Parkplätze in der Düsseldorfer Innenstadt sind rar. So fahre ich oft mit der Rheinbahn, den Düsseldorfer Verkehrsbetrieben. Außer meiner Handtasche, in der ich immer Portemonnaie, Handy, etc. aufbewahre, nehme ich nachmittags meist einen kleinen Rucksack mit. Dieser ist übrigens ein Fan-Artikel der Toten Hosen, dies sei aber nur am Rande vermerkt. Und um den geht es in meiner Geschichte auch nicht, sondern um einen Gegenstand, den ich in besagtem Rucksack immer „mitschleppe“. Ich betreue ja nachmittags die dreijährige Karlotta. So packe ich immer Getränke und Snacks ein, damit wir bei unseren Unternehmungen gut versorgt sind. Einen Taschenknirps nehme ich vorsorglich auch immer mit. Bei dem derzeitigen, unbeständigen Wetter kommt er fast täglich zum Einsatz.
Vergangenen Freitag hatten sich Regenschauer und kurze trockene Phasen abgewechselt. Wie üblich holte ich nun Karlotta am Nachmittag von der KiTa ab. Auf unserem Weg zur Bahn tröpfelte es wieder. Ich holte den Schirm aus dem Rucksack und spannte ihn erneut auf. Karlotta ging eng neben mir am Händchen und so erreichten wir die Haltestelle. Als wir uns im überdachten Wartehäuschen setzten, hörte es auf zu regnen. Ich machte den Schirm wieder zu und legte ihn neben uns auf einen freien Sitz.
Neben uns stand eine Mutter mit zwei Kindern, die die gleiche KiTa wie mein Betreuungskind besuchen. Wir kamen ins Gespräch und als wir gerade so munter plauderten, fuhr die Bahn vor. Wir stiegen alle ein, fanden einen freien Vierersitzplatz und setzten unsere angeregte Unterhaltung fort. Als wir an der nächsten Haltestellte ankamen, tastete ich nach meinem Schirm. Oh Schreck! Ich hatte ihn nicht mehr dabei.
„Karlotta“, ich versuchte es auf dem diplomatischen Weg, „du fährst doch so gerne mit der Bahn. Wir müssen jetzt leider zurückfahren und gucken, ob ich an der Haltestelle meinen Schirm liegengelassen habe. Ist das in Ordnung?“
Die Kleine war einverstanden. So stiegen wir an der zweiten Haltestelle aus, überquerten die Gleise und liefen den Bahnsteig hinauf. Gerade fuhr nämlich eine Bahn ein, die in die Gegenrichtung fuhr. Die Türen der Düsseldorfer-Bahnen schließen automatisch nach wenigen Sekunden, ganz egal, ob noch jemand mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl versucht ein- oder auszusteigen. Darüber ärgern sich übrigens viele Leute in unserer Stadt. Und dies sei auch am Rande vermerkt. So rief ich ein paar Leuten, die gerade ausstiegen, zu und bat sie, doch bitte eine Tür für uns aufzuhalten, die Kleine könne ja noch nicht so schnell laufen. Ein junger Mann war dann auch so nett und stellte sich in die letzte hintere Tür. Karlotta und ich erreichten die Bahn, stiegen ein und ließen uns auf einen freien Sitzplatz plumpsen. Geschafft! Karlotta lachte. Für sie schien es ein großer Spaß zu sein, das hoffte ich zumindest.
Also fuhren wir zu der Haltestelle zurück, an der wir vor wenigen Minuten unsere Bahnfahrt gestartet hatten. Als wir ausstiegen, fing es übrigens schon wieder an zu tröpfeln. Wir erreichten das vormals erwähnte, überdachte Wartehäuschen. Dort saß eine Frau, die wohl gerade ihre Handy-Nachrichten studierte. Links von ihr stand eine große Handtasche … und rechts neben ihr lag doch tatsächlich ein sorgfältig zusammengebundener Taschenschirm.
Aber … dieser Schirm war pink! Nun, ich besitze mehrere Taschenschirme, fast alle haben auffällige Farben. Ich mag knallbunte Sachen und Schirme in lila, pink oder rot lassen sich halt schneller wiederfinden, falls ich sie mal wieder verbummelt haben sollte. Das ist so meine Erfahrung. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass ich an diesem Tag mit meinem lilafarbenen Schirm unterwegs gewesen war. Wieso war dieser Schirm, der da jetzt so einsam auf der Bank lag … pink? Verwundert fragte ich mich, ob ich meinen Augen und meinem Gedächtnis noch trauen konnte oder ob sich bei mir eine beginnende Demenz abzeichnete. Vielleicht war ich ja auch nur etwas gestresst und konnte Farben nicht mehr richtig erkennen.
Ich nahm den pink-farbenen Schirm an mich, spannte ihn auf und hoffte, dass sich beim Aufmachen die Farbe wieder in lila verwandeln würde. Nein, der Schirm blieb pink! Nun wandte ich mich an die Dame, die verärgert aufblickte, da ich es wagte, sie in ihrer Handy-Lektüre zu stören.
„Entschuldigung, haben Sie vielleicht diesen Schirm gefunden und hier hingelegt? Ich vermisse nämlich meinen Schirm, aber der ist lila und nicht pink so wie der hier.“
„Einen Moment“. Die Frau griff in ihre Handtasche und zog einen lilafarbenen Schirm heraus.
„Ja, das ist meiner!“, rief ich erfreut aus.
„Der ist besser als meiner. Meiner ist etwas kaputt“, gab sie mir zu verstehen.
„Dürfte ich denn meinen Schirm bitte wiederhaben?“, fragte ich. So viel Höflichkeit muss sein.
„Bitte sehr!“
Erleichtert nahm ich meinen Schirm wieder in Empfang und war froh, dass sich die Sache aufgeklärt hatte. Mich plagte jedoch ein schlechtes Gewissen, weil ich durch meine Schusseligkeit das Kind hin- und hergehetzt hatte. Karlotta hatte jedoch die ganze Zeit brav neben mir ausgeharrt. Für ihre drei Jahre ist sie übrigens ein sehr munteres und verständiges Kind.
„Und jetzt fahren wir noch in die Gelateria und genehmigen uns ein Eis“, wandte ich mich an die Kleine. „Möchtest du?“
„Jaaaa!“, kam es wie aus der Pistole geschossen.
Ich atmete erleichtert auf. Der Nachmittag war gerettet und ich wieder in der Spur!
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Texte: Rebekka Weber
Bildmaterialien: pixabay, zur freien Verfügung
Tag der Veröffentlichung: 09.06.2018
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