Cover

Schwarze Liebe

 

Mona

 

Du Feigling.

Wie konntest du mir das nur antun?

Erschöpft lehnte sich Mona im Park an einen Baumstamm. Haltgebend nahm er sie auf. Viel zu schnell war sie gelaufen und auf ihre Atmung hatte sie auch nicht geachtet. Ihr inneres Gleichgewicht wollte sie wieder finden, aber sie war fast noch aufgewühlter als zuvor.
Nichts würde mehr so sein, wie es mal war, dachte sie tief traurig.
Nichts.
Der Anruf in der Nacht hatte alles zerstört.
Niedergeschlagen umarmte sie den Baumstamm und weinte nun doch. Sie legte sich ganz in seine kräftigen Arme und ließ sich von dem leisen Rascheln der Blätter trösten.

Charles, warum hast du mir das nur angetan?

In Gedanken sah sie sich als junge Praktikantin in London.
An ihrem letzten Tag traf sie ihn im Kaffee. Ein Banker. Jahre älter als sie. Er stand da und lächelte sie an. Zaghaft nahm sie die Einladung auf ein Eis an. Sie redeten über dies und das, lachten über jenes. Sie fand ihn nett, mehr als nett und sie wusste sehr schnell, dass sie ihr Herz verloren hatte.

Mona merkte nun wie sich ihr Herz vor Schmerz zusammenkrampfte. Das war Liebe auf den ersten Blick, flüsterte sie leise.

Sie trafen sich damals tatsächlich wieder. Mona hatte es kaum zu wagen gehofft.
Er kam nach Hamburg. So, wie es seine Arbeit und ihr Studium zuließen, trafen sie sich.
Eher sporadisch.
Und eher selten.
Er war schließlich sehr eingebunden in leitender Position. Da gab es Kongresse und Geschäftsreisen im Ausland.
Mona verstand und akzeptierte es, wollte ja selbst die Karriereleiter nach dem Studium ganz nach oben. Und sie schaffte es. Die Arbeit und der Erfolg wurden ihr ein und alles.
Ohne dem konnte sie nicht.
Und ohne Charles konnte sie auch nicht.
Dass Charles lieber bei ihr in Hamburg war, das spürte sie. Da waren seine Gesichtszüge weicher, seine Hände gieriger, seine Liebe leidenschaftlicher. Er könne sich in Hamburg besser fallen lassen, meinte er. In London fühle er sich immer vereinnahmt von seiner Arbeit. Sie saß ihm da förmlich im Nacken. Die Arbeit. Außerdem fehle ihm in London die Freiheit.
Anfangs sträubte sich Mona dagegen. Fand seine Argumente nämlich auch passend für sich. Ruhephasen in London taten auch ihr gut. Allerdings stahlen sie ihr auch Zeit. Zeit, die sie für ihre Arbeit brauchte. Nur deshalb gab sie irgendwann nach.
So wurde Hamburg ihre gemeinsame Stadt, wo sie sich trafen und liebten.
Von Jahr zu Jahr.
Mal mehr mal weniger.
Alles war perfekt.
Karriere und Liebe.

 

 Charles

 Lass dich nie wieder hier blicken.
     Verschwinde.
     Du bist so ein feiges Arschloch.

Monas kreischenden Worte hallten immer noch in seinen Ohren. Angespannt und niedergeschlagen saß Charles im Flieger nach London.
Die ganze Zeit, Jahr für Jahr, hatte er Angst, dass sie es erfahren könnte. Und nun war es passiert.
Durch den Anruf in der Nacht.
Charles schloss die Augen. Er fühlte sich überfordert und hätte sich am liebsten im Nichts aufgelöst.
Er dachte zurück, wie alles angefangen hatte.

Wütend stand er in einem Kaffee. Seine Frau war das Letzte. Reingelegt hatte sie ihn. Hatte der Trennung zugestimmt und nun kam sie ihm damit, dass sie schwanger war.
Der Kaffe schmeckte so schrecklich, wie er sich fühlte.
Dann sah er sie. Wie ein Sonnenschein kam sie daher. Unwillkürlich musste er sie anlächeln. Sie lächelte zurück. Er lud sie auf ein Eis ein und sie nahm an.
Fasziniert war er von ihrer Ausstrahlung. Er verliebte sich sofort in ihre unbeschwerte Art. Weggeschoben war die Wut auf seine Frau, fast vergessen. Die junge Studentin gabelte ihn auf und nahm ihn mit in ihre Welt. Sie verzauberte ihn und er fühlte sich in dem Augenblick so unglaublich frei, wie schon lange nicht mehr.

Wohlige Wärme machte sich in ihm breit bei diesen Gedanken. Mona ich liebe dich, flüsterte er leise.

Monate später war er dann bei ihr. Er konnte sie nicht vergessen. Und wieder zog sie ihn in ihre Welt und er war wieder fasziniert von ihrem fröhlichen Wesen und ihrer Art, Dinge zu genießen und in allem nur das Schöne und Positive zu sehen. Sie verstand es, wie keine Andere, ihn vergessen zu lassen. Er genoss diesen Moment. Weit weg fühlte er sich von seinem realen Leben.
Hamburg, so fand er, war der ideale Ort zum Abtauchen.
Er brauchte es.
Und er brauchte Mona.
Ihm wurde Angst und Bange, als Mona zu ihm nach London wollte. Wie sollte er ihr erklären, dass es da noch eine Frau und ein Kind gab. Dass das auch sein Leben war. Nicht so sehr die Frau, aber das Kind, dass er über alles liebte und nie aufgeben würde. Die Frau war nur das Muss dazu.
Eine kleine Wohnung am anderen Ende der Stadt musste her. Wie erleichtert war er, als Mona diese als unpersönlich, kalt und zu klein empfand.
So wurde Hamburg ihre gemeinsame Stadt, wo sie sich trafen und liebten.
Sporadisch.
Nicht festgelegt.
Ganz so, wie die Zeit es zuließ.
Charles war jedoch ständig hin und hergerissen. Er konnte London nicht für Mona aufgeben und er konnte Mona auch nicht an seinem Leben in London teilhaben lassen. Ihm war bewusst, dass er Mona für sich missbrauchte. Er tankte bei ihr die Kraft, die er für sein Leben in London brauchte. Für sein Leben, von dem Mona keinen blassen Schimmer hatte.
Er belog sie.
Er belog seine Frau.
Und er belog sich selbst.

Bei diesen Gedanken stöhnte Charles innerlich auf. Nie zuvor war ihm das so klar gewesen, wie jetzt im Flugzeug auf dem Weg zurück nach London. Er fragte sich, wie er nur so lange lügen konnte?
Schnell fand er eine passende Erklärung.

Mona machte ihm das Lügen leicht. Sie war eine Karrierefrau. Durch und durch. Sie wollte im Rampenlicht stehen. Sie nahm alles mit, was sich ihr bot. Mehr als er selbst in seine Arbeit investierte, war sie bereit für ihre zu geben. In dem Sinne war er froh, dass die Arbeit Monas Leben zum größten Teil bestimmte. Für ihre Liebe blieb da manchmal wenig Zeit. Dennoch hatte er immer den Eindruck, dass sie genauso glücklich war wie er.
Von Jahr zu Jahr mehr.
Es pegelte sich ein.
Seine Liebe in Hamburg und sein Leben in London.

 Mona

Mona hatte genug geweint. Sie entließ den Baum aus ihrer Umarmung. Sie lehnte sich gegen ihn und schaute nach oben. Ein Vogel flatterte von Ast zu Ast und erhob sich dann mit kräftigem Flügelschlag in die Lüfte. Bald war er verschwunden.
Ihr Blick blieb am Himmel hängen. Ganz weit oben sah sie den großen Vogel der Lüfte. Nun hat es sich ausgeflattert, dachte sie wütend.
Sie holte tief Luft.
Wieder hallte die ängstliche Stimme dieser Frau, seiner Frau, in ihren Ohren. Zu dicht lagen sie beieinander in der Nacht, so dass sie jedes Wort verstehen und Charles entsetzten Blick sehen konnte.

...Charles komme sofort von deiner Geschäftsreise zurück ... unser Sohn hatte einen schlimmen Fahrradunfall...

Mona konnte es einfach nicht fassen.
Sie war eine Geschäftsreise.
Charles hatte eine Frau und einen Sohn.
Er hatte sie jahrelang belogen.
Wie konnte er ihr das alles nur verheimlichen?
Am meisten war sie jedoch darüber entsetzt, dass sie selbst nichts gemerkt hatte.
Sie war sich ihrer und seiner Liebe so sicher.
10 Jahre.
Erklären wollte er ihr alles in der Nacht.
Es sei nicht so, wie es aussehe.
Nein, sie wollte das alles nicht hören.
Verschwinden sollte er. Das war alles, was sie in dem Moment wollte. Er sollte einfach nur verschwinden.
Traurig schaute Mona in den Himmel.
Sie fragte sich, ob sie ihn damals in ihr Leben gelassen hätte, wenn sie es gewusst hätte?
Ich hätte zumindest eine Wahl gehabt, dachte sie.
Und nun?

 

 Charles

Charles schaute aus dem Fenster. In wenigen Minuten würde er landen. London kam immer näher.
Sein Leben.
Sein Kind.
Sein zu Hause.
Seine Arbeit.
Sein Auto.
Seine Wohnung.
Seine Frau.
Zurückgelassen hatte er Mona.
Seine Liebe.
Verloren schaute er aus dem Fenster und merkte nicht, dass er weinte.

1

1

Impressum

Texte: alle Rechte beim Autoren
Bildmaterialien: alle Rechte beim Autoren
Tag der Veröffentlichung: 15.03.2013

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /