Cover

Auf der letzten Treppenstufe der Bäckerei kam Hubert ins Stolpern und fiel krachend in Helgas Leben ein.
Plötzlich und unerwartet.
Es war ein Einschlag.
Sie wussten beide, dass sie sich wiedersehen müssen. Am Nachmittag auf ein Kaffee.
Und dann wieder und wieder.

***

Schweigend saßen sie am Frühstückstisch. Helga knabberte an ihrem Brötchen.
Das erste mal seit Jahren war sie darüber erleichtert, dass die Zeitung ihren gemeinsamen Blick versperrte. Aber sie musste mit Alfred reden.
Es war etwas passiert.

Alfred 78, Helga 66.
Unzählige gemeinsame Ehejahre hatten sie in Freud und Leid verbracht.
Das Leben musste nun nur noch gemeinsam zu Ende gelebt werden.
Seite an Seite.
Hatten sie gedacht.
Er mehr als sie.
Sie hatte sich nur gefügt. Wurde langsamer, obwohl es noch schneller ging, steckte zurück und fing viel zu früh an, zu verblühen. Sie ließ es geschehen an der Seite ihres Mannes. Aus Liebe.
Und plötzlich kam noch einmal einer daher, der stramm vor ihr stehen blieb.
Einer, der liebenswürdig, sprachgewandt und aufmerksam war.
Einer, der sie auf Händen tragen wollte.
Was für ein Gewinn deutete sich da für sie an.
Was für eine Regung spielte sich da in ihrer Körpermitte ab.
Nein, das konnte sie nicht ignorieren.
Das musste sie noch mal ausprobieren.
Aber konnte sie sich auf ihre Gefühle verlassen?
Durfte sie das Alfred antun?
Ihrem Alfred.
Der mit ihr in Ruhe sein Leben zu Ende leben wollte.
Der von ihr in Ruhe gelassen werden wollte.
Der sie in Ruhe ließ.

Helga war hin und hergerissen. Sie fand keine Worte am Frühstückstisch und überhaupt.
Ausgerechnet Alfred brach das Schweigen.
Er fragte, was los sei? Er fand, dass sie sich verändert hätte, mehr Zeit im Bad verbrachte, wieder angefangen hätte zu summen und irgendwie jünger aussehe.
Er fragte laut und deutlich, was das zu bedeuten hätte?
Helga war gerührt, dass er es überhaupt wahrnahm. Das hätte sie ihm gar nicht zugetraut. Aber gerade das machte sie unheimlich traurig.
Denn sie hatte sich verliebt.
Das musste sie ihm nun sagen nach der ganzen Fragerei. Es sei einfach so passiert, sie könne nichts dagegen machen, gegen ihre Gefühle, sagte sie. Es täte ihr so furchtbar leid.
Papperlapapp. Verliebt. Das sei doch lächerlich, brüllte Alfred. Lächerlich in ihrem Alter und egoistisch obendrein. Jawohl.
Und dann blieb er still.
Sagte nichts mehr.
Und wollte auch nichts mehr hören.

Dachte sie käme von alleine wieder zur Vernunft.

Sie kam zu allem möglichen, nur nicht zu seiner Vernunft.

Und sie ging fort.

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Texte: Text und Cover alle Rechte beim Autoren
Tag der Veröffentlichung: 07.10.2011

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