Camilla stand im Garten mit einem Glas Wein in der
Hand und schaute in den sternenklaren Nachthimmel.
Der Große Wagen direkt vor ihren Augen.
Liebe.
Lachhaft.
Sie hätte es wissen können.
Nein müssen.
Wie konnte sie nur so dumm sein.
Das Ende kam ihr dem Sterben gleich.
In ihrem Herzen war alles erloschen.
Sie fühlte eine jämmerliche Leere.
Camilla stellte ihr Glas ab und wickelte ihre Arme
um sich. Nicht, weil es kalt war. Nein.
Sie brauchte einen Halt und sie wusste,
der konnte nur von ihr selbst kommen.
Kalt war es nur in ihrem Herzen.
Eiskalt.
Sie stand da und schaute mit leerem Blick ins Nichts.
An nur einem Tag habe ich alles verloren,
dachte sie verbittert.
Hinter ihr lag das prachtvolle Anwesen,
dass sie nun verlassen sollte.
Dieses übertrieben große Haus.
Dieser Reichtum, indem sie sich von Anfang an nicht
wohlgefühlt hatte.
Sie fühlte Hass und Wut in sich aufsteigen.
Ihren Impuls laut aufzuschreien, oder zu weinen oder
gar etwas zerstören zu wollen, konnte sie kaum
zurückhalten.
Nein, ihr Mann machte ihr keinen Druck.
Keineswegs.
Sie solle ihm lediglich Bescheid geben, wenn sie etwas
passendes für sich gefunden hätte. Denn dann
erst käme er wieder zurück aus der Praxis.
Er würde sich auch um die Scheidung kümmern, obwohl
er sie nicht wolle, sondern sie.
Wie großzügig und großkotzig, dachte Camilla
angewidert. In ihren Augen funkelte es hasserfüllt.
Wie konnte sie damals nur diesen Mann heiraten.
Alles nur wegen ihren Eltern und ja,
auch wegen dem Geld.
Verdammt.
Als wenn sie es nötig gehabt hätte.
Camilla rührte sich nicht von der Stelle.
Sie schaute weiter ins Nichts und konnte alles
nicht fassen.
Plötzlich hallten ihr die Worte ihrer besten Freundin
Francesca im Ohr:
Camilla, tu es nicht.
Du willst es doch gar nicht.
Das bist nicht du.
Wie Recht sie doch damals hatte.
Hätte sie doch nur auf sie gehört.
Und nun kam ihr alles so vor, als wenn sie die Geschichte
schon Tausendmal im Klatschblatt gelesen hätte.
Wie konnte ihr das nur passieren.
Kraftlos ging sie in die Knie.
Sie fühlte sich endlos enttäuscht.
Aber das war es nicht alleine,
was ihr die Luft zum Atmen nahm.
Camilla stellte ihr Glas ab und schaute zum
Schlafzimmer hoch. Sie durchlebte noch einmal
den Augenblick, wie sie ihrem Mann heute Morgen
kühl und überheblich sagte,
dass das die letzte Nacht mit ihm gewesen sei.
Er müsse doch gemerkt haben, dass diese Ehe
keine Liebesehe war.
Dass seine Liebe von Anfang an der Klinik galt und
dass ihr die Gespräche über den Schönheitswahn
seiner Patientinnen schon lange zum Halse
heraushingen.
Das alles kann ihm doch nicht entgangen sein?
Das waren ihre Worte.
Sie kamen ihr tief aus der Seele und sie hätte sie ihm
schon viel eher sagen müssen,dachte sie nun.
Aber das Gefühl des Triumphs sich ihm einmal
gegenüber überlegen zu fühlen, das war schon was.
Bei den Gedanken musste Camilla kurz lächeln,
obwohl ihr zum Heulen zu Mute war.
Wusste sie doch, dass dieses Glücksgefühl nur von
kurzer Dauer war, denn seine Antwort hatte sie so
nicht erwartet.
Nein. Es war ihm nicht entgangen.
Schlimmer, es war ihm egal.
Und er wüsste schon längst,
dass sie einen Anderen hätte.
Ob sie denn dächte, dass er das nicht bemerkt hätte?
Camilla konnte nun nicht mehr an sich halten.
Hemmungslos weinte sie.
Antonio.
Sie kannten sich seit gut zwei Jahren.
Aus anfänglicher Freundschaft wurde leidenschaftliche
Liebe. Sie wussten beide, dass sie nicht frei waren,
aber sie konnten nicht voneinander lassen.
Sie versprachen sich ewige Liebe und wollten sich
irgendwann dazu bekennen.
Camilla schluchzte laut auf und vergrub ihr Gesicht
in ihren Händen. Dann wurde sie wütend und trank
aus lauter Verzweiflung gleich aus der Flasche.
Wie konnte er ihr das nur antun?
Und wie konnte sie sich nur so täuschen lassen.
Sie war nicht nur wütend auf Antonio,
nein sie war vor allem wütend auf sich selbst.
Als sie jetzt daran dachte mit welcher Aufregung sie ihn
heute erwartet hatte, und mit welcher Euphorie sie sich
ihm an den Hals geschmissen hatte, um ihm mitzuteilen,
dass sie ihrem Mann alles gesagt hatte, schüttelte sich
ihr Körper erneut von heftigen Weinkrämpfen.
Er könne sich nicht, wie sie, an sein Versprechen halten.
Er könne die Mutter seiner zwei Kinder nicht verlassen.
Er könne es einfach nicht tun.
Das müsse sie doch verstehen.
Er könne ihre Erwartungen nicht erfüllen.
Ihm sei klar geworden, dass seine Kinder über
alles standen.
Nein, es hätte nichts mit ihr zu tun.
Seine Worten wollten nicht mehr aus ihrem Kopf
verschwinden. Betäubt stand sie im Garten.
Sie könnte versuchen,
den Scheidungsantrag rückgängig zu machen.
Sie könnte Antonio anflehen,
es sich noch einmal zu überlegen.
Sie könnte einfach so tun, als sei nichts geschehen.
Sie schaute fragend in den sternenklaren Himmel.
Der abnehmende Mond hing friedlich zwischen
den Sternen. Was konnte sie vom ihm schon erwarten,
eine Antwort wohl kaum.
Trotzig wischte sie sich ihre Rotznase an ihrem
Pullover ab. Sie wusste nicht wohin mit sich.
Nun wurde es doch kalt.
Sie ging langsam ins Haus zurück.
Dabei sang sie das italienische Schlaflied.
Das Schlaflied ihrer Kindheit.
Wie recht doch Francesca hatte.
Plötzlich sehnte sich Camilla nach ihrer Heimat.
Nach den Gerüchen und Klängen,
nach der Liebe und Wärme.
Nach der Ehrlichkeit, der Freiheit und Ihrem Ich,
dass sie dort gelassen hatte.
Im Haus legte sie ihren sündhaft teuren Schmuck ab
und zog sich ein einfaches Kleid an.
Koffer packen? Nein, wozu?
Nein, sie brauchte und wollte nichts aus diesem Haus.
In ihrem Drang nach Freiheit riss sie alle Fenster und
Türen auf bevor sie in ihr Auto stieg und
der Melodie entgegen fuhr.
Texte: alle Rechte beim Autor
Bildmaterialien: alle rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 21.03.2017
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