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...

 

 

Matti hatte sich Hals über Kopf in Anna verliebt.

Am Anfang war auch alles noch in Ordnung.

Sie hatten eine wunderschöne Zeit und er dachte:

Jep, das ist die Frau meines Lebens.

Und dann kam Annas kleine Tochter Emmy ins Spiel.

Anna hatte sie ihm erst mal verschwiegen, aus Angst

er könne sie verlassen.

Denn auch sie spürte, dieser Mann könnte es sein.

Endlich.

 

Emmy.

Emmy hatte geflochtene Zöpfe und Sommersprossen.

Mit ihren vier Jahren war sie ein Wirbelwind und ließ

Herzen schmelzen.

Als Matti Emmy das erste Mal sah, nahm er Reißaus.

Er verkroch sich in seinen eigenen vier Wänden und

wollte nichts mehr hören und sehen.

Er weinte stille Tränen.

Tränen der Verzweiflung und Schuld.

Tränen, die ihn seit dem Verschwinden seiner

Schwester begleiteten.

 

Es war im Urlaub.

Die Eltern wollten nur kurz einen Kaffee trinken,

aber die Kinder wollten lieber am Strand bleiben,

anstatt ein Eis zu schlecken.

Besonders Matti. Schaukelten doch die vielen bunten

Drachen im Wind. Was für ein Paradies für einen

kleinen Jungen.

Aber auch Rieke wollte lieber buddeln.

Und Matti, der große Bruder, versprach den Eltern

hoch und heilig auf seine kleine Schwester

aufzupassen.

Das tat er auch mit seinen acht Jahren.

Er behielt sie im Blick, aber auch die vielen

bunten Drachen. Er lief ihnen hinterher.

Nur ein kleines Stück, wie er dachte.

Und dann fand er Rieke nicht mehr.

Sie war einfach weg.

Panisch suchte er am Strand und dann sah er

plötzlich die aufgeregten Eltern vor dem

verlassenen Buddelzeug.

Jahrelanges Suchen ohne Ergebnis.

Rieke blieb verschwunden.

 

Und all die Jahre lag für Matti der dunkle Vorwurf

in der Luft und in den Blicken der Eltern:

Du hast Schuld.

Er konnte sich davon nicht mehr befreien.

Auch wenn die Eltern die volle Verantwortung

auf sich nahmen und ihm immer wieder beteuerten,

dass er keine Schuld hätte.

Es half nichts.

Es gab Zeiten, da waren die Gedanken weit weg,

aber es gab auch Zeiten, wo ihn alles wieder

einholte.

 

Und Annas Tochter riss alle Wunden wieder auf.

Alle.

 

Matti war verzweifelt.

Er hielt das Foto seiner kleinen Schwester Rieke

in den Händen. Sie zitterten.

Und das Bild der kleinen Emmy war so in seinem Kopf

festgebrannt, dass sich die beiden Bilder überlagerten.

Wie sollte er das nur aushalten?

Was sollte er nur tun?

Anna verlassen, damit er Emmy nicht mehr sehen

musste?

Unmöglich.

Er liebte Anna.

Schon nach zwei Tagen fehlte sie ihm so sehr.

Er wollte sie wieder in den Armen halten und sie

ganz nah bei sich haben.

Das wurde ihm immer deutlicher bewusst.

Er wollte sie nicht verlieren.

Matti lag kraftlos im Bett und sehnte sich nach inneren

Frieden.

Rieke.

Emmy.

Anna.

 

Er hätte nicht gedacht, dass ihn ein kleines Mädchen

so aus dem Gleichgewicht werfen könnte.

Er musste sich dem Leben stellen, dass wusste er.

Er wusste nur nicht wie.

Er wusste auch nicht, wie er sich Anna erklären sollte.

Die Zeit verstrich und Matti hatte Angst alles falsch

zu machen.

 

Tage später stand er vor Annas Tür.

Verunsichert schaute sie ihn an, aber auch

erleichtert, dass ihm nichts passiert war.

Matti nahm sie nur in seine Arme und sagte ihr,

dass er sie beide lieben würde.

Und tatsächlich, er fing an das kleine Mädchen

in sein Herz zu schließen.

Nur wenn er sich unbeobachtet fühlte,ließ er hinter

geschlossenen Augen seinen Schmerz an sich

vorüber ziehen.

Dann sah er seine kleine Schwester,

hörte ihre helle Stimme und sah ihr Lächeln.

Er spürte tiefe Trauer und wusste dann in dem

Moment einfach nicht, wie er sich retten konnte.

 

Anna nahm natürlich die Veränderung an Matti wahr,

konnte ihn aber nicht damit erreichen, dass sie sich

Sorgen machte.

Matti stritt alles mit Stress auf der Arbeit ab

und Anna glaubte ihn.

Sah sie doch, dass er sich rührend um Emmy

kümmerte, fühlte sie sich doch von ihm geliebt.

Alles andere würde sich wieder geben.

Dachte sie.

 

Aber Matti konnte so stark sein wie er nur wollte.

Er zerbrach innerlich immer mehr.

Er wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit

sein würde und Anna sein Geheimnis aufdecken

würde.

Er spürte immer mehr, dass er keine Kraft mehr

hatte, es ihr zu verheimlichen.

Bei einem Spiel mit Emmy und Anna,

er war so versunken in Emmys Augen,

sprach er sie mit Rieke an.

Die Zeit schien stillzustehen...

keiner wagte auch nur zu atmen...

...und Matti sank in sich zusammen und konnte

seine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Stück für Stück offenbarte er sich Anna.

Sie hörte ihm zu.

Hielt seine Hand.

Versuchte zu verstehen.

Wollte helfen.

Sie wollte alles noch einmal aufrollen.

Aber Matti schaute ihr tief in die Augen und

schüttelte kaum merklich den Kopf.

Nein.

Er könne das alles nicht noch einmal ertragen.

Die Suche.

Die Hoffnung.

Die Enttäuschung.

Aber das Teilen seiner Schuld mit ihr,

das würde ihn wieder stärken.

Daran glaubte er.

Und er glaubte an die Liebe.

 

Impressum

Texte: beim Autor
Bildmaterialien: beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 16.03.2018

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