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Abgründe


Beate wechselte zügig die Straßenseite, als sie mich sah. Mein Arm, den ich zum Winken gehoben hatte, sank langsam wieder nach unten. Ein lautes Seufzen ob meiner Ratlosigkeit entwich mir. Was war nur mit Beate los? Das war nun schon das dritte Mal, dass sie mir auswich, ja, quasi vor mir weglief. Einfach so, völlig grundlos! Yvonne, ihre kleine Tochter drehte sich um und streckte mir die Zunge heraus. Eigentlich war die Kleine ein nettes Kind, sie wurde letzten Sommer eingeschult. Ich hatte nie Probleme mit ihr, doch nun schien sie mich nicht mehr zu mögen. Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass sie mir jemals die Zunge heraus gestreckt hätte. Was war nur in Beate gefahren, dass sie sogar ihre kleine Tochter gegen mich aufstachelte? Ich konnte es mir einfach nicht erklären. Am Abend rief ich Tanja, unsere gemeinsame Freundin an.

„Möllerich“, meldete sich eine männliche Stimme. Das war ihr Mann Torben, der mich nicht besonders gut leiden konnte. Ich räusperte mich und fragte nach Tanja. Er druckste ein wenig herum, bat mich einen Moment zu warten und dann raschelte es am anderen Ende. Torben versuchte wohl, die Muschel mit seiner Hand abzudecken, aber das Flüstern von Tanja und ihm blieb mir dennoch nicht verborgen. Nach einer Ewigkeit wandte sich Torben wieder mir zu. Jetzt räusperte er sich verlegen und verkündete mir dann die Nachricht, Tanja sei nicht zuhause und käme auch nicht vor zehn. Die beiden wussten, dass ich niemals nach zehn Uhr irgendwo anrufe. Es sei denn, es läge ein absoluter Notfall vor.
„Nun, da kann man wohl nichts machen“, sagte ich enttäuscht.
„Ja, tut mir leid, Britta.“ Damit legte er auf.
Langsam ließ ich das Telefon auf die Basis gleiten.
So sehr ich auch nachdachte, mir fiel kein plausibler Grund für das merkwürdige Verhalten meiner Freundinnen ein. Was war passiert? Hatte ich irgendetwas verbrochen?
Nein, aber genauso fühlte ich mich. Ich ließ die letzten zwei Wochen Revue passieren. Abgesehen von einem aufregenden One-night-stand in der vergangenen Samstagnacht konnte ich nichts weiter verzeichnen. Aber das konnte nicht der Grund für die schlechte Stimmung meiner Freundinnen sein. Oder etwa doch? Sie kannten mich doch lange genug, um zu wissen, welche Art von Leben ich führte. Dass ich einem attraktiven Mann nicht abgeneigt war, sofern ich selbst Lust hatte. Dieses überaus aufregende Erlebnis konnte also nicht der Kasus Knacktus sein. Ich ging in die Küche, goss mir einen weiteren Kaffee ein, nahm noch ein Stück Erdbeertorte aus dem Kühlschrank und ging rüber in mein Wohnzimmer.
Meine rote Ledercouch war so wunderbar bequem und wie geschaffen für Nachmittage daheim. Auch mein Besuch war jedes Mal fasziniert von meiner roten Ruheoase.
Ricky, der mich vor einigen Wochen an einem Samstagabend erst in der Bar angesprochen und dann in den Himmel geliebt hatte auf diesem roten Sofa, wollte gar nicht mehr heim. Auch diesen Abend und die darauf folgende heiße Nacht ließ ich noch einmal in Gedanken Revue passieren. Ich war mit Beate und Tanja in diese Tanzbar gegangen. Auch Torben, der Mann von Tanja, kam später noch dazu.
Wir drei schmachteten alle Ricky an, er war so ungeheuer attraktiv!
Ricky…dunkles Haar, das wuschelig auf seinem Kopf nach allen Seiten abstand. Dunkle braune Augen, die uns drei Frauen gekonnt abcheckten. Beate seufzte und ihr Blick klebte förmlich an seinem Hinterteil, als er an die Theke ging, um drei Prosecco zu bestellen. Sie war schon sehr lange alleine. Harald, der Vater von Yvonne, verliebte sich vor einigen Jahren in eine andere Frau und seitdem fristete sie ihr Dasein zumeist alleine. Beate war eine sehr hübsche Frau. Mit ihrem frechen blonden Bubikopf und den klaren blauen Augen war sie durchaus ein Blickfang für viele Männer. Doch keiner schien ihr gut genug zu sein. Sie wollte nur das Beste vom besten. Kurt hatte ihr zu wenig Haare auf dem Kopf, Ralf verdiente zu wenig als Informatiker, Udo hatte einen zu dicken Bauch und Roger eine Zahnlücke. Also blieb sie allein und Jahr für Jahr verging.
Ich versuchte, sie zu bekehren, doch sie winkte immer ab.
„Ach du! Du bist doch selbst so ein Problemkind, was Männer betrifft, Britta!“ analysierte sie jedes Mal und schlug damit jeden Versuch meinerseits in den Wind. Beate kam nicht so gut mit meiner Lebensart klar. Tanja hingegen war glücklich und ließ mich so sein, wie ich war. Eine gestandene Frau, die mitten im Beruf stand, geradlinig und charakterstark. Aber eben eine Frau mit einem regen Sexualleben. Ich wollte mich nicht festlegen, mich nicht fest an jemanden binden. Wozu alle anderen Männer, die Interesse an mir hatten, vor den Kopf stoßen? Nein, ich war nicht für die Monogamie geschaffen. Und hatte daraus nie einen Hehl gemacht. Jeder Mensch, der mich kennen lernt, kann und muss frei entscheiden, ob er damit klar kommt oder nicht.
Beate und Tanja hatten keine größeren Probleme damit. Lediglich Tanja musste ich versprechen, mich niemals an ihren Torben heran zumachen. Aber da musste sie gar keine Sorge haben. Vergebene Männer waren für mich seit eh und je tabu. Davon abgesehen, dass Torben mich von Anfang an nicht leiden konnte, war er gar nicht mein Typ. Beate hatte mir einmal vor Jahren erzählt, dass er mich für eine Schlampe hielt. Mir war das immer egal, was Leute über mich denken könnten, die mich nicht mochten oder für die ich keine Sympathien hegte. Aber das mit Torben nahm irgendwann bedenkliche Formen an. Er wollte Tanja sogar den Umgang mit mir verbieten. Doch sie hat ihn einfach ausgelacht.
Irgendwie beschlich mich das Gefühl, dass er jetzt doch noch zu seinem Ziel gekommen war. Weder Beate noch Tanja sprachen mit mir. Es verging Woche für Woche ohne ein Wort von ihnen. Irgendwann gab ich auf und stand eines Abends an der Theke in der Tanzbar.

Allein und in Gedanken versunken nippte ich an einem Glas Prosecco.
„Na, so ganz allein hier?“ fragte eine mir bekannte Männerstimme. Ich drehte mich um und sah in das Gesicht von Torben.
„Was machst du denn hier?“ Verwundert sah ich ihn an.
Er lächelte, gesellte sich neben mich und bestellte ein Bier. „Wo ist Tanja?“ wollte ich wissen.
„Zuhause. Wo eine Frau auch hingehört“, sagte er in einem Ton, den ich an Männern schon immer gehasst habe.
„Aha.“ Ich sah ihn belustigt an und widmete mich wieder meinem Prosecco.
„Für wen hast du dich denn so schick gemacht, Britta?“ Torben pfiff anerkennend durch die Zähne. Verständnislos und fragend blickte ich ihn an.
„Was denn?“ fragte er unschuldig. „Man wird doch noch bemerken dürfen, wie sexy du heute aussiehst. Das wäre ja ganz was Neues, wenn ihr Frauen da nicht mehr drauf stehen würdet.“
Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu entgegnen, aber Torben griff mir vor. „Und genau darauf legst du es doch an, Britta, nicht wahr?“
„Worauf?“ Meine Stimme klang spitzer, als ich beabsichtigt hatte.
Torben ließ seinen Blick über meine langen Beine wandern, bis zu dem Punkt, wo sie unter meinem Mini verschwanden.

Lächelnd begutachtete er mein Dekoltee. Dann sah er mir wieder ins Gesicht und sagte mit heiserer Stimme:
„Na, dass die Männer deinem Charme erliegen. Ist es nicht das, was du willst?“
Ja, das wollte ich tatsächlich. Torben hatte Recht. Schließlich musste man dem anderen Geschlecht auch etwas für das Auge bieten, das die Fantasie in Gang brachte. Kluge Frauen wissen, dass Männer besser „gucken“ als denken können. Und wenn ich Lust auf einen Mann hatte, dann musste ich zumindest ansatzweise zeigen, was ihn erwartete, wenn er mich auspacken würde. Plötzlich zuckte ich zusammen.
Torbens Hand lag auf meinem Knie. „Du brauchst keine Angst zu haben. Ich will nichts anderes, als all die Männer, die du mit nach Hause schleppst.“
Erschrocken nahm ich seine Hand von meinem Knie und sah ihn ernst an.
„Ich gehe jetzt mal kurz auf die Toilette und wenn ich wieder komme, benimmst du dich entweder anständig oder der Platz neben mir ist wieder frei.“
Damit ließ ich ihn stehen und ging festen Schrittes zu den Besuchertoiletten im Untergeschoss.
„Ist der denn von allen guten Geistern verlassen?“ dachte ich, während ich mir die Hände wusch und mein Spiegelbild prüfte. Ja, natürlich war ich kein Kind von Traurigkeit, aber doch nicht mit Torben! Sicher, er war nicht häßlich, aber für mich ein absolutes Tabu. Tanja würde mich lynchen und das war es mir nicht wert. Die Freundschaft zu ihr war mir immer wichtiger!
Und auch jetzt, wo sie offensichtlich zerbrochen war, käme ich nie auf die Idee, etwas mit Torben an zu fangen. Ob er dahinter steckte? Er hatte doch nie auch nur ein gutes Haar an mir gelassen. Vielleicht war das alles ein perfider Plan von ihm? Ich kramte mein Handy aus meiner Handtasche hervor und wählte Tanjas Nummer. Es schien unendlich lange zu klingeln, bis sie sich endlich meldete.
„Möllerich.“
„Hallo Tanja, ich bin’s Britta. Bitte leg nicht gleich auf, es ist wirklich wichtig“, bat ich hoffnungsvoll.
„Was willst du?“ Tanjas Stimme klang kühl und distanziert.
„Bitte erkläre mir doch endlich, was mit Beate und dir los ist.“ Ich machte eine kurze Pause.
„Was habe ich euch getan?“
Tanja atmete laut aus.
„Kannst du dir das nicht denken?“
Ich seufzte und sagte dann resigniert: „Nein, ich habe absolut keine Ahnung.“
„An diesem Samstag damals in der Tanzbar wollte Beate sich den süßen Ricky klar machen, aber du bist ihr, wie so oft, zuvor gekommen.“
Ihre Stimme klang ungewohnt scharf.
Darauf wäre ich im Leben nicht gekommen. Beate hatte sonst einen ganz anderen Geschmack als ich. Zumal Ricky dunkelhäutig war und Beate und Tanja in dieser Hinsicht ziemliche Vorurteile hegten.
„Warum hat sie denn nichts gesagt oder mir ein Zeichen gegeben?“ fragte ich betroffen.
„Dann hätte ich mich doch zurück gehalten. Das tut mir wirklich leid.“
Tanja räusperte sich.
„Aber mal ehrlich, Britta. Wie konntest du nur einen Schwarzen an dich ranlassen?“
Ungläubig blickte ich mein Spiegelbild an.
„Weil ich im Gegensatz zu euch kein Problem mit Menschen habe, die nicht deutscher Abstammung sind.“
Spannung lag in der Luft, man konnte sie förmlich riechen und knistern hören.
„Übrigens solltest du deinen hübschen Arsch mal hierher bewegen, Tanja“, sagte ich schnippisch. „Dein Kerl ist nämlich hier und baggert wie ein Irrer an mir herum!“
Damit beendete ich das Gespräch. Ich war sauer, stinksauer! Wir hatten damals abgemacht, dass die beiden sich niemals in meine Männergeschichten einmischen würden. Bisher hatten sie sich auch einigermaßen daran gehalten, aber das hier ging einfach zu weit. Wütend schleuderte ich meine Tasche auf die Ablage und stampfte mit dem Fuß auf. Ich war unglaublich sauer und schrecklich enttäuscht. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, ging ich zurück zu meinem Platz an der Theke nach oben. Torben saß inzwischen auf einem Barhocker und tippelte nervös mit einem Bein.
„Da bist du ja wieder, meine Schöne“, begrüßte er mich. Ich ignorierte ihn einfach und nahm einen großen Schluck von meinem Prosecco. Irgendwie schmeckte er anders, vielleicht war er schon abgestanden, immerhin war ich eine Zeil lang weg.
Ich leerte mein Glas in einem Zug und bestellte ein neues. Bald darauf wurde mir schwindelig und ich hielt mich an der Theke fest.

Dann sah ich in Torbens grinsendes Gesicht, es sah plötzlich aus wie eine hämische Fratze.
„Was ist los, Britta? Ist dir nicht gut?“ fragte er. Seine Stimme klang merkwürdig verzerrt und so langsam, als würde er in Zeitlupe sprechen. Meine Beine fühlten sich an wie Blei und auch meine Zunge wurde zunehmend schwerer. Was war nur los mit mir? Angst packte mich. Dann hörte ich, wie aus weiter Ferne, den Barmann und Torben miteinander reden.
„Ja, bring sie besser nach Haus.“ Torben umfasste meine Taille. Ich wollte mich wehren, aber ich war wie gelähmt. Ich wollte schreien: „Nein, ich will nicht!“, aber aus meinem Mund kam kein Laut. Nichts, absolut nichts konnte ich dagegen tun, dass Torben mich nach draußen schleppte und mit mir auf den dunklen Parkplatz ging. Dort legte er mich auf die Wiese, die ihn umgab. Auch, als er mir blitzschnell den Minirock herunter streifte, konnte ich mich nicht wehren. Dann riss er mir das Top vom Oberkörper und presste seine Hände auf meine Brüste.
Ich hörte ihn stöhnen, es war widerlich und ich nicht in der Lage, mich zu wehren. Torben machte an seiner Hose rum und ließ seinen erigierten Penis in die Freiheit. Gierig spreizte er meine nackten Beine und legte sich auf mich. In diesem Moment hörte ich quietschende Reifen und eine Autotür wurde unsanft zugeschlagen. Noch immer konnte ich mich nicht bemerkbar machen. Torben wusste das und machte einfach weiter. Gerade als er in mich eindringen wollte, wurde er von hinten von mir herunter gezogen.

„Du miese Schlampe!“ Tanja hatte sich vor mir aufgebäumt und sah mich bitterböse an. „Das hätte ich nie von dir gedacht, dass du meinem Mann schöne Augen machen würdest!“

Ich öffnete meinen Mund, aber es kam noch immer kein Laut zustande. Tanja sah Torben an.
„Die Negerschlampe hat mich verführt. Ich konnte gar nichts dagegen tun“, stammelte er vor sich hin. Die Wirkung des Mittels, welches Torben mir offensichtlich in den Prosecco gekippt hatte, ließ langsam nach. Die Stimmen der beiden waren nicht mehr verzerrt und ich konnte meine Arme wieder bewegen, mit denen ich automatisch meine bloßen Brüste bedeckte. Tanja griff sich mein Top und schmiss es mir entgegen.
„Du kannst wohl nie genug kriegen. Erst dieser Bimbo und jetzt auch noch mein Mann. Ab sofort sind wir geschiedene Leute, Britta!“
In ihren Augen lag so viel Hass, wie ich es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Torben grinste zufrieden.
„Dein Mann hat mir etwas in den Drink gemischt“, sagte ich benommen.

Endlich konnte ich mich wieder mitteilen, endlich war meine Stimme wieder da.
„Oder glaubst du allen Ernstes, ich hätte mich freiwillig mit ihm hier auf die Wiese gelegt?“
„Ich glaube dir kein Wort. Lass dich nie wieder bei uns blicken, du elende Schlampe!“
Außer sich vor Wut schnappte sie ihren Mann und zog ihn mit sich. Dann klappten geräuschvoll zwei Autotüren zu und nur wenige Sekunden später war ich allein.
Allein, halbnackt, fast vergewaltigt, geschunden und immer noch benommen saß ich im Gras. Es dauerte einige Minuten, bis ich fassen konnte, was da gerade passiert war. Krampfhaft hielt ich meine Knie umschlungen und wippte meinen Körper vor und zurück. Es fing an zu regnen und die warmen Tropfen prasselten auf mich nieder.

„Was machst du denn hier?“ fragte eine ruhige Stimme und gleichzeitig fühlte ich eine warme Hand auf meiner Schulter. Trotzdem ließ mich diese unerwartete Berührung zusammen zucken. Dann spürte ich, wie jemand eine Jacke um mich legte.
Es war Ricky, der sich jetzt liebevoll vor mich hingekniet hatte. Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Was ist los, Britta?“ fragte er mit Blick auf meinen Mini, der immer noch im Gras lag.
Ich sah in seine warmen, dunklen Augen und dann sprudelte alles aus mir heraus. Meine Tränen wollten kaum versiegen, aber Ricky entpuppte sich als geduldiger Zuhörer.
„Das verstehen deine Freundinnen also unter Freundschaft? Unfassbar!“ Seine Wut wuchs ins Unermessliche, je mehr ich von den Ereignissen der letzten Zeit erzählte. „Das sind keine Freundinnen, Britta. Die kannst du getrost vergessen.“
Ich wusste, dass er Recht hatte und lehnte mich gegen ihn. „Komm, zieh dich an. Dann bring ich dich nach Hause und mache dir einen Tee. Das wird dir gut tun“, schlug Ricky vor.
Nur Minuten später saßen wir auf meiner roten Ledercouch. Wir saßen einfach nur da und hielten uns in den Armen. In den letzten Jahren war mir völlig abhanden gekommen, wie schön es sein kann, mit jemandem einfach nur zu kuscheln, einfach nur seine Nähe zu spüren. Langsam ließ auch das Zittern nach und ich schlief an Rickys Brust ein.

Am späten Mittag dieses Sonntages weckte uns das Klingeln meines Telefons.
Verschlafen schlich ich in den Flur und nahm ab. Bevor ich mich melden konnte, schrie eine Frauenstimme: „Du bist so ekelhaft, Britta. Komm mir ja nie wieder unter die Augen!“
„Beate?“ fragte ich leise. Sie gab mir keine Antwort, obwohl ich ihre Stimme erkannt hatte.
„Den Mann der eigenen Freundin vögeln! Schämst du dich eigentlich gar nicht?“ schrie Beate sich in Rage.
„Es war doch ein wenig anders“, setzte ich leise an.
„Ach hör doch auf, du scheinheiliges Luder! Eine billige Schlampe, eine Negerschlampe bist du! Du liederliches Weibsbild! Halt dich bloß von uns fern!“
Es klickte in der Leitung und dann war wieder Ruhe eingekehrt. Ich schluckte und rang um Fassung. Und wieder war Ricky da und schlang von hinten seine Arme um mich. Ich drehte mich um, legte meinen Kopf auf seine Schulter und weinte.

Dieses Desaster fand einfach kein Ende und meine ehemaligen Freundinnen ließen ganze Hasstiraden auf mich herab regnen. Ich bekam Drohbriefe, anonyme Anrufe und verlor sogar meine Arbeit wegen dieser Geschichte.

„Ich weiß schon, warum meine Wahl damals auf dich fiel“, sagte Ricky einige Tage später und sah mich zärtlich an. Ich küsste ihn auf den Mund. Zum ersten Mal wieder.
„Komm, lass uns spazieren gehen“, schlug ich vor und nahm ihn bei der Hand. Ricky war sofort begeistert und wir gingen in die nahe gelegene Grünanlage. Ein beliebter Ort für Naturliebhaber.
Schon von weitem erkannte ich das Pärchen. Sofort verkrampfte ich mich.
„Was ist los?“ fragte Ricky besorgt.
„Da vorn kommen uns Torben und Tanja entgegen“, sagte ich mit unruhiger Stimme und krallte meine Hand noch fester in seine.
„Ihr traut euch ja was. Schlendert einfach so durch eine öffentliche Grünanlage“, provozierte Torben uns.
„Deshalb heißt es ja auch „öffentliche“ Grünanlage“, gab Ricky ironisch zurück.
„Pass auf, was du sagst, Bimbo!“ konterte Torben. Er war sichtlich angefressen.
Jetzt mischte sich auch Tanja ein. „Warum gehst du nicht einfach wieder in den Urwald zurück?“ Tanja gewährte mir einen Einblick in die dunkle, verborgene Seite ihres Charakters, auf den ich gern verzichtet hätte. Tiefe Abgründe taten sich auf...
„Komm, lass uns weiter gehen“, sagte ich und zog Ricky mit.
„Ja, hör auf deine Niggerschlampe und geh bloß schnell weiter, du…!“
Weiter kam Torben nicht, denn eine Rechte von Ricky traf ihn mitten auf die Nase.
Benommen taumelte er zu Boden, Tanja sah fassungslos zwischen uns dreien hin und her.
Eigentlich war ich strikt gegen Gewalt, aber in diesem Fall verhalf sie mir zu einer gewissen Genugtuung. Verachtend schaute ich Torben an, der sich seine blutende Nase hielt.
„Jetzt weißt du, wie ich mich an dem Abend gefühlt habe, als du mir dieses Zeug ins Glas gekippt hast.“ Tanja war noch immer sprachlos und wir setzten ohne ein weiteres Wort unseren Spaziergang fort.
Ein paar Monate später zogen wir in die Stadt, in der ich einen neuen Job gefunden hatte. Ricky war selbstständig und konnte seine Tätigkeit überall auf der Welt ausführen.

Impressum

Texte: Copyright by Reggi67
Bildmaterialien: google
Tag der Veröffentlichung: 27.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Wacht auf ihr Menschen da draußen, wir können nicht alle gleich sein

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