Rot.
Sie trug ein wunderschönes rotes Kleid.
Ihr Lächeln.
Es verzauberte ihn.
Er spürte den magischen Moment.
Es schlug ein in seinem Herzen.
Und er wusste sofort, dass es kein zurück mehr gab.
Aus dem Nichts ein Leben voller Liebe.
Zweisamkeit.
Harmonie.
Er war sich so sicher.
Bis er eines Tages in leere Augen schaute,
wo die Liebe durch Tränen weggespült war.
Ins Nichts.
Till saß im Kaffee und wartete auf Frieda.
Wie immer war sie zu spät.
Und wie immer ärgerte er sich über die verlorene Zeit
und er hörte schon ihre lachenden Worte,
dass er sich nicht so haben solle.
Aber er würde ihre Unpünktlichkeit nie akzeptieren
können.
Warum verstand sie es nicht?
Vier Jahre immer wieder das gleiche Spiel des Wartens.
Er hatte es so satt.
Till fühlte, dass er sich heute förmlich in seine Wut
steigerte.
Er wusste nicht so recht warum gerade heute und jetzt.
Er versuchte sich abzureagieren, indem er die Leute um
sich herum beobachtete.
Es half nichts.
Er bestellte sich noch einen Kaffee.
Frieda, wo blieb sie nur?
Frieda.
Er liebte Frieda. Betonte es immer und überall.
Frieda mit ihren großen braunen Augen, ihren kleinen
festen Brüsten und ihren viel zu großen Füßen.
Die brauche sie, sagte sie immer lächelnd,
sonst würde sie umfallen im Sturm der Zeiten.
Und besonders bei ihm. Bei Till.
Wie oft hatte er das schon von ihr gehört.
Und es stimmte. Oft war sie ihm voraus. Überrannte ihn
und schaute dann fragend zurück.
Ja, sie brauchte bei ihm ihre großen Füße.
Till musste schmunzeln.
Und ja, er ließ sie eilen und ließ sie zeitweilig auch
aus seinem Blick.
Ausgerechnet jetzt fragte er sich, warum er das tat.
Warum?
Lag es an dem roten Kleid der Frau, die ganz hinten
alleine in der Ecke saß?
Till schaute in seinen Kaffee, als wenn da die Antwort
zu finden wäre.
Plötzlich überkam ihn eine unglaubliche Müdigkeit.
Alle Kraft schien aus ihm zu weichen.
Er schloss die Augen und stöhnte innerlich.
Das war der Moment, den er so hasste,
den er immer zu ignorieren versuchte.
Immer und immer wieder.
Der Moment, in dem er sich auf einmal so leer
und unverstanden fühlt.
So ausgeliefert und innerlich so kalt.
Dennoch getrieben.
Ins Nichts.
Denn wenn das passierte, dann wurde ihm Frieda
plötzlich zu viel. Zu schrill, zu überdreht und
einfach fremd und egal.
Dann zweifelte er nicht an ihrer, sondern an seiner Liebe.
Dann sah er einfach rot.
Das rote Kleid.
Ihr zauberhaftes Lächeln.
Roch sie und meinte ihre Nähe zu spüren.
Dann wollte er wieder eintauchen in diesen magischen
Moment von damals.
Warum nur, hatte er sie gehen lassen.
Warum nur, war er sich so sicher gewesen.
Warum nur, hatte er ihre Tränen nicht gesehen.
Und warum hatte er das alles nicht verstanden?
Bis heute hatte er das alles noch nicht verstanden.
Schlagartig wurde ihm schmerzlich bewusst,
dass es immer noch nicht vorbei war.
Und er begriff, dass Frieda am allerwenigsten
etwas dafür konnte.
Simona nippte genüsslich an ihrer Milchschokolade.
Für einen kurzen Augenblick fühlte sie sich
beobachtet, obwohl doch eigentlich sie hierher kam,
um zu beobachten.
Lag es etwa an ihrem roten Kleid?
Zu lange lag es schon im Schrank.
Sie wollte es endlich wieder tragen.
Der Mann, der sie kurz beobachtete, verdiente nun
ihre volle Aufmerksamkeit.
Wie aus dem Nichts veränderte sich seine Haltung.
So etwas hatte Simona noch nie gesehen.
Aus dem doch recht jugendlich wirkenden Mann
wurde innerhalb weniger Minuten ein äußerst traurig
dreinblickender zusammengesunkener Mann.
Simona fragte sich, was da wohl gerade mit ihm
passierte?
Und dann ging alles ziemlich schnell.
Eine hübsche lebenslustige, fast schrille Person
setzte sich neben ihn. Sie fing an zu reden,
wurde aber sofort unterbrochen von ihm.
Ihr wurde regelrecht das Wort abgeschnitten,
fand Simona.
Der Mann sagte etwas, stand auf und ging.
Und Simona konnte zum zweiten Mal innerhalb
kürzester Zeit beobachten, wie ein Mensch in sich
zusammenfiel.
Nun saß diese Frau, die gerade noch überschäumend
daher kam, völlig fassungslos am Tisch.
Simona hätte zu gerne gewusst, was gerade zwischen
diesem Paar passiert war.
Es musste etwas tiefgreifendes gewesen sein,
denn die Frau bestellte sich am hellerlichten Tag
einen Doppelten.
Texte: alle Rechte beim Autoren
Bildmaterialien: alle Rechte beim Autoren
Tag der Veröffentlichung: 19.12.2015
Alle Rechte vorbehalten