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Der Schuppen war krachend voll. Wie damals in den alten Zeiten vor gut 25 Jahren. Das hätte er so nicht erwartet. Er suchte sich einen freien Platz in der hintersten Ecke und beobachtete all jene, die sich in den melancholischen Jazzklängen suhlten.
Jazz.
Wie damals.
Bald ergriff auch ihn die Lust, sich an einem Körper zu reiben. So, wie er es hier immer mit ihr getan hatte.
Zum melancholischen Jazz. Vor Ewigkeiten.
Er war der letzte Gast. Die Bedienung, eine attraktive junge Frau, spülte die Gläser und beobachtete ihn stillschweigend.

“Kann ich hier schlafen? Oben, in einem der Zimmer?”
“Die gibt es längst nicht mehr. Aber du kannst.”

Er wartete bis sie fertig war und folgte ihr wortlos. Es war der Weg, den er aus früherer Zeit kannte. Er ging die Treppe hinter ihr hoch und fühlte sich Jahre zurück versetzt. Fast hätte er ihr scherzhaft unter den Rock gegriffen, wie er es damals immer bei ihr getan hatte. Er musste still in sich hinein lächeln. Wahrscheinlich hätte er sich nun eine Ohrfeige eingefangen. Die vorletzte Stufe knarrte immer noch.
Auf dem Klingelschild an der Wohnungstür stand kein Name. Die vier kleinen Zimmer waren nun ein modernes Großes.

“Du kannst da hinten in der kleinen Nische auf dem Sofa schlafen.”

Der ganze Raum roch nach ihr. Ein Duft, den er nie vergessen würde. Als wenn die Mauern ihn eingesogen hätten und ihn nun extra für ihn freilassen würden. Ihn schwindelte. Das musste eine Sinnestäuschung sein. Wortlos ging er ins Bad. Als er zurück kam, lehnte sie lasziv an der Wand mit einem Stück Melone in der Hand.

“Komm her und koste mich.”

Ein Lächeln begleiteten ihre lüsternen Worte. Sie führte die Melone zum Mund und hob mit der rechten Hand ihren Rock.
Ihm stockte der Atem. Langsam ging er zu ihr, erregt von ihrem schamlosen Verhalten. Mit ihren Blicken zwang sie ihn, ihr Verlangen zu verstehen.

“Und nun küss mich.”

Melonensüßes Teufelsweib.
Rasant hatte sie von ihm alles bekommen, was sie wollte. Fast erschrocken schaute er ihr in die Augen.

“Was willst du hier?”
“Wir haben uns hier immer geliebt.”
“Wahrscheinlich in einem der vier Zimmer.”
“Ja. Es ist, als wenn sie hier wäre.”
“Ist sie aber nicht.”
“Nein.”
“Und jetzt bist du allein?”
“Ja.”
“Gut. Alleinstehende Männer können kochen. Ich habe Hunger.”
“Und du?”
“Ich schau dir zu.”
“Nein, ich meine, bist du allein?”
“Nicht immer. Manchmal habe ich Hunger.”

Absurd fand er das Gespräch und absurd fand er die Situation. Er konnte sich ihr aber nicht entziehen. Irgendetwas fesselte ihn. Er zauberte ein köstliches Mahl, wofür sie sich hinreißend bedankte. Schmatzend strahlten ihre Augen.

“Dir gehört der Laden?”
“Ja.”
“Warum Jazz?”
“Meine Mutter wollte es so. Wegen der Erinnerung.”

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Texte: Text alle Rechte beim Autoren
Tag der Veröffentlichung: 21.10.2012

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