Endlich saß ich im Flieger! In einem ziemlich dicken sogar, nämlich in einem Airbus A380 von Emirates. Das letzte Mal, das ich geflogen war, war immerhin schon acht Jahre her und wenn ich dieses Mal schon so weit reiste und keine Kosten für Hotel und Verpflegung aufbringen musste, so wollte ich zumindest mit einer renommierten Fluggesellschaft fliegen, mich verwöhnen lassen und vor allem … heil ankommen.
Wohlweislich hatte ich schon im August alles gebucht, denn Flüge werden ja bekanntlich über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel kurzfristig immer knapper und teurer. Als Abflugtermin hatte ich den 24. Dezember, Heiligabend, gewählt. So konnte ich am Nachmittag noch gemütlich mit meinem Sohn und meinem Exmann Weihnachten feiern, dann brachte mich Sohnemann mit dem Auto zum Düsseldorfer Flughafen. Meine Winterjacke zog ich im Terminal wohlweislich aus – weshalb sollte ich sie mit ins sommerlich warme Australien schleppen – und übergab sie dem Sohn zur treuen Aufbewahrung. Beim Einchecken war Geduld gefordert, denn man sollte sich ja zwei Stunden vor Abflug am Gate einfinden. Angesichts der Massen, die nun abgefertigt wurden, ging es auch nicht gerade schnell voran. In den Airbus passen immerhin mehrere Hundert Passagiere und der Flug soll ausgebucht gewesen sein. Als ich bei der Security-Kontrolle meine Sachen aufs Band legte, wurde ich angemeckert und gefragt, weshalb ich denn mehrere Ein-Liter-Beutel mit diversen Flüssigkeiten gepackt hatte. Erlaubt wäre nur ein einziger! Da hatte ich wohl etwas missverstanden. Es war aber wohl doch kein Problem, denn wohlwollend winkte mich der Kontrolleur weiter und ich durfte ohne Verluste passieren. Weniger Glück hatte eine Frau, die hinter mir wartete. Sie hatte nämlich überhaupt keinen dieser kleinen Beutelchen gepackt. Ehe sie sich nun versah, hatte der Kontrolleur die Kosmetikflaschen aus ihrem Handgepäck in eine große Abfalltonne geworfen.
Im Duty-free-Bereich angekommen, hatte ich keine Lust auf Einkäufe, denn Mitbringsel für die Verwandten im Aussie-Land hatte ich längst besorgt. Ungeduldig wartete ich darauf, dass es endlich losging. Als der Flieger dann um 21:00 abhob und ich mich bequem in meinen Sitz zurücklehnte, war an Schlaf jedoch nicht zu denken. Ich saß am Gang und rechts neben mir hatte sich in der Familienecke ein Paar mit zwei kleinen Kindern niedergelassen. Die beiden Kleinen waren während des gesamten sechsstündigen Flugs recht munter. Da ich eh nicht schlafen konnte, passte ich ab und zu auf den zehn-Monate-alten Jungen auf, damit der Vater auch einmal eine Runde in der Maschine laufen und sich eine Auszeit gönnen konnte.
Am 1. Weihnachtsfeiertag, um sechs Uhr morgens, Ortszeit, kamen wir in Dubai an. Nun hieß es wieder: Security-Check! Dort musste ich meine Schuhe ausziehen und meinen Hosengürtel mit der Metallschnalle aus meinen Jeans ziehen. Das ging verständlicherweise nicht so flott von dannen, da ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte und ich einige Zeit brauchte, um meine feinmotorischen Fähigkeiten wieder zu aktivieren. Und nach der Kontrolle galt es drei Stunden Transferzeit zu „killen“! Angenehm fand ich die kleinen Trolleys, die auf diesem Flughafen in jeder Ecke stehen und die man kostenlos benutzen darf. Da in meinem Rucksack eine halbe „Alaska-Ausrüstung“ steckte und diese entsprechend schwer war, nahm ich vorgenanntes Angebot nur zu gerne an. Im Wartebereich meines Gates zum Weiterflug nach Melbourne kam ich mit einem Ehepaar aus Usedom ins Gespräch. Die beiden wollten Freunde in Neuseeland besuchen. Gegen deren Route mit rund 45-stündiger Reisezeit – die sich aus Anfahrt zum Berliner Flughafen, Flügen nach London, nach Dubai, nach Melbourne und nach Auckland zusammensetzte – war meine 30-stündige Reisedauer ja noch gar nichts.
Wieder im Flieger – auch diesmal in einem A380 – saß ein recht gesprächiges Ehepaar aus England, Nähe Manchester, neben mir. Durch unsere Unterhaltung und durch den Film „Frida“ (Biografie der mexikanischen Malerin Frida Kahlo), den ich mir im Bord-TV anschaute, wurde der 14-stündige Flug recht kurzweilig. Übrigens saß ich tatsächlich – durch die Zeitverschiebung – den ganzen ersten Weihnachtsfeiertag im Flugzeug und kam am 2. Weihnachtsfeiertag, um sechs Uhr morgens, Ortszeit, in Melbourne an (GMT+11, also unserer Zeit zehn Stunden voraus).
Und dann wurde es richtig stressig! Ich musste meinen Koffer und meine Reisetasche vom Gepäckband (das befand sich im Erdgeschoss) abholen, dann durch die Zoll- und Passkontrolle, dann mit meinem gesamten Zeugs zum Quantas-Schalter (der befand sich eine Etage höher am Ende eines ewig langen Ganges), um dort zum Weiterflug nach Canberra einzuchecken. Letzteres sollte durch eigenhändiges Einscannen meines Gepäcks erfolgen, was ich jedoch noch nie gemacht hatte und mir nach dem langen, schlaflosen Flug entsprechend schwer fiel. Ich jammerte ein wenig und schaffte es, dass mir eine Quantas-Mitarbeiterin zur Hilfe eilte.
Als ich Koffer und Reisetasche wieder losgeworden war, zog ich mich um: Sweatshirt aus, Strümpfe aus, Jeans hochgekrempelt, die Sandalen aus dem Rucksack geholt und dafür die Boots eingepackt. Schließlich betrug die Außentemperatur in Melbourne schon 24 Grad! Nachdem ich die Getränkekarte an einer Kaffeebar durchgesehen und Latte Macchiato, mein Lieblingsgetränk, nicht gefunden hatte, bestellte ich einen “Macchiato“. Da ich in Deutschland vorsorglich schon ein paar australische Dollar eingetauscht hatte, konnte ich der Zahlungsaufforderung der Kassiererin gleich in Landeswährung nachkommen. Sie lächelte und fragte mich nach meinem Namen. Nanü? Was sollte das denn? Werden hier im Aussie-Land etwa Daten von Kaffeetrinkern gesammelt? Da mir die Sache etwas suspekt war, gab ich einen Fantasienamen an. Der Kaffee wurde dann von einer anderen Mitarbeiterin zubereitet und mein Name nach einigen Minuten aufgerufen. Bei diesem „Macchiato“ fehlte mir allerdings die Milch, denn das bisschen Schaum, das obenauf schwamm, reichte mir nicht zum vollendeten Kaffeegenuss. Und es sollte einige Zeit dauern, bis ich herausgefunden hatte, was ich auf diesem Kontinent bestellen musste, um meinen heißgeliebten Latte Macchiato zu bekommen.
Schließlich saß ich im dritten und letzten Flieger – der ging diesmal direkt nach Canberra – und wankte nach einem letzten einstündigen Flug um viertel nach zehn Uhr morgens, Ortszeit, völlig gerädert meinen Verwandten entgegen.
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Canberra ist die Hauptstadt Australiens und wird sowohl von der einheimischen Bevölkerung als auch von den Touristen gleichermaßen geschmäht. Ob man dieser Stadt mit solch einem Verhalten nicht Unrecht tut oder ob es berechtigt ist, wollte ich nun bei meinem Aufenthalt herausfinden.
Zunächst ein paar Fakten: Als eine Hauptstadt für Australien gesucht wurde, beanspruchten sowohl Sydney und als auch Melbourne diesen Titel für sich. Da man sich nicht einigen konnte, beschloss man im „Busch“ eine ganz neue Hauptstadt zu bauen. Es fand ein internationaler Städtebauwettbewerb statt, den ein amerikanischer Architekt namens Walter Burley Griffin gewann. Sein Plan war, die neue Stadt den geografischen Gegebenheiten anzupassen und naturbelassene Flächen in eine Park- und Gartenlandschaft zu integrieren. 1913 begannen die Bauarbeiten und 1927 wurde Canberra offiziell eingeweiht und zur Hauptstadt ernannt.
Die Stadt liegt im hügeligen Bergland, auf einer Höhe von ca. 550 bis 700 m, ca. 670 km nordöstlich von Melbourne und ca. 290 km südwestlich von Sydney. Die aktuelle Einwohnerzahl beträgt ca. 352.000.
Canberra liegt im ACT (Australian Capital Territory), in einem sehr kleinen Bundesland, und dieses hat einen ganz eigenen Status. Ein Australier hat mir erzählt, dass es zwischen den Ureinwohnern, den Aborigines, und der australischen Regierung ein besonderes Abkommen gäbe, in dem Sinne, dass der Staat das ACT von den Aborigines nur gepachtet hätte und an einem bestimmten Datum zurückgegeben werden müsste. Ich habe leider bei Wikipedia keine genauen Angaben darüber gefunden.
Zurück zu meiner Reise: Es kommt oft anders, als man denkt oder erwartet! Meine Tante hatte mir nämlich versprochen, mich am Canberra Airport abzuholen. Am Flughafen – der durch eine moderne Architektur glänzt – kam mir am Gepäckband eine nette, junge Frau entgegen und stellte sich als Karen, die Tochter meiner Tante, vor. Der Mutter ginge es nicht gut, sie hätte sich am Heiligabend wohl den Magen verdorben. Karen würde mich aber nun zu ihr fahren. Im Parkhaus, wo der Wagen stand, wollte ich prompt an der falschen Seite einsteigen und wurde lächelnd gefragt, ob ich denn fahren wollte. Stimmt, in Australien herrscht ja Linksverkehr und die Lenkräder sind an der anderen Seite angebracht! Daran würde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen.
Meine Tante, mit der ich um soundso viele Ecken herum verwandt bin – eine genaue Erklärung würde die Leserschaft nur verwirren – lebt im Norden der Stadt, in einem der sieben Stadtbezirke, in Gungahlin, genauer gesagt in Stadtteil Ngunnawal (beide Namen sind aus der Aborigine-Sprache). Vom Airport bis dorthin sind es ca. 20 km. Als wir nun über die Stadtautobahn fuhren, durchquerten wir nicht nur Wohnsiedlungen, sondern immer wieder Parks und weitläufige Buschlandschaften. Somit stellte ich gleich fest, dass Canberra seinen Spitznamen „Buschhauptstadt“ wohl ganz zu Recht trägt.
Die erste Weihnachtsdekoration, die ich dann zu Gesicht bekam, war ein Adventskranz, der am Gartentor meines Urlaubsdomizils hing (s. Coverfoto). Die Tante saß im Wohnzimmer, begrüßte mich herzlich und hieß mich willkommen. Ich fragte, ob ich mich erst einmal hinlegen dürfte, ich wäre völlig erledigt. Das Bett im Gästezimmer wartete schon auf mich und so schlief ich gleich drei Stunden durch. Als ich erfrischt aufstand und in die Küche ging, begrüßten mich dort die beiden Enkeltöchter meiner Tante, zwölf und vierzehn Jahre alt, die gerade Schulferien hatten und auch einige Tage bei ihrer Großmutter verbringen wollten.
Als Abendessen sollte Pizza bei einem Lieferservice bestellt werden. Ich wünschte mir eine mit Spinat … und da gab es ein Problem, denn andere Länder, andere Sitten! Spinatbelag war in der Hauptstadt wohl bei jenem Lieferservice, bei dem wir anriefen, nicht bekannt und die anderen Pizzadienste hatten geschlossen, schließlich war ja noch Feiertag. Ich wäre auch mit einer vegetarischen Variante glücklich, warf ich zwischen den Telefonaten ein. Nach einigen weiteren Diskussionen war man sich einig und nach circa dreißig Minuten durfte ich meine „Spinat-Pizza“ in Empfang nehmen. Sie entpuppte sich dann allerdings als Pizza mit einer sehr dicken Käseschicht und nur einem Hauch von Spinat. Trotzdem schmeckte sie sehr lecker.
Abends reiste Mark, der Sohn meiner Tante, an. Er ist Single, wohnt in Sydney und kommt öfters am Wochenende vorbei. Da es immer noch angenehm warm war, setzen wir uns auf die Terrasse, schauten in den Abendhimmel und ließen so den Tag ausklingen. Gegen zehn sank ich hundemüde ins Bett und hoffte auf einen mehrstündigen Schlaf, der mir jedoch nicht gewährt wurde. Nach dreieinhalb Stunden war ich wieder hellwach und fand nicht mehr in den Schlaf zurück. Jaja, der Jetlag hatte mich voll im Griff! Als es um halb sechs hell wurde, setzte ich mich in meinem Shortie-Schlafanzug in den Garten und sah dem Sonnenaufgang zu. Und dies sollte nun für einige Tage mein Morgenritual bleiben!
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Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Buch „Australien!
Mein Besuch in Canberra / Sightseeing in Sydney“
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Texte: Rebekka Weber
Bildmaterialien: Rebekka Weber
Cover: Rebekka Weber
Lektorat: Rebekka Weber
Tag der Veröffentlichung: 06.12.2019
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