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Geliebter Voyeur

Einmal im Monat gehe ich zum Tanzen in meinen Lieblingsclub mit Freunden.

Und das bereits seit vielen Jahren. Ich bin so etwas wie ein Langzeit-Single goder vielleicht auch einfach nur ein Ladenhüter? Leicht zu haben bin ich auch nicht, vielleicht einfach zu anspruchsvoll oder wählerisch?

Keine Ahnung, aber eines bin ich auf jeden Fall: Schüchtern. Aber ich arbeite stetig daran!

Diese Eigenschaft steht mir am meisten im Weg, vor allem in Bezug auf Liebe und Sex.

 

Nur einmal im Monat auf der Tanzfläche kann ich diese Schüchternheit ablegen.

Dort gleite ich in eine andere Welt. Tauche in die Musik ein und gebe mich völlig meiner Leidenschaft hin.

Und dann passieren die merkwürdigsten Dinge.

 

Und davon will ich Euch heute eine Geschichte erzählen:

 

Seit einigen Monaten schon sah ich ihn dort.

Groß, breite Schultern, die Haare wild nach allen Seiten abstehend und zudem ein guter Tänzer.

Ein verträumter Rocktyp, ja so hätte ich ihn beschrieben. Dass er schon einmal für mich persönlich Luftgitarre gespielt hatte, bestärkte mich in meinem Eindruck, den ich von ihm gewonnen hatte. Großartig Worte gewechselt hatten wir bisher nie. Dazu war ich nicht nur zu schüchtern, sondern schlicht zu blöd, wenn er sich in meiner Nähe aufhielt.

Und er selbst wirkte auf eine Art sehr zurück haltend. Stand die meiste Zeit bei seinem Kumpel, mit dem er fast immer im Club anzutreffen war.

Vor einiger Zeit gab er mir mit seinem Freund zusammen eine persönliche Vorstellung via Luftgitarre.

Eben ein echter Rocker. Das war ein wirklich toller Moment.

Ich spürte, dass er das nur für mich gemacht hatte, für mich ganz allein…

 

Obwohl so viele andere Menschen dabei waren, so war es doch nur für mich damals…

 

Dennoch war es noch nie zu mehr zwischen uns gekommen. Ein klitzekleiner Smalltalk kam einmal vor Monaten zustande und seitdem kannten wir immerhin unsere Namen.

 

Und trotzdem war da etwas zwischen uns, das sich nur schwer beschreiben ließ.

Seine Blicke ruhten stets auf mir, wenn wir uns im Club begegneten. Er schaute mir beim Tanzen zu, wenn er sich unbeobachtet fühlte.

Seine Augen suchten mich. Immer.

Sein Freund hieß Karsten und war alles andere als zurückhaltend.

Mit ihm gab es schon etwas mehr an Unterhaltung als mit Mike.

Alles in allem eine recht merkwürdige Entwicklung, aber für mich auch irgendwie aufregend.

 

Mittlerweile fieberte ich jedoch nicht mehr jeder neuen Begegnung entgegen.

Freute mich aber immer, die beiden Freunde zu sehen.

Auch wenn Mike niemals seine Chance genutzt hatte, mich näher kennen zu lernen.

Das war der Grund, warum ich mich langsam von ihm entfernte und auch wieder andere Männer wahrnahm.

Durch eine Freundin lernte ich Jörg kennen und nur einige Tage später gingen wir zusammen einen Kaffee trinken. Ich weiß nicht, was er anders gemacht hatte, aber bei ihm war meine Schüchternheit wie weg geblasen.

Wir verbrachten tatsächlich einen wunderbar entspannten Nachmittag miteinander und telefonierten danach regelmäßig.

Als erneut unser Tanzabend bevorstand, lud ich ihn spontan ein, woraufhin er sofort zusagte.

Ich wollte ihn an meiner heimlichen Leidenschaft teilhaben lassen.

Wollte Jörg in meine Welt der Rhythmen entführen.

Mit Herzklopfen betrat ich daher meinen Lieblingsclub gegen kurz nach neun und war an diesem Samstagabend seit langem nur mit meiner engsten Freundin dort verabredet. Claudia wartete schon ungeduldig auf mich, sie war nicht gern allein in solchen Läden.

Nach einer herzlichen Begrüßung besorgten wir uns zunächst einen fruchtigen Cocktail an der Bar und stellten uns dann an unseren Stammtisch.

Es dauerte nicht lange, bis Mike und Karsten im Club auftauchten und sich mit einem Bier an einen Nebentisch gesellten. Wir nickten uns begrüßend zu und Claudia grinste mich wissend an. Doch ich zuckte nur die Schultern und freute mich auf das Erscheinen von Jörg.

 

„Wann kommt denn dein Typ?“ fragte sie mich prompt.

„Er ist noch auf einem Geburtstag und wird daher erst so gegen zehn hier auftauchen.“

Da ich ja nun seit Ewigkeiten Single war und nach langer Zeit überhaupt mal wieder einem Date zustimmte, war Claudia entsprechend neugierig auf Jörg. Der ließ aber recht lange auf sich warten und so vertrieb ich mir die Zeit mit meiner Freundin auf der Tanzfläche. Mir entging natürlich nicht, dass Mike mich beobachtete. Claudia wies mich dennoch dezent darauf hin. Ich grinste nur schelmisch und als ich bemerkte, dass er beim nächsten Song auch die Tanzfläche betrat, freute ich mich doch ein wenig. Im Wechsel näherte er sich mir und schaffte wieder Distanz zwischen uns. Also wie immer. Was mochte wohl in seinem Kopf vorgehen? Ignorieren, um dann wieder aufmerksam mit den Augen alles zu verfolgen, was ich machte.

Ob er mir wohl auf den Hintern sah? Bestimmt machte es ihn an, wenn ich zur Musik meine Hüften kreisen ließ.

 

Was hatte ich plötzlich für absurde Gedanken?!

Oder steckte ein Wunsch dahinter?

 

In meinem Bauch kribbelte es verdächtig…

 

Mittlerweile war es schon weit nach zehn und ich langsam ungeduldig und auch etwas angesäuert.

Wo blieb denn Jörg? Doch als ich mir vorne an der Bar noch einen Fruchtcocktail bestellte, umfassten mich plötzlich von hinten zwei starke Arme und es kuschelte sich jemand an mich. Erschrocken fuhr ich herum und sah in die blauen Augen von Jörg.

Endlich!

Der ging aber ganz schön ran. Seltsamerweise hatte ich jedoch gar nichts dagegen. Vielmehr gefiel es mir sogar und nachdem auch er sich einen Drink besorgt hatte, gingen wir eng umschlungen zurück zu Claudia. Der kippte prompt die Kinnlade runter, als sie uns so vertraut miteinander sah.

Ungewohnter Anblick für meine Freundin.

Ich machte die beiden miteinander bekannt und wir Drei stellten uns zusammen an den Tisch.

Doch schon bald zog es mich wieder auf die Tanzfläche. Von Mike und Karsten war nichts mehr zu sehen, aber das war mit einem Mal nicht mehr wichtig. Ich war längst wieder in meiner Welt versunken, als sich Jörg von hinten an mich kuschelte. Ich erkannte ihn sofort an seinem Duft, den er heute Abend trug. Sehr anziehend und ein wenig erotisch. Er zog mich zu ganz nah an sich heran und wiegte mich sanft zum Rhythmus hin und her.

Seine starken Arme lagen auf meiner Taille und das fühlte sich gut an. Auch Jörg schien das sehr zu gefallen, ich spürte seine Erregung wachsen, die sich frech in meinen Rücken bohrte.

Ein Kribbeln schoss durch meinen gesamten Körper und schien sich schlussendlich in meinem Unterleib zu bündeln. Ich reagierte sehr heftig auf ihn und das verwirrte mich etwas. 

Trotzdem drehte ich mich irgendwann um und sah ihm direkt in die Augen.

Was ich darin alles lesen konnte! Verlangen, pures Verlangen und auch viel Gefühl für mich.

In Zeitlupe kamen sich unsere Gesichter näher, bis unsere Lippen sich zu einer zarten Berührung fanden.

Wie ein Stromschlag durchzuckte mich dieser Kuss. Seine weichen Lippen spielten mit meinen, bevor er seine Zunge in meine Mundhöhle schob.

Ich war gefangen in diesem Moment.

Hörte nichts mehr, sah nichts mehr, fühlte nur noch ihn, Jörg.

 

Als unser endlos langer Kuss endete und ich langsam wieder zu Atem kam und meine Augen öffnete, sah ich in das versteinerte Gesicht von Mike. Er sah aus, als hätte er gerade einen Geist gesehen oder sonst etwas.

Was war denn mit dem plötzlich los?

Nun, das war nicht mehr meine Sache, dachte ich nur, nahm Jörg bei der Hand und ging zusammen mit ihm zurück zum Tisch. Claudia sah ziemlich gelangweilt aus, das tat mir leid. Aber was sollte ich denn machen?

Wir unterhielten uns ein wenig zu dritt, doch schon bald verspürte ich wieder das Verlangen nach der Nähe Jörgs. Aber ich spürte noch etwas: Die intensive Blicke von Mike!

Unfassbar, was glotzte der denn so?

Plötzlich fühlte ich mich unter seiner Beobachtung unwohl! Ich hätte nie gedacht, dass es mir einmal so ergehen würde.

Ich fühlte eine Veränderung in mir stattfinden. Das war auch längst überfällig! Festen Schrittes und mit allem Mut bewaffnet ging ich zu ihm an dem Tisch, sah ihm in die Augen und sagte: „Was soll das, Mike? Kannst du mal aufhören, mich so anzustarren. Ich fühle mich unwohl.“

 

Er sah mich irritiert an und suchte nach Worten. Fuhr sich nervös durch die Haare und nestelte an seinem Shirt herum.

Das war schon wieder so süß! Er war einfach hinreißend! Ich schmolz förmlich dahin...

Und schon taten mir meine Worte wieder leid.

 

„Vergiß es einfach, habt noch einen schönen Abend!“ ruderte ich deshalb zurück.

 

Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu Jörg und meiner Freundin.

 

Mein Verlangen jedoch war noch nicht gestillt und so nahm ich die Hand meines Freundes und zog ihn in eine dunkle Ecke. Dort zog ich ihn zu mir heran und küsste ihn wild. Meine Hände waren überall, streichelten seine Haare, seinen Nacken, seinen Rücken, seine männliche Brust, die ich durch das dünne Hemd fühlen konnte.

So forsch kannte ich mich gar nicht. Was war denn los mit mir? Ob Mikes Blicke mich anstachelten?

 

Jörg stieg voll darauf ein und ließ seine Hände ebenfalls über meinen Körper wandern.

Er fuhr durch meine Haare, über den Rücken und dann ließ er seine Hände frecherweise auf meinem Po ruhen.

Wir küssten uns immer leidenschaftlicher und inniger und in meinem Slip wurde es angenehm feucht.

Auch Jörg war sehr sehr erregt. Schwer atmend stöhnte er mir Komplimente ins Ohr…

 

Irgendwann öffnete ich meine Augen und wie automatisch suchten sie nach Mike.

Ich wollte es nicht, aber ich konnte nicht anders. Konnte mich dieser Gier nicht erwehren...

 

Nur einen kurzen Moment später hatte ich ihn entdeckt.

Er stand alleine und etwas abseits, aber so, dass er uns beide genau im Visier hatte.

Als er jedoch meinem Blick begegnete, sah er schnell weg.

Ich hatte ihn erwischt!

Ganz offensichtlich beobachtete er Jörg und mich. Und er tat es jetzt sogar noch intensiver als zuvor, hatte ich den Eindruck.

War das Einbildung oder hatte er tatsächlich mit der rechten Hand für einen kurzen Moment seinen besten Freund gestreichelt?

Bei jedem anderen Kerl wäre ich außer mir gewesen und hätte ihm eine Ohrfeige gegeben.

Mike ließ ich das durchgehen und es fiel mir nicht mal besonders schwer, im Gegenteil...

 

Mich zu beobachten erregte ihn also ganz offensichtlich.

In seinen Augen las ich ein Gemisch aus Eifersucht, Leidenschaft, Neugier und Erregung.

 

Wünschte er sich vielleicht an Jörgs Stelle?

 

Das war doch völlig absurd, oder?

 

Ich war total verwirrt, durcheinander und hin und her greissen.

Und wusste nicht, ob ich sauer sein oder mich freuen sollte. Denn Mike war nun mal eine sehr lange Zeit mein Lieblingsmann in meinem Lieblingsclub.

 

Doch nun hatte ich Jörg und das musste aufhören, aber das war gar nicht so einfach und tief in mir drin wollte ich auch gar nicht, dass es aufhört...

 

Dieses Erlebnis wiederholte sich noch einige Male und somit wurde aus Mike, dem Lieblingsmann in meinem Club, mein geliebter Voyeur...

Impressum

Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Bildmaterialien: google
Tag der Veröffentlichung: 06.08.2017

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