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Ich hatte Mahmood Ende 1979 im „Aminata“, in einer Discothek, in der hauptsächlich Soul, Funk und Reggae gespielt wurde, kennengelernt. Er war damals 32 Jahre alt und machte auf mich einen ruhigen und zuverlässigen Eindruck und schien nicht so flippig zu sein wie viele andere Afrikaner, die mangels Zukunftsperspektive nur in Discos und Kneipen herumhängen, Alkohol trinken, Frauen anmachen und in den Tag hineinleben.

 

Mahmood sprach fließend Deutsch, was den guten Eindruck, den ich vom ihm hatte, noch verstärkte. Wir trafen uns einige Male in der Disco, gingen auch ab und zu in ein anderes Lokal, um einen Kaffee zu trinken. Er erzählte mir, dass er mit einer Frau zusammenlebte, mit ihr aber nicht glücklich wäre. Seinen Annäherungsversuchen wich ich aus, denn ich wollte nichts mit ihm anfangen, solange er noch mit dieser Frau zusammen war. Angeblich hatte Mahmood auch eine feste Arbeitsstelle, denn er erzählte mir, dass er bei der Firma Kaufring am Flughafen arbeiten würde. Liebend gerne würde er jedoch einen richtigen Beruf erlernen oder sogar noch studieren. Dazu müssten aber zunächst seine Papiere in Ordnung gebracht werden. Er hätte schon vor einiger Zeit einen Asylantrag gestellt, wäre aber noch nicht anerkannt worden.

 

Im April 1980 fand ich eine Stelle bei einer japanischen Handelsfirma, die ihren Sitz in der Nähe der Königsallee, der bekannten Düsseldorfer Geschäfts- und Einkaufsstraße, hatte. Einen Monat später brach ich meine Zelte bei meiner Mutter ab, bei der ich noch einige Zeit nach meinem abgeschlossenen Studium gewohnt hatte, und zog in eine Dachgeschosswohnung in der Düsseldorfer Innenstadt. Dort wohnte ich gerade zwei Wochen, als eines Tages Mahmood vor der Türe stand. Am Arm trug er eine Reisetasche, in die er ein paar Kleidungsstücke und Habseligkeiten gepackt hatte. Ob er einige Tage bei mir bleiben könnte? fragte er mich. Er hätte seine Freundin mit einem anderen Mann im Bett erwischt und die Konsequenzen gezogen. Selbstverständlich würde er auf Wohnungssuche gehen und sich eine eigene Bleibe suchen, er wolle mir auf keinen Fall Unannehmlichkeiten bereiten. Ich war einverstanden und ließ ihn ein.

 

In den ersten Wochen unseres Zusammenlebens stand Mahmood morgens mit mir auf und fuhr gleich zu seiner Arbeitsstelle. Abends kam er meist nach mir nach Hause. Eines Tages saß er jedoch schon im Wohnzimmer, als ich aus dem Büro kam. Kaufring hätte mangels Arbeit Leute entlassen und leider wäre er auch betroffen. Von da an lebten wir von meinem Verdienst und ich gab Mahmood Taschengeld. Trotz seiner Arbeitslosigkeit verlief unser Alltag anfangs recht harmonisch. Wenn ich im Büro war, räumte Mahmood auf, spülte, brachte den Abfall in den Keller und unsere Wäsche in den Waschsalon. Nur kochen konnte er nicht. So bereitete ich abends etwas für ihn vor und er wärmte es sich am nächsten Tag auf.

 

Bei aller Harmonie zeigte sich doch ein Wermutstropfen in unserem trauten Zusammenleben: Mahmood war nämlich sehr eifersüchtig! Einmal besuchte ich in meiner Heimatstadt mit meiner Freundin Ute einen gemeinsamen Schulfreund und kam gegen zwei Uhr morgens nach Hause. Mahmood lag noch hellwach im Bett und machte mir eine Szene, weil ich so lange ausgeblieben war. Ich tat unbe- eindruckt und dachte, Mahmood wird sich daran gewöhnen müssen, dass ich manchmal alleine weggehe! Das Gegenteil sollte jedoch der Fall werden, denn ich musste mich immer mehr daran gewöhnen, mit einem afrikanischen Despoten zusammenzuleben und das zu tun, was er verlangte.

 

Und wir hatten ein weiteres Problem: Mahmood wollte nämlich jeden Tag Sex! Wenn ich wochentags von der Arbeit zurückkam, war ich oft müde und hatte keine Lust.  Am Wochenende ging ich dagegen anfangs gern mit ihm ins Bett. So hatten Mahmood und ich endlos lange Diskussionen über dieses Thema. Wenn er mich nicht „rumkriegen“ konnte, ging er oft wütend aus dem Haus oder rollte sich im Bett knurrend auf seine Seite. Es wird schon werden, dachte ich, sobald er wieder eine Arbeit hat, dann wird er ausgelastet sein und sich sein Heißhunger auf Sex verlieren. Das war ein Trugschluss meinerseits, denn Mahmoods Sexsucht und sein daraus resultierendes rabiates Verhalten sollten im Laufe der Zeit noch ungeahnte Ausmaße annehmen.

 

Was seine Papiere anbetraf, fand ich im Laufe der Zeit heraus, dass Mahmoods Asylantrag schon vor langer Zeit abgelehnt und er selbst sogar schon einmal abgeschoben worden war. Mahmood reiste mit einem Touristenvisum, das er sich wie auch immer besorgt hatte, wieder nach Deutschland ein. Dann kam er irgendwie in den Besitz eines noch gültigen Reisepasses eines Afrikaners namens Ali, der aus Dschibuti stammte und französische Papiere besaß. Ali brauchte angeblich seinen Pass nicht mehr, da er nach Schweden ausreiste, um dort zu heiraten und schon einen schwedischen Pass erhalten hatte. Mahmood hieß nun offiziell Ali und sah diesem Ali sogar ähnlich. „Die Behörden können doch einen Schwarzen nicht von einem anderen unterscheiden, und die Passfotos von Schwarzen sehen doch eh alle gleich aus!“, meinte Mahmood und fühlte sich mit Alis Pass in der Tasche sehr sicher.

 

Dschibuti war damals noch französische Kolonie und gehörte somit zur damaligen Europäischen Gemeinschaft, und so brauchte Mahmood alias Ali auch kein Visum und konnte sich als EG-Bürger in Deutschland unbehelligt aufhalten.

 

Mahmood ging tagsüber, da er ja über genügend Freizeit verfügte, oft in die Düsseldorfer Altstadt. Er traf sich mit Freunden im „Café Digger“ oder im „Weißen Bär“ und spielte dort Karten. Problemlos überstand er jede polizeiliche Razzia, die in seinen Stammlokalen durchgeführt wurde, denn er hatte ja gültige Papiere, die er vorweisen konnte. Es konnte sogar sein, dass Mahmood den französischen Pass, mit dem er sich bewegte, kurz bevor Ali nach Schweden ausreiste, gestohlen hatte. Seinen eigenen Pass hielt Mahmood dagegen versteckt. Wenn er zum Arzt musste, ließ er sich von einem Landsmann, der in Düsseldorf arbeitete und krankenversichert war, einen Krankenschein geben und gab sich dort als der Freund aus. Selbstverständlich suchten er und sein Freund unterschiedliche Ärzte auf, und so schöpfte nie jemand Verdacht.

 

Die Tage, die Mahmood bei mir lebte, wurden zu Wochen, die Wochen zu Monaten und die Monate zu einem Jahr. Schließlich sprachen wir von Heirat. Als wir das Aufgebot bestellten, bekamen wir sofort riesige Probleme, da Mahmood sich nun wieder bei der Ausländerbehörde zeigen und seinen richtigen Pass vorlegen musste. Die Behörde wollte ihn auf der Stelle wieder abschieben. Auf dem Amt heulte ich, denn trotz seiner Eifersucht hatten Mahmood und ich ja auch schöne Momente. Die Beamtin blieb jedoch vollkommen ungerührt. „Ja, ja, erst heulen die Frauen, weil sie unbedingt heiraten wollen“, kommentierte sie meinen Tränenfluss. „Später heulen sie dann, weil sie von ihren afrikanischen Ehemännern schlecht behandelt werden und von ihnen loskommen wollen!“ Ich wollte damals nicht glauben, dass ich eines Tages genauso reagieren würde und vertraute fest darauf, dass sich unsere Probleme lösen würden, sobald wir verheiratet waren und Mahmood eine feste Beschäftigung gefunden hatte. Im Oktober 1982, an einem strahlend schönen Herbsttag, heiraten wir schließlich. Obwohl wir nur standesamtlich getraut wurden, war es eine schöne, stimmige Hochzeit. Meine Verwandten, Bekannten und Freunde, mit denen wir feierten, konnten Mahmood gut leiden, hatten jedoch Bedenken, dass unsere Ehe gutgehen würde. Ich wollte jedoch allen Leuten zeigen, dass eine deutsch-afrikanische Ehe gut funktionierten konnte.

 

In der Hochzeitsnacht wollte Mahmood mit mir schlafen, obwohl er stockbetrunken war. Ich war von dem langen Tag und der Feier sehr müde und sagte: „Ach, lass uns doch morgen früh zusammen schlafen, dann sind wir ausgeruht und es macht viel mehr Spaß!“ Mahmood ließ jedoch nicht locker und schließlich gab ich nach, hatte jedoch kein Empfinden dabei und eine düstere Vorahnung auf das, was in der nächsten Zeit auf mich zukommen würde. Und tatsächlich kam es ein paar Wochen später nach einer Feier zum Eklat! Als wir gegen Mitternacht in unsere Wohnung zurückgingen, war Mahmood wieder völlig betrunken, verlangte aber trotzdem Sex mit mir. Ich versuchte, ihn wieder auf den nächsten Tag zu vertrösten. Da ohrfeigte er mich, setzte sich auf mich und hielt meine Arme fest. „Willst du jetzt mit mir schlafen oder willst du noch mehr Schläge?“, schnauzte er mich an und schob mein Nachthemd hoch. Er drang brutal in mich und befriedigte nur sich, so wie er das noch oft tun sollte.

 

Irgendetwas in mir zerbrach in dieser Nacht! Das soll nun deine Ehe sein, Rebekka? fragte ich mich. Nein, das konnte nicht sein, so hatte ich sie mir nicht vorgestellt! Vielleicht war alles nur ein böser Traum? Aber der Traum entwickelte sich zum Alptraum, obwohl sich Mahmood am nächsten Morgen bei mir entschuldigte und versprach, dass er sich nie wieder so benehmen würde. Ich hatte jedoch meinen Entschluss gefasst! Seit dieser Nacht war ich mir sicher, dass ich nicht bei ihm bleiben würde, denn ich wollte nicht eines Tages als verbitterte und verhärmte Frau enden, zu der ich mich mit Bestimmtheit entwickeln würde, wenn ich bei ihm bliebe.

 

Und in der Tat war diese Nacht nur der Anfang von vielen weiteren Schikanen, die folgten und sogar noch größere Ausmaße annahmen. Eines Tages hatte mein Chef meine Kollegin Claudia und mich zu sich nach Hause eingeladen. Ich freute mich sehr auf den vorweihnachtlichen Abend, an dem ich auch Herrn Suzukis Frau und seine beiden Töchter kennenlernen sollte. Claudia holte mich mit dem Auto ab.

„Du bist um elf Uhr wieder zurück!“, verlangte Mahmood von mir.

„Das kann ich dir nicht versprechen. Claudia fährt ja, nicht ich. Und ich weiß nicht, wie lange sie bleiben will. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, du weißt ja, wo ich bin!“

Es war dann gegen ein Uhr morgens, als ich nach Hause kam. Mahmood kochte vor Wut. „Wo warst du so lange?“, schnauzte er mich an.

„Nun beruhige dich doch! Du weißt doch wo ich war!“

„Ich verbiete dir, so spät nach Hause zu kommen!“

Da platzte mit der Kragen und ich sagte wütend: „Du hast mir gar nichts zu verbieten. Wir sind hier in Deutschland, nicht in Afrika!“

 

Mahmood schlug zu. Zuerst versuchte ich mich zu wehren, merkte jedoch bald, dass ich dabei den Kürzeren zog. Als seine Schläge auf mich herunter prasselten, versuchte ich nur noch, mich zu schützen und hielt mir Arme und Hände vors Gesicht. Mahmood wollte mich aufs Bett werfen, aber ich schaffte es, mich am Vorhang festzuhalten, der schließlich samt Gardinenstange krachend zu Boden ging. Ich verlor das Gleichgewicht, fiel aufs Bett und Mahmood über mich. Da ich mich kaum noch bewegen konnte, prügelte er ungehindert auf mich ein. Mit einer Hand hielt er meine Arme zurück, mit der anderen Hand schlug er mir mit voller Kraft ins Gesicht. Als meine Nase zu bluten anfing und die ersten Tropfen hervorquollen, fing ich an, laut um Hilfe zu schreien. Endlich lockerte er seinen Griff und ich konnte mich befreien.

 

Völlig fertig ging ich hinunter zu meinen Nachbarn, die in der Etage unter uns wohnten. Natürlich hatten sie meine Schreie schon gehört und sich Sorgen gemacht. Ich bat sie, die Polizei zu rufen, das lehnten sie jedoch ab. Meine Nachbarin brachte mich in ihr Badezimmer, verarztete meine Nase und gab mir ein Kühlkissen für mein geschwollenes Gesicht. Ich fragte, ob ich bei ihnen im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen könnte, denn ich hätte Angst vor Mahmood. Am nächsten Morgen würde ich jedoch gleich zu meiner Mutter fahren. Das war meinen Nachbarn nicht recht und der Nachbar ging in meine Wohnung, um mit meinem Mann zu sprechen. Nach einer Weile kam er wieder herunter und meinte, dass sich Mahmood beruhigt hätte. Ich könnte jetzt in meine Wohnung zurückgehen, mein Mann würde mich nicht wieder anfassen. Obwohl ich immer noch vor Angst zitterte, hatte ich keine andere Wahl, als wieder nach oben zu gehen. Mahmood lag tief schlafend auf dem demolierten Ehebett und schnarchte. Ich nahm mein Bettzeug und legte mich auf unsere Couch im Wohnzimmer.

 

Am nächsten Morgen fiel Mahmood vor mir auf die Knie, bat mich um Verzeihung und versprach mir, dass er sich nie wieder so gehen lassen würde. Ich glaubte ihm nicht mehr, erwiderte jedoch nichts. Zu allem Unglück kam noch hinzu, dass wir an diesem Tag zur Geburtstagsfeier meines Bruders eingeladen waren. Wie konnte ich dort nur mit einem blauen Auge und einem verquollenen Gesicht erscheinen? Ich schämte mich entsetzlich! Und so rief mein Mann meinen Bruder an und entschuldigte uns, dass wir nicht kommen konnten. Ich hätte wohl am Vorabend bei meinem Chef zu viel getrunken und jetzt einen schlimmen Kater.

 

Am Montagmorgen, als ich wieder ins Büro musste, versuchte ich so gut es ging, das blaue Auge zu über- schminken. Statt Kontaktlinsen setzte ich meine Brille auf, die mein verletztes Auge so halbwegs verdeckte. Leider fing meine Nase jedes Mal, wenn ich mich schnäuzte, an zu bluten, und schließlich musste ich zum Arzt gehen. Ich erzählte ihm, dass ich mich gestoßen hätte, und der Arzt verätzte die lädierte Stelle an der Naseninnenwand. Eine Woche lang sprach ich nicht mit Mahmood und behandelte ihn wie Luft. Ich konnte mich jedoch nicht überwinden und jemandem von der Prügelei erzählen. Sicher hätte niemand Verständnis für mich gezeigt und jeder hätte bestimmt gesagt, dass ich selbst gewusst hätte, worauf ich mich bei einer Ehe mit einem Afrikaner einließ. Es sei doch bekannt, dass Afrikaner gewalttätig seien und ihre Frauen schlecht behandelten! Als Mahmood am folgenden Samstag mit einem Riesenblumenstrauß nach Hause kam, versöhnte ich mich wieder mit ihm. Ich war jedoch für unser weiteres Zusammenleben gewarnt und hielt innerlich an meinem Entschluss fest, ihn irgendwann zu verlassen.

 

Unser Sexualleben nahm von nun an noch groteskere Formen an! Wenn ich mich weigerte, mit Mahmood zu schlafen, vergewaltigte er mich. Ich setzte es jedoch durch, dass er mich wenigstens an einem Tag in der Woche in Ruhe ließ, das war Montag, unser „Ruhetag“. Ich bekam Unterleibsschmerzen, chronische Blasenentzündung und verlor jegliches Interesse am Sex. Mahmood beschwerte sich: „Wenn ich gewusst hätte, das ich eine alte Frau, die keinen Sex mehr will, ins Bett bekomme, hätte ich dich nicht geheiratet!“ Für diesen Satz hätte ich ihn am liebsten geohrfeigt, aber ich wusste ja, wie Mahmood darauf reagieren würde. Und Prügel und Blessuren wollte ich mir auf keinen Fall wieder einhandeln!

 

Oft trank Mahmood wochenlang keinen Alkohol. Es passierte jedoch manchmal, wenn wir uns in meiner Mittagspause in einem Restaurant trafen, dass er zum Essen ein Glas Bier trank. Aber dann konnte er nicht aufhören zu trinken! Er trank dann bis zum Abend ein Bier nach dem anderen und bestand selbstverständlich auch auf Sex. Und im alkoholisierten Zustand war er besonders gefährlich! Es kam auch vor, dass er ausgegangen war, wenn ich von der Arbeit nach Hause kam. Wenn er dann nachts stockbetrunken nach Hause torkelte und gerade noch den Weg in sein Bett fand, rief er nach mir. Mir stand dann jedes Mal eine schlimme Nacht bevor. Ich versuchte, mich im Bad oder in der Toilette zu verstecken und wartete, bis er eingeschlafen war, dann legte ich mich im Wohnzimmer auf die Couch.

 

Mahmood war ein Einzelgänger und wir hatten selten Landsleute oder Freunde von ihm zu Gast. Ich erinnere mich jedoch an einen Abend, als er einen Freund mit nach Hause brachte. Beide Männer hatten viel getrunken. Der Besucher sollte im Wohnzimmer campieren und ich sollte schleunigst zu Mahmood ins Bett kommen. Mein Mann rief und rief nach mir! Ich blieb jedoch im Bad und hielt mir die Ohren zu. Da ich nicht im Wohnzimmer schlafen konnte, weil dort der Freund lag, kauerte ich mich auf dem Teppich vor dem Ehebett zusammen und wartete darauf, dass Mahmood endlich Ruhe gab und einschlief. Dann kroch ich ganz vorsichtig unter meine Bettdecke. Bis er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, ging ich auf Zehenspitzen durch die Wohnung, vor lauter Angst ihn aufzuwecken.

 

Durch die Vermittlung meiner Mutter bekam Mahmood den Job eines Vertreters für Luftverbesserungsgeräte und unser Sexualleben normalisierte sich schlagartig. Mein Mann kam nämlich nach der Arbeit hundemüde nach Hause, weil er den ganzen Tag herumgelaufen war. Abends wollte er sich nur noch ausruhen und schlafen. Sex unter der Woche war nun auf einmal kein Thema mehr! Leider dauerte dieser für mich paradiesische Zustand nur einen Monat an, dann wurde Mahmood entlassen, weil sein Arbeitgeber nicht zufrieden mit ihm war.

 

Mein Mann hatte mir immer erzählt, dass er in seiner Heimat auf der Oberschule gewesen wäre und das Abitur gemacht hätte. Seine Zeugnisse, die ich nie zu sehen bekam, wären aus Sicherheitsgründen bei einem Landsmann deponiert. Ohne Zeugnisse war es jedoch schwierig, einen Job zu bekommen, geschweige denn, sich um einen Studienplatz bewerben zu können. Schließlich erhielt Mahmood durch die Vermittlung des Arbeitsamtes eine Lehrstelle als Metallfacharbeiter. In den ersten Wochen der Ausbildung lief alles glatt und die neue berufliche Perspektive machte meinem Mann viel Spaß. So buchte ich unseren Urlaub in Cornwall, der in die Sommerferien des Ausbildungsbetriebes fallen würde. Eines Tages rief mich jedoch der Ausbildungsleiter an und sagte zu mir: „Bitte nehmen Sie Ihren Mann von der Schule! Das ist wirklich kein Beruf für ihn. Als Metallfacharbeiter braucht man geschickte Hände, und die hat er nicht.“ Mahmood und ich kamen überein, dass es wohl das Beste wäre, die Ausbildung abzubrechen.

 

Trotz dieses Rückschlags hatte Mahmood immer noch Lust und Interesse, sich beruflich weiterzubilden. Ich fand eine private Wirtschaftsschule, für die ich das Schulgeld gerade noch aufbringen konnte. Die Schulleiterin wollte Mahmood jedoch nicht annehmen. Erst als ich mit Engelszungen auf sie einredete und der Rektorin von unserer desolaten wirtschaftlichen Lage erzählte, ließ sie Mahmood schließlich am Unterricht teilnehmen. Er sollte dort eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolvieren. Da unser geplanter Cornwallurlaub in die reguläre Schulzeit fallen würde, verlangte Mahmood von mir, dass ich den Urlaub stornierte. Trotz einer von mir aufgegebenen Zeitungsannonce fand sich niemand, der die gebuchte Ferienwohnung übernehmen wollte. Schließlich war ich froh, dass meine Mutter und meine Nichte mitfahren konnten und ich nicht auf Stornierungskosten sitzenblieb.

 

Der kaufmännische Unterricht gefiel Mahmood besser als die handwerkliche Ausbildung, die er abgebrochen hatte. Anfangs lernte er auch fleißig und hatte guten Kontakt zu seinen Klassenkameraden. Eines Abends rief er mich aus einer Kneipe an. Er erzählte mir, dass er dort in fröhlicher Runde sitzen würde und ob ich nicht Lust hätte, vorbeizukommen. Ich ging in das Lokal und stellte mit einem Blick fest, dass Mahmood und seine Mitschüler schon reichlich „getankt“ hatten. Da mir die Gesellschaft keinesfalls gefiel und ich am nächsten Morgen arbeiten musste, wollte ich mich ihnen nicht anschließen, trank nur ein Bier und ging wieder nach Hause.

 

Um kurz nach zehn erschien Mahmood völlig angetrunken in unserer Wohnung und hatte mehrere Leuten im Schlepptau. Sie hatten sich unterwegs reichlich mit Dosenbier eingedeckt und tranken nun munter in unserem Wohnzimmer weiter. An eine friedliche Nachtruhe meinerseits war nicht zu denken! Gegen Mitternacht verlangte Mahmood von mir, dass ich seine Freunde, die allesamt verstreut im Stadtgebiet wohnten, nach Hause kutschieren sollte. Als ich mich mit der Begründung weigerte, dass ich müde und nicht in der Lage sei, jetzt noch Auto zu fahren, fing Mahmood an, mich vor allen Leuten zu schlagen. Einer der Männer hielt ihn fest und sagte zu ihm: „Wie kannst du nur so eine süße Frau schlagen? Hör‘ sofort auf damit!“ Mein Gatte schlug jedoch um sich und die Situation drohte zu eskalieren. Ich fing an zu weinen und bat die Leute, Mahmood festzuhalten, bis ich die Wohnung verlassen hatte. Schnell raffte ich ein paar Sachen zusammen und fuhr mitten in der Nacht zu meiner Mutter nach Solingen.

 

Es war das erste Mal, dass ich flüchtete und es sollte leider nicht meine letzte Flucht vor meinem rabiaten Ehemann bleiben. Lore fiel aus allen Wolken, als ich sie aus dem Bett klingelte und erzählte, was vorgefallen war. „Ich halte es bei Mahmood nicht länger aus!“, heulte ich, mit meinen Nerven war ich völlig fertig. „Ich will lieber tot sein, als mein ganzes Leben mit diesem Saukerl zu verbringen!“

 

Lore war entsetzt, wollte mir jedoch nicht zu einer sofortigen Trennung raten. Sie meinte, dass ich noch eine Zeit lang abwarten und schauen sollte, ob Mahmood sich vielleicht ändern würde. Immerhin hatte ich bei ihr jetzt einen Zufluchtsort gefunden, an dem ich mich ausweinen und ein wenig regenerieren konnte.

 

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Dieses e-book ist ein Auszug aus meinem Roman "Der Zauber der Eidechse", erhältlich als e-book und als Taschenbuch, hier bei Bookrix, amazon und in allen gängigen online-shops. 

 

 

 

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Impressum

Texte: Rebekka Weber
Cover: pixabay, freie kommerzielle Nutzung
Lektorat: Rebekka Weber
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2020

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
*** Allen Frauen, die sich immer noch in ähnlichen Situationen befinden oder befanden, wünsche ich viel Mut und Kraft. ***

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