Es war ewige Zeiten her, dass ich mein letztes – wie man so schön auf „Neuhochdeutsch“ sagt – Date hatte. Ganz unerwartet kam ich im Mai zu einer Verabredung und schuld daran war eine Freundin von mir.
Ellen, mit der ich ab und zu ausgehe, rief mich an einem Montagnachmittag an. Wir waren am Samstag zuvor auf einer Ü-40-Party tanzen gewesen und Ellen hatte dort einen anscheinend ganz netten Kerl kennengelernt. Das ist übrigens etwas, das mir nie passiert! Nun denn ... Ellen berichtete mir, dass Bernd, ein anderer gemeinsamer Bekannter von uns, angerufen und sie gefragt hätte, ob sie ihn zum Feuerwerk begleiten würde. Sie hatte ihm leider absagen müssen, weil sie schon mit dem Mann, den sie just beim Tanzen kennengelernt hatte, wieder verabredet war.
„Mist“, jammerte ich, „zum Feuerwerk wäre ich auch noch mal gerne hingegangen, aber keiner von meinen Freunden hat Lust. Und Bernd wollte ja mit dir und mich fragt er ja nicht.“
„Weißt du was? Ich frag Bernd einfach, ob er mit dir statt mit mir …“
„Haha, sozusagen als zweite Wahl?“
„Blödsinn! Ich weiß doch, dass Bernd dich auch nett findet.“
„Meinst du wirklich?“
„Ja, klar!“
Nun war ich einverstanden. Schließlich soll frau Chancen immer nutzen.
Am gleichen Abend noch meldete sich Bernd telefonisch bei mir. Wir verabredeten uns für kommenden Samstag, 19:00. Treffpunkt sollte vor der Buchhandlung im Hauptbahnhof sein. Das war mein Vorschlag gewesen, denn man kann dort noch bestens in den Auslagen oder den ausgehängten Bestsellerlisten stöbern, falls die Verabredung ein paar Minuten später eintrifft.
Bernd blickte mir jedoch schon freudig entgegen, als ich die Treppe vom U-Bahnsteig hochkam und auf ihn zusteuerte. Wir hatten uns fast ein Jahr lang nicht gesehen, drückten uns jedoch gleich herzlich und gaben uns Küsschen rechts und Küsschen links. Wir beschlossen, zunächst feste Nahrung aufzunehmen und entschieden uns für ein Brauhaus, das auf dem Weg zur Festmeile am Rhein liegt. Seine gutbürgerliche Küche war uns wohl bekannt.
Das Lokal war gut besucht, wir fanden jedoch im angegliederten Biergarten ein nettes Plätzchen, bestellten Alt, Wirsingeintopf und Bratwurst und plauderten gleich munter drauf los.
„Weißt du eigentlich, dass ich dich schon immer nett gefunden habe?“, sagte Bernd. „Ich hatte nur bis jetzt nicht den Mut gehabt, dich anzurufen.“
Skeptisch sah ich ihn an und fragte mich, ob das seine Masche war, Frauen anzumachen. Er blickte mich jedoch so lieb und unschuldig an, dass ich ihm glaubte.
„Hm … ich fand dich ja auch schon immer sehr nett. Schade, dass du dich in letzter Zeit bei unseren Stammtischtreffen so rar gemacht hast.“
„Nun ja, ich war ja mit Meike zusammen.“
„Ach, und jetzt nicht mehr?“, hakte ich gleich nach.
„Nein, das ist aus und vorbei. Das hat nicht gepasst.“
Bernd zuckte leicht mit den Schultern, blickte mich jedoch weiterhin äußerst lieb an.
Himmel, dachte ich, was hat dieser Mann für schöne braune Augen und diese langen dunklen Wimpern!
Schnell wandte ich mich wieder meinem Essen zu und griff nach dem Mosterttopf, um mir eine große Portion Senf für meine Bratwurst zu genehmigen.
Gegen 21:00 brachen wir in Richtung Rheinufer auf. Unterwegs amüsierten wir uns über die vielen Cosplayer in ihren bunten Kostümen, die sich wohl das gleiche Ziel wie wir gesetzt hatten. Auf dem Burgplatz angekommen, wurden wir gleich in den Trubel hineingezogen. Dort hatte die japanische Gemeinde, die jedes Jahr dieses Spektakel veranstaltet und die in unserer Stadt zahlreiche Mitglieder zählt, schon viele Infostände und „Fressbuden“ mit japanischen Spezialitäten aufgebaut. Auf der großen Bühne performte gerade eine japanische Rock-Pop-Band, deren Musik in meinen Ohren etwas befremdlich klang. Die Darbietung bekam jedoch viel Applaus und zwar vornehmlich von den Zuhörern aus dem Reich der aufgehenden Sonne.
Die Freitreppe, die vom Burgplatz direkt hinunter zum Rheinufer führt, war bereits sowohl mit Touristen als auch mit Einheimischen gut besetzt. Kein Wunder, denn von den heiß begehrten Sitzplätzen aus hat man einen fantastischen Blick über den Rhein. Bernd und ich blieben für einen Moment auf den obersten Stufen stehen und sahen der untergehenden Sonne zu, die den Himmel über den Fluss in seinen schönsten Sommerfarben anmalte. An diesem Abend hatten wir auch wirklich Glück mit dem Maiwetter, denn es war trocken und relativ warm. Da jedoch gerade ein frisches Lüftchen aufkam, zog ich meine Sweatjacke über, die ich vorsorglich mitgenommen hatte. Und geradezu fürsorglich zog Bernd die Jacke auf meinem Rücken gerade.
Dann erkämpfte er für uns einen Stehplatz an einem der Tische, an denen ausgeschenkt wurde, und organisierte die Nächste Runde Alt. Angesichts der großen Besuchermassen, die sich eingefunden hatten und nun schon ungeduldig darauf warteten, dass das Feuerwerk endlich losging, blieb Bernd und mir gar nichts anderes übrig, als eng nebeneinander zu stehen. Als er dann den Arm um meine einst schmale Taille legte und noch näher an mich heranrückte, hatte ich wirklich nichts dagegen. Ich fand es sehr angenehm, seinen warmen Körper neben meinem zu spüren und ein sanftes Kribbeln breitete sich in mir aus. Wir setzten unsere angeregte Unterhaltung fort und ich erfuhr, dass Bernd sich an seinem neuen Wohnort und bei seiner neuen Arbeitsstelle noch nicht richtig wohlfühlte. Seine Heimat und die Freunde würden ihm fehlen, deshalb käme er auch – so oft es ihm möglich war – ins Rheinland zu Besuch.
Um 22:00 ging es endlich los! Nun war es dunkel und die ersten Leuchtraketen schossen in den Himmel. Um uns herum ertönten viele „Ohs“ und „Ahs“. Und dann kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: Ein wunderschönes Bild nach dem anderen erhellte den Nachthimmel. Die japanischen Feuerwerker taten alles, um ihren Ruf als weltbeste Handwerker ihres Metiers wieder einmal voll und ganz gerecht zu werden.
Nach einer halben Stunde war der atemberaubende Spuk vorbei und die Menschenmassen verließen nach und nach Rheinufer und Festmeile. Weil die Luft noch so lau und angenehm war, beschlossen Bernd und ich zu Fuß zum Hauptbahnhof zurückzugehen. Als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, nahm Bernd meine Hand und wie ein verliebtes junges Pärchen gingen wir durch die Straßen.
„Seh‘n wir uns nächstes Wochenende wieder?“, fragte mein Begleiter.
„Gerne. Bist du dann wieder im Lande?“
„Sicher. Und jetzt habe ich ja auch einen triftigen Grund wiederzukommen.“
Fürsorglich wurde ich zu meiner Bahn, die gerade einfuhr, gebracht und bekam noch eine Umarmung und ein verhuschtes Küsschen auf den Mund gedrückt.
„Ich ruf dich morgen an!“, warf mir Bernd noch zu, als ich bereits mit einem Fuß in der Bahn stand.
Die Bahn war rappelvoll! Ich saß jedoch leicht verklärt auf einem der wenigen freien Plätze und ließ die schönen Bilder des Abends Revue passieren. Das japanische Feuerwerk war wieder einmal großartig gewesen und ein kleines Feuerwerk in meinem Herzen hatte mein Date entfacht.
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Texte: Rebekka Weber
Bildmaterialien: Rebekka Weber
Tag der Veröffentlichung: 02.05.2018
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