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Überraschende Begegnung

 

„Schatz, lass uns heute ausnahmsweise mal ganz chic Essen gehen,“ rief Charlotte aus dem Badezimmer.

Jan machte vor Freude einen kleinen Hüpfer. Endlich. Am vierten Urlaubstag gab es mal keine Pizza oder Pasta. Charlottes Sparzwang ging ihm manchmal ganz schön auf die Nerven. Im Urlaub musste das nun wirklich nicht sein, er verdiente schließlich genug Geld.

Schnell war das Restaurant seiner Wahl gebucht.

Chic, edel und extravagant.

Charlotte pfiff durch die Zähne als sie Platz nahmen.

Aber musste man das hier haben? Das vornehme Gehabe und Getue der Bedienung ließ ihre Augenbrauen nach oben schnellen. Hoffentlich darf ich hier alleine Essen, dachte sie und unwillkürlich musste sie laut lachen. Dafür erntete sie sofort einen bösen Blick von Jan.

Charlotte machte im Ansatz ein bedauerndes Gesicht und flüsterte. „Ist ja gut. Entspann dich. Ab jetzt benehme ich mich anständig. Ich kann das. Aber ehrlich, findest du nicht auch, dass sie hier ein bisschen mit allem übertreiben?“ Charlotte kicherte leise vor sich hin.

„Charlotte. Bitte. Wir sind in einem angesagten Restaurant und nicht in einer Pizzeria. O.k? Schau mal, die Karte, such dir was aus. Und nun reiß dich zusammen. Bitte, Charlotte. Tu es für mich.“ Schon vertiefte sich Jan in die unzähligen Seiten der Menükarte. Er würde heute fürstlich speisen und darauf freute er sich riesig. Und er hoffte sehr, dass sich Charlotte nun angepasst benehmen würde.

Charlotte indessen schaute noch einmal in die Runde.

Donnerwetter.

Dann traf es sie wie ein Blitz. Zwei Tische weiter. Ein Paar. Sie saß mit dem Rücken zu ihr und er blickte ihr direkt in die Augen. Ihr wurde siedend heiß. Schnell wandte sie den Blick wieder ab und nahm hilfesuchend die Karte in die Hand.

Was war das denn?

Unauffällig wagte sie noch einen Blick über den Kartenrand.

Er schaute immer noch zu ihr. Ihre Blicke trafen sich erneut. Tief.

Charlotte brachte ein Lächeln zu Stande, vertiefte sich aber sofort wieder in die Karte.

Wie sollte sie denn hier entspannt essen.

Bei diesem Mann.

Mit diesem Blick.

Sie schaute noch einmal rüber. Der Mann sprach gerade angeregt mit seiner Tischgefährtin. Seiner Freundin? Seiner Frau? Seinem Verhältnis? Seiner Affäre?

Charlotte leckte sich über die Lippen und schaute dabei ihren Mann verträumt an. Er wollte nämlich gerade wissen, für was sie sich denn entschieden hätte.

Gekonnt affektiv säuselte sie ohne dabei zu grinsen:„Ich nehme eine kleine Vorspeise. Zum Hauptgericht etwas deftiges. Und zum Abschluss noch einen kleinen Gaumenschmaus. Du kannst mir sicher was empfehlen. Ich vertraue Dir und lass mich überraschen,“

„Gut. Dann weiß ich, was wir nehmen,“ kam prompt die Antwort von Jan. Er legte die Karte beiseite und bestellte wenige Augenblicke später.

Charlotte fühlte sich nach wie vor beobachtet.

Was sollte das hier nur werden?

Das Essen kam wenige Augenblicke später und Charlotte hatte Mühe überhaupt einen Bissen zu genießen. Sie war total überfordert. Jan redete und redete. Sie verstand nur die Hälfte, wenn überhaupt. So abgehoben kannte sie ihn gar nicht, das musste wohl an dem Ambiente liegen, dachte sie. Er spitze die Lippen und tat übertrieben affektiert. Charlotte wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Ihr Blick in die Runde ließ sie jedoch noch mehr versteinern. Ihr kam es vor, als wenn sie nur verstellte Gesichter sah. So schlimm. Sie hatte plötzlich den Impuls die ganze Chose auf zu mischen. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich auf den Tisch steigen und ein Huhn imitieren. Dabei muss sie wohl so belustigt ausgesehen haben, dass Jan sie unterm Tisch anstieß und leise ihren Namen fauchte. Sofort klappte sie ihren Mund wieder zu und lächelte Jan erschöpft an.

„Ist ja gut Jan. Aber das ist hier nicht zum Aushalten. Ich geh mal auf das edle Pissoir. Hoffentlich weiß ich, wie ich das benutzen muss.“ Sie warf Jan einen grimmigen Blick zu.

Zwei Tische weiter blickte sie direkt in die Augen des Mannes. Er schaute sie an, wie ein Seelenverwandter. Wider erwarten beruhigte sich Charlotte. Es kam ihr vor, als wenn er ihr die Hand reichen würde. Als sie wieder zurück kam, war das Paar nicht mehr da.

„Wo sind sie hin?“fragte Charlotte entsetzt und schaute Jan hilflos an.

Jan schüttelte entnervt den Kopf, weil er so plötzlich und barsch bei seinem Essen gestört wurde. Und außerdem sprach Charlotte viel zu laut. Er sah, dass die Gäste ausnahmslos vorwurfsvoll zu ihrem Tisch blickten. Mit einem süffisanten Lächeln und einer beruhigenden Geste lenkte er die Aufmerksamkeit wieder weg von sich und Charlotte.

Verlegen schaute Charlotte Jan an. Es tat ihr aber nur bedingt leid. Sie wurde zunehmend wütender. Schließlich wusste Jan ganz genau, dass sie sich in so einer Umgebung von Protz und Reichtum nicht wohlfühlte.

Warum musste er dann ausgerechnet so einen noblen Schuppen aussuchen. Aber vielmehr war sie entsetzt, dass sich Jan dem ganzen Gehabe so eindeutig anpasste und sie dauernd maßregelte. Zu Hause war er auch nicht anders als sie. Locker mit Jogger, lustig und frei. Am liebsten würde sie ihren Freund kräftig durchschütteln.

Was wollte er hier? Nur nobel essen? Warum?

Und wo war nun das Paar von Tisch Nr.10? Der Mann mit dem tiefen Blick? Der, der sie total durcheinander gebracht hatte, aber letztendlich ja auch nur so einer von der Sorte reich und schön sein konnte.

Jan schaute Charlotte immer noch fragend an.

„Was?, fragte Charlotte kleinlaut.

„Du wolltest wissen, wer wo hin ist. Meintest du das Paar zwei Tische hinter uns? Der schlanke Mann mit dem grauen Anzug und seine Frau mit dem schicken Kleid in türkis? Die sind gegangen als du auf dem Klo warst.“

„Ja,“erwiderte Charlotte erstaunt. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass Jan sich für die anderen Gäste interessiert hatte. Hatte er letztendlich auch ihren Blickkontakt mit diesem Mann bemerkt? Ihre wurde wieder ganz heiß.

„Das war mein Bruder.“ Jan hatte ihn sofort entdeckt. Am liebsten wäre er wieder gegangen, hätte aber nicht gewusst, wie er das Charlotte erklären sollte. Das der aber auch ausgerechnet hier zur gleichen Zeit Urlaub machen musste. Jan nickte ihm nur kurz zu und machte ihm unmissverständlich klar, dass er an keinem Gespräch interessiert war. Dann setzte er sich so, dass er ihm den Rücken zu kehrte. Charlotte bekam von all dem nichts mit.

„Dein Bruder? Warum hast du nichts gesagt und uns vorgestellt?“ Charlotte konnte es nicht fassen.

„Ich kann ihn nicht leiden,“sagte Jan kurz. „Und außerdem ist er ein Angeber.“

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Texte: beim Autor
Bildmaterialien: beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2023

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