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Atemlos

 

Zwischen zwei Beerdigungen.

Vater und Schwiegermutter.

Momentan habe ich kein Gefühl für mein Gefühl.

 

Ich konnte kaum atmen an seinem Bett.

Zum Glück schlief er meistens.

Lag da wie ein Kleinkind unter der Decke.

Gewickelt. Hilflos.

Ich hielt seine Hand.

Zaghaft.

Tränen liefen geräuschlos über mein Gesicht.

Zu Hause.

Am Sterbebett meines Vaters.

 

Sah die Angst und Verzweiflung meiner Mutter.

Die Kraft der Liebe.

Und ich wünschte mir im Stillen,

dass er einfach weiter schläft ohne Morgen.

Durfte ich das?

Er war schwer krank. Schon lange.

Gehalten von Medikamenten.

Nun zu schwach dem etwas entgegen zu setzen.

War ich herzlos?

 

Traurigkeit war mein stärkstes Gefühl.

 

Ich wusste nicht,

ob er mich noch als seine Tochter wahrnahm.

Seine Augen waren meistens geschlossen,

sein Atem rasselte

und ich sang ihm in meiner Hilflosigkeit etwas vor.

 

Für seinen Urenkel schien er noch einmal

all seine Kräfte zu mobilisieren,

versuchte ein Lächeln und begrüßte
     ihn mit wackliger Stimme: Heinrich.

In dem Moment brach mir das Herz.

Freude und Wehmut lagen ganz eng beieinander.

Für mich gab es keine Worte mehr.

Dafür kam ich diesmal zu spät.

 

Wir waren die letzten Tage alle bei ihm.

Wechselten uns ab. Befeuchteten seine Lippen,

mehr war nicht möglich.

 

Das Loslassen war so schwer.

 

Wenige Wochen nach seinem Tod

wandle ich immer noch zwischen den Bildern

und scheine irgendwie nicht zu begreifen.

Ich bin noch nicht bereit für die nächste Beerdigung

und doch muss es sein.

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: alle Rechte beim Autoren
Bildmaterialien: alle Rechte beim Autoren
Tag der Veröffentlichung: 06.07.2015

Alle Rechte vorbehalten

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