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Ich sitze an deinem Bett, starre auf die Monitore, sehe die Schläuche, die in dich hineingehen und höre das monotone Piepen, dass mir sagt, soweit alles in Ordnung.
Deine Eltern sind gerade gegangen. Hoffnungsvoll. Dein Zustand ist stabil, sagen die Ärzte. Stabil im künstlichen Koma.

Vor 72 Stunden hast du dich von mir verabschiedet. Mit dem schönsten Lächeln, mit einem innigen Kuss. Ich spürte deine Wärme und war mir meiner tiefen Liebe zu dir bewusst. Es schmerzte mich zu wissen, dass dein Hang zum Klippenspringen meine Angst lächerlich machte. Jedes Mal blieb ich stumm zurück und betete, sehnte den Augenblick herbei, dich wiederzusehen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schlimm die Stunden des Wartens für mich waren, denn das Gefühl der Angst das kanntest du nicht. Das Leben ist ein Spiel, sagtest du, als wir uns kennen lernten. Den Würfel, den du mir damals lächelnd schenktest, trage ich ständig bei mir.

Ich habe Hunger, kann mich aber nicht dazu durchringen, dein Bett zu verlassen.
Ich schaue in dein Gesicht. Es ist gezeichnet von deinem Sturz. Mir scheint, dass deine Lider flackern. Ich möchte dich streicheln, wage mich aber nicht, dich anzufassen.

Dieses Mal ist es schiefgegangen. Ich weiß nicht wie und warum, ich weiß nur das. Sensationslustige waren sofort zur Stelle, die Polizei informierte mich.

Ich sitze da und weine.
Halte nun doch deine Hand.
Leichte Wut kommt in mir hoch.
Du wolltest dieses Jahr endlich mit dem Klippenspringen aufhören. Deine, unsere Freunde, hatten schon längst den Absprung geschafft. Nur du suchtest immer wieder den Kick, konntest einfach nicht genug bekommen.
Ich habe es nie verstanden und werde es auch nie verstehen.
Wir wollten ein Kind. Nächstes Jahr.
Ich schaue dich an.
Lange und intensiv.
Mir wird eiskalt.
Ich ziehe meine Hand zurück.
Die glücklichen Bilder sind Vergangenheit.
Ich weiß es.
Genau in diesem Moment spüre ich tief in mir, dass ich dich nie wieder so sehen werde, wie vor 72 Stunden.
Das, was nun kommen wird, wird unser Leben  schlagartig verändern.
Du wirst damit nicht zurecht kommen und ich noch weniger.
Ich weiß es.
Ich weiß, dass ich dazu nicht die Kraft haben werde.
Ich werde mich dafür hassen und ich werde dich hassen, weil du mir das angetan hast. 
Ich bin noch so jung.
Verzweiflung macht sich in mir breit.
Ich sitze kopflos an deinem Bett und habe Angst.
Das monotone Piepen macht mich wahnsinnig.
Bevor ich gehe, drücke ich noch einmal deine Hand und lege dir den Würfel hinein. Deinen ganz speziellen Würfel ohne Zahlen.





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Texte: alle Rechte beim Autoren
Tag der Veröffentlichung: 25.01.2014

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