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Ich folgte dem Tropfen mit meinen Augen, wie er über die Scheibe lief. Er war rein und suchte seinen Weg, fand ihn und lief immer weiter runter. Ja er war rein, wie es einst meine Seele war. Wie der Tropfen hatte auch sie geglitzert, wie ein ungeschliffener Diamant in der Sonne. Ich beugte mich vor und küsste den Tropfen von der Scheibe. Ich schmeckte ihn auf meinen Lippen und genoss die Nässe und das von ihr aus erfrischende Gefühl. Das Fenster wurde aufgerissen und eine ältere Dame schaute mich empört an. Unbekümmert drehte ich mich um und schlenderte durch den Vorgarten des mir unbekannten Hauses zurück zur Straße. Es war heiß. Die Sonne brannte auf meiner Haut und meine Lippen, die gerade noch die Nässe und damit verbundene Kühle genossen hatten, drohten zu vertrocknen. So fühlte es sich jedenfalls an. Ich stellte mir vor wie meine Lippen wohl aussehen würden, wenn sie wie Rosinen einfach austrocknen würden. Sie sähen aus wie die Lippen derer … Verbittert lachte ich auf, zog ein paar verwunderte Blicke auf mich und starrte böse zurück, woraufhin die Blicke sich abwandten. Zufrieden schaute ich in den Himmel. Graue Wolken zogen an ihm auf. Gleich würde es ein schönes Sommergewitter geben, in dem ich mich seit langem wieder sauber und lebendig fühlen könnte, weil die Gefahr mir einen Kick gab und der Regen meine verdreckte Seele reinzuwaschen schien. Zwar war das Reinheitsgefühl jeweils nur von kurzer Dauer, aber dafür schöpfte ich es in vollen Zügen aus. An der Ecke sah ich ihn stehen. Angelehnt an der Wand neben dem Antiquitätengeschäft. Ich wusste was er wollte, aber ich wollte es nicht schon wieder tun. Das letzte Mal erschien mir noch zu nahe. Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen, jedes Mal wenn ich es tat, wollte ich schreien, toben mich dagegen sträuben und weglaufen. Doch es war meine Pflicht den Betroffenen gegenüber. Ich konnte, durfte nicht anders. Im Vorbeigehen steckte er mir einen Zettel zu auf dem ein Name stand. Auch wenn ich wusste, dass ich diese Person nicht direkt umbringen konnte, aber spätestens wenn ich in das Krankenzimmer trat und sie leiden dort liegen sah, würde ich die Spritze ansetzen und sie erlösen so wie sie es wollte und mich beauftragt hatte. Manchmal denke ich darüber nach, warum ich mich schlecht fühle, wenn ich es getan habe.
Für diese Menschen bin ich doch ein erlösender Engel.

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Tag der Veröffentlichung: 07.06.2011

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