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Einsamkeit macht erfinderisch

Der junge Forscher Sakumo Windows verging oft vor Langeweile. Immer wieder war er alleine, hatte kaum was zu tun oder ihn gingen die Ideen für seine Forschung aus. Das war allerdings keine Seltenheit mehr.
Seine Forschungen wurden nur in der Universität für Chemiker ausgeführt. Dort konnte auch mal was schief gehen ohne dass gleich das ganze Gebäude in die Luft flog. Die Chemieräume wurden sogar extra verstärkt damit sich die jungen Forscher austoben konnten. Der Raum war aber nicht sonderlich groß, weil nur wenige Leute diesen Raum nutzen. Nur Sakumo kam regelmäßig her. Er hatte hier seine Ruhe und seine Forschungen ließ man in wo sie waren.
Aber wieder saß er auf seinen Stuhl und schaute müde ins Reagenzglas, was über den Bunsenbrenner gespannt war. Die Zitronensäure brodelte zwar, aber es machte leider nicht das was sich Sakumo erhofft hatte. Der Junge hatte einen Block unter seinem Arm und einen Kugelschreiber zwischen den Fingern. Immer wieder ließ er dieser auf den Block fallen. Jeden Tag hatte er jetzt die Formel geändert, andere Säuren oder Alkalien benutzt um eine Wirkung zu erzielen, aber es geschah nicht das Geringste. Seufzend zog er den Bunsenbrenner unter dem Reagenzglas weg und erstickte die Flamme. Das brachte doch alles nichts, dachte sich Sakumo und verließ den Raum wieder. Seine Sachen ließ er da wo sie waren. Der Schwarzhaarige mit den blauen Augen wusste nicht wieso er dieses Experiment unbedingt fertig haben wollte, aber in seinem Inneren brodelte es immer wieder wenn er daran dachte. Es gab viele Experimente die missglückt sind, aber Sakumo hatte immer weiter gemacht bis er eine Lösung gefunden hatte. Diese Hartnäckigkeit hatte er von seinem Vater und damals hatte es dann auch immer wieder geklappt. Früher sind ihn auch tausend Ideen durch den Kopf geschossen, aber das schien vorbei zu sein. Das jetzige Experiment sollte eigentlich nur die Farbe ändern, doch es ging einfach nicht und langsam verließen ihn der Mut und die Lust weiterzumachen.
Manchmal fragte er sich ob es nicht doch besser gewesen wäre den Mund zu halten, was seine Liebe zu Männern anging. Seine Eltern hatten ihn damals gedrängt still zu sein, aber er wollte seine Homosexualität nicht verstecken. Also gab Sakumo offen zu das er Schwul war und seit einem halben Jahr mit einem Mann zusammen war. Er war damals 18 Jahre alt gewesen und sein Geliebter war sieben Jahre älter, aber das war egal. Sakumo hatten damals alles auf eine Karte gesetzt und verloren. Die Anerkennung seiner Eltern, seiner Freunde und später auch von seinem Geliebten. Der brannte mit einer Frau durch und ließ den damals 18 jährigen zurück. Das war schon fünf Jahre her. Es war nicht leicht sein Leben danach wieder hinzubekommen, aber als er sich an der Universität einschreiben ließ wurde alles besser und er hatte auch nichts mehr von seinen Eltern, Freunden oder von seinem Ex etwas gehört. Später hielt er den Mund und log, was seine Neigung betraft. Es fiel dem Jungen zwar schwer alleine zu sein, doch daran konnte er nichts ändern. So war es und damit musste er sich abfinden.
Sakumo stand eine Weile an der Tür, die in seinen Chemieraum führte. Wieder gab er ein Seufzen von sich, ehe er seine weiße Jacke auf hing und seine Jeansjacke anzog. Sein schwarzer Wollkragenpullover passte immer perfekt dazu. Sakumo trug oft schlichte Sachen, doch sie harmonierten perfekt zusammen. Seine Jeanshose, sein Wollkragenpullover und dazu seine Jacke. Dazu kämmte er seine schwarzen, kurzen Haare, die durch das Kämmen immer durcheinander waren, egal wie er es auch tat, und legte sich eine Kette um. Mit seinen 1,80 zusammen, war es ein perfektes Bild. Die Forscher durften oft das Anziehen, was sie gerne wollten. Die Regeln in der Schule waren da nicht so streng. Nach seinen Experimenten hatte Sakumo noch eine Stunde bevor er in den Unterricht musste. Und diese Zeit nutzte er voll aus. Damals hatte der junge Forscher einen Ort gefunden, nicht weit von der Schule entfernt, wo es schön ruhig war. Es war ein Waldstück mit einem See. Viele Apfel- und Birnenbäume standen um den See herum und sie waren sehr groß. Die bunte Farbenpracht im Herbst brachte Sakumo immer dazu, dies zu zeichnen. Er setzte sich auf einen großen Stein, der am Ufer stand, holte seine Zeichenunterlagen raus und fing an.
Die Buntstifte lagen neben ihn in einer großen Federtasche, so dass er diese jederzeit griffbereit hatte. Er hielt nicht viel von diesen Federtaschen wo die Stifte lose rumlagen. Sie sind zu laut wenn man einen Stift suchte und es dauerte deutlich länger. Ordnung brachte einen weiter, dass hatte sein Vater immer gesagt.
Sakumo ließ seinen Blick schweifen und fing alles von der Schönheit ein, die der Tag heute brachte. Wie der Wind mit den Blättern im Baum spielte und ein paar Eichhörnchen waren auf Futtersuche. Auch wenn alles wie immer unberührt und schön war, fehlten die Wildgänse, die im Sommer hier lebten. Das würde dem Bild noch mehr Leben geben. Aber auch ohne sie war dieser Fleck wunderschön. Der Forscher fing an zu zeichnen und schaute immer wieder auf um nichts zu vergessen. Er beeilte sich mit seinem Kunstwerk, denn die Schule wartete leider nicht bis er fertig war. Nach einiger zeit legte er den letzten Buntstift wieder zurück und schaute sich sein Bild genau an. Alles war drauf. Das Eichhörnchen im Baum. Die Vögel auf den Ästen und die Blätter die auf dem Wasser schwimmen. Sakumo hatte es sogar geschafft ein paar Blätter zu zeichnen, die mit dem Wind tanzten.
Lächelnd holte er die restlichen Bilder raus und schaute sich alle in Ruhe an. Da er schon ein Jahr hier war und diesen Ort zum Glück früh entdeckt hatte, hatte er viele Bilder mit den Jahreszeiten gezeichnet. Sein Lieblingsbild war immer noch das mit den Wildgänsen. Sie schwammen hier im Frühjahr mit ihren Küken und sahen glücklich aus.
Die Erinnerung an die Gänse wurde durch sein Handy unterbrochen. Es vibrierte in der Hose und kündete an das er zurück in den Unterricht musste. Niedergeschlagen packte er seine Sachen zusammen und ging los. Dabei blickte er noch einmal auf den See. An diesen Ort blieb die Zeit für ihn stehen und hier gab es keine sorgen.
Vielleicht konnte er diesen Ort mit jemanden teilen den er liebte.

Im Mathematikunterricht vergaß Sakumo seine sorgen und konzentrierte sich ganz auf seine Aufgaben. Der junge Forscher war gut in jedem Fach, aber in Chemie strahlte er und war immer voll da. In den anderen beschäftigte er sich oft mit etwas anderem und hörte dem Lehrer nur mit einem Ohr zu. So wie auch heute.
Nach den Aufgaben holte er sein Formelheft für Chemie raus und versuchte den Fehler von heute herauszufinden. Es schien alles richtig zu sein, doch als er sich die anderen anschaute, wurde es ihm klar.
Ein sehr großer Anfängerfehler. Sakumo hätte sich ohrfeigen können und normal hätte er es nicht vergessen. Säure und Alkalien hoben sich auf, wenn man sie zusammen tat. Eine Neutralisation. Wütend über sich selber biss er sich auf die Unterlippe und packte das Heft wieder weg. Gut, jetzt wusste er woran das lag und soweit er Zeit fand, würde er es korrigieren. Nach Mathematik kamen noch vier Fächer. Deutsch, Literatur, Geschichte und Politik. Echt lästig. Alles unterrichtete ein Lehrer und der langweilte nicht nur ihn. Entweder ließ er sie nur abschreiben oder kaute allen ein Ohr ab, ohne Punkt und Komma. Nachdem der letzte Mitschüler seine Aufgaben hatte, entließ der Lehrer sie für den Deutschunterricht. Aber keine fünf Minuten später kam schon der Lehrer wieder, hatte die nächsten Unterlagen dabei und begann gleich mit dem Literaturkurs. Dieses mal ließ er sie nur abschrieben, was Sakumo ganz recht war. Denn soweit alles abgeschrieben wurde hatten sie wieder für zehn Minuten ihre Ruhe und konnten an die frische Luft gehen. Sakumo selber nutzte die Zeit um wieder sein Formelheft rauszuholen um seine Formel noch einmal zu bearbeiten. Jetzt wo er den Fehler kannte konnte er die restlichen auch ändern und später das Experiment noch mal durchführen. Es war was ganz neues und sollte nicht schwer auszuführen sein, dennoch konnte der Schwarzhaarige oft nicht aufhören und ging immer weiter, bis er selber zufrieden war. Er wollte Anerkennung, der Beste sein und endlich akzeptiert werden, was er mit seinen Experimenten für möglich hielt. Vielleicht würden dann auch seine Eltern wieder mit ihm reden. Schneller als gewollt waren die zehn Minuten wieder um und der Lehrer kam wieder. Geschichte war wenigstens ein Thema was ihn interessierte und es entwickelte sich zu einer heißen Diskussionsrunde. Schließlich gab es verschiedene Ansichten über den zweiten Weltkrieg und Sakumo hatte eben seine Meinung, die man annahm. Auch in Politik kam die Klasse nicht zur Ruhe, wo die Globalisierung in verschiedene Richtungen ging. Schließlich hatte auch hier jeder seine Meinung. Es war angenehm sich über so was zu unterhalten und richtig zu diskutieren. Spannend war das richtige Wort, was andere sicher nicht so sahen. Aber die Schulglocke unterbrach die Runde, ließ die Schüler endlich in Freiheit gehen, wobei manche Themen im Flur noch besprochen wurden. Auch wenn es interessant war, freute sich Sakumo nun eher auf den Chemieraum, wo er endlich sein Experiment vorsetzten konnte. Es würde ihn eh keiner stören oder ihn von seinen Plänen abhalten, da Sakumo als guter Mitschüler akzeptiert wurde, aber Freunde besaß er keine. Auf der einen Seite war es ein Vorteil, aber oft auch eine große Last der Einsamkeit. Dennoch kamen ihn gerade dann die besten Ideen für Experimente. Einsamkeit macht eben erfinderisch.

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Tag der Veröffentlichung: 19.01.2011

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