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Traurig aber auch erleichtert schaute Ella in den Himmel. Vier Flugzeuge sah sie in den letzten zehn Minuten vorbeifliegen und sie war sich ganz  sicher, dass Tim in einem davon gesessen hatte.
Tim.
Ein erfolgreicher Schönheitschirurg. Auf dem Weg nach Amerika, für ein Jahr oder länger. 
Ella trank hastig ihr Glas Sekt aus und lehnte sich im Liegestuhl zurück.
Sie ließ ihre Gedanken spazieren gehen. 

Tim rauschte vor zwei Jahren in ihr Leben. Ohne Vorwarnung. Setzte einen Anker, der sie aus dem Gleichgewicht brachte. Mit seinem Reichtum und seinem Charme  beeindruckte er sie dermaßen, dass sie  sich von heut auf morgen aus ihrer kleinen bescheidenen engstirnigen Welt herausgerissen  fühlte und plötzlich ihre zehnjährige Ehe als fad und langweilig empfand.
Ihr Mann Robert  brachte sie mehr und mehr zur Verzweiflung, war ihr plötzlich nicht mehr gut genug. Schon allein wie er sich kleidete. Immer T-Shirts und Jeans. Niemals Hemd und Hose. Einfach kein chic. Und diese Interesselosigkeit. Ella konnte so gar nicht verstehen, warum er sich mit ihr nicht mal über wissenschaftliche Themen unterhalten wollte und sich gegen jeglichen Fortschritt sträubte. Das konnte man doch nicht so außer acht lassen.
Aber am Schlimmsten empfand Ella, dass er ihr keine Aufmerksamkeit mehr schenkte, sie nicht mit kleinen Geschenken überraschte  und keine lieben Worte mehr für sie übrig hatte. 
Tim konnte das alles.
Natürlich.
Ein romantisches Essen hier, eine luxuriöse Nacht da und alles mit lieben Worten verpackt. Verführerisch lockte er sie ständig in sein Reich. Es war ihm ein Vergnügen und ihr eine Lust.
Ella schwebte zwischen Tim und ihrem Mann so dahin. Sie genoss den heimlichen Zauber, war aber auch immer auf der Hut, dass Robert nichts merkte. In Gedanken spielte sie Aschenputtel und Prinzessin. Es wurde ein heißes Spielchen. Dennoch hatte sie kein schlechtes Gewissen. Sie schämte sich lediglich darüber, dass sie an Tims Fesselspiele im Bett immer mehr Gefallen fand.
Alles ging gut, bis Tim sie mit nach Amerika nehmen wollte.
Für die ganze Zeit.
Nun fing Ella erstmalig an, sich ernsthaft Gedanken zu machen.
Liebte sie Tim?
Nein. Liebe spürte sie nun wirklich nicht. Aber ein Begehren, nach was auch immer, das spürte sie. Das war da. Stark und fast auch fortwährend. Es machte ihr Angst, weil sie es nicht so recht beherrschen konnte. Das Begehren. Das war wie ihre Sucht nach Schokolade. Plötzlich war sie da. Die Sucht. Unberechenbar. Aber genauso plötzlich war sie auch wieder weg. Die Sucht. Kam nur immer mal wieder. Ella war sich sicher, dass dieses plötzliche Begehren irgendwann auch wieder verfliegen würde, genauso wie ihr Heißhunger auf Schokolade. Begehren und Sucht reichen sich  die Hände.
Damit ging das Spiel eindeutig für Tim verloren.
Denn Ella gehörte schließlich zu Robert. Sie wohnten zusammen und waren verheiratet. Sie würde ihren Robert doch nie im Stich lassen. Niemals. Denn sie liebte ihn. Das fühlte und spürte sie doch ganz tief in ihrem Innern. Die Liebe. Ihr Herz sagte ihr, dass ihre Liebe zu Robert eindeutig mehr zählte als ihr zeitliches Begehren und sie würde das alles nicht aufs Spiel setzen. Sie würde ihre zugegebener Weise wohl eingeschlafene Liebe wieder auf Vordermann bringen. Ja, das wollte sie. Mit ganzer Kraft. Sie spürte, das da noch nicht alles verloren war. Und über die ganzen kleinen Nebensächlichkeiten, die sie manchmal so störend an Robert fand, darüber müsste sie einfach nur mal mit ihm reden.

Nun war sie wieder ganz offen für ihren Mann. Wollte an seiner Seite gemeinsam die nächste Zeit verbringen.
Hatte ihr also die kurze oder vielleicht doch schon etwas längere Liason endlich mal die Augen geöffnet. 
Was war sie froh darüber.

Mit diesen Gedanken erwartete Ella sehnsüchtig ihren Mann. Sie wusste, dass ihre Entscheidung richtig war. Sie war glücklich.
Mit dem leeren Sektglas in ihrer Hand betrachtete sie die untergehende Sonne. Fast wäre sie eingeschlafen, als sie endlich ihren Mann kommen hörte.  Innerlich  ruhig, lächelte sie ihm entgegen.

Robert blieb an der Balkontür stehen und schaute seine Frau an. Er hatte nicht erwartet, sie so vorzufinden. So weich und zärtlich im Ausdruck, ihm voll zugewandt. Wann hatte er Ella das Letzte mal so gesehen? Vor zwei Jahren? Egal. Seine Entscheidung, sie zu verlassen, stand  unwiderruflich fest. Jetzt. Hier und heute.
Was er in der letzten Zeit ständig dachte und ihn zu seinem Entschluss bewogen hatte, schrie sie ihm nun entsetzt entgegen.
Das kannst du nicht mit mir machen!

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Texte: alle Rechte beim Autoren
Bildmaterialien: alle Rechte beim Autoren
Tag der Veröffentlichung: 17.10.2013

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