verarbeitet hatte und die Zeit für etwas Neues gekommen war. Wäre da nur nicht diese unsägliche Schüchternheit! Warum verfolgte sie mich wie ein lästiger Schatten? Immer und immer wieder stellte ich mir diese Frage. Und das hatte in den letzten Wochen auch einen besonderen Grund:

Jeden verdammten Morgen sah ich ihn im Zug.

Ihn, den perfekten Mann.

Und jeden verdammten Tag freute ich mich darauf, sein wunderschönes Gesicht zu sehen, um dann doch wieder die Chance verstreichen zu lassen, ihn anzusprechen. Ich hasste diese Schüchternheit, die sich hartnäckig an meine Fersen geheftet hatte. Wenn Peer mich damals nicht auf der Geburtstagsparty meiner besten Freundin Larissa angesprochen hätte, wäre ich vermutlich nie mit ihm zusammen gekommen. Aber das ist Geschichte. Der attraktive Mann im Zug dagegen nicht. Jeden Morgen saß ich wie versteinert - meist schräg - gegenüber von ihm und starrte ihn an. Er war so schön mit seinen blonden Haaren, die zu einem modernen Undercut frisiert waren und dem gepflegten Bart, der ihn unglaublich sexy machte. Und erst dieser edle Anzug, der wie für ihn gemacht schien. Mir lief das Wasser im Mund zusammen bei seinem Anblick…

 In meinem Kopf tanzten tausend Sätze, die ich ihm hätte sagen wollen, aber nichts davon kam je über meine Lippen. Ich war viel zu eingeschüchtert von seiner Erscheinung. Diese verdammte Unsicherheit machte mir ständig alles kaputt. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich mich nicht traute, jemanden anzusprechen. Vielleicht sollte ich mal einen dieser angesagten Flirtkurse belegen oder lieber gleich einen sexy Coach engagieren. Inzwischen hatte ich meine Haltestelle erreicht, an der ich den Zug verlassen musste. Traurig schaute ich dem Regionalexpress hinterher. Wieder eine verpasste Gelegenheit, verdammt, verdammt, verdammt…

 Jetzt musste ich jedoch meine Aufmerksamkeit wieder auf das Seminar richten, das ich seit knapp einer Woche besuchte. Meine Firma hatte mich dazu verdonnert, damit ich noch mehr Geld für sie verdienen konnte. Dafür schickten sie mich und meine Kollegen in so eine blöde Schulung für Mitarbeiter. Meine berufliche Weiterbildung, um meine Karriere voranzutreiben, hatte ich mir etwas konstruktiver vorgestellt. Denn überwiegend war dieses Seminar einfach nur sterbenslangweilig, weil der Leiter es nicht ansatzweise schaffte, die Teilnehmer für sich und seine Worte zu begeistern. Der schien irgendwie unsicher zu sein. Aber genau das sollte er uns doch vermitteln: Sicherheit, mehr Selbstbewusstsein und Eloquenz. Das hatte er leider so gar nicht drauf, daher hielt sich auch die Begeisterung der Teilnehmer in Grenzen. Und gerade ich hätte doch etwas Nachhilfe in diesen Dingen nun wirklich gebrauchen können.

 

Frischer Wind

 

Doch dann kam alles anders. Meine Leidensgenossen und ich warteten an diesem Montagmorgen auf Herrn Torf, der sich offensichtlich verspätete. Durch die schwarze Hochglanztür kam dann aber jemand ganz anderer. Mein Herz begann wie wild zu klopfen, meine Hände wurden feucht und in meinen Ohren rauschte es, als stünde ich direkt an einem Wasserfall. Nervös rutschte ich auf meinem gepolsterten Stuhl hin und her und sah wahrscheinlich aus wie eine Schwachsinnige.

 

„Guten Morgen zusammen, leider ist Herr Torf wegen Krankheit verhindert. Deshalb übernehme ich erst einmal für den Rest der Woche diesen Kurs.“

 

Was für eine Stimme, die erst durch meinen Gehörgang kroch und sich dann in meinem gesamten Körper als wunderbares Kribbeln ausbreitete. Maskulin, kraftvoll und zugleich ruhig. Nicht so zittrig und quietschig wie die vom Torf. Als ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte, schaute ich mich um. Den anderen Teilnehmern musste es ähnlich gehen, sie starrten den Neuen fasziniert an. Wenn der uns schon allein mit seiner Stimme begeistern konnte, wie sah es dann erst mit dem Rest aus?

„Mein Name ist Scharf, aber ich ziehe ein persönliches Miteinander vor, daher können Sie mich einfach Lars nennen.“

Er schaute in die Runde und fragte: “Ist Ihnen das Recht?“

Alle nickten nur stumm. Was der für eine Ausstrahlung hatte. Wahnsinn! Manche Menschen zogen einen in den Bann, ob man wollte oder nicht. Er war jetzt zwar kein Schönling, aber durchaus attraktiv. Braunes, gelocktes Haar, das ihm wirr vom Kopf ab stand und ihn wirken ließ, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekommen. Dagegen hielten jedoch seine wachen Augen, deren Farbe man nicht erkennen konnte. Aber das war auch egal, er hatte dieses gewisse Etwas, über das so oft philosophiert wurde. Fortan hingen alle Augenpaare im Raum an seinen Lippen und in den Pausen hörte man nur noch Loblieder über Lars Scharf. Und Bedauern darüber, dass er bald wieder weg sein würde, denn der langweilige Torf würde ja irgendwann wieder gesund sein und zurück kehren. Niemand von unserer Truppe vermisste ihn wirklich. Er sollte uns ja etwas beibringen. Das Problem dabei war nur, dass er den Stoff selbst nicht beherrschte und eben einfach ein Langweiler war. Scharfs Vorträge dagegen halfen tatsächlich und der Torf hätte gut daran getan, sich selbst auch bei einem Seminar anzumelden, statt es zu leiten. Ich selbst war immerhin soweit, dass ich während einer Zugfahrt den Berg der ersten Kontaktaufnahme erklimmte. Es war wahrlich ein schwerer Aufstieg und ich bin einige Male abgerutscht, doch oben angekommen schenkte ich dem Objekt meiner Begierde ein – wenn auch nur zaghaftes – Lächeln. Ich musste zwar lange warten, bis sich überhaupt eine solche Gelegenheit ergab, weil er selten die Nase aus seinem Wirtschaftsmagazin nahm, aber das war mir egal. Ich hatte ja einige Stationen Zeit…

Seine Reaktion jedoch war eher niederschmetternd. Er räusperte sich, sah sich dann irritiert um und nickte mir kurz zu. Um dann sein Gesicht noch tiefer in seine Zeitung zu stecken, als vorher. Entweder war er selbst schüchtern, vergeben oder ich war einfach nicht sein Typ. Trotzdem freute ich mich über meinen Mut! Hatte die Zusammenarbeit mit Lars nach so kurzer Zeit solche Wunder bewirken können? Augenscheinlich ja und ich war – wie alle – begeistert.

 

Privatunterricht

 

In den folgenden Tagen machte ich mir oft Notizen und war daher manchmal länger als meine Mitstreiter in den Räumen. Wie auch an diesem Abend. Ich war so in mein Geschreibsel vertieft, dass ich vor Schreck laut aufschrie, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ebenfalls erschreckt stolperte Lars ein paar Schritte zurück und fiel prompt über einen der Stühle. Stöhnend rieb er sich das Schienbein und tat mir schon etwas leid. Aber lachen musste ich trotzdem und nach einem kurzen Moment stimmte er mit ein.

„Warum sind Sie noch hier, Marja?“ fragte er mit einem Blick auf meinen Block. Er wusste meinen Namen! War ich ihm aufgefallen? Schnell verdeckte ich meine naive Malerei mit meiner Hand. Lars sollte nicht sehen, dass ich in der Pause einen Zug mit einem großen Herzen darüber gemalt hatte. Doch es war bereits zu spät, denn er fragte ohne Umschweife nach meiner Begegnung im Regionalexpress. Ich wurde rot, natürlich wurde ich rot. Gehörte ja zu mir, wie das Amen in der Kirche. Unser Seminarleiter konnte sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen.

„So schüchtern?“ Verschämt sah ich zu Boden und scharrte mit den Füßen.

„Ich wette, wenn ich dir helfe, dann hast du den Burschen innerhalb einer Woche an der Angel. Es geht doch um einen Mann, oder?“ ging er plötzlich auf die persönliche Ebene über. Ungläubig sah ich ihn an.

„Niemals! Das ist unmöglich zu schaffen! Er ist viel zu schön für mich...“

Lars trat einen Schritt näher an mich heran und ich konnte sein dezentes Aftershave wahrnehmen.

„Glaubst du so wenig an dich, Marja?“ fragte er und seine Stimme klang dabei fast ein wenig traurig. Eine Haarsträhne fiel mir frech in die Stirn und verdeckte mein linkes Auge. Sanft strich er sie zurück und wir standen einen Augenblick einfach nur schweigend da. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich fürchtete, dass er meine innere Aufruhr hören könnte. Er räusperte sich und machte einen Schritt zurück. Dann packte er plötzlich meine Sachen in meine Aktentasche und hängte sie vorsichtig über meine rechte Schulter. Bei seiner Berührung durchzuckte es mich wie bei einem Stromstoß. Was war denn das nun wieder?

„Lass uns in der Bar ein paar Straßen weiter etwas trinken gehen und ich erkläre dir, wie du dir den Typen angeln wirst.“

Insgeheim schickte ich ein Stoßgebet gen Himmel, dass ich mich heute Morgen für das elegante Kostüm mit dem kurzen, aber nicht zu kurzen Rock und der weißen Bluse entschieden hatte. Als hätte ich geahnt, dass ich noch irgendwo hingehen würde.

Ich gluckste leise vor Aufregung, während ich neben ihm lief, als wäre dies das selbstverständlichste der Welt Hatte ich jetzt so etwas wie ein Date? Nein, denn er wollte mir ja nur helfen, mir meinen Dream-Train-Man zu angeln.

„Also entwirfst du quasi einen Schlachtplan für mich?“ fragte ich Lars deshalb auf dem Weg zur Bar.

Er nickte grinsend und bereits kurz später saßen wir an einem kleinen Tisch in der Bar und tranken ein Glas Wein. Nachdem ich ihm von meinem Problem und dem Mann aus dem Zug berichtet hatte, nahm er meinen Block aus der Tasche und schrieb in großen Lettern darauf:

 

Projekt 'Dream-Train-Man'

 

1. Blickkontakt zum Objekt der Begierde herstellen und herausfinden, ob es diesen erwidert

2. Nicht zu lange überlegen, sonst baut sich zu viel Angst auf, einen Korb zu erhalten

3. Keine auswendig gelernten Flirtsprüche verwenden, sondern einfach den Moment nutzen

4. Mache ein ehrliches Kompliment, zB zur Kleidung, auch Männer mögen dies tatsächlich

5. Wenn es gut läuft, auf jeden Fall Nummern austauschen, um weiteren Kontakt sicherzustellen

6. Wenn es sich positiv entwickelt, nicht vergessen, Lars zur Hochzeit einzuladen :-)

 

Persönlich ging er aber wesentlich mehr in die Tiefe und gab mir Tipps, wie ich all die Punkte am besten umsetzen konnte während einer Zugfahrt. Ein guter Aufhänger wäre auch, nach seinem Ziel zu fragen, meinte er. Aber ob ich mich das jemals trauen würde, war mehr als fraglich. Er schrieb und schrieb und ich schaute ihm dabei zu, wie er mit seinen gepflegten, schönen Händen meinen persönlichen Schlachtplan auf eine leere Seite meines Blocks schrieb. In Sekundenschnelle hatte er die weiße Seite blau eingefärbt. Verträumt schnappte ich mir eine Strähne meiner schwarzen Haare und ließ diese durch meine Finger kreisen. Lars sah plötzlich auf und blickte mich an. Jetzt konnte ich auch die Farbe erkennen, denn seine hellbraunen Augen strahlten plötzlich und erinnerten mich an Bernstein.

„So...genau so musst du diesen Typen aus dem Zug um den Finger wickeln“, flüsterte er heiser und zeigte auf meine Finger. Eine Welle der Erregung erfasste mich und vor mein inneres Auge schob sich plötzlich eine Szene, in der unser Seminarleiter und ich wilden, hemmungslosen Sex auf dem Tisch hier in der Bar hatten. Als könnte er meine Gedanken lesen, fegte er entschlossen den Block und die Gläser fort, hob mich hoch und platzierte mich auf das kühle Holz. Forsch legten sich seine Hände auf meine Brüste, was ihm und auch mir ein Stöhnen entlockte. Erregt riss er mir die weiße Bluse auf, so dass die Knöpfe in alle Richtungen hüpften und entließ meine prallen Kissen in die Freiheit. Zärtlich liebkoste er sie zusätzlich mit Lippen und Zunge. Mein Körper bog sich automatisch nach hinten und somit ihm entgegen. Lars stöhnte auf und schob gierig den dunkelgrauen Minirock meines Kostüms nach oben. Und ich öffnete willig meine Schenkel und gewährte ihm Einlass. Gerade als er sein erigiertes Glied zwischen meine Schenkel versenken wollte, hörte ich aus weiter Ferne eine Stimme:

„Du wirst es schaffen, glaub an dich, Marja. Mach es genauso wie gerade, das war wirklich gut...“

Aus lauter Scham leerte ich meinen Wein in einem Zug und musste unwillkürlich husten. Mein Gesicht glühte und ich war bestimmt feuerrot. Beschämt sah ich zu Boden und hoffte inständig, dass unser Seminarleiter mir nicht anmerkte, was in mir vorging. Mein Slip war feucht geworden und ich schämte mich dafür. War ich dermaßen untervögelt? Scheinbar, denn wie sollte ich mir diesen Tagtraum sonst erklären?

„Marja?“ fragte er besorgt, „ist alles in Ordnung mit dir?“ Er fasste mir unter das Kinn und hob mein Gesicht an, so dass ich ihn ansehen musste.

„Du bist eine wunderschöne, junge Frau und das solltest du dir jeden Tag aufs Neue selbst sagen. Das eben war wirklich zauberhaft. Wie du verträumt mit deiner Haarsträhne gespielt hast...“

Das mochte ja sein, aber es war unbewusst und nicht inszeniert. Das machte einen kleinen, aber feinen Unterschied!

Und obwohl ich allein bei dem Gedanken schon Schweißausbrüche bekam, nahm ich mir vor, das bei der nächsten Zugfahrt tatsächlich zu probieren.

„Was bekomme ich, wenn du die Wette verlierst?“ fragte ich und überraschte mich selbst damit wohl am meisten. Wieder spielte ich mehr unbewusst mit meinen Haaren.

„Was wünscht du dir denn?“ wollte Lars wissen.

„Eine Nacht mit dir...“ hätte ich am liebsten gesagt, aber das wäre niemals über meine Lippen gekommen. Also sagte ich stattdessen:

“Ein Abendessen bei mir. Aber du kochst für uns.“ Verschmitzt grinste er mich an.

„Dazu wird es nicht kommen, denn ich gewinne die Wette.“ Sanft stupste er meine Nase. „Fast ein wenig schade, oder?“

Da hatte er verdammt recht! Die Zeit verging wie im Fluge und dennoch verabschiedeten wir uns für meinen Geschmack viel zu früh. Ich nahm den Nachtzug nach Hause und fühlte mich ungewöhnlich leicht. Lars hatte sich für die Nacht ein Zimmer in einer Pension genommen und ich wäre gern bei ihm geblieben. Selten hatte ich mich so wohl gefühlt mit einem Mann. Er strahlte irgendetwas beruhigendes aus. Gleichzeitig sprach der attraktive Seminarleiter mich sexuell unglaublich an. Das merkte ich daran, dass mein Slip noch immer an meinen Schamlippen klebte wie ein Klettverschluss an einem Schuh. Als ich endlich frisch geduscht in meinem Bett lag, konnte ich nicht anders und verwöhnte mich. Dabei spielte ich in Gedanken erneut das Szenario in der Bar durch und erlebte einen äußerst intensiven Orgasmus.

 

Die Einladung

 

Gut gelaunt saß ich am nächsten Morgen im Zug und wartete auf den schönen Mann mit dem tollen Anzug und dem Wirtschaftsmagazin unterm Arm. Wie gewohnt, stieg er an der Station ein, an der er sich immer zu mir gesellte. Und auch heute nahm er schräg gegenüber meines Abteils Platz und steckte umgehend seine Nase in seinen Lesestoff. Ich war plötzlich mutig und griff nach einer Haarsträhne, um sie durch meine Finger gleiten zu lassen. Er sah auf und mir direkt in die Augen. Ich verlor mich in seinem Blick und lächelte ihn verklärt an. Ich möchte gar nicht wissen, wie ich in dem Moment wohl ausgesehen hatte. Wahrscheinlich wieder wie eine Schwachsinnige. Zaghaft erwiderte er mein Lächeln, nickte mir zu und widmete sich wieder dem Lesen.  Doch dann erregte plötzlich ein anderer Mann meine Aufmerksamkeit. Ich sah ihn zwar nur von hinten, aber er wirkte dennoch attraktiv mit den dunklen, wilden Locken und der schlanken Statur. Zu meinem Entsetzen setzte er sich nicht nur neben meinen Dream-Train-Man, sondern küsste ihn zur Begrüßung mitten auf den Mund.

„Oh mein Gott, er ist schwul! Er ist tatsächlich schwul!“ schoss es durch meinen erhitzten Kopf. Das kann doch nicht sein. Scheiße scheiße scheiße! Als ich dann aber das Gesicht des anderen Mannes sah, blieb mir fast das Herz stehen: Es war kein Geringerer als Lars. Unser Seminarleiter war schwul? Das hätte ich nie im Leben gedacht. Da war doch dieses Knistern zwischen uns oder hatte ich mir das nur eingebildet oder zu sehr gewünscht? Vor Schreck klappte mir die Kinnlade runter und ich musste ziemlich blöd geschaut haben. Als Lars mich entdeckte, sprach er kurz mit dem schönen Mann und kam dann zu mir.

„Hallo Marja, schön dich zu sehen“, sagte er, als wäre nichts geschehen. Ihm musste doch auffallen, was in mir vorging! Lars war doch sonst so feinsinnig.

„Wie kommt es, dass du heute mit dem Zug fährst?“ fragte ich, statt ihn zu begrüßen, „ich habe dich hier noch nie gesehen.“

Er setzte sich zu mir. „Mein Auto ist nicht angesprungen und ich kann froh sein, noch diesen Zug erwischt zu haben. Normalerweise bin ich etwas früher als die Teilnehmer vor Ort und bereite mich noch auf den Stoff vor“, klärte er mich lächelnd auf. Ich hörte seine Worte jedoch nur aus weiter Ferne. Die Tatsache, dass sowohl mein Dream-Train-Man und der Seminarleiter schwul waren, haute mich dermaßen aus der Bahn, dass ich um Fassung rang.  Zum wiederholten Male musste ich ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut haben, denn Lars fragte mich, ob ich einen Geist gesehen hätte. Was sollte ich ihm denn nun sagen?

Die Wette konnte er nach dieser Neuigkeit ohnehin nicht mehr gewinnen, denn bei einem schwulen Mann hatte ich wohl kaum eine Chance. Was für eine Scheiße!

"Aber hey, dann kannst du mir doch direkt mal das Objekt deiner Begierde zeigen", frohlockte er und grinste mich breit an.

Das war dann doch zu viel für mich. Wut, Enttäuschung und eine leichte Trauer stiegen in mir auf und ich musste mich beherrschen, ihn das nicht spüren zu lassen. Fieberhaft überlegte ich, ob ich nun flunkern oder einfach ehrlich zu ihm sein sollte.

"Du hast ihn gerade geküsst!" schoss es aus mir heraus. Jetzt war es Lars, der fassungslos drein schaute und sich die Hand vor den Mund schlug.

"Mein Damian ist dein Dreamboy?"

Ich nickte traurig und als Lars tröstend den Arm um mich legte, waren all die Gefühle trotz dieser Tatsache wieder da. Herzklopfen, Kribbeln im Bauch, Erregung im Schoß. Was war denn nur los mit mir? Wieso brachte mich ein schwuler Mann so durcheinander? Und war ich nun wütend, weil Lars schwul war oder mein Dream-Train-Man? Das wurde langsam zu einem echten Alptraum. Nun gesellte sich auch noch Damian zu uns und ich lief knallrot an wie eine Tomate. Komisch, in meinen Gedanken war ich gar nicht mehr verklemmt, nur die Realität sah immer noch völlig anders aus, oder? Lars stellte mich als seine Lieblingsteilnehmerin des Seminars vor und Damian begrüßte mich fast herzlich. Von der sonstigen Zurückhaltung keine Spur mehr.

"Wen Lars mag, den mag ich meistens auch. Er hat eine gute Menschenkenntnis", verriet er mir lächelnd.

Bereits nach kurzer Zeit war der Damm gebrochen und ich genoss die Anwesenheit der beiden Männer unglaublich. Wir verstanden uns unerwartet gut und hatten sogar richtig Spaß miteinander. Wut, Enttäuschung und Traurigkeit wichen einem positiven Gefühl. Dass sie schwul waren, störte mich plötzlich kaum mehr, denn diesen Umstand ändern zu können, lag ohne Zweifel außerhalb meiner Möglichkeiten. Deshalb kam mir spontan eine Idee in den Sinn.

"Habt ihr Zwei nächsten Samstagabend schon was vor?" fragte ich, ohne lange nachzudenken.

"Kommt drauf an, was ansteht", erwiderte Lars grinsend und schaute seinen Schatz fragend an.

"An dem Tag ist mein achtundzwanzigster Geburtstag und ich würde euch gern dazu einladen."

Erstaunt zog Damian eine Augenbraue hoch. 

"Dass du ein gleichgeschlechtliches Paar zu deiner Party einlädst, finde ich sehr mutig, Marja", meinte er dann anerkennend.

So richtig konnte ich das nicht nachvollziehen, denn ich hatte noch nie Probleme mit Schwulen oder Lesben. Im Gegenteil kannte ich selbst ein lesbisches Pärchen. Andrea und Susan waren bereits seit einigen Jahren zusammen und ich mochte sie sehr.

 

Der Abend

 

 Gesagt, getan.

Ich lud die beiden in ein schickes Restaurant ein. Sie waren etwas verwundert, dass sie meine einzigen Gäste waren, ebenso über die Wahl des Lokals. Das Restaurant befand sich in einem Hotel, einem besonderen Hotel. Es nannte sich Pläuschchen und war bekannt in einer bestimmten Szene. Doch das war mir ziemlich egal, denn dort gab es mein absolutes Lieblingsgericht und zwar am besten von den wenigen Restaurants, die das überhaupt anboten. Aber zum Geburtstag wollte ich mir nun mal meine geliebten Weinbergschnecken gönnen. Die Betreiber kannten mich schon länger und waren einigermaßen erstaunt, dass ich gleich mit zwei Herren zum Essen verabredet war. Normaler Weise kam ich nur mit meinen Mädels her oder alleine. Lars bestellte sich etwas anderes, aber Damian mochte meine Lieblingsspeise, was mich sehr freute, denn ich war in meinem Freundeskreis die einzige, die das ab und zu aß. Der Abend wurde feuchtfröhlicher, als ich vorher dachte. Und viel lustiger, lockerer und harmonischer, als ich mir erhoffte. Die beiden hatten sogar ein Geschenk für mich besorgt. Lars hatte sich gemerkt, welchen Wein und welche Sorte Pralinen ich besonders mochte. Ich freute mich total über diese Aufmerksamkeit und fiel ihm quasi um den Hals, was mir erneut diese Gefühle bescherte. Und langsam dämmerte mir, dass ich Damian zwar sehr mochte, aber mich wesentlich mehr zu Lars hingezogen fühlte. Als ich schon ordentlich Wein intus hatte, tanzte ich sogar mit meinem Dream-Train-Man und spürte dabei mehr als deutlich, dass auch seine Nähe mich ziemlich durcheinander brachte. Das alles war so aufregend, so prickelnd und so neu für mich. Der Abend war so wunderbar, dass es niemanden verwunderte, dass wir Drei uns zu vorgerückter Stunde mit einer Flasche Champagner auf ein Zimmer zurückzogen. Vollgefressen und beschwipst lud mich das große Himmelbett ein, mich dort nieder zu lassen. Es dauerte nicht lange und ich fiel in einen leichten Schlaf. Spürte nur noch, dass mir jemand die Flasche aus der Hand nahm und vernahm kleine Wortfetzen wie „Süß...Kleine...wie sie schläft...“ Nach kurzer Zeit wurde ich jedoch wieder wach und erschrak. Rechts und links neben mir lagen Lars und Damian. Und ich behütet wie ein kleines Kind in der Mitte. Ich seufzte wohlig und kuschelte mich an Lars. Und obwohl mir mehr als bewusst war, dass der heiße Typ neben mir nicht auf Frauen stand, legte ich meinen Kopf auf seine Brust. Meine Herz raste unwillkürlich los und ein Kribbeln breitete sich überall in mir aus. Das war ja nichts Neues mehr! Diese Reaktion auf ihn kannte ich bereits. Doch gesellte sich noch ein anderes Gefühl dazu: Geborgenheit. Ich fühlte mich in seinen Armen total geborgen und sicher. Trotzdem zuckte ich regelrecht zusammen, als ich seine Hand im Rücken spürte, die mich zärtlich zu streicheln begann. Träumte ich etwa? Nein, ich war genauso bei vollem Bewusstsein wie meine kleine Perle, die bereits feucht war und flehentlich nach mehr schrie. Lautlos, aber energisch rief sie nach der Aufmerksamkeit, die sie schon lange nicht mehr bekommen hatte. Jedoch war die Möglichkeit, diese von einem schwulen Mann zu bekommen, verschwindend gering. 

 Als Lars mich plötzlich sanft, aber bestimmt an sich drückte, entwich mir ein leiser Seufzer und ein erwartungsfreudiger Schauer lief mir über sämtliche Hautschichten. Seine Hand wanderte über meinen Rücken hinunter zu meinem kleinen, straffen Po. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nur noch meine Unterwäsche trug. Die beiden mussten mir mein Kleid ausgezogen haben, denn es hing sorgfältig über der Lehne eines der Lederstühle. Plötzlich glitten Lars Finger in meinen Slip und fuhren sanft durch die Furche, die meine Pobacken spaltete. Herrje! Das fühlte sich so herrlich an, dass ich meine Erregung direkt in Lars‘ Ohr stöhnte. Unwillkürlich erschauerte er. „Dein Po ist genauso, wie ich ihn mir vorgestellt habe...“ flüsterte mein Seminarleiter heiser. Hatte ich mich verhört? Er hatte sich mein Hinterteil vorgestellt? Aber er war doch schwul. Wieso dachte er da an mich? Völlig verwirrt sah ich ihn an. Als könnte er meine Gedanken lesen, sagte er: „Ich bin bisexuell, Marja. Und von dir war ich in der ersten Sekunde unserer Begegnung fasziniert.“

Mein Herz vollführte einen Freudensprung. 

Das hatte noch nie ein Mann zu mir gesagt. 'Fasziniert…'

Dann kam der Moment, der mich am meisten überraschte in meinem bisherigen Leben. Es schien, als hätten die beiden mir mit dem Abendkleid auch die Schüchternheit ausgezogen. Denn selbst beim Sex hatte ich noch nie den Anfang gemacht, aber seit Lars war alles anders. Ich schaute ihm fest in die Augen und näherte mich seinen Lippen. Von einem Kuss mit ihm hatte ich seit Wochen geträumt. Und ich wurde nicht enttäuscht, es war gigantisch, als sich unsere Lippen berührten und erst zart miteinander spielten und knabberten. Forsch und voller Leidenschaft schob Lars seine feuchte Zunge in meine Mundhöhle und es begann eine wilde Knutscherei. Mein Slip war mittlerweile durchnässt und ich konnte kaum erwarten, was er noch alles mit mir anstellen würde. Willig drückte ich mich gegen ihn, mein Verlangen war schier unbändig.

"Ich wusste vom ersten Moment an, dass in dir ein Vulkan schlummert..." flüsterte Lars erregt, während seine Hände überall auf meinem Körper waren. So wie auch meine, die es kaum mehr erwarten konnten, ihn Zentimeter für Zentimeter zu erkunden. Seine kleinen Locken auf der Brust, seinen flachen Bauch, sein männliches Becken, seinen knackigen Hintern und auch sein schon sehr harter Luststab. Letzterer lag perfekt in meiner Hand und ich stöhnte auf, als ich die feuchten Luststropfen spürte. Lars knetete meine Brüste sanft durch und machte mich damit wahnsinnig. Ich konnte es nicht mehr aushalten, nahm unglaublicher Weise seine Hand und schob sie in meinen Slip. Seine Finger strichen über meine haarlosen Schamlippen und ich seufzte gierig.

„Du bist ja richtig nass, das lädt zu mehr ein“, flüsterte Lars erregt. Ich glitt in eine für mich unbekannte Welt, die ich bis dahin gar nicht kannte. Alles war so neu für mich und ich vergaß völlig meinen Dream-Train-Man. Und auch, dass Damian direkt neben mir lag.

„Das glaube ich ja jetzt nicht!“ rief sich dieser dann aber lautstark in meine Erinnerung. Genau in dem Moment, in dem Lars seinen Finger in meiner Grotte versenken wollte. Erschrocken fuhren wir auseinander und ich sah den Freund meines Seminarleiters schuldbewusst an.

 „Ich...ich wollte nicht...“ stotterte ich und sah wahrscheinlich erneut aus wie eine Schwachsinnige.

 

„Das hörte sich eben aber noch ganz anders an, du kleines Luder. Ich habe deine Lustlaute genau vernommen.“

 

Ich fühlte, wie sich mein Gesicht dunkelrot einfärbte. Scheiße, scheiße und nochmals scheiße! Was hatte ich getan? Noch nie war ich so von Scham erfüllt wie in diesem Moment. Ich wollte nur noch weg, weg aus diesem Bett, weg aus diesem lasterhaften Hotel und vor allem weg von den beiden Männern. Nie wieder könnte ich ihnen unter die Augen treten, das war so unsagbar peinlich. Ich schnappte mir die Decke und stand auf. 

 

„Nicht so schnell, du kleines Biest...“ hielt Lars mich am Arm fest, „wir sind noch nicht fertig miteinander.“

 

Damian prustete hinter mir los und mein Seminarleiter zog mich zurück in seine Arme.

In diesem Moment wusste ich: Das wird definitiv der beste Geburtstag meines Lebens.

 

ENDE

 

 

Impressum

Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Bildmaterialien: google
Tag der Veröffentlichung: 04.06.2018

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