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Memories

„Ich schließe die Augen und sitze wieder am Strand. Vor mir, im türkisblauen Wasser, tummeln sich die Surfer mit ihren bunten Segeln und aus den großen Lautsprecherboxen, die im Sand aufgestellt worden sind, erklingt zwischen den Durchsagen Musik. Gerade läuft „Smooth Operator“ von Sade. Ich habe die Stimme der Sängerin, ihr souliges Timbre noch genau im Ohr und es passt bestens in diese unbeschwerte Stimmung an diesem herrlichen Urlaubstag. Ganz entspannt sitze ich auf meinem Badelaken, um mich herum ist jedoch ein Kommen und Gehen von Menschen aus aller Welt. Gerade findet eine Surf-Weltmeisterschaft statt und dies ausgerechnet in meinem kleinen tunesischen Urlaubsort, in Port-El-Kantaoui.“

 

Für Ende August/Anfang September 1983 hatten meine Mutter und ich zum ersten Mal eine Flugreise ins außereuropäische Ausland gebucht und wir waren neugierig und ein wenig ängstlich zugleich, was uns denn wohl in Tunesien erwarten würde. Dieser erste Urlaub in diesem exotischen Land wurde jedoch einer der schönsten Urlaube, die ich erlebt habe.

 

Der Flug mit nur drei Flugstunden nach Tunis verlief glatt. Ein wenig Ärger gab es dann bei unserer Ankunft im Hotel „Club L’Alhambra“, das in dem kleinen Ort in der Nähe von Sousse lag. Aufgrund einer Überbuchung stand unser Zimmer noch nicht zur Verfügung und so sollten wir und weitere Gäste unserer Reisegruppe zunächst eine Nacht im Nachbarhotel verbringen. Meiner Mutter und mir machte das nicht viel aus, denn praktisch veranlagt wie wir nun einmal waren, fanden wir uns ganz einfach mit den Umständen ab und versuchten, das Beste aus der Situation zu machen. Anstatt uns zu beschweren und maulend an der Rezeption zu hängen, suchten wir aus unseren noch unausgepackten Koffern die Badesachen heraus und gingen zum Strand. Was für ein herrlicher Anblick: Ein Meer mit leuchtend türkisblauen Farben, über dem sich ein strahlendblauer Himmel wölbte!

 

Die erste Nacht verbrachten wir beide ganz entspannt nebenan, im Hotel „Abou Sofiane“. Als wir am nächsten Morgen aufwachten, ging meine Mutter gleich zum Fenster, öffnete es und rief entzückt: „Komm doch mal her! Ist das nicht herrlich? Vor unserem Fenster sieht es aus wie in der Bibel, wie auf einer Baustelle in Jerusalem!“

Und tatsächlich, unser Urlaubsort war damals noch im Aufstreben begriffen und es wurde fleißig gebaut. So wuselten im Hotelgarten - zwischen Palmen und Blumenbeeten - fleißige Handwerker und Baumeister herum, flankiert von Eselskarren und Kamelen.

 

Wir räumten das Zimmer und begaben uns wieder ins Hotel „Club L’Alhambra“, in unser eigentliches Domizil. Dort trafen wir auf unsere Mitreisenden, die sich lauthals beschwerten, dass ihre Zimmer immer noch nicht bezugsfertig wären. Sie hätten nun schon eine Nacht nebenan verbracht und wollten nun richtig einchecken. Schnell ergriffen meine Mutter und ich mit unseren Badesachen wieder die Flucht.

 

So verbrachten wir auch ganz entspannt unseren zweiten Urlaubstag und kamen abends bestens gelaunt zum Hotel zurück. Dort erwartete uns eine freudige Überraschung, denn wir konnten endlich das Doppelzimmer, das wir eigentlich gebucht hatten, beziehen! Die Hotelleitung entschuldigte sich mit einem liebevoll angerichteten Obstkorb, den sie in unser Zimmer hatte stellen lassen. Abends genossen meine Mutter und ich die himmlische Ruhe und lasen noch im Bett. Das Fenster hatten wir weit offen stehengelassen. Das hätten wir besser nicht gemacht, aber damals hatten wir noch keine Tropen-Erfahrung. Das helle Licht zog nämlich Insekten an und diese zerstachen nur zu gerne unsere Arme und Beine.

 

Am nächsten Morgen hatte ich große, juckende Bläschen zu versorgen und so machte ich mich auf den Weg zur nächsten Apotheke. Dieser führte am langen, feinsandigen Strand entlang, Richtung Stadtzentrum. Port-El-Kantaoui war damals – und hoffentlich wohl heute noch - ein entzückender Ort aus weißen Häusern, die sich um einen kleinen Hafen gruppieren; die Hotelanlagen selbst ziehen sich außerhalb des Stadtkerns wie Perlen auf einer Kette am Strand entlang. Roman Polanski hat übrigens in diesem Ort seinen Film „Piraten“ gedreht.

 

Meine Mutter und ich haben während dieses Urlaubs das Schwimmen im Meer genossen, viele Ausflüge gemacht, haben den Kamelmarkt und die Medina in Sousse besucht, die Ruinen von Karthago und El-Djem gesehen und sind durch die engen Gassen des Künstlerdorfes Sidi Bou Said geschlendert. Im folgenden Jahr waren wir noch einmal in Tunesien, haben dann allerdings in einem anderen Hotel gewohnt, aber nicht weil es uns im Hotel „Club L’Alhambra“ nicht gefallen hätte, sondern weil es schon ausgebucht war.

 

Übrigens, das war ganz witzig… während meines ersten Tunesien-Urlaubs habe ich die Musik von Modern Talking kennengelernt. „You’re my heart, you’re my soul“, war zu jener Zeit der Knüller in den dortigen Hoteldiskos und wurde ständig gedudelt. Auf meine Frage nach dem Interpreten wollte der D.J. mir gar nicht glauben, dass ich Modern Talking noch nicht kannte. Na ja, im Ausland soll diese Zwei-Mann-Combo ja auch beliebter als in ihrer Heimat gewesen sein…

 

Ich wollte immer noch einmal – also ein drittes Mal – nach Tunesien reisen, habe aber in den darauffolgenden Jahren stattdessen in Marokko und in der Türkei Urlaub gemacht und mehrere Male Sri Lanka besucht.

 

Und dann gab es Anfang 2011 infolge des „Arabischen Frühlings“ auch in Tunesien schreckliche Unruhen, die schließlich in einer Revolution mündeten! Panzer patrouillierten in den Straßen der Hauptstadt Tunis, Geschäfte wurden geplündert, viele Tote und Verwundete waren zu beklagen. Der vom geflohenen Präsidenten Ben Ali abgesetzte Ministerpräsident Ghannouchi nahm vorübergehend die Regierungsgeschäfte wahr und versprach, die Verfassung zu respektieren und die Stabilität im Lande wieder herzustellen. Die dringend notwendigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen sollten auf jeden Fall umgesetzt werden. 2014 kam dann mit Beji Caid Essebsi der erste demokratisch gewählte Staatspräsident an die Macht und es schien, als wenn sich das Land von den Unruhen und der Revolution erholt hätte.

 

Im Juni 2015 erschütterte jedoch eine Schreckensmeldung die Welt: Ein Terrorist erschoss in einer Urlaubsanlage in Port-El-Kantaoui, in diesem malerischen Ort, wahllos 27 Menschen, die gerade am Strand relaxten! Um weitere Anschläge zu verhindern, wurden danach Hotelanlagen streng bewacht und Polizeistreifen patrouillierten überall im Land.

 

Zum Glück sind danach keine weiteren Anschläge erfolgt und die Lage im gesamten Land hatte sich wieder entspannt. Es wäre zu furchtbar gewesen, wenn dieses schöne Urlaubsland in Terror und Anarchie versunken wäre.

 

Da fällt mir Habib wieder ein, der stets gut gelaunte Einheimische, der damals mit seinem kleinen Motorboot Touristen vor der Küste spazierenfuhr. Wir liefen uns oft am Strand über den Weg und verständigten uns ganz gut auf Französisch. Auf meine Frage, ob er von den Touristen denn auch ein wenig Deutsch gelernt hatte, antwortete er lachend (auf Deutsch!): „Ich bin ein armer Schlucker!“

 

Diesem netten Kerl und seinem Land wünsche ich aus ganzem Herzen Frieden und Wohlstand!

 

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Impressum

Texte: Rebekka Weber
Bildmaterialien: Tunesien, pixabay
Tag der Veröffentlichung: 09.08.2015

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