Der Urlaub selbst war bestens gewesen: ein angenehmes Hotel, gutes Wetter, nette Leute, Muße und Erholung. Der einzige Wermutstropfen war, dass ich den verschollenen Freund nicht hatte auffinden können. Wieder zu Hause angekommen, brauchte ich jedoch einige Zeit Abstand und so ließ ich die Sache zunächst ruhen. Und ich überlegte sogar, ob ich die Suche nach dem Freund nicht ganz aufgeben sollte. Aber dann siegten Sorge und Neugier…
Endes d. J. telefonierte ich mit einer Freundin aus Solingen, die Klaus G. auch gut gekannt hatte. Uns fiel der Name des Bruders ein, der damals auch in unserer Heimatstadt gewohnt hatte. Wir suchten nun im örtlichen Telefonbuch und in der näheren Umgebung nach diesem Bruder, aber wir konnten ihn nicht finden. Das Internet zeigte mir jedoch mehrere Personen mit gleichem oder ähnlichem Namen wie Klaus G., dem vermissten Freund, und seinem Bruder an. Diese Adressen waren z.B. in Wuppertal, Leverkusen und im Bergischen Land. Nacheinander rief ich dort an. Anfangs waren die Leute natürlich etwas misstrauisch, aber dann sehr freundlich und bedauerten, mir nicht helfen zu können. Auf Facebook fand ich einen jungen Mann mit dem gleichen Familiennamen wie Klaus G. und einem Vornamen, von dem ich vermutete, dass er Klaus Neffe sein könnte. Dieser Kontakt lief jedoch auch ins Leere, obwohl der junge Mann gleich zurückgeschrieben hatte und sehr bedauerte, nicht helfen zu können.
Anfang d. J. telefonierte ich dann mit Timo, einem weiteren ehemaligen Klassenkameraden und dieser hatte folgende Idee: Er schlug mir vor, dass ich doch einfach einmal das Einwohnermeldeamt in Neustadt an der Ostsee, dem letzten Wohnort von unserem alten Freund, anrufen und sagen sollte, dass wir ein Klassentreffen planen würden und unseren Freund, der sich leider nicht mehr bei uns melden würde, einladen wollten. Auf meinen Einwand, ob das Amt mir überhaupt Auskunft geben würde, meinte Timo, das Amt könnte mir immerhin sagen, ob Klaus verzogen oder schlimmstenfalls verstorben wäre.
Gesagt - getan. An einem Donnerstagmorgen, kurz nach acht, rief ich das Einwohnermeldeamt in Neustadt an. Adresse und Telefonnummer hatte ich vorher gegoogelt. Die Dame am anderen Ende der Leitung war sehr freundlich und hatte sogar Zeit und Muße, sich meine, d.h. die Geschichte meiner Freundschaft mit Klaus G. und seinem Verschollen Sein, anzuhören und ihr Mitgefühl auszudrücken. Als ich betonte, dass mein Freundeskreis und ich uns wirklich ernsthafte Sorgen um Klaus G. machten, schließlich hatte er abrupt den Kontakt abgebrochen und bewegte sich wahrscheinlich auch in homosexuellen Kreisen, meinte sie: „Ich geh gleich mal zur Polizeiwache runter, die sitzt hier im gleichen Haus. Und ich melde den Fall. Vielleicht kann ja mal ein Beamter vorbeischau’n. Falls etwas Besorgniserregendes vorliegen sollte, würden wir uns dann bei Ihnen melden.“
Na, das nannte ich Service! So etwas wäre hier in Düsseldorf unverstellbar. Da hätte ich erstmal stundenlang in der telefonischen Warteschleife gehangen und wenn überhaupt, nur eine knappe und unfreundliche Auskunft bekommen. Und ein Polizist wäre mit Sicherheit nicht ohne konkreten Verdacht oder ohne Vermisstenanzeige eines Verwandten zu der Wohnung hinausgefahren.
Nun denn, nach einer Stunde klingelte bei mir das Telefon. Auf dem Display konnte ich ersehen, dass der Anruf aus Neustadt kam. Mir rutschte das Herz in die Hose.
Ganz aufgeregt meldete ich mich mit meinem Namen.
„Polizei Neustadt. Sie hatten vorhin mit Frau H. vom Einwohnermeldeamt telefoniert?“
Ich bejahte.
„Nun, ich bin zu der angegebenen Adresse hinausgefahren und habe bei Herrn G. geklingelt. Nachdem ich mich zu erkennen gegeben hatte, hat er selbst die Tür geöffnet. Er befindet sich in bester Gesundheit.“
„Das ist ja eine gute Nachricht. Aber haben Sie ihm denn gesagt, dass wir uns Sorgen machen und er sich doch bitte einmal melden soll?“
„Ja, das habe ich. Aber Herr G. meinte, dass er selbst entscheiden würde, ob er sich bei Ihnen noch einmal melden würde. Das wäre allein seine eigene Entscheidung.“
Ich bedankte mich für die Auskunft und das Gespräch war beendet.
Trotz der guten Nachricht, dass Klaus noch lebte und bei bester Gesundheit war, war ich doch sehr erschüttert. Niemals hätte ich gedacht, dass diese Freundschaft aus Jugendtagen so ein trauriges und „dramatisches“ Ende nehmen würde!
Nachdem ich mich ein wenig gefasst hatte, rief ich meine Freunde in Solingen an und berichtete. Und vor allem Werner, der sich ja mit Klaus G. noch vor drei Jahren zum Essen verabredet hatte, konnte es gar nicht glauben. „Auf unser Klingeln macht Klaus die Tür nicht auf. Und da muss erst ein Polizeiwagen vorfahren, damit er reagiert.“
Das Kapitel um die Suche nach Klaus G. ist nun beendet, aber ein trauriger Nachgeschmack wird wohl für immer bleiben.
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Texte: Rebekka Weber
Bildmaterialien: Rebekka Weber
Lektorat: Rebekka Weber
Tag der Veröffentlichung: 24.06.2021
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