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Wenn man in Düsseldorf arbeitet, kann man dem Karneval nur schlecht entfliehen. Eine Altweiberfeier ist deshalb ein „Muss“, auch in der Firma. Ich war lange Zeit bei japanischen Unternehmen beschäftigt und eine Altweiberfeier ist mir in besonderer Erinnerung geblieben.

 

Barbara, eine deutsche Kollegin, und ich hatten nämlich beschlossen, uns als Geishas zu verkleiden und an Altweiber die heiligen Büroräume unsicher zu machen. Das sollte natürlich eine Überraschung für die Kollegen werden und kichernd machten wir uns an die Vorbereitungen. Angst vor eventuellem Unmut seitens der Chefetage hatten wir nicht zu befürchten, denn die Japaner können feiern und so wie ich sie erlebt habe, machen sie jeden Unfug mit.

 

Nun Chiara, eine japanische Kollegin, hatte durch gute Beziehungen zum benachbarten Hotel Nikko Kimonos ausleihen können. An besagtem Karnevalstag zogen Barbara und ich uns frühzeitig in die Damentoiletten zurück und legten unsere Verkleidung an. Das gab gleich großes Gelächter, denn japanische Frauen sind bekanntlich sehr klein und der ausgeliehene Kimono endete bei mir mittig Wade statt an den Knöcheln, während er Barbara gut passte. Wir setzten die schwarzen Perücken auf, die wir im Vorfeld besorgt hatten und Chiara steckte unsere falsche Haarpracht kunstvoll auf und verzierte sie mit Spangen und Tücher. Dann zückte sie Kajalstift und Schminke und versuchte uns, ihren beiden blonden Kolleginnen, ein fernöstliches Aussehen anzumalen.

 

Kurz vor elf Uhr war die Verwandlung zufriedenstellend geglückt und Barbara und ich setzten uns im Gang auf die Fensterbank, um uns dort vor Beginn des offiziellen Altweibertreibens noch einmal zu sammeln. Während wir da so voller Vorfreude saßen, kam Herr Kato, mein damaliger Chef und Leiter der Maschinenabteilung den Gang hinunter. In der Hand hatte er Unterlagen, die er eifrig studierte. Als er an uns, den Geishas, vorbeiging, sah er einmal kurz auf, nickte grüßend und ging weiter.

Nach ein paar Schritten blieb er abrupt stehen, drehte sich um und rief: „Oh, it’s you…u…u…h, Webersan! First I did not recognize you! Oh, Sie sind das, Frau Weber! Ich habe Sie zunächst nicht erkannt!”

Dann fing er lauthals an zu lachen.

Ich legte meinen Zeigefinger auf die Lippen und bat um „Psst!“, denn die Kollegen sollten ja noch nichts merken.

 

Dann führte Chiara uns, die beiden Neu-Geishas, zum Büro des Geschäftsführers.

Sie klopfte an, verbeugte sich tief und sagte mit todernster Stimme: „Sumimasen! Entschuldigen Sie die Störung. Wir haben heute zwei Besucherinnen, Frau Tanaka und Frau Murakami aus Tokyo. Die beiden möchten Deutschland und den Karneval kennenlernen und sind heute Morgen angereist.“

 

Der oberste Chef erkannte uns natürlich sofort, spielte aber mit und hieß uns willkommen. Zum Dank schnitten wir ihm gleich die Krawatte ab und gaben ihm ein Bützchen auf die Wange.

Diese Tat wurde dann von ihm mit den Worten „Oh, mit den einheimischen Bräuchen scheinen die Damen aber schon sehr vertraut zu sein“ kommentiert.

 

Dann begaben wir uns in die Büroräume, wo Barbara und ich schon mit einem lauten „Hallo“ und Komplimenten für die gelungene Verkleidung begrüßt wurden. Nun wurden erst mal sämtliche Krawatten, die greifbar waren, abgeschnitten und anschließend als Trophäen mit Tesafilm an einer Büroschrankwand aufgeklebt. Zur Wieder- gutmachung erhielten die malträtierten Herren mittels Schminkstiften eine Gesichtsbemalung und bekamen noch ein Küsschen auf die Wange.

 

Im Konferenzraum war ein Büffet aufgebaut, jemand hatte einen Kassettenrecorder mitgebracht, ein Kollege stimmte ein Karnevalslied an… ja, und ab diesem Zeitpunkt war Büroarbeit den ganzen Tag lang kein Thema mehr.

 

Nachmittags bekam unser Geschäftsführer Besuch von japanischen Geschäftsfreunden, die gerade aus der französischen Hauptstadt eingeflogen waren. Ein Besucher hatte sich am Pariser Flughafen schnell noch eine Dior-Krawatte gekauft und diese gleich umgebunden. Leider wusste er nicht, was ihn in Düsseldorf erwarten würde. Er hatte Tränen in den Augen, als seine sündhaft teure Krawatte der Schere zum Opfer fiel!

 

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Impressum

Texte: Rebekka Weber
Bildmaterialien: pixelio, Tradition – FG Roland Reinkober
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2018

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